31. Oktober 2007

Chasing Amy

Fuck Lando Calrissian! Uncle-Tom nigger!

Von all seinen Filmen ist Chasing Amy nicht nur mein persönlicher Lieblingsfilm, sondern auch Kevin Smiths ehrlichster, authentischster und ernstester Film. Er markiert seinen dritten Film nach Clerks und Mallrats und ist Bestandteil seiner View Askewniverse Reihe, welche in New Jersey spielt und auf sich untereinander verweist. Mit liebevollen Referenzen zu Butch Cassidy & Sundance Kid, Jaws, The Catcher in the Rye oder wie meistens Star Wars gespeist, erzählt Smith eine Geschichte, die er für seine Freunde Ben Affleck, Jason Lee und seine damalige Freundin Joey Lauren Adams (alle schon Teil von Mallrats) geschrieben hatte. Mit dieser Idee, seine Freunde in den Hauptrollen zu besetzen, war Miramax wenig begeistert und wollte lieber bekanntere Gesichter wie Jon Stewart, David Schwimmer und Drew Barrymore casten. Smith begehrte jedoch auf und schlug Miramax vor, den Film selbst zu finanzieren und bei Interesse dann an sie zu verkaufen – am Ende kam er dann mit 1/24 des Mallrats-Budgets nach Hause. Dies bildet eine sehr unterhaltsame Anekdote in Smiths Q&A-DVD An Evening With Kevin Smith. Chasing Amy wurde also für 250.000 Dollar produziert und mit Kevin Smiths Wunschbesetzung verfilmt.

Holden McNeil (Ben Affleck) und Banky Edwards (Jason Lee) sind Zeichner für den Bluntman & Chronic Comic und lernen auf einer ComicCon durch ihren Bekannten, den schwulen Malcom-X-Verschnitt Hooper (Dwight Ewell), die Comicautorin Alyssa Jones (Joey Lauren Adams) kennen. Wenige Tage später lädt Alyssa Holden und Banky in einen Club ein, wo sie auf die Bühne gebeten wird um ein Lied anzustimmen. Es handelt sich um eine Liebeserklärung und Holden fühlt sich sichtlich geschmeichelt, während sich eine kurzhaarige Blondine neben ihn drängt. Als Alyssa fertig gesungen hat will Holden sie geradewegs in seinen Armen empfangen, als Alyssa eine wilde Knutscherei mit ebenjener kurzhaarigen Blondine beginnt! Nun wird auch Banky allmählich klar, dass sich die beiden in einer Lesben-Bar befinden. Nachdem er den anfänglichen Schock überwunden hat beginnt Holden eine intensive Freundschaft mit Alyssa, bis das unweigerliche kommen muss: beide verlieben sich ineinander. Als sie tatsächlich eine Beziehung eingehen muss Holden sich nicht nur mit der Eifersucht seines besten Kumpels Banky auseinander setzen, sondern auch mit Alyssas Vergangenheit.

Kevin Smiths ganz persönlicher Science-Fiction Film, denn jede homosexuelle Frau würde sagen, dass dies niemals passieren wird, beeindruckt durch seinen ernsten und stringenten Ton, nicht unterbrochen von irgendwelchen zottigen Einschüben. Er weiß sich sogar selber auf die Schippe zu nehmen, wenn er Holden in einer Szene sagen lässt, dass er sich eigentlich zu höherem berufen fühlt und einen Comic zu schreiben nicht zu seinen Träumen gezählt hat. Aber er wisse auch, dass Schwanz- und Furz-Witze eben für seinen Unterhalt sorgen, selbst wenn er nicht für seine Arbeit an Bluntman & Chronic in Erinnerung behalten werden will. Smiths Fans, besonders die Nordamerikanischen, lieben seinen primitiven Humor, welcher sich um Sex, Schwänze und derlei mehr dreht, Mallrats selbst ist durchzogen von diesem Humor und auch in Dogma und Jay & Silent Bob Strike Back findet dieser wieder Einzug. In Chasing Amy jedoch beschäftigt sich Smith mit der Liebe und zwar auf eine sehr ernste Weise, zumindest unter dem Deckmantel von diskriminierenden Beleidigungen seitens Banky. Holden verliebt sich in die lesbische Alyssa und kann seine Gefühle zu einem Zeitpunkt nicht mehr zurückhalten. Er spürt, dass Alyssa ähnliche Gefühle für ihn hat, sieht jedoch nicht das Problem, vor welches er Alyssa stellt und dass sie ihm auch offenbart: für Holden würde sich in einer Beziehung nichts ändern, doch Alyssa muss ihre ganze Persönlichkeit hinterfragen und so hat sie auch mit den Reaktionen ihrer lesbischen Freundinnen hinterher zu kämpfen.

Banky betrachtet Holdens Gefühle für Alyssa als Eingreif in sein Terrain, sah er Holden und sich doch als eine Art dynamisches Duo. Es stört Banky jedoch die zweite Geige zu sein und für seine Arbeit – die Linien von Holden nachzuzeichnen – nicht die gebührende Anerkennung zu erfahren. Mit Alyssas Auftreten gerät Banky immer mehr ins Hintertreffen, Holden verbringt weniger Zeit mit ihm, als mit seiner neuen Freundin. Seine scheinbar homophobe Art wird im Laufe des Films mehrfach thematisiert und Banky ist sicherlich die männliche Figur in Smiths Handlung, wenn er Alyssa beispielsweise fragt, ob sie, da sie ja auf Frauen steht, den ganzen Tag nackt vorm Spiegel verbringt. Aus dieser Dreiecksgeschichte kristallisiert sich ein – für Smithverhältnisse – hochdramatisches Finale heraus, welches eine andere Wendung nimmt, wie in allen anderen Smith Filmen. Sein inszenatorisches Talent ist dabei auf das einfachste konzentriert und Smith erklärt auch selber im Audiokommentar und im Zuge seiner Evening-DVD dass dies das beste ist, was man von ihm erwarten kann – alles natürlich immer mit einem Augenzwinkern. Die Ernsthaftigkeit des Filmes wird zudem auch von seiner musikalischen Unterstützung bekräftigt, welche wie vieles andere untypisch für einen klassischen Smith-Film ist (auch wenn Jay & Silent Bob ihren obligatorischen Auftritt haben). In Kurzauftritten sind nicht nur Produzent Scott Mosier, sondern auch Ben Afflecks Bruder Casey, Clerks-Star Brian O’Halloran und Matt Damon zu bewundern.

Wie erwähnt beinhaltet Chasing Amy wie immer bei Smith Verweise und Diskussionen zu Star Wars und bietet nicht nur durch Hooper eine schöne Referenz zu Smiths Lieblingsfilm Jaws, sondern auch durch eine unterhaltsam-übernommene Szene, welche wie Smith im AK erwähnt alle Zuschauer unter 17 an Lethal Weapon 3 und alle anderen drüber richtigerweise an Jaws erinnern wird. Sehr gelungen ist auch ein Seitenhieb von Jason Mewes auf sich selbst, wenn er den Ausruf „Snoochie-Boochie“ als Kindersprache verklärt. Neben dem Film lässt sich auf der Criterion Edition der DVD auch Smiths Audiokommentar bewundern, welcher durch Jason Mewes, Scott Mosier, Ben Affleck und andere ergänz wird, was zur Folge hat, dass weniger über den Film per se gesprochen wird, sondern Smith dieses Medium zu seinem Affleck-bashing benutzt, bzw. vice versa. Dieser Schlagabtausch wird auch in den Intros zu einigen geschnittenen Szenen fortgesetzt, welche zumeist wegen ihrer Länge oder – wie Smith es ausdrückt – wegen Afflecks „zu gutem Spiel“ aus dem Film entfernt wurden. Für Fans von Kevin Smith ist Chasing Amy auf alle Fälle eine Pflicht-DVD im Regal (auch wenn Smith selber zur damaligen Zeit die Laserdiscs vorzog) und toppt für mich persönlich alle seine anderen Werke um ein kleines bisschen, weshalb er mein erklärter Lieblingsfilm von ihm ist und immer wieder gerne gesehen wird.

9/10

28. Oktober 2007

Reservoir Dogs

Torture you? That's a good idea. I like that.

Eine der klassischen Hollywoodgeschichten ganz nach dem Motto „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ nahm mit diesem Film ihren Anfang. Ein Videothekenangestellter in Manhattan Beach schreibt innerhalb von 3 ½ Wochen ein Drehbuch und ist heute weltweit unter den Namen Quentin Tarantino bekannt. Dabei ist die Story im Ganzen noch abstruser, als sie ohnehin schon wirkt. Tarantino war zu diesem Zeitpunkt mit Produzent Lawrence Bender befreundet und dieser nahm das Drehbuch zu Reservoir Dogs mit in seine Schauspielklasse, wo er es seinem Lehrer gab. Dieser wiederum las es und schickte es von Los Angeles nach New York zu seiner Frau. Diese Frau, Lilly Parker, führte das Drehbuch zu Harvey Keitel, welcher anschließend nicht nur Co-Produzent, sondern auch Nebendarsteller wurde und wie Tarantino immer wieder hervorhub, dem Film Legitimität verlieh. Tarantino, welcher zuvor sein Skript zu True Romance für den Mindestpreis verkauft hatte, wollte Reservoir Dogs unter allen Umständen selber inszenieren und erwehrte sich gegen ein Engagement von Tony Scott und hätte Reservoir Dogs notfalls auch für dreißigtausend Dollar gedreht.

Fünf sich nicht bekannte Gauner werden von Joe (Lawrence Tierney) und seinem Sohn Nice Guy Eddie (Chris Penn) für einen Juwelenjob engagiert. Aber der Raub geht schief, die Polizei steht bereit und macht Jagd auf die Bande. Es gelingt Mr. White (Harvey Keitel) und Mr. Orange (Tim Roth) zu dem geheimen Treffpunkt, einem Lagerhaus, zu gelangen, doch Mr. Orange ist durch einen Bauchschuss schwer verwundet. Als mit Mr. Pink (Steve Buscemi) ein weiterer Überlebender aufkreuzt, äußert er Mr. White gegenüber seinen Verdacht eines Verräters innerhalb der Gruppe. Während Mr. White den verwundeten Mr. Orange in ein Krankenhaus bringen will, beharrt Mr. Pink darauf, auf Joe und die anderen zu warten. Ihr Handgemenge wird durch das Auftauchen von dem letzten Überlebenden der Gruppe, Mr. Blonde (Michael Madsen), unterbrochen. Während die Emotionen allmählich hoch kochen, wird in Rückblenden die Vorgeschichte des Coups und der Hintergrund von Mr. Orange, Mr. White und Mr. Blonde geklärt – und auch, wer der Verräter ist.

Quentin Tarantino ist ein Filmnerd wie er im Buche steht und wer seine Filme kennt, der weiß, dass er sich nicht dafür zu schade ist, Handlungselemente anderer Filme zusammen zu klauen. Im Gegenteil, Tarantino gibt diese Tatsache unumwunden zu und offenbart, dass die Idee die Charaktere in schwarze Anzüge zu stecken aus John Woo’s Ying hung book sik II (A Better Tomorrow II) von 1987 stammt, ebenso wie er zwei Szenen und eine Plotidee aus Ringo Lam’s Lung fu fong wan (City on Fire) aus demselben Jahr übernommen hat. Das Benennen der Charaktere nach Farben um ihre Anonymität zu sichern kam bereits in The Taking of Pelham One Two Three vor. Mit Reservoir Dogs beginnt auch aber die Einführung in Tarantinos eigenes Universum, voll von Big Kahuna Burgern und anderen Dingen. Reservoir Dogs hat Querverweise zu True Romance und Pulp Fiction, Mr. White ist der Cousin von Jimmy aus Pulp Fiction und hat früher mit Alabama aus True Romance zusammengearbeitet, währen Mr. Blonde alias Vic Vega, der Bruder von Vincent Vega aus Pulp Fiction ist. Die Schauspieler Harvey Keitel, Steve Buscemi und Tim Roth hatten schließlich auch Auftritte in Pulp Fiction, Michael Madsen eine Rolle in Kill Bill: Volume II.

Eines von Tarantinos Markenzeichen ist seine Verwendung einer Kofferraumszene.

Reservoir Dogs weist alles auf, was typisch für Tarantino ist, von seinen obligatorischen Kofferraumszenen, hin zu seiner Frühstücksgesprächsrunde in einem Diner oder seinem Dialogreichtum. Highlight ist hierbei sicherlich Mr. Blondes Gang aus dem Lagerhaus zu seinem Kofferraum um einen Kanister Benzin zu holen, was uns Tarantino in einer einzigen langen Einstellung serviert. Hierbei konzentriert er sich auf das wesentlichste des wesentlichen. Der Überfall und wie er schief geht spielt keine Rolle für die Handlung, wichtig ist allein, dass er schief gegangen ist. Mr. Blonde ist scheinbar durchgedreht und plötzlich war die Polizei vor Ort. Über Mr. Whites und Mr. Pinks Schilderungen der Vorgänge erhält das Publikum fast ein besseres Bild von Mr. Blonde, wie er hinterher selber geben kann. Mr. Blue und Mr. Brown bleiben in der Handlung außen vor, wir erfahren nichts über sie und Brown (Quentin Tarantino) ist auch der einzige der beiden, der überhaupt Textzeilen offerieren darf. Auch Mr. Pinks Hintergrund bleibt im Dunkeln, obschon er gegenüber Mr. White erwähnt, dass er Joe angeblich seit seiner Kindheit kennt.

Die Konzentration liegt also auf Mr. Orange – auch wenn Michael Madsen das in einem Interview bestritten hat – und seine Tätigkeit als verdeckter Ermittler in der Gruppe. Er ist der Unsicherheitsfaktor, derjenige, über den Joe und Nice Guy Eddie nicht viel wissen. Am nahsten mit den beiden verbunden ist Mr. Blonde und diese fast familiäre Verbindung führt am Ende auch zum großen Finale, während die Beziehung der beiden zu Mr. White rein freundschaftlicher Natur ist. Dabei ist Mr. White die ungenauste Figur aller vier Überlebenden, denn während Mr. Blonde eine kranke Natur ist, hat Mr. Pink nur sein Überleben zum Ziel. Mr. White hingegen war bereits in einer früheren Situation mit einem Maulwurf auseinander gesetzt, konnte diesen jedoch rechtzeitig ausfindig machen. Er fühlt sich aber für den Bauchschuss von Mr. Orange verantwortlich und will diesen daher nicht einfach so opfern, wie es alle anderen fordern. Charakterisieren tut Tarantino dabei wie immer seine Figuren nicht so sehr durch ihre Handlungen, sondern durch ihre Äußerungen. Wenn Mr. Pink aus Prinzip kein Trinkgeld geben will oder Mr. Blonde sich als Lee-Marvin-Fan offenbart – Tarantino lässt seine Figuren alltägliche, belanglose Gespräche führen, da dies nun mal das ist, was Menschen so machen, belanglose Gespräche führen.

In Reservoir Dogs trifft man wie bei Tarantino gewohnt verrückte Figuren, ideenreiche Dialoge, eine exzellente Musikauswahl und eine unterhaltsame Handlung, die sich auf das wesentliche konzentriert. Der Film besticht durch seinen eigenen Charme, welcher allen Werken Tarantinos zu Eigen ist und erkenntlich macht, was True Romance letzen Endes gefehlt hat. Dabei ist der Film nicht so rasant wie Pulp Fiction oder Kill Bill, sondern eine Dialogreiches Aufeinandertreffen verschiedener Figuren mit Autoritätsproblem. Wer hier zuerst wegschaut, der hat verloren und dass will sich niemand gefallen lassen. Somit ist Tarantino sein Spielfilmdebüt gelungen und sicherlich ein kleines Meisterwerk für sich genommen – wie viele Videothekenangestellte seitdem wohl ihre eigenen Drehbücher verfasst haben lässt sich wohl nicht ermessen.

9/10

25. Oktober 2007

Picnic at Hanging Rock

There’s some questions got answers and some haven’t.

Wenn sich ein Film als Wegbereiter verstanden wissen will, muss es sich konsequenterweise um einen Klassiker handeln. Picnic at Hanging Rock war im Jahre 1975 Australiens erster großer internationaler Hit und bildete den Anfang eines australischen New Wave Kinos unterstützt von George Millers Mad Max und Mel Gibson. Heutzutage versammeln sich viele bekannte Australier, sowie ihre Nachbarn die Neuseeländer, in und um Hollywood. Neben den Oscarpreisträgern Peter Jackson, Nicole Kidman und Russell Crowe gelten auch Naomi Watts, Heath Ledger oder Hugh Jackman als Exportschlager. Der australische Film selbst ist inzwischen wieder in eine Independent-Nische geschlüpft und selten auf dem grobschichtigen Filmmarkt zu finden, auch wenn Baz Luhrmanns nächstjähriges Projekt Australia mit Kidman und Jackman in den Hauptrollen hier eine Ausnahme bildet. Mit Picnic at Hanging Rock gelang es Peter Weir jedenfalls vor gut zwanzig Jahren den Fokus der Welt auf das australische Kino zu ziehen und hat dadurch und unterstützt von Joan Lindsays Romanvorlage von 1967 den Hanging Rock zu einem Nationalmonument gemacht, das noch heute von Touristen besucht wird.

Im beschaulichen Australien dürfen die Schülerinnen des Appleyard College am Valentinstag 1900 zu einem Picknick an der Felsenformation Hanging Rock aufbrechen. Die schöne Miranda (Anne-Louise Lambert) verabschiedet sich von ihrer Zimmernachbarin Sara (Margaret Nelson), welche aus disziplinarischen Gründen als einzige im College bleiben muss. Fernab von ihrer strengen Direktorin Mrs. Appleyard (Rachel Roberts) versprechen sich die Mädchen einige unbeschwerte Stunden, auch wenn ihre Aufpasserinnen Miss McCraw und Mademoiselle de Portiers (Helen Morse) sie darauf hinweisen, dass sie in der Umgebung vor den Felsen und Schlangen gefeit sein sollen. Miranda, sowie ihre Freundinnen Irma (Karen Robson), Marion und die nervige Edith (Christine Schuler) erhalten von Mademoiselle die Erlaubnis den Hanging Rock zu erkunden, sollen jedoch rechtzeitig wieder zur Abfahrt zurück sein. Als die Mädchen den Fels besteigen, werden sie von dessen spiritueller Schönheit eingenommen und in einem tranceähnlichen Zustand verschwinden Miranda, Irma und Marion in einer der Felsspalten, während die nörgelnde Edith zurückbleibt.

Die nächste Szene ist die Ankunft am College, Mrs. Appleyard ist erbost, dass Miss McCraw die angegebene Uhrzeit nicht eingehalten hat und wird schließlich damit konfrontiert, dass drei der Mädchen und Mis McCraw verschwunden sind, die in Tränen aufgelöste Mademoiselle ohne sie zurückgekehrt ist. Die Polizei unter der Führung von Sgt. Bumpher (Wyn Roberts) kann keinerlei Misshandlung an Edith feststellen und findet auch keine Spuren über den Verbleib der anderen Mädchen. Während Mrs. Appleyard um den Fortbestand ihres Colleges zittert und einen Privatkrieg mit Sara beginnt, untersuchen die jungen Michael (Dominic Guard) und Albert (John Jarrat) selber das Verschwinden von Miranda und den anderen im Hanging Rock. Michael, von einer Faszination für Miranda angetrieben, als er diese am Tag des Picknicks selber am Hanging Rock ausgemacht hat. Und in der Tat findet Michael eine Spur, welche nach einem Transport ins Krankenhaus von Albert weitergeführt wird, der anschließend auf Irma stößt. Kann sie das Geheimnis aufklären?

Peter Weir besetzte seine Schulmädchen – abgesehen von Anne-Louise Lambert - mit unbekannten Mädchen aus Südaustralien, die nicht wegen ihrer Schauspielerei, sondern wegen ihrer unschuldigen Gesichter ausgesucht wurden. Dies hatte zur Folge, dass die Dialogszenen bei den Mädchen auf das Mindestmaß begrenzt wurden und in der Tat werden die meisten Dialoge von den älteren Schauspielern übernommen. Infolgedessen transportiert Weir den Hauptteil der Handlung durch seine Bilder und die musikalische Unterstützung, vor allem durch das Panflötenspiel von Gheorghe Zamfir. Dieses begleitet insbesondere das Verschwinden von Miranda und den anderen und verleiht dem ganzen dadurch etwas mystisches und übernatürliches. Aber auch die anderen musikalischen Verwendungen von klassischen Stücken unterstützen diesen sozusagen historischen Rahmen des Filmes und stehen damit im Kontrast zur rauen Umgebung Australiens. Dieser Kontrast wird auch durch die Hintergrundhandlung des klassischen britischen Mädchencolleges in der wüstenartigen Umgebung der britischen Kolonie hervorgehoben. Auch die lesbischen Untertöne nicht nur von Sara, sondern auch von Mademoiselle gegenüber Miranda gehören zu diesem Kontrastbild.

Mit einem geradezu lächerlichen Budget von rund vierhunderttausend Dollar gelingt es Weir eine eindringliche und dichte Atmosphäre zu schaffen, natürlich speziell ausgelöst durch den Steinkreis des Hanging Rock. Das Paublikum befindet sich in derselben Position, wie die Mädchen des Appleyard College und Einwohner des umliegenden Dorfes – was mit Miranda und den anderen geschehen ist. Wurden sie Opfer eines Verbrechens oder haben sie sich verirrt und sind in eine der Schluchten gefallen? Auch als Irma gefunden wird, kann das Geheimnis nicht aufgelöst werden, da sie sich an nichts mehr erinnert. Und der Film offeriert auch keine Lösung, gerade dieses offene Ende hat die amerikanischen Zuschauer daher verstört, als sie ein solches nicht gewöhnt waren. Ursprünglich hatte Lindsays Roman am Ende ein aufklärendes Kapitel, welches dem Leser offenbart, was wirklich mit Miranda und den anderen geschehen ist. Es wurde jedoch wieder aus der Fassung herausgenommen, da es die Wirkung des Romans zerstört. Und in der Tat ist die Handlung mit ihrem interpretativen Ende sehr viel abgerundeter, wie durch ihr tatsächliches Ende. Die Antwort auf die Handlung ist jedoch eine ganz klar übernatürliche, was durch Zamfirs Musik und Mirandas Wortwahl zu Beginn, sowie den Stillstand der Uhren beim Picknick überdeutlich wird. Das ganze Geschehen bildet nach Lindsays Wunsch eine Symbiose aus den westlichen, englischen Einflüssen und der spirituellen Umgebung des Australiens der Aborigines.

Als Miranda verschwindet, bezeichnet Mademoiselle sie als einen Engel Botticellis und ihre Blicke sagen hierbei mehr wie tausend Worte. Ähnlich ergeht es Sara, der Miranda zu Beginn klar macht, dass sie lernen muss, andere Menschen zu lieben. Die Ursache für die disziplinarische Maßnahme liegt scheinbar in Saras Gefühlen für Miranda, was wiederum erklärt, weshalb Mademoiselle im Laufe des Filmes so beschützerisch über Sara wacht. Auch Michael fasziniert Miranda und weckt damit sein Interesse an ihrem Verschwinden und führt schließlich dazu, dass Irma gefunden werden kann. Der Film beginnt zwar mit einer Einblendung, welche vermuten lässt, dass seine Handlung auf wahren Begebenheiten beruht, tatsächlich tut er dies jedoch nicht. Dies war ein kreativer Kniff von Lindsay, welche ihrem Roman dadurch noch mehr Mystik einhauchen wollte. Durch seine für das australische Kino maßgebende inszenatorische Stärke durch schöne Landschaftsaufnahmen und eine Einbeziehung der englischen und einheimischen Ursprünge gelingt es Picnic at Hanging Rock eine greifbare Spannung aufzubauen und zugleich protestierend gegen das damalige Establishment vorzugehen. Weir wollte 1998 mit einem gekürzten Director’s Cut einigen inhaltlichen Längen entgegnen, was von der Fangemeinde jedoch auf Ablehnung stieß. Somit ist trotz einiger Längen die ursprüngliche Fassung vorzuziehen und macht Picnic at Hanging Rock zu einem Klassiker von bildhafter Schönheit.

9/10

21. Oktober 2007

Y tu mamá también

Who cares who you two fucked when you come that fast!

Wenn die DVD einen Film als Mexican Pie, bzw. die mexikanische Antwort zu American Pie tituliert – was mir bei der ersten Sichtung entgangen war – dann spricht das in meinen Augen eher gegen den Film, vor allem das aus Mexiko in den letzten Jahren sehr gute Filme und Regisseure zu kommen pflegten. Und obschon ich Y tu mamá también eine gewisse philosophische Note attributiere, ist er prinzipiell dann eigentlich doch nichts anderes als eine spanischsprachige Variante von American Pie. Und wie dieser, gelang es auch Y tu Erfolge einzuheimsen, brach der Film doch in Mexiko einen Einspielrekord, als er am ersten Wochenende 2, 2 Millionen Dollar einspielte und sogar eine Oscarnominierung für sein Drehbuch einheimste. Diese Nominierung erhielten die Gebrüder Cuarón, wobei hier, wie bei vielen Regiebrüdern – Ridley/Tony Scott, Jonathan/Ted Demme – der eine Bruder, Alfonso, berühmter ist als der andere, Carlos. Und geradezu erstaunlich ist auch, dass sich Alfonso Cuarón mit diesem sehr pubertären Film für denn Prisoner of Azkaban der Harry-Potter-Reihe qualifiziert hat, bedenkt man die Zielgruppe beider Filme.

In Mexikostadt verabschieden Tenoch (Diego Luna) und Julio (Gael García Bernal) ihre Freundinnen am Flughafen, als diese einen Sommerurlaub in Italien anstreben. Danach geben sich die beiden Jugendlichen Partys und Drogen hin, in der Hoffnung bei einer und mehreren Damen landen zu können, wenn sie nicht gerade im Schwimmbad masturbieren. Auf der Hochzeit von Tenochs Schwester treffen die beiden dann auf Luisa (Maribel Verdú), die spanische Frau eines von Tenochs Cousins. Ohne sich etwas dabei zu denken, erzählen die beiden Jungs ihr von einer träumerischen Himmelsbucht, zu der sie fahren wollen und zu der Luisa recht herzlich eingeladen ist. Keine der Parteien nimmt die andere ernst, was sich ändert, als Luisas Mann ihr einen Seitensprung gesteht und Luisa die Reise der Jungs mit antreten will. In der Hoffnung auf ein sexuelles Abenteuer stampfen die beiden Charolastras einen mehr schlecht als rechten Road-Trip zusammen, unterlegt mit Marihuana und sexuellen Anekdoten. Als die sexuelle Spannung mit jedem gefahrenen Kilometer zunimmt, gerät auch die Freundschaft von Julio und Tenoch ins Wanken.

Wie das bei Jugendlichen eben so ist, wird ihr Alltag von Sex bestimmt. Wie er war und mit wem man gerne würde und was man dann alles macht – dies müsste den meisten Männern bekannt sein. Dabei sind Tenoch und Julio relativ ungewöhnliche Freunde. Während Julio aus durchschnittlichen Verhältnissen stammt und ohne Vater aufgewachsen ist, arbeitet Tenochs Vater für die Regierung, was seiner Familie ein gewisses Maß an Reichtum beschert. Ihre beiden Freundinnen sind ebenso miteinander befreundet und an sich steht auch nicht viel zwischen den beiden Charolastras, „Astralcowboys“, sie masturbieren zusammen und sind auch sonst gänzlich unzertrennlich. Das hat in mehreren Szenen schon einen homoerotischen Charakter, wobei dies bei innigen Männerfreundschaften meistens der Fall ist. Aber es ist nicht alles gold was glänzt, denn beide finden bei sich auch Antipathien, welche sie sich jedoch selber nicht mitteilen. Erfahren tut dies der Zuschauer wie viele andere Hintergründe und Nebenhandlungen von einem allwissenden Erzähler, der die Handlung aus dem Off begleitet und an dass Jeunetsche Erzählschema erinnert.

Die Crux der Handlung ist Luisa, bzw. das sexuelle Interesse der beiden an ihr. Bis es zur Offenbarung des Problems kommt, hatten scheinbar weder Tenoch noch Julio über das Auftreten dieses nachgedacht. Die Stimmung beginnt jedoch zu schwanken, als Luisa bei einem Zwischenstopp mit Tenoch schläft und dies Julio missfällt. Daraufhin kommt es zu dem Beginn von Geheimnisaufklärungen und weiteren sexuellen Akten, während die Clique ihrem irrwitzigen Ziel näher kommt: dem Strand. Die Cuaròns erzählen ihre Coming-of-Age-Story mit vielen sexuellen Anspielungen und Untertönen, sowie reichlicher Fleischbeschaung, sodass der Film ein für seine Zielgruppe hohes Rating bekommen hat, welches zu studentischen Nackt(!)-Protesten in Mexiko geführt hatte. Von seinem Grundprinzip keine Neuerfindung des Rades, unterhält Cuaròn seine Zuschauer/innen durch zwei sympathische Verlierer auf ihrer Suche nach Sex. Zwei Teenies, die sich wie Don Juans präsentieren und unter vorzeitigem Samenerguss leiden, die glauben jede Frau haben zu können und sich dabei selber in die Irre führen und am Ende von der Wahrheit aufgeschreckt werden. Ein gelungenes Frühwerk eines inzwischen großen Regisseurs.

7.5/10

17. Oktober 2007

Stardust


We always knew you were a whoopsie.

In Hollywood boomt das Geschäft mit Fantasyfilmen. Nicht nur wird alles verfilmt, was jemals auf eine Serviette gekritzelt wurde und Superhelden-kompatibel ist, nein, jede Märchenähnliche Geschichte mit Elfen und Tralala hat so sicher wie ein bestätigtes Budget, denn jeder Film könnte der neue Herr der Ringe oder Chroniken von Narnia sein. Selbst deutsche Literatur wie Cornelia Funkes Tintenherz wird verfilmt, und wenn die Amis was aus Deutschland verfilmen kann man sich sicher sein, dass das Genre heiß ist, verdammt heiß. Da ist es bereits Schmeichelei, dass man bereits 1998 auf Neil Gaiman zuschritt, als dessen Phantasiemär Stardust erschien. Miramax wollte sich die Rechte sichern, hatte aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Gaiman war mit deren Vorschlägen ziemlich unzufrieden und lehnte folgerichtig ab – da muss Hollywood erstmal geschluckt haben, passiert es ja nicht alle Tage, dass jemand ihre Millionen ausschlägt. Später diskutierte Gaiman eine Verfilmung mit Terry Gilliam – der schließlich The Brothers Grimm machte – und Matthew Vaughn, den deutschen Bunte-Lesern als Claudia Schiffers Mann bekannt.

Auch Vaughn trat zunächst von dem Projekt zurück und machte stattdessen Layer Cake. Mit Gaiman befreundet kam er jedoch nach seinem Film wieder auf das Stardust-Thema zu sprechen und erklärte sich bereit den Stoff zu verfilmen und sagte dafür sogar X-Men: The Last Stand ab (sicherlich keine falsche Entscheidung). Das Projekt landete bei Paramount Pictures und wurde mit 65 Millionen Dollar veranschlagt (spielte bisher gerade seine Kosten wieder ein). Gaimans Vorlage ist im Gegensatz zum Film eher ein Märchen für Erwachsene, inklusive Gewalt und Sex, wovon Vaughn jedoch etwas Abstand nehmen wollte und daher mehr Witz und Humor beifügte. Für diese Szenen, insbesondere die romantischen, schlug ihm Gaiman Jane Goldman vor und so ist Stardust eine wilde Mischung aus Sex, Gewalt und Humor – doch dazu später mehr. Die Besetzung hatte Vaughn selbst zu großen Teilen bereits selber vorgenommen und konnte für sein Werk Stars wie Robert De Niro, Michelle Pfeiffer, Ricky Gervais, Sienna Miller, Claire Danes und weitere gewinnen – äußerst viel versprechend also.

Vor 150 Jahren lebte in einem kleinen englischen Städtchen namens Wall der Junge Dunstan Thorn. Dieser schaffte es die sagenumwobene Mauer außerhalb von Wall zu überschreiten und landete in dem Märchenreich Faerie. Dort traf er auf einem Markt die hübsche Hexensklavin Una und verbrachte eine Nacht mit ihr – um neun Monate später Unas Geschenk und seinen Sohn Tristan zu erhalten. Als dieser in Dunstans Alter ist, versucht Tristan (Charlie Cox) alles um die Liebe der hochnäsigen Victoria (Sienna Miller) zu gewinnen. Selbst einen Stern will er ihr besorgen, nur dumm, dass dieser gerade jenseits der Mauer niedergegangen ist. Doch Tristan schafft es in das Märchenreich und zu dem Stern, der sich in der Gestalt der hübschen Yvaine (Claire Danes) manifestiert. Diese trägt das königliche Amulett von Stormhold um ihren Hals, hinter welchem die königlichen Erben Septimus (Mark Strong) und Tertius (Jason Flemyng) her sind. Während Tristan mit Yvaine zurück nach Wall zu Victoria möchte, versuchen nicht nur die beiden Prinzen ihrer habhaft zu werden, sondern auch die böse Hexe Lamia (Michelle Pfeiffer), die gemeinsam mit ihren Schwestern Yvaines Herz zur ewigen Jugend essen will. Unterstützung erfahren Tristan und Yvaine in dem Luftpiraten Captain Shakespeare (Robert De Niro), welcher selber ein kleines Geheimnis mit sich herumträgt.


In Zeiten von Tolkien und Rowling, von Frodo und Harry Potter, ist es schwer das Publikum noch groß zu überraschen, der Markt gesättigt. Doch auf seine eigene Art weiß es Stardust zu gelingen, was an den Überbleibseln von Gaimans Werk liegen mag, denn Stardust ist obschon seiner mitunter kindischen Handlung eben doch an ein erwachseneres Publikum ausgerichtet. Spätestens wenn die königliche Familie von Stormhold frenetisch den Mord an ihrem Mitglied Secundus (Rupert Everett) feiert, wird einem klar, dass dies kein übliches Märchen ist. Und der Erzähler geht zweifellos nicht zimperlich mit seinen Figuren um, auch wenn einem mit Tristan und Yvaine zwei typische Kinderfiguren offeriert werden. Mit seiner naiven Art gelingt es Tristan unglaubwürdigerweise immer wieder seinen Kontrahenten einen Schritt voraus zu sein und so liebreizend eine immer noch scharfe Michelle Pfeiffer mit ihrer böswilligen Art anzusehen ist, ist ihre Figur Lamia doch eine Niete auf ganz großen Niveau. Ähnlich verhält es sich mit Septimus, denn beide agieren nicht wirklich in der Handlung, sondern mehr so nebenher, bis am Ende alle aufeinander treffen. Diese Nebenplots dienen der spaßigen Erheiterung, lassen die Handlung jedoch ein ums andere Mal stocken.

Ohne Frage ist Stardust eine erfreuliche Erscheinung, wobei sie jedoch sehr viel besser hätte sein können, wenn Matthew Vaughn nicht versucht hätte sie amüsanter zu gestalten. Denn die Sprüche zünden nicht immer (besonders Dexter Fletchers Kommentare aus dem Off nerven) und erheitern auch nicht, wirken stattdessen stümperhaft armselig und machen Stardust zu einem Film, der für Erwachsene zu kindisch und für Kinder zu erwachsen ist. Dieser Versuch zwischen Skylla und Charybdis durchzusegeln führt dazu, dass Stardust sein Potential nicht ausschöpft und vermuten lässt, dass der Mann hinter Guy Ritchie mit diesem phantastischen Stoff, dem Budget und den Erwartungen überfordert gewesen zu sein scheint. Das reißt auch ein im Tutu herumhüpfender Robert De Niro (was Travis Bickle wohl mit dem angestellt hätte!) nicht heraus, obschon er sich in seiner Rolle zu gefallen mag und damit seine Kinder ebenso beeindrucken dürfte wie es Johnny Depp mit der Figur von Jack Sparrow bei den seinen gelang. Gut möglich, dass diese erzählerische Schwächen auf die Synchronisation zurückzuführen sind, denn wenn De Niro seinen Namen Shakespeare im Film frivol als mit Speer schüttelnd erläutert, stößt einem dass dann doch sauer auf (auch wenn es sinnlich richtig ist). Stardust ist also kein Film für die Ewigkeit und keiner der Preise gewinnen wird, aber es gelingt ihm in der Menge nicht unterzugehen und kurzweilig zu unterhalten.

7/10

Reign Over Me

I was stuck in Charlie world, I couldn't leave.

Vom Leben gebeutelte Figuren – damit hat Regisseur Mike Binder bereits in Man About Town und The Upside of Anger bereits das Publikum konfrontiert. Jedoch nicht in dem Ausmaß, wie er es dieses Jahr mit Reign Over Me getan hat. Seine Geschichte über die Nachwirkungen des 11. September lief kaum bis gar nicht in den deutschen Kinos. Aber das Michael-Bay-Bashing aus Snow Cake soll an dieser Stelle nicht nochmals wiederholt werden. Jedenfalls setzt sich Binder hier mit einem extrem ambitionierten Thema auseinander. Einem Thema, bei dem man als Regisseur schnell mal alles falsch machen und viele Leute vor den Kopf stoßen kann. Ursprünglich sollten Tom Cruise (Charlie) und Javier Bardem (Alan) die Hauptrollen spielen und zum Glück haben sie es nicht getan. Der überschätzte Tom Cruise lehnte das Projekt ab und der talentierte Bardem schlug stattdessen Adam Sandler vor, schied wenig später jedoch selber aus dem Projekt aus. Sandler, von der Rolle zuerst zurückgeschreckt, sagte schließlich doch zu und spielte die zweite Hauptrolle neben Don Cheadle.

Alan Johnson (Don Cheadle) ist Zahnarzt, mit seinem Job und seinem Leben jedoch unzufrieden. Von den Kollegen in seiner Praxis nicht geschätzt und von seiner Frau an der kurzen Leine gehalten, vermisst Alan den Freiraum und schreibt dies seinen fehlenden Freunden zu. Mit diesen Problemen und anderen, beispielsweise einer Patientin (Saffron Burrows), die ihn oral befriedigen möchte, belästigt Alan gerne seine Psychiaterkollegin Angela (Liv Tyler) - außerhalb ihrer Praxis. Frischen Wind erhält Alans Leben, als er auf seinen Studienfreund Charlie Fineman (Adam Sandler) trifft. Alan geht distanziert mit Charlie um, hat dieser doch bei den Terroranschlägen vom 11. September seine Frau und drei Töchter verloren. Doch Charlie erkennt Alan zu Beginn überhaupt nicht und es stellt sich heraus, dass er alles was zu seiner Vergangenheit gehört, insbesondere seine Familie, verdrängt und verleugnet. Alan, der von Charlies unermesslichem Freiraum sehr angetan ist und dadurch in Streit mit seiner Frau (Jada Pinket-Smith) gerät, versucht alles, um Charlie wieder in die Gesellschaft einzugliedern und sich dem Leben erneut zu öffnen.

Konträrer könnten diese beiden Figuren - Alan und Charlie - nicht sein. Alan, gut situiert, lebt mit seiner schönen Frau und seinen beiden Töchtern in einem großen Apartment. Sein Alltag bestimmt sich durch Arbeit, der Pflege seiner Eltern und geruhsamen Abenden mit seiner Frau Daheim. Das dies mit der Zeit eintönig ist, wird jedem klar und daher erklärt Alan gegenüber Angela auch, was ihm fehlt: Zeit unter Männern. Mit Freunden abhängen, einfach gelegentlich sowohl vom Berufs-, wie Familienleben ausspannen. Doch außer seiner Familie hat Alan eigentlich niemanden. Hier ist der erste kleine Schwachpunkt der Geschichte, denn wieso jemand wie Alan keinen einzigen Freund hat, wird aus seiner Charakterisierung nicht deutlich. Er ist so gut aussehend, dass ihn eine noch besser aussehende Patientin in seiner Praxis oral befriedigen will und beweist in seinem Umgang mit Angela, dass er sehr wohl sozial aktiv sein kann. Jeden Abend mit seiner Frau zu verbringen kann da verständlicherweise auf Dauer langweilen – wobei Binder Alans Frau Janeane noch weniger charakterisiert und in keiner Weise andeutet, wieso auch diese keine Freundinnen zu haben scheint.

Auch Charlie hat keine Freunde - jedoch nicht weil er nicht kann, sondern weil er nicht will. Er spielt in einer Band in einem Punk-Laden und kann in seinen Interessensgebieten problemlos mit Menschen sozial interagieren. Aber er lebt in seiner eigenen kleinen Welt, einer Welt wo er alle Erinnerungen an seine Freunde und Familie ausgeklammert hat. Charlies bester Freund eröffnet Alan in einer Szene, weshalb Charlie so gut mit ihm, Alan, kann: weil Alan nichts über Charlies Leben weiß. Die letzten 15 Jahre in seinem Leben, inklusive Hochzeit und die Geburt der drei Töchter, hat Alan verpasst, erst aus der Zeitung überhaupt von deren Tod erfahren. Für Charlie ist Alan also einfach der alte Kumpel von der Schule, der nichts von ihm weiß, außer das, was er ihm erzählt. Und so hat Charlie keine Probleme Alan mit zu seinen Gigs oder einem Mel-Brooks-Marathon mitzunehmen und die Nächte bei sich zu Hause an der PlayStation durchzuzocken. Charlie teilt sein Leben in dieser Phase mit Alan und behält seinen Kummer und Schmerz. Alan hingegen will auch dies mit ihm teilen und seinem Freund ebenso zuhören, wie dieser ihm.

Manche Mängel, darunter die Einbindung der psychisch angeknacksten Donna (Saffron Burrows), stoßen etwas übel auf. Als Gesamtwerk bleibt Reign Over Me jedoch ein schönes Werk über Akzeptanz, Schmerz, Verlust, Bewältigung und Freundschaft. Dabei wird der Film getragen von seinen exzellenten Darstellern Cheadle und Sandler, später auch noch unterstützt von Donald Sutherland. Charlies Welt ist faszinierend, anziehend und abstoßend zugleich - die Freundschaft zu Alan das Herzstück des Filmes. Binder verziert sein Werk mit lustigen Charakteren und rockiger Musik und es gelingt ihm, dem Thema der Nachwehen von 9/11 gerecht zu werden. Exemplifizierend an Charlie erörtert er, was der Terroranschlag für die New Yorker bedeutet und erarbeitet Charlies Kummer mit Fingerspitzengefühl und äußerst diskret. In vielen rührenden Szenen beweist der Film trotz seiner gegebenen Schwächen sein enormes Potential und ist durch sein Nebenthema einer starken und Kraft gebenden Freundschaft einer der Filme dieses Kinojahres.

8/10

Macbeth

What’s done is done.

Vor kurzem noch über Shakespeares Hamlet ausführlich gesprochen, habe ich mich darauf eines weiteren seiner Werke angenommen, welches ebenfalls große filmische Fußspuren auszufüllen hat, so durch Orson Welles und Roman Polanski. Im letzten Jahr hat sich der Australier Geoffrey Wright, bekannt geworden durch sein Neonazi-Drama Romper Stomper mit Russell Crowe in der Hauptrolle, an den Shakespeareschen Stoff gewagt und in ähnlich wie Michael Almereyda mit Hamlet (2000) in die heutige Zeit transferiert. Duncan ist nicht der König von Schottland, sondern der König der Melbourner Unterwelt. Sein Vetter und Untergebener ist Macbeth, dargestellt von Sam Worthington, der zur Zeit mit James Cameron an dessen neuestem Geniestreich Avatar dreht, welcher sich bei einem missglückten Drogencoup als sichere Bank erweist.

Hier trifft das Publikum auch auf den Wendepunkt des Stückes: Macbeth ist erfolgreich und erhält von drei nymphenhaften Hexen ein böses und zugleich gutes Omen – er werde Duncan als König ablösen. Von Ehrgeiz gepackt und seiner Frau (Victoria Hill, ebenso Autorin) angetrieben, nimmt Macbeth sein Schicksal in die eigene Hand und ermordet Duncan im Schlaf, schiebt den Mord auf dessen Leibwächter und exekutiert sie, ehe sie ihre Unschuld debattieren können. Duncans Sohn Malcolm durchschaut die Machtkämpfe und ergreift die Flucht, dabei den Verdacht des Vatermordes auf sich ziehend. Macbeth wird in der Tat zum neuen König erwählt, hat aber mit einer weiteren Botschaft der Hexen zu kämpfen, prophezeiten diese doch dem Sohn seines Untergebenen Banquo’s die Königswürde. So kurz vorm Ziel verliert sich Macbeth in seinem von Wahn getriebenen Ehrgeiz und beginnt ein Blutbad, welches konzentrische Kreise zu ziehen im Beginn ist und vor niemandem halt macht.

In kräftigen und teils bunten Farben inszeniert Wright seinen Macbeth als jungen Draufgänger, emotional sehr kalt, Lady Macbeth dagegen von dem unerwarteten Tode des gemeinsamen Kindes aufgerüttelt. Schwerter werden durch Maschinengewehre und Revolver ersetzt, Drogen finden Einzug in die Geschichte und auch an nacktem Fleisch soll es nicht fehlen. Die Einordnung Duncans, Macbeths und der anderen in die Unterweltszene ist sicherlich kein Fehler im System, scheitert aber an den kläglichen Schauspielern und den geringen Mitteln. Erfreulich ist sicherlich anzumerken, dass Wright auf das Shakespearesche Englisch vertraut, und dies findet seine Ursache sicher in Baz Lurhmanns Romeo + Juliet, welches nicht weniger bleihaltig ausfiel. Insbesondere Sam Worthington tut sich jedoch mit der Rolle von Macbeth schwer und wenn ein Schauspieler mit seiner Rolle den ganzen Film trägt und scheitert, dann scheitert logischerweise auch der Film. Dabei war das Konzept von Wright sicherlich gut gewählt und bedenkt man seine Mittel kommt auch ein akzeptables Ergebnis – welches im diesjährigen FFF Wettbewerb lief – dabei heraus. Als Thriller wie Shakespeareadaption versagt Macbeth jedoch.

4.5/10

14. Oktober 2007

Snow Cake

Have you ever had an orgasm?

Mal wieder ein Film, denn ich gerne im Kino gesehen hätte, aber nicht konnte, da er kaum - und wenn, dann nicht lange - lief. Aber das ist meistens das Schicksal der guten Filme. Je besser der Film, desto weniger Leute wollen ihn sehen. Der Mensch ist ein anspruchsloses Wesen und will ebenso anspruchslos unterhalten werden (zum Glück gibt es für solche Menschen Personen wie Michael Bay). Vor allem in Amerika wissen Menschen gute Filme nicht zu schätzen, da ist es wahrhaft erschreckend, dass Snow Cake in den USA nicht einmal zwei Prozent seines Gesamteinspiels (lächerliche $25,000) erwirtschaften konnte. Und beinah noch erschreckender ist, dass es weltweit keine anderthalb Millionen waren. Eine schallende Ohrfeige für die Macher dieses bezaubernden kleinen Films mit seinen exzellenten Darstellern. Bedauerlich, dass Filmen um kämpfende Roboter das Geld in den Rachen geschmissen wird, während wirklich gute Filme Existenzkämpfe führen müssen. Auch wenn das internationale Einspiel genauso enttäuschend ist, beweist Snow Cake, dass Nichtamerikaner 50 Mal mehr Geschmack haben als Amerikaner.

Der introvertierte Alex (Alan Rickman), frisch aus dem Gefängnis wegen Mordes entlassen, trifft in einem Diner in Kanada auf die quasselige Vivienne (Emily Hampshire), welche in den beschaulichen Ort Wawa mitgenommen werden möchte. Alex zeigt zuerst keinerlei Interesse an dem jungen Ally-Sheedy-Verschnitt, erklärt sich anschließend jedoch bereit, sie auf seinem Weg nach Winnipeg mitzunehmen. Das Eis bricht bald und beide verstehen sich immer besser - bis kurz vor der Ankunft in Wawa Alex’ Wagen von einem Laster gerammt wird. Während er ohne Kratzer davon kommt, erliegt Vivienne ihren Verletzungen. Von Schuldgefühlen geplagt will Alex Viviennes Mutter Linda (Sigourney Weaver) seine Mitleidsbekundungen ausdrücken. Nur um festzustellen, dass es sich bei Linda um seine allein lebende Autistin handelt. Da Vivienne ihr im Haushalt geholfen hat und Alex von Gram erfüllt ist, erklärt er sich bereit, Linda wenige Tage beizustehen, um das Begräbnis auszurichten und den Müll rauszubringen. Dabei lernt Alex dann Lindas Nachbarin Maggie (Carrie-Anne Moss) kennen und wenig später lieben.

Wenn die Leute Autismus hören, dann denken viele wohl direkt an Rain Man. Ironischerweise referiert auch eine Figur in Snow Cake diesen Film, wenn sie Alex gegenüber erwähnt, dass sie alles über Autismus weiß, schließlich habe sie diesen speziellen Film gesehen. Und in der Tat kommt Linda im Film so daher, wie man es aus Rain Man gewohnt ist, denn sie ist ein Ordnungsfanatiker. Die Schuhe müssen ausgezogen und parallel zueinander an einer bestimmten Stelle aufgestellt sein, bei Umarmungen ist das Berühren durch Hände verboten und in die Küche darf keiner, da Linda jedes Detail überprüfen muss, egal ob sie selbst in der Küche war oder nicht. Zudem ist sie in alles Glitzernde vernarrt, ebenso wie in den Schnee und ihr heiß geliebtes Trampolin. Als Alex mit all dem zum ersten Mal konfrontiert wird, hält er es für eine Schockreaktion, verursacht durch den Tod der Tochter. Unsicher wie er reagieren soll, will Alex Linda unterstützen und ihr zur Hand gehen, so gut er kann. Das es sich hierbei um seine Schuldgefühle handelt, wird besonders später, wenn sein Geheimnis gelüftet wird, zumindest für seine Figur essentiell sein.

Snow Cake ist eine Geschichte von Akzeptanz - um die von Personen, Verlust, Schuldgefühlen, Eigenschaften und mehr. Drehbuchautorin Angela Pell hat Aspekte der Handlung der Beziehung zu ihrem eigenen autistischen Sohn nachempfunden und die Figur des Alex Alan Rickman auf den Leib geschrieben. Dieser ging mit dem Drehbuch bei seiner Galaxy Quest-Partnerin Sigourney Weaver hausieren und gewann sie für die Rolle der Linda – beides eine hervorragende Wahl. Der ohnehin brillante Rickman geht in der Rolle des zurückgezogenen Alex auf und Weaver verleiht der Autistin Linda die nötige Wärme und Magie. Snow Cake ist eine ruhige, bewegende Geschichte mit vielen äußerst liebenswerten Szenen, welche mitunter einen wirklich guten Film auszeichnen. Einziger Störfaktor ist Alex’ Beziehung zur Dorfmatratze Maggie, da diese für die Handlung nicht unbedingt wichtig ist, da was sich aus ihr ergibt sowie ihre ganze Konstellation dem Ganzen einen unglaubwürdigeren Touch verleiht (auch wenn Moss ihre Rolle ebenfalls überzeugend ausfüllt). Snow Cake ist ein wunderschöner kleiner Film, bestens geeignet für verschneite Sonntage.

7/10

12. Oktober 2007

Vorlage vs. Film: Hamlet

Hamlet (1603)

Fraglos ist William Shakespeare eines der literarischen Genies der Menschheitsgeschichte (insofern er existiert hat). Wie kein anderer Autor bestimm(t)en seine Stücke die Gesellschaft, von Theateraufführungen bis hin zu Verfilmungen. Hierbei sind seine Werke Romeo und Julia, sowie Hamlet die bekanntesten und beliebtesten Werke. Den Ursprung von Hamlet findet man dabei bereits Ende des 12. Jahrhunderts, als der dänische Gelehrte und Dichter Saxo Grammaticus eine lateinische Sammlung von Prosageschichten verfasste. In diesen erzählt er neben historischen Begebenheiten auch mythenhafte Legenden, darunter in seinem 3. und 4. Buch der Historica Danica eine Geschichte der Leiden, Abenteuer und Heldentaten eines gewissen Amlethus, Sohn von Horwendillus und Gerutha. Im Zuge des Buchdrucks konnte Saxos Werk zum ersten Mal 1514 gedruckt und in der Mitte des 16. Jahrhunderts mehrfach aufgelegt werden. Es war schließlich François de Belleforest, der 1570 im 5. Band seiner Histoires Tragiques seine französische Version von Saxos Stück, in welcher sich Amleth an seinem Onkel für den Mord am Vater und die Heirat der Mutter rächt, drucken ließ. Diese Version wurde 1582 ins Englische übersetzt und darf als Vorlage für Shakespeares berühmtes Stück gelten, das Anfang des 17. Jahrhunderts entstand.

Hamlet, König von Dänemark, ist tot. Kurz nach seinem Begräbnis heiratet sein Bruder Claudius seine Witwe Gertrude und wird somit selbst zum neuen König von Dänemark. Von Norden droht die Gefahr durch den norwegischen Prinzen Fortinbras, kann jedoch von dessen Oheim in letzter Sekunde abgewendet werden. Alles läuft bestens für Claudius, wäre da nicht die Melancholie seines Neffen und Stiefsohns Hamlet. Dessen Gram über den Tod des Vaters und die rasche Hochzeit der Mutter sorgt besonders bei dieser für Kummer. Sowohl Claudius wie Gertrude sind bemüht, die Gunst Hamlets zurück zu gewinnen. Währenddessen wird Laertes, Sohn des Kammerdieners Polonius, wieder nach Frankreich entsendet, jedoch nicht ohne zuvor seine Schwester Ophelia vor der Lüsternheit Hamlets zu warnen. Es ist eine unstandesgemäße Liebe, die nach Laertes und seines Vaters Polonius Meinung keine Zukunft hat („Dies Lodern, Tochter, (…) nehmt keineswegs für Feuer“), weswegen Ophelia ihren guten Ruf nicht ruinieren soll. Besonders Polonius glaubt Hamlets Melancholie auf die Liebe zu seiner Tochter zurückführen zu können und beginnt mit dem König und der Königin diesem Verdacht nachzugehen. Hamlet hingegen wird von seinem Studienkollegen Horatio und dem Wachmann Marcellus auf eine geisterhafte Erscheinung seines verstorbenen Vaters hingewiesen.

Zur Geisterstunde sucht Hamlet den Dialog mit seinem Vater und erfährt, dass sein Oheim für den Tod des Vaters verantwortlich ist. Hamlet wird von dem Geist seines Vaters auf einen Rachefeldzug eingeschworen („Zu rächen auch, sobald du hören wirst) – doch Hamlet traut dem ganzen noch nicht. Wer sagt ihm, dass es sich tatsächlich um den Geist seines Vaters, und nicht um eine Erscheinung des Teufels gehandelt hat („Der Teufel hat Gewalt sich zu verkleiden“)? Hamlet braucht Bestätigung, sieht sich zugleich jedoch von der Nachforschungen Polonius und Claudius gestört, welche seine ehemaligen Schulkameraden Rosenkranz und Güldenstern auf den Prinzen angesetzt haben. Das Eintreffen einer Schauspielertruppe kommt Hamlet gerade recht („Das Schauspiel sei die Schlinge, in die den König sein Gewissen bringe“), vor dem versammelten Hof lässt er ein von ihm abgewandeltes Stück, Die Mausefalle, aufführen, in welcher ein König von seinem Bruder umgebracht wird, der anschließend die Königin ehelicht. Hamlet und Horatio überführen Claudius der Tat, offenbaren aber zugleich ihre Karten. Durch ein Missverständnis bringt Hamlet bei einer Unterredung mit seiner Mutter den lauschenden Polonius um – Claudius will sich nunmehr Hamlets entledigen und schickt ihn nach England, wo dieser jedoch nie ankommt. Von dem Tod des Vaters erzürnt, kehrt Laertes nach Dänemark heim und trifft mit dem König ein Mordkomplott gegen Hamlet.

Durch den Tod des Vaters in den Wahnsinn gestürzt, begeht Ophelia Selbstmord. Bei ihrem Begräbnis kommt es zu einem Eklat, Claudius spinnt seinen perfiden Plan und lässt Laertes und Hamlet miteinander fechten. Bei dem Gefecht wird Hamlet von der giftigen Spitze Laertes Degen verwundet und zahlt es diesem ebenso heim. Den vom König vergifteten Kelch fällt Gertrude zum Opfer, Laertes sucht um Vergebung und enthüllt dem sterbenden Hamlet das Mordkomplott des Königs, der durch die Hand des Prinzen fällt. Am Ende, durch ihre familiären Zwiste abgelenkt, dringt Fortinbras in das Königreich ein und reißt es an sich. Nicht nur das Könighaus ist damit verloren, sondern der ganze Staat ins Unheil gestürzt – Auslöser war Claudius machtgierige Tat und treibende Kraft das zögerliche, von Rache durchzogene Handeln den Dänenprinzen Hamlet. Wie so oft bei Shakespeare gehen seine Figuren an ihrem eigenen Treiben zugrunde und mit ihnen wird ihr soziales Umfeld erschüttert („Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt, und Planen, die verfehlt zurückgefallen auf der Erfinder Haupt“). Hierbei spart Shakespeare keine gesellschaftliche oder politische Kritik („Wir gehen, ein kleines Fleckchen zu gewinnen, das keinen Vorteil als den Namen bringt“) aus.

Hamlet (1948)

Eine Miene mehr des Leidens als des Zorns.

Schauspiellegende Laurence Olivier zeichnete sich bei seiner Verfilmung als Autor, Hauptdarsteller und Regisseur aus, am Ende gewann er – unverdientermaßen – den Oscar als bester Hauptdarsteller und für den besten Film. Sein Hamlet besticht durch pulsierende Nahaufnahmen und einen Fokus auf Hamlets Ödipuskomplex, indem er Gertrude von der 28jährigen Eileen Harlie spielen ließ, wohingegen Olivier mit 41 Jahren ihren Sohn verkörperte. Hamlets Monologe erzählt er oft durch innere Monologe und schneidet sich wie die meisten Inszenatoren das Stück nach eigenem Gutdünken zurecht. Die Handlung wird unchronologisch erzählt und immer geradeso, wie es Olivier am besten passt, da geschieht die Intention von Claudius und Laertes Hamlet zu töten erst nach Ophelias Beerdigung. Die Besetzung ist dabei von durchschnittlich (Eileen Harlie, Terence Morgan) bis zu grauenhaft (Jean Simmons, Basil Sydney) geraten und Olivier inszeniert seine eigene Person durch narzisstisches over-acting mitunter ins grauenhafte, allerhöchstens noch von dem Darsteller des Horatio oder der als Tunte verleumdeten Figur des Osrick übertroffen.

Die meisten kritischen Ansatzpunkte von Shakespeare fehlen, beinahe schon obligatorisch der Norwegen- und Fortinbrasbezug, außerdem verzichtet Olivier gänzlich auf die Figuren von Rosenkranz und Güldenstern, legt deren Text stattdessen, wenn er ihn verwendet, ihn den Mund des Polonius. Hier ist Hamlet nichts anderes als eine große Laurence-Olivier-Show, in welcher der Brite sein ganzes Repertoire an Mimiken auszukosten wünscht und mitunter zwischen melancholischer und aggressiver Interpretation wankt. Bei der gegeben Lauflänge von zweieinhalb Stunden enttäuscht Olivier mit seiner Besetzungswahl und eigenen Hamlet-Interpretation gänzlich, wobei sehr viel mehr möglich gewesen wäre. Als Kulisse wählte er eine Mischung aus Film- und Theaterdesign, weiß in manchen Szenen fraglos zu überzeugen, überzieht in den übrigen allerdings durch sein plapperhaftes Rezitieren des Textes zu sehr. Die Figur des Polonius lässt sich in seinem Verhalten und seiner Wirkung auf Ophelia nicht nachvollziehen, geht doch seine Liebe gegenüber den Kindern über weite Strecken verloren und ist nur im Laertes-Dialog erkennbar.

3.5/10


Hamlet (1990)

Scham, wo ist dein Erröten?

Der Shakespeare erfahrene Italiener Franco Zeffirelli musste seine Version stark gekürzt ins Kino bringen, was man ihr mitunter sichtlich anmerkt. Wie auch Olivier verzichtet Zeffirelli auf die Fortinbrasgefahr und inszeniert Hamlet als familiäres Kammerspiel, in welchem Glenn Close als verliebte Version von Gertrude scheitert. Die Begegnung Horatios und Marcellus mit dem Geist, welche die Einleitung der Geschichte bildet, wird übersprungen, so wie auch andere Erzählstränge unchronologisch aufgeführt werden. Polonius (Ian Holm) erscheint als Wachhund des Königs und seine Gefühle für seine Kinder werden unter den Tisch gekehrt, weshalb die Familientragödie hier ihren Zweck verfehlt. Auch Ophelias Text wird stark geschnitten und kommt durch Helena Bonham-Carter keiner gebührenden Aufmerksamkeit zuteil. Abgesehen von Nathaniel Parker (Laertes) enttäuschen alle Schauspieler und Schauspielerinnen durch die Bank und finden ihren grotesken Gipfel in der Besetzung des Hamlet durch Mad Max-Darsteller Mel Gibson. Dieser gibt einen fast tollwütigen und stets aggressiven Hamlet, wenn er ihn nicht gerade im Gegensatz dazu bis zur Emotionslosigkeit spielt.

Wieso Ophelia wahnsinnig wird, lässt sich hier ohne den Polonius-Kontext nicht nachvollziehen, ebenso leidet die Charakterisierung von Claudius darunter, dass seine Szenen mit Polonius und Rosenkranz wie Güldenstern stark beschnitten sind. Die dunkle und teuflische Seite des Königs wird dabei unter den Teppich gekehrt und Hamlet von Gibson ganz in seinem Wahn aufgehend dargestellt. Insgesamt wird die Handlung durch Zeffirellis Zurechtschneidung in den meisten Szenen ihres Kontextes beraubt und rutscht mehrfach ins Lächerliche ab. Die Farbwahl, Kostüme und die Kulisse einer kargen, kalten, mittelalterlichen Burg weiß zu überzeugen, auch wenn ein in strahlendes Grün getauchtes Dänemark mehr wie England anzumuten weiß. Abgesehen von seinen Schnitten krankt Zeffirellis Werk am meisten an seinen falsch gewählten und daher schlecht agierenden Schauspieler und Schauspielerinnen, bildet insgesamt die zweifelsohne schlechteste Hamletverfilmung.

2/10


Hamlet (1996)

Dies über alles, sei dir selber treu.

Ebenso wie Laurence Olivier tritt auch Kenneth Branagh zugleich als Hauptdarsteller und Regisseur auf. In seiner beinahe vierstündigen Version erzählt er Shakespeares Werk chronologisch, Szene für Szene und Wort für Wort. Es werden keine Abstriche oder Umstellungen gemacht, alle gesellschaftlichen und politischen Untertöne finden Einzug in seine Verfilmung, welche er in einer schneebedeckten, viktorianischen Kulisse mit viel Pomp und Glanz spielen lässt. Gemeinsam mit Olivier und Zeffirelli hat Branagh jedoch den Ansatz in der Spiel-im-Spiel-Szene Hamlet überaus aufbrausend und an alle Personen gerichtet seine Wäsche waschen zu lassen. Branaghs Hamlet kommt als spannendes und unterhaltsames Epos, als Oper für die Augen daher, unterstützt von einem Starensemble, das bis in die Nebenrollen – Osrick (Robin Williams), Schauspieler (Charlton Heston), Totengräber (Billy Chrystal) – ausgezeichnet besetzt ist. Branaghs Wahl überzeugt und so ist Julie Christie die einzige, welche als Gertrude zu überzeugen weiß und Richard Briers, bedingt allerdings auch durch seine zumeist gestrichene Laertes-Szene, der beste Polonius.

Michael Maloney (Laertes) und Kate Winslet (Ophelia) überzeugen ebenfalls, stehen aber ihren 2000er Kollegen etwas hinterher, was bei Winslet an ihrer sexuellen Interpretation der Figur zu begründen ist. Der ehemalige Hamlet-Darsteller Derek Jacobi überzeugt als Claudius und bildet das Vorbild zu MacLachlans Interpretation vier Jahre später. Branagh selbst spielt den Hamlet an mancher Stelle zu aufbrausend, besonders gegenüber Polonius, und enttäuscht zum Ende hin in vielen übertriebenen und grotesken Grimassen, welche das Hauptmanko des Filmes darstellen. Trotzdem überzeugt er schauspielerisch von allen Hamletdarstellern am ehesten, auch wenn seine Interpretation der Figur wie erwähnt in manchen Szenen krankt. Als bildhafte Unterstützung verwendet Branagh an gegebenen Stellen das Mittel von Rückblenden, um den Wortlaut zu bekräftigen (z.B. die Yorick-Szene). Diese Rückblenden nehmen der Verfilmung ebenso wenig, wie sie ihr schenken, allein die sexuelle Interpretation der Hamlet-Ophelia-Beziehung erscheint unangebracht, da sie dem Kontext und den Worten Laertes und Polonius zuwider läuft. Abgesehen also von Branaghs Grimassen ist seine Version die treffendste und treueste gegen dem Shakespeareschen Stoff.

8.5/10


Hamlet (2000)

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.

Zum Jahrtausendwechsel hin versuchte sich Michael Almereyda in einer viel gescholtenen zeitgenössischen Interpretation von Hamlet. Er ordnet die Handlung in das New York des Jahres 2000 ein, aus Dänemark wird die Denmark Corporation und Hamlet (Sam Shepard) zu ihrem Vorsitzenden, der unerwartet stirbt. Hamlets Monologe finden oftmals in Form eines Videotagebuchs statt und Dialoge werden mitunter über Telefone, Emails und Faxe transferiert. Wie die meisten Regisseure folgt Almereyda einer unchronologischen Erzählweise und inszeniert Hamlet (Ethan Hawke) als eine rebellische Natur mit Vorbildern wie James Dean, Ernesto Guevara oder Kurt Cobain. Ähnlich wie in Zeffirellis Version werden Gertrude (Diane Venora) und Claudius (Kyle MacLachlan) als Verliebte gezeigt, die Liebe von Polonius (Bill Murray) zu seiner Tochter Ophelia (Julia Stiles) verliert mitunter ihren Kontext. Es tauchen ebenfalls die gesellschaftlichen und politischen Untertöne nicht auf, auch wenn die Figur des Fortinbras kurze Erwähnung findet.

Schauspielerisch gegenüber Branagh nicht überzeugend, liefert Hawke dennoch die meiner Ansicht nach beste Interpretation von Hamlet als einen melancholischen, verwirrten und zögerlichen Charakter ab. Von Unsicherheit geprägt wird Hawke nur selten aggressiv, sein trauriger Unterton geht ihm nie verloren. Bill Murray spielt den Polonius gut, aber viel zu emotionslos, als sei es eine Bürde für ihn vor die Kamera zu treten. Diane Venora enttäuscht auf ganzer Linie und ragt nicht an die Leistung von Christie heran. MacLachlan gelingt es den bösen Geist von Claudius einzufangen und hat sichtlich Jacobis Darstellung herangezogen. Bestechende Interpretationen liefern Stiles und Shepard, außerdem Liev Schreiber als Laertes und Steve Zahn als Rosenkranz. Außerhalb ihres Kontextes erhalten die Figuren bei Almereyda einen interpretativen Charakter, fraglos von Shakespeares Stück entfernt, dessen Idealen jedoch treu und beeindruckt durch seine zeitgenössische Inszenierung. Schauspielerisch und von seiner Interpretation her kommt diese unkonventionelle Version nach Branagh Meisterwerk an zweiter Stelle.

6.5/10

10. Oktober 2007

30 Days of Night

There are no such things as vampires.

Vampire. Wer kennt sie nicht, gemeinsam mit Zombies und Mutanten zählen sie zu den beliebtesten Gegner im Horrorgenre. Was alle drei gemeinsam haben ist ihre äußerliche Ähnlichkeit mit ihren menschlichen Vertretern, unterscheiden tun sie sich von diesen durch ihre oftmals übermenschlichen Fähigkeiten. Durch die gorelastigen Horrorstreifen der Herren James Wan, Alejandre Aja und Eli Roth hat das Genre im neuen Jahrtausend frisches Blut erhalten. Dasselbe lässt sich für das Comicgenre sagen, welches wiederum durch Bryan Singers X-Men und Sam Raimis Spiderman seinen festen Platz in den Spitzen der Kinocharts gefunden hat. Inzwischen wird alles, was jemals auf eine Serviette in einem Diner gekritzelt wurde von den Studiobossen wie wild gekauft. Mit der Blade-Trilogie hatte bereits einer der gezeichneten Vampire seinen Weg auf die Leinwände gefunden und es verwundert nicht, wenn ein Mann, der mit beiden Genres verbunden ist, einen symbiotischen Film herausbringt. Sam Raimi, dessen Name heutzutage mit der Spiderman-Trilogie in Verbindung gebracht wird, der seinen Namen in der Szene jedoch seinem kulthaft veehrten Evil Dead zu verdanken hat.

Sein langjähriger Partner in Produktionen wie Evil Dead, Darkman, Xena oder The Gift ist sein Freund Rob Tapert, mit welchem er 2002 die Produktionsfirma Ghost House Pictures gründete und seitdem Filme wie Boogeyman oder das amerikanische Remake zu Ju-on, The Grudge, zu verzeichnen hat. Raimis Wunsch war es mit 30 Days of Night, welches er als Herzensangelegenheit ansieht, zu seinen persönlichen Horrorwurzeln zurück zu kehren und auf fantasievolle Art Furcht zu erregen. Das Potential von 30 Days schätzte er dabei höher ein, als das der Horrorfilme der letzten Jahre. Als Regisseur für dieses Projekt wählten Raimi und Tapert den Werbe- und Musikvideoregisseur David Slade, der mit seinem Spielfilmdebüt Hard Candy für Furore gesorgt hatte. Sein kammerspielartiger Psychothriller über einen weiblichen Teenager, der einen potentiellen Pädophilen foltert, gewann mehrere Preise und begeisterte auch Raimi und Tapert. Die restliche Zusammensetzung von Produzenten und Crew setzt sich in Form von Vitamin B zusammen. Slade holte von seiner Hard Candy Crew seinen Drehbuchautor, Kameramann und Editor an Bord. Mit beiden letztgenannten hatte Slade bereits einschlägige Erfahrung bei Werbung und Musikvideos gemacht. Als ausführende Produzenten fungieren Personen, die mit Raimi und Tapert bei Boogeyman oder The Grudge zusammengearbeitet haben.

Die kleine Gemeinde Barrow im amerikanischen Staat Alaska ist keine gewöhnliche Gemeinde, denn jedes Jahr beginnt im Winter eine große Wanderung. Denn Barrow liegt nördlich des Polarkreises und während der Winterzeit dauert die Nacht nicht eine, sondern dreißig Tage. Dieser Umstand treibt viele Menschen dazu in diesem Zeitraum Richtung Süden zu ziehen. So hatte es auch Stella Olemaun (Melissa George) geplant, die ohnehin nur kurzfristig in der Stadt war, um eine Begegnung mit ihrem Mann Eben zu vermeiden, von welchem sie getrennt lebt. Eben Olemaun (Josh Hartnett) ist der Sheriff in Barrow und muss sich an diesem letzten Sonnentag mit dubiosen Zwischenfällen wie verbrannten Mobiltelefonen und bestialisch ermordeten Huskys herumschlagen. Schon früh geht Eben den Verdacht, dass es sich hierbei um keinen dummen Jungenstreich handelt, während Stella ihren Flug nach Seattle verpasst und somit die nächsten dreißig Tage um Dunkeln mit ihrem Mann feststeckt. Die Spannung zwischen den Ehepartnern wird jäh unterbrochen als ein mysteriöser Fremder (Ben Foster) die Stadt betritt. Auf der Polizeiwache beschwört er den baldigen Tod aller Einwohner und ehe Eben sich versieht, stehen er und die Einwohner dem mysteriösen Vampiranführer Marlow (Danny Huston) gegenüber – in einer dreißig Tage währenden Nacht…

Was bietet eine bessere Vampir-Horror-Grundlage als eine scheinbar immerwährende Nacht? Flüchten sich die meisten Gejagten in Vampirfilmen wie From Dusk Till Dawn durch höchstens zwölf Stunden am Ende in den rettenden Sonnenaufgang, ist ihnen dieser Ausweg in 30 Days of Night verwehrt. Wer nun jedoch eine 90minütige Hatz erwartet sieht sich getäuscht, denn Slades Film bewegt sich mehr auf einem Versteckspielniveau. Nachdem Marlow und seine Vampirbrut in Barrow einfallen, ergießen sie sich erstmal in Videospielästhetik über die Mehrheit der verbliebenen Einwohner. Die restlichen Überlebenden scharen sich um Eben und Stella zusammen und harren aus. Slade erzählt ihr Schicksal nach dem ersten Überfall in drei Zeitsprüngen, nach sieben, siebzehn und siebenundzwanzig Tagen. In der Zwischenzeit tun die Vampire scheinbar nichts, denn wenn es zu einem Überfall käme, würde Slade dies zeigen oder zumindest eine seiner Figuren verbal darauf hinweisen lassen. Bedenkt man die Tatsache, dass die Vampire 720 Stunden Zeit haben um ein 150-Seelen-Dorf auszumerzen, ist es in der Tat erstaunlich, wie selten es zu Attacken kommt. Sein groteskes Finale bietet sich hierin am Ende, wenn Marlow und die seinen erst einen Tag vor Sonnenaufgang langsam in die Gänge kommen. Dieser erhebliche Kontrast zwischen dem ersten und den letzten Tag widerspricht der ganzen Idee des Films.


Regisseur David Slade standen 35 Millionen Dollar, 250 Tonnen Kunstschnee und 4000 Liter Filmblut zur Verfügung, um ein Ambiente zu schaffen, das dem Publikum seinen eigenen Worten nach Albträume bescheren soll. Einen gruseligen Vampirfilm wollte er zu Stande bringen, denn von diesen, so fand er, gab es bisher nicht allzu viele und zudem seien diese alle gleich strukturiert. In 70 Drehtagen, die alle nachts stattfanden und von einem „Mittagessen“ um Mitternacht abgerundet wurden, versuchten sich Slade, Raimi und Co. dem Geiste des Comics treu zu bleiben. Dieser Comic stammt aus dem Jahr 2002 und aus der Feder von Ben Templesmith, unterlegt mit den Worten von Steve Niles. Für beide bedeutete 30 Days of Night damals den Durchbruch und diente als reformatorische Neubelebung des Vampir- und Horrorgenres. Der Ansatz ihrer Vampirgeschichte, sowie deren Aussehen sollten neu sein und nicht den klassischen Konventionen entsprechen. Templesmith wollte Vampire, deren Gesichter weniger menschlich und dafür wilder, fremdartiger erschienen, jedoch noch menschlich genug, um als Mensch erkannt zu werden. Von den klassischen vornehmen Vampiren wie bei Anne Rice (Interview with a vampire) wollte man sich ebenso distanzieren, wie den bikermäßigen Haudrauftypen der Blade-Reihe. Templesmith wollte punkerartige Nihilisten und Fressmaschinen. Visuell unterstützt wurde dies auf der Leinwand durch die Trickschmiede von Weta Workshop. Dabei erscheinen die Vampire jedoch schon fast zu animalisch, sodass ihr vogelartiges Gekreische mehr lächerlich als angsteinflößend wirkt.

Die Atmosphäre von 30 Days erinnert durch ihre kühl-kalte Schneelandschaft gewollt an John Carpenters Remake von The Thing, die Tatsache, dass sich Eben und die anderen vor einer Überzahl feindlich Gesinnter verstecken an dessen Assault on Precinct 13. Marlow und seine Vampire fürchten zwar kein Knoblauch, sind aber dennoch unsterblich und überstark, außerdem fürchten sie natürlich immer noch das Tageslicht. Viel neues gibt es hier also nicht und ihre animalisch-aufgedrehte Art erinnert stark an die Speed-Zombies aus 28 Days/Weeks Later. Man könnte also sagen, dass sie sich der heutigen Zeit angepasst haben, ihr Verhalten mitunter allerdings irritierend ist. Auf der einen Seite sind sie wild wie Tiere und weisen keine Kultur auf, andererseits beginnen sie diese am Ende jedoch verteidigen zu wollen. Dieser Fehler geht mit der Adaption des Comics einher, was auch andere Details vermissen lässt. Charaktere fließen ineinander und verlieren dadurch ihre Bedeutung, genauso wie die Tatsache, weshalb die Vampire im Film eine Handvoll Überlebender nicht ausmachen kann im Comic durch die herrschende Kälte von minus 50 Grad Celsius erklärt wird. Solche Detailfehler – wie Josh Hartnetts nicht vorhandener 30-Tage-Bart – sind bei einem Mann wie Slade, der von seinen Produzenten gerade wegen seiner Detailtreue gelobt wird, eigentlich unentschuldbar.

Als Auszug zu hollywoodschen Verhaltenmäßigkeiten lässt sich auch der Terz um das Drehbuch anführen. Dieses wurde in seiner ersten Fassung vom Comicautor Steve Niles im Jahr 2002 an das Studio gesandt und führte zum Engagement von Raimi und Tapert. Zwei Jahre später wurde es 2004 von einem namhafteren und versierteren Drehbuchautor, Stuart Beattie überarbeitet, um vor Produktionsbeginn erneut, diesmal von Slades Partner Brian Nelson, überarbeitet zu werden. Den Kredit teilen sich im Abspann dafür alle drei – eine Methode, die in Hollywood inzwischen zum Alltag geworden ist. Obschon 30 Days of Night atmosphärisch dicht und sowohl von seiner musikalischen Untermalung wie Ausstattung gelungen ist, fesselt die Handlung einen nicht, unterstützt von unkonventionell agierenden Figuren. Sheriff Eben schützt nur seine Frau Stella und seinen Bruder, andere Einwohner opfert er hingegen gerne. Wirklich reformatorisch arbeitet der Film also nicht und bedient sich derselben – von Slade kritisierten – Muster, wie alle anderen Horrorfilme auch, von Außenseitern, die sich plötzlich für die Gemeinschaft opfern bis hin zu zwischenmenschlichen Konflikten hervorgerufen durch den Feind im eigenen Lager. Ein großer Name wie Sam Raimi mit großer Vergangenheit macht noch lange keinen großen Film und so scheitert 30 Days of Night am Erbe von Evil Dead und bleibt am Ende nichts anderes als ein gut gestylter, allerdings durchschnittlicher Vampirfilm, der allzu oft ins Lächerliche abdriftet.

4.5/10

9. Oktober 2007

Entourage - Season Four

Yo, where the hats at?

Hatte ja bereits zu Beginn an der Serie rumgenörgelt, zu anspruchslos und eintönig sei sie, als ich mir vor Monaten eine Folge - es handelte sich um In the Valley – angesehen hatte, legte ich Entourage zu den Akten, sie war nichts für mich. Frustriert über das Sommerloch gab ich der Serie eine neue Chance und wollte sie nach den ersten drei Folgen der ersten Staffel wieder dorthin verbannen, wo ich sie hergeholt hatte. Aber was will man machen, wenn sich die guten Serien in Produktion befinden? Und das Überraschende trat tatsächlich ein: ich gewann Entourage mehr und mehr ab. Liebevolle Figuren wie Ari Gold (Jeremy Piven) und Johnny Drama (Kevin Dillon) wurden zu Favoriten und der naiv-narzisstische Jungstar Vincent Chase (Adrian Grenier) machte über vier Staffeln hinweg eine merkbare Entwicklung durch. Hatte er sich zu Beginn prinzipiell nie um die Drehbücher gekümmert und diese seinem besten Freund E (Kevin Connolly) und dessen Urteil überlassen, entscheidet er inzwischen selbständig und über E’s Kopf hinweg über seine Filmprojekte.

War Ari in den ersten beiden Staffeln eher eine Randfigur, nahm er seitdem immer mehr Platz innerhalb der Serie ein, was auf Pivens herausragende Leistung und seine daraus resultierende Fanbasis zurück zu führen sein dürfte. Mit Ari rücken auch die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben mehr ins Rampenlicht: seine Frau, Mrs. Ari (Perrey Reeves), und sein Assistent, Lloyd (Rex Lee). Gerade an diesen beiden Charakteren, aber auch im Umgang mit Vince und den Jungs, merkt man Aris Wandel zu einem besseren Menschen. Er macht sich in der vierten Staffel immer mehr Gedanken um die Menschen um sich herum, sei es die Aufnahme seines Sohnes auf eine Privatschule oder Lloyds Privatleben – Ari beweist Charakter und setzt sich für diese Menschen ein. Besonders seine Sprüche, aber auch seine ganze Figur per se und insbesondere die Wandlung, welche diese durchgemacht hat, macht Entourage (besonders für mich) sehenswert und bildet die Grundlage der Serie.

Ebenso löblich muss man von Vince reden, der sich in Bezug auf E, obschon dieser sein Manager ist, individualisiert hat, Entscheidungen selber trifft, aufgrund seiner Wünsche und Ideen und bereit ist die Risiken und Konsequenzen zu tragen. Meine anfänglich starke Kritik, dass in Entourage nur gekifft und gevögelt wird hat mit jeder Staffel hin abgenommen und sich in dieser vierten Staffel fast nur auf vögeln beschränkt. Auch im Leben von Johnny Drama ging es aufwärts, denn seine Pilotfolge zu Five Towns wurde landesweit im Fernsehen ausgestrahlt. Obwohl er (noch) nicht der Star ist, der er früher durch Viking Quest war oder gerne sein würde, besitzt er nunmehr zumindest ein eigenes Apartment und Einkommen – was ihn nicht davon abhält die meiste Zeit bei seinem Halbbruder rumzuhängen. Die einzige Figur, die keine Entwicklung durchgemacht hat, ist Vinces Fahrer und Mädchen für alles: Turtle (Jerry Ferrara). Turtle ist für Entourage in stark verminderter Form das, was Hurley für Lost ist – der comic relief. Bei ihm dreht sich alles nur um Frauen und Hasch, in der Reihenfolge, dabei ist sich Turtle auch nicht zu Schade Vinces Geld mit vollen Händen auszugeben.

Habe ich die Figur von E in der dritten Staffel noch richtig ätzend gefunden, hat sich dies etwas gelegt, was allerdings auch daran liegen kann, dass die vierte Staffel nur zwölf und keine zwanzig Folgen hat. Aber auch E hat eine Entwicklung durchgemacht, er sagt seine Meinung frei heraus. Und diese hat sich im Vergleich zu Vinces gewandelt. Immer öfter findet E nicht das gut, was Vince gut findet. Sei es der Director’s Cut von ihrem Wunschprojekt Medellin, die Zusammenarbeit mit Regisseur Billy Walsh (Rhys Coiro) oder Vinces neue Pläne in dessen Werk Silo mitzuspielen. Konfliktmaterial entsteht als sich E entscheidet neben Vince auch Anna Faris als Klientin zu managen und Billy wie Vince diese für das von E verabscheute Projekt Silo gewinnen wollen. Durch die stärkere Gewichtung auf andere Figuren wie Mrs. Ari, Lloyd und Billy nimmt der Fokus auf E etwas ab, was der Serie (und meinen Gefühlen zu ihr) gut tut. Abgerundet wird diese selbstverständlich wieder von einigen Gastauftritten, darunter Anna Faris, Stephen Gaghan, Peter Jackson, Dennis Hopper, Kanye West, Mary J. Blige oder M. Night Shyamalan.

Wurde die Serie in der dritten Staffel bezüglich den Uneigenheiten Hollywoods etwas ernsthafter, bzw. kritischer, setzt sie diesen Ton in der vierten Staffel verstärkt fort. Die erste Folge ist eine Behind-the-Scenes-Folge zu Medellin und dieser Film, insbesondere seine Post-Produktion und die Verleihsuche markieren das große Thema dieser Staffel. Hierbei verkörpert Billy Walsh den klassischen Künstler, ein enfant terrible, der die Kommerzialisierung und Verkapitalisierung der Filmgesellschaft verabscheut. Aber auch er muss erfahren, dass man sich den Gesetzen Hollywoods fügen muss, wenn man Filme drehen will. Die Produktion des nächsten Projektes Silo, welche per se eigene Probleme mit sich bringt, hängt jedoch entscheidend von dem Erfolg von Medellin in Cannes ab, was auch den Ausklang der Staffel bildet. Aufgrund seiner Thematik her und seiner charakterlichen Entwicklungen ist die vierte Staffel sicherlich die objektiv beste und es erfreut zu hören, dass HBO für nächstes Jahr eine fünfte Staffel geordert hat. Auch wenn dies bedeutet, dass es nunmehr auch hier heißt: warten. Da bald aber in die dritte Folge der zweiten Staffel von Dexter eingestiegen wird und auch Scrubs vor der Tür steht, ist mit den übrigen Stammserien ein gewisser Unterhaltungswert gesichert.

8/10

6. Oktober 2007

Hollywoodland

That was the best you were ever going to be.

Es begann viel versprechend mit Gone in the Wind - 1939 ergatterte Jungschauspieler George Reeves eine Rolle in dem Klassiker und erhoffte sich eine aufstrebende Filmkarriere. In den nächsten Jahren sollten ihn verschiedene Rollen an die Seite von James Cagney oder auch des späteren Präsidenten Ronald Reagan stellen, über einen B-Movie-Stand kam Reeves jedoch nicht hinaus. Schließlich erhielt er im Juni 1951 das Angebot in einer Fernsehserie den beliebten Comichelden Superman zu verkörpern. Wie viele Filmschauspieler scheute sich Reeves zu Beginn für das Fernsehen zu arbeiten, sah sich jedoch aus Geldgründen dazu gezwungen. Zu seiner eigenen Überraschung wurde die erste Staffel von Superman ein Erfolg und Reeves selbst ein nationaler Star und Held vieler Kinder. Obwohl ihm die Serie ein sicheres Gehalt und nationalen Ruhm offerierte, war Reeves dennoch unglücklich mit ihr. Erfolgreich konnte er eine Rolle in dem Klassiker From Here to Eternity ergattern, aber seine Szenen wurden später herausgeschnitten. Angeblich aufgrund verschiedener Superman-Kommentare während einer Premierenvorführung. Am 16. Juni 1959 soll sich Geroge Reeves im Alter von 45 Jahren in seinem Schlafzimmer selbst erschossen haben.

Diese Geschichte über Amerikas „Superman“ diente Allen Coulter, den meisten durch seine Arbeit an The Sopranos bekannt, als Vorlage für diesen Film Noir Krimi über Liebe, Sex und Eifersucht. Der Film konzentriert sich dabei auch die Dreiecksbeziehung zwischen Reeves, Toni Mannix und Leonor Lemmon. Toni Mannix war die Frau von MGM Chef Eddie Mannix und begann 1951 eine Affäre mit Reeves. Diese Beziehung wird Hollywoodland mit Reeves als Tonis boy toy dargestellt, die ihm mehrere Geldgeschenke, darunter ein Haus macht. Sieben Jahre später scheint Reeves jedoch von der Affäre mit der älteren Toni genug gehabt zu haben und verlobte sich stattdessen mit der jüngeren, aufstrebenden Schauspielerin Leonor Lemmon. Leonor wird im Film als karriere- und geldgeiles Luder dargestellt, welchem der naive ältere George erliegt. Es entwickelt sich eine Eifersuchtsgeschichte zwischen Toni, George und Leonor, welche von dem Privatdetektiv Louis Simo (Adrien Brody) untersucht werden soll. Simo ist als klassischer Privatdetektiv - der durch die Deckung eines Kollegen den Polizeidienst quittieren musste - auf Eifersuchtsgeschichten spezialisiert und untersucht nebenbei auch einen weiteren Affären-Fall.

Coulter lässt Hollywoodland mit dem Aufeinandertreffen von George Reeves (Ben Affleck) und Toni Mannix (Diane Lane) beginnen. Diese Affäre führt scheinbar zu dem Vorsprechen für die Superman-Serie, für welche Reeves schließlich auch engagiert wird. Mit seiner Rolle als Fernseh- und Kinderschauspieler ist dieser jedoch ziemlich unzufrieden und ertränkt seinen Kummer in Alkohol. Als sich die femme fatale Leonor Lemmon (Robin Tunney) an ihn ranmacht, trennt sich Reeves nicht nur von der Serie, sondern auch von Toni. Seine neue Karriere strebt er an der Ostküste als Regisseur an, zusammen mit Leonor. Schließlich wird er aber tot in seinem Schlafzimmer aufgefunden. Reeves Mutter, die nicht an einen Selbstmord glaubt, engagiert den sich anbiedernden Privatdetektiv Louis Simo, der die Verbindung zu Toni Mannix und Leonor Lemmon aufdeckt und diese der Presse als Verschwörung zuschustert (daher der dt. Titel Die Hollywood-Verschwörung). Die Auswirkungen von Reeves’ Tod belasten Simo auch direkt, gehen sie seinem Sohn besonders nahe, der den Suizid seines Helden scheinbar nicht verschmerzen kann.

Die Geschichte von George Reeves lässt Coulter in Rückblenden erzählen, immer wieder unterstützt von Indizien die Simo herausfindet, bzw. diese Indizien unterstützend. Dabei geht Simo verschiedenen Verdächtigungen nach und beschwört etwaige Mordszenarien, darunter auch ein, bzw. das Selbstmordszenario auf. Hat sich der melancholische Fernsehstar selbst erschossen, aus Kummer über seine gescheiterte Karriere, von der die Mutter behauptet, dass sie eine der größten Hollywoods hätte werden können? Oder wurde Reeves von seiner Verlobten Leonor erschossen, als diese erfuhr, dass er sie finanziell abschneiden wollte? Oder ist Eddie Mannix für den Tod von Superman verantwortlich, da sich dieser von seiner Frau Toni getrennt hatte? Am Ende weiß man es nicht genau, alle Szenarien klingen im Laufe der Handlung akzeptabel, der Film selber gibt jedoch keine Antwort und schließt mit einer Vermutung, welche den Sinn des Filmes an sich ad absurdum führt. In leicht braun-matten Bildern manövriert sich Coulter dabei gekonnt durch das Hollywood der fünfziger Jahre, macht kaum Fehler und erzählt seine Geschichte, welche den Zuschauer aber nicht bis ins letzte Detail fesselt.

Bewegt sich Wonderland auf den Pfaden inwieweit John Holmes tatsächlich an einem Mordgeschehen beteiligt gewesen war (und fällt dabei ein Urteil), tut dies Hollywoodland nicht. Wie ein Strafverteidiger, der einem vom Gericht gestellt wird, eröffnet er dem Zuschauer sein Plädoyer, entscheidet sich jedoch nicht für eines der Szenarien. Eine andere ähnliche Geschichte bietet Autofocus, die den Mord an TV-Schauspieler Bob Crane (Hogan's Heroes) schildert. Während sich Autofocus auf das Innenleben und die Psyche von Crane konzentriert, um seinen Fall zu schildern, verstreut sich Hollywoodland und charakterisiert eher Simo als Reeves. Eine wirkliche Bindung zu dem Fall bleibt dem Publikum also verwehrt und daran krankt Coulters Film. Ansatzweise zeigt er die Belastung, welche die Rolle von Superman für Reeves darstellt, besonders in der From Here to Eternity-Szene, wo er nicht als er selbst, sondern allein als seine Rolle wahrgenommen wird. Reeves blieb für alle immer Superman, selbst in/nach seinem Tod und teilt damit das Schicksal vieler anderer Schauspieler (Christopher Reeve, Sean Connery, Daniel Radcliffe), die auf eine einzige Rolle reduziert werden - doch Reeves zerbrach scheinbar daran.

6/10

4. Oktober 2007

Entourage - Season Three

Unless Carmen Electra calls for an emergency titty fuck, don't answer!

Unglaublich aber wahr, fast in Rekordzeit hab ich mir auch die dritte Staffel von Entourage reingezogen. Diese Zwanzigminüter sind eben sehr viel praktischer in einen Alltag einzufügen als ihre doppelt so langen und meist anspruchsvolleren Pendants. Außerdem hab ich mich verliebt – in Ari Gold, bzw. Jeremy Piven. Der war leider jahrelang eine Randfigur in Hollywood und früher hab ich ihn auch gerne mal mit Jon Favreau verwechselt (nun ja). Aber durch Entourage gelang ihm der Durchbruch und auch in Smokin’ Aces fand ihn herrlich kaputt. Und man wird das Gefühl nicht los, dass Piven mit jeder Staffel mehr aus dem Hintergrund ins Rampenlicht rückt, wohl auch bedingt durch sein Emmy-Nominierungs-Hattrick, der immerhin zweimal belohnt wurde. Somit ist der Star von Entourage eigentlich nicht Hollywoodstar Vincent Chase (Adrian Grenier), sondern sein On-Off-Agent Ari.

Vince hat sich entschlossen gehabt Aquaman zu drehen, trotz der Probleme, die er mit Co-Star Mandy Moore hatte. Zu Beginn der dritten Staffel ist Aquaman bereits abgedreht und feiert seine Premiere (erstaunlicherweise vor dem Indie-Projekt Queens Blvd.). Und in der Tat gelingt es Aquaman den Startwochenenden-Rekord von Spiderman zu brechen! Vince ist nun offiziell der heißeste Star von Hollywood. Da trifft es sich gut, dass Medellin, ein Biopic über den Drogenboss Pablo Escobar, wieder von den Studios in Angriff genommen wird und Vince bei seinem Lieblingsprojekt von Regisseur Paul Haggis favorisiert wird. Dummerweise ergeben sich Komplikationen mit Warner Bros. und der Fortsetzung zu Aquaman. Am Ende müssen Vince und sein Manager Eric nicht nur um beide Projekte kämpfen, sondern um Vinces Karriere in Hollywood. Währenddessen versucht sich Drama in verschiedenen Bewerbungen, u.a. zu einem Fernsehpiloten von Ed Burns und Turtle schaut wie immer wofür er alles Vinces Geld ausgeben kann.

Mit zwanzig Folgen ist die dritte Staffel doppelt so lang wie die erste und wird wohl auch die längste bleiben. Es wird in der Tat immer weniger gekifft und gevögelt in Entourage, stattdessen steht die verquere Idiotie Hollywoods immer öfter im Vordergrund. Terminkollisionen verbauen Vince den Zugang zu seinem Traumprojekt, während die Produzenten von Queens Blvd. diesen praktisch einstampfen, nachdem sie ihm die Seele rausgerissen haben. Als Ari ein weiteres Biopic über Joey Ramone verliert, haben Vince und Eric die Schnauze voll und entlassen ihn in der Mitte der Staffel. Stattdessen engagieren sie die scharfe Amanda, wobei die ihre eigene Agenda hat, die später gegenüber Ari, Vince und Medellin wieder aufbricht. Dass Produzenten Projekte kaufen, damit sie anderen eins auswischen und generell der Konkurrenzkampf a la „Der stärkste überlebt“ tut der Serie fraglos gut und entfernt sie etwas von ihrem „Taugenichts“-Image.

Wie die Figuren jedoch mit Ari umgehen ist immer noch unterste Schublade - vor allem Eric „E“ Murphy (Kevin Connolly). Steigen Ari’s Sympathien mit Folge zu Folge, nehmen sie bei Eric ganz klar ab. Von allen Charakteren ist er der arroganteste und narzisstischste, über jeden Zweifel erhaben und ach so toll. Dabei leistet er prinzipiell gar nichts und ist ein Witz von einem Manager, ein stupider Ja-Sager und Abnicker. Da ist es nur verständlich, dass Vince vermehrt die Initiative selbst ergreift, auch wenn die Trennung von Ari absolut dumm gewesen ist. Vince wandelt sich jedoch dem Rate Polonius’ nach und bleibt sich dies über alles selber treu – er will sich nicht von der Maschinerie Hollywood klein kriegen lassen und ist sogar dazu bereit sein Haus und seine Karriere zu opfern. Neben Vince ist Ari die zweite Figur, welche sich in dieser Staffel weiterentwickelt, denn er zeigt wiederholt seine menschlichen Züge, dass er sich tatsächlich um das Wohl der Mensch um sich – sei dies sein Klient Vince oder sein Assistent Lloyd – sorgt.

Weiterhin für die Lacher sind Drama (Kevin Dillon) und Turtle (Jerry Ferrara) zuständig, wobei Drama gelegentlich mit seinen Lebensweisheiten protzen und damit schließlich auch Recht behalten darf. Turtle hingegen ist so nutzlos wie eh und je, gibt mitunter auch mal zwanzigtausend Dollar für Sneaker aus. Hatte er mit seinem Rapper Saigon zu Beginn noch eine potentielle eigenständige Entwicklung eingezeichnet, wurde diese auch wieder für den schnöden Mammon eingetauscht. Eine wirkliche Steigerung zur letzten Staffel kann Entourage dabei jedoch nicht verzeichnen, denn am Ende nervt Eric doch mehr wie Ari zu gefallen weiß. Dennoch ist auch diese – erwachsenere – Staffel zu empfehlen und bietet Gastauftritte von James Cameron, Paul Haggis, Martin Landau, James Woods, Ed Burns oder Seth Green.

7.5/10

2. Oktober 2007

Planet Terror

About as useless as a pecker on a pope.

Ohne Frage, wenn sich zwei der talentiertesten und kultigsten Regisseure unserer Generation zusammentun, um ein Double Feature ins Kino zu bringen, jubelt das Filmfan-Herz. In der Tradition der Grindhouse-Filme, in welchen trashige B-Movies im Zweierpack gezeigt wurden, damit mehr Erlös erzielt wird (sogar Kubrick’s The Killing lief mal als Grindhouse-Double-Feature), wollten Robert Rodriguez und Quentin Tarantino jeweils einen Film im Geiste des Grindhouse-Kinos und als Hommage an dieses drehen, um beide Filme anschließend als Double-Feature ins Kino zu bringen. Inklusive falscher Trailer zu weiteren Grindhouse-Filmen, gedreht von den neuen Söhnen des Horrors, Eli Roth und Rob Zombie. Hierbei liegt die Betonung jedoch ganz klar auf “wollten“, denn wenn die Dinge zu gut stehen, um wahr zu sein, sind sie es meistens auch nicht.

Das Budget von GrindHouse lag bei 53 Millionen Dollar, produziert wurde er von Tarantinos langjährigen Partnern, Bob und Harvey Weinstein. Ebenjenen Weinsteins, welche die Idee hatten Shichinin no samurai mit George Clooney in der Hauptrolle neu zu verfilmen. Was das für Menschen sind, kann man sich also denken. Enttäuschenderweise spielte GrindHouse am Startwochenende in den USA nicht einmal 12 Millionen Dollar ein – wobei man sich das auch hätte denken können, wenn man den Film an Ostern vertreibt. Tarantino war zwar enttäuscht, bezeichnete sich jedoch als stolz über seinen “Flop“ – ganz anders jedoch Harvey Weinstein. Der sah sein Geld flöten und Produzenten drehen Filme ja nicht um die Zuschauer zu unterhalten, sondern weil sie daraus mehr Geld machen wollen. Vielleicht sollten es die Weinsteins eher wie George Lucas versuchen und ein und denselben Film alle paar Jahre (re-)re-digitalisiert oder in neuer 3-D-Technik oder was auch immer veröffentlichen.

Wie dem auch sei, was an sich als “Zwei-Filme-Zum-Preis-Von-Einem“ gedacht war, wurde von den Amis mal gleich in die Tonne gekloppt (weiteres Zeichen für deren Beschränktheit). Mancher einer verließ das Kino sogar nach Rodriguez’ Segment Planet Terror, da er dachte die Vorstellung sei vorbei und damit Tarantinos Death Proof verpasste. God save America! Harvey Weinstein sah jedenfalls sein teures Geld davon fließen, weshalb er vor allem außerhalb der USA GrindHouse getrennt vertrieb, Death Proof dafür in einer Extended Version. Seiner Begründung nach können wir Europäer ohnehin nichts mit der Tradition des Grindhouse-Kinos anfangen, wieso uns folglich die Mühe machen. Gesagt getan und nun startet Planet Terror gut zwei Monate nach Death Proof in unseren Kinos. Aus der von den Machern gedachten Idee, 2für1 wurde eben nichts, jetzt darf man wieder doppelt zahlen. Ganz schön dreist eigentlich, dass man den doppelten Preis für ein Produkt zahlen muss, als von seinen Herstellern angekündigt.

In Planet Terror geht es um eine abtrünnige Militäreinheit um Ltn. Muldoon (Bruce Willis), den korrupten Biochemiker Abby (Naveen Andrews), sowie mehrere Bewohner einer Kleinstadt, die sich gegen ein mutierendes Virus zur Wehr setzen müssen. Go-Go-Tänzerin Cherri (Rose McGowan) verliert durch ebenjenes Virus ihr Bein und muss sich alsbald mit ihrem Ex El Wray (Freddy Rodriguez), Ärztin Dakota Block (Marley Shelton), zwei um ein B-B-Q-Rezept rivalisierenden Brüdern (Michael Biehn, Jeff Fahey) und anderen nicht nur gegen die verseuchte Meute, sondern auch gegen Muldoon und seine Leute zur Wehr setzen. Das alles geschieht mit extrem viel Blut und einem mindestens ebenso hohen Gore-Faktor, denn hier wird alles weggeschossen, von Gliedmaßen, über Hoden, bis hin zum besten Stück – in Planet Terror wird vor nichts halt gemacht!

Wie immer organisierte Robert Rodriguez nicht nur die Regie und das Drehbuch, sondern stand auch hinter der Kamera, dem Schnittpult und zeichnet sich für die Musik verantwortlich. An dem Drehbuch schrieb er scheinbar bereits 1998 und er war es auch, der die Idee für GrindHouse seinem Kumpel Quentin Tarantino vortrug. Marley Shelton erklärte folglich, dass beide Regisseure zusammen Regie führten, bzw. sich tatkräftig gegenseitig unterstützten, auch wenn sie sich individuell um die Fertigstellung der Werke kümmerten. Ebenso wie Tarantino in Death Proof baute auch Rodriguez viele absichtlich gesetzte Abnutzungserscheinungen in seinen Film ein. Da verschieben sich Farben, ändern sich Auflösungen, einmal reißt sogar die Filmrolle und es fehlt der zweite Akt (welcher aber auf der DVD-Version enthalten sein wird). Diese Idee, den zweiten Akt ausfallen zu lassen, war auch das Highlight von Planet Terror, denn auf einmal ist alles anders, wie gerade eben. Sheriff Hague (Michael Biehn) und El Wray sind von Gegner zu besten Kumpels geworden und die gesamte Truppe ist versammelt. Dieser fehlende zweite Akt und weitere Szenen wurden in Death Proof dagegen eingebaut.

Dabei hätte es Death Proof gut getan, wenn er darauf verzichtet hätte, denn wie bei ihm erwähnt, entbehrt er nicht einiger Längen. Genauso wie Planet Terror, von dem ich zwar dachte, er würde ebenfalls in der EV laufen, was er scheinbar doch nicht tat. Nichtsdestotrotz ist er an manchen Stellen, besonders der Exposition zu lang geraten, vor allem in Hinblick auf sein Ende. Man merkt Planet Terror auch in jeder einzelnen Szene sein hohes Budget an, wenn Rodriguez wegschießt, was wegzuschießen ist und in die Luft sprengt, was in die Luft zu sprengen ist. Dadurch verrät sich Planet Terror – wie an anderer Stelle erwähnt – prinzipiell selbst, denn die Mittel die er ergreift um absichtlich unabsichtlich schlecht zu erscheinen, sind viel zu professionell gewählt. Weniger wäre mehr gewesen und Rodriguez hätte sich nicht an seinen Gore-Effekten ergötzen sollen wie ein kleiner Schuljunge. So ist Planet Terror nicht zu einem Grindhouse-Film verkommen, sondern lediglich zu einem verhältnismäßig trashigen Rodriguez-Film a la From Dusk Till Dawn. So gut wie dieser ist er jedoch nicht, denn er will etwas verkörpern und kopieren, was ihm nur selten gelingt, scheitert somit an seinen eigenen Erwartungen.

In dieser Hinsicht ist Death Proof der bessere Film der beiden, da er als eigenständiges Werk gelungener funktioniert. Aber auch Tarantinos Versuch scheitert, eigentlich nur aus dem Grund, dass er zu “intelligent“, zu sehr Tarantino und zu wenig Grindhouse war/ist. Die Idee der beiden Freunde und Filmemacher ist dabei verraten und verkauft worden, denn eine GrindHouse-DVD wird es scheinbar auch nicht geben, nicht einmal in einer Limited Edition. Stattdessen werden beide Segmente einzeln vertrieben – was GrindHouse also sein sollte, bzw. wollte, wird der Europäer bedauernswerter Weise nicht erfahren, dabei bin ich mir sicher, dass als ganzes gesehen dieses Werk besser funktioniert, als einzeln betrachtet. Besonders enttäuschend ist hierbei, dass Rodriguez und Tarantino nicht die Eier besessen zu haben scheinen, den Geldraffenden Weinsteins zu sagen was mit dem Film geschehen soll. Mit der Tatsache GrindHouse die Seele herauszureißen, verraten sie nicht nur das Prinzip “Grindhouse“, sondern noch viel schlimmer, ihre Fans und ihre Kunden.

6.5/10