22. September 2008

Tropic Thunder

After only five days of shooting, the film was two months behind schedule.

Schon der Vorspann ist klasse. Sogar die Vorschau vor dem Vorspann ist klasse. Allein deswegen lohnt sich das Geld und wenn man sich dann inmitten der Einleitung zu Tropic Thunder befindet – indem man sich inmitten der Einleitung zu Tropic Thunder befindet – weiß man, dass Ben Stiller einen hier in den folgenden neunzig Minuten überzeugen wird. Von einer Spezialeinheit in Vietnam kehrten einst nur zehn Soldaten lebend zurück. Von jenen zehn haben vier ein Buch über ihre Erlebnisse geschrieben, von diesen Büchern wurden drei veröffentlicht und von diesen drei wurden bei zwei die Filmrechte erworben. Doch in Tropic Thunder geht es nicht darum, dass eine oder dass andere Buch nachzuerzählen, sondern vielmehr den katastrophalen Dreharbeiten zu einer der Buchadaptionen zu folgen. Wenn der Zuschauer dann erfährt, dass man nach fünf Drehtagen bereits zwei Monate (!) hinter dem Produktionsplan und 100 Millionen Dollar über dem Budget liegt, hat Stillers neue Komödie schon früh ihre Klimax gefunden und weiß dennoch auch im restlichen Verlauf der Handlung gewisse Akzente zu setzen.

Seine Erzählung von Hollywoodstar Tugg Speedman (Ben Stiller), der sich gemeinsam mit Comedian und Bad Boy Jeff Portnoy (Jack Black) und dem mehrfachen Oscarpreisträger Kirk Lazarus (Robert Downey Jr.) daran versucht, die Biographie von Vietnamveteran „Four Leaf“ Tayback (Nick Nolte) zu verfilmen, ist teilweise zum Schreien komisch. Denn mit Tropic Thunder gelingt Stiller nicht nur ein Film im Film, sondern zugleich eine Persiflage zum einen auf das Genre des Vietnamkriegsfilms und auf die Traumfabrik Hollywoods. Und wenn die Charaktere dann auch noch anfangen die Vierte Wand zu durchbrechen, schraubt sich Stillers neueste Regiearbeit auf die vorderen Plätze der diesjährigen Comedy-Highlights. Selbst wenn dem Gag-Feuerwerk gerade in der Mitte öfters mal die Puste ausgeht. Denn das Tempo und Niveau des Trailer über die gesamte Laufzeit aufrecht zu erhalten, ist der amerikanische Komiker dann zwar nicht im Stande, doch ist dies über die meiste Zeit hinweg ein Tropfen auf dem heißen Stein. Schließlich ist hier der Weg das Ziel und Pfad beschreitet Tropic Thunder so oft mit Bravur, dass die Fettnäpfchen in Vergessenheit geraten.

Stiller selbst zählt zu der höchsten Klasse der gegenwärtigen Comedy-Darsteller, seine Filme spielten weltweit über zwei Milliarden Dollar ein und zu seinen drei erfolgreichsten Produktionen gab oder gibt es Fortsetzungen. Als tölpeliger Schussel kennt und liebt ihn die Welt aus Filmen wie Meet the Fockers oder A Night at the Museum. Und wie andere Kollegen bemühte Stiller für Tropic Thunder das virale Marketing. Neben künstlichen Internetseiten für seine Filmcharaktere ließ sich Stiller auch mit seinen beiden anderen Zugpferden Jack Black und Robert Downey Jr. im Fahrwasser von deren Erfolgsfilmen, Kung Fu Panda und Iron Man, ablichten. Dabei bewarb er nicht nur den Film selbst, sondern machte sich auf zugleich über jenes virale Marketing und die amerikanischen Zuschauer lustig. „Witzigkeit kennt keine Grenzen“, gab Hape Kerkeling einst bereits in Kein Pardon zum Besten. Und in der Tat macht Tropic Thunder kaum Halt vor irgendetwas. Hier wird nicht nur über Action-Darsteller hergezogen, die sich in redundanten Fortsetzungen verlieren, sondern auch Kollegen wie Eddie Murphy, Curtis Jackson oder Russell Crowe bekommen ihr Fett weg.


Alles selbstverständlich immer mit einem Augenzwinkern, da Stiller und Co. selbst zu den Produkten jener Traumfabrik gehören, die sie hier bisweilen an den Pranger stellen. Dass diese Botschaft angekommen ist, sieht man an den zahlreichen, sich selbst veräppelnden Gastauftritten etlicher Stars von Tobey Maguire (MTV Movie Award for Best Kiss) über Jon Voight bis hin zu Tom Hanks. Doch Tropic Thunder hat noch weitaus mehr zu bieten, als jene kurzen Cameos. Denn wer genauer hinsieht kann auch den einen (Bill Hader) oder anderen (Tom Cruise) Schauspieler entdecken, den man nicht unbedingt gleich wieder erkennt. Heruntergezogen wird das lediglich von der Nebenrolle Matthew McConaugheys, die dieser zu keinen Zeitpunkt wirklich aufzufüllen weiß. Hätte Owen Wilson sich nicht wegen Kate Hudson versucht das Leben zu nehmen, hätte man diesen (weitaus talentierteren) Schauspieler als Hollywoodagent Rick Peck erleben dürfen.

Das enorme Budget merkt man Tropic Thunder bereits in seinen ersten zehn Minuten an, in denen Stiller mehr auf die Kacke haut, als andere Regisseure in richtigen Actionfilmen. Sein Film im Film macht sich anschließend daran seinen Charakteren Tiefe zu verleihen, wobei bereits der Film im Film veranschaulicht, dass sich Stiller hauptsächlich auf die beiden Figuren Speedman und Lazarus konzentrieren wird. Beide nehmen eine rivalisierende Position am Set ein, ähnlich wie man es von einigen realen Kollegen (z.B. Brad Pitt und Harrison Ford) kennt. Meist sind Filmsets nicht groß genug für zwei riesige Egos und dies scheint hier der Fall zu sein. Speedman bemüht die fünfte Fortsetzung seiner einst erfolgreichen Scorcher-Reihe, doch lockt er mit seiner redundanten Story (über die sich selbst die Trailerstimme lustig macht) niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Sein Ausflug ins Charakterfach ging dann mit dem Behinderten-Drama Simple Jack auch gehörig schief. Ein Fakt, den Lazarus während des Filmes gerne durch den Kakao zieht.

Hier findet sich auch die Hauptkontroverse des Filmes, da jener Dialog zwischen Speedman und Lazarus bezüglich Simple Jack scheinbar unhöflich mit geistig Behinderten umgeht. In Hollywood nimmt man immer gerne alles gleich persönlich, die Essenz der Szene haben viele scheinbar nicht mitgekriegt. „You never go full retard“, erklärt Lazarus seinem Kollegen, nachdem er sich einen verunsichernden Spaß mit ihm erlaubt hat. Ein bisschen zurückgeblieben sein, das ist hilfreich, siehe Dustin Hoffman in Rain Man oder Tom Hanks in Forrest Gump. Die Szene dreht sich dabei weniger um die Darstellung von Behinderten in diesem Film oder anderen, sondern – wie die meisten Szenen – grundsätzlich um die Schauspielergilde Hollywoods. Und insofern persifliert Stiller mit Tugg Speedman auch seinen Freund Tom Cruise, welcher sich seit Jahren bemüht endlich seine Anerkennung durch einen Oscar zu erhalten, bisher jedoch lediglich auf drei Nominierungen zurückblicken kann.


Jene Schauspieler sind es auch, auf deren Kosten die Lacher in Tropic Thunder gehen, denn die Filmindustrie selbst wird weit weniger auf den Arm genommen, als man zuerst meinen könnte. Tugg Speedman ist ein Querschnitt aus all den Gesichtern, die man inzwischen schon nicht mehr sehen mag: Leonardo Di Caprio, Tom Cruise oder Angelina Jolie. Speedman sehnt sich nach Anerkennung, engagiert sich für Pandas, spricht sich in einer Talkshow aus und adoptiert letztlich sogar ein asiatisches Kleinkind, welches er prompt umbenennt. Er ist eine einsame Figur, dessen einzig wirklicher Freund sein Agent ist. Speedman ist missverstanden, wie so oft bei Stillers Figuren der Fall, egal ob Derek Zoolander oder Tugg Speedman. Beide ecken in ihrer Umgebung durch ihre Beschränktheit an und erwecken damit zugleich gewisse Sympathien beim Publikum. Es sind diese unbeholfenen Charaktere, die Stiller seit Jahren begleiten, angetrieben lediglich von ihrem Beruf (wie auch White Goodman in Dodgeball), ausgeschlossen von irgendeiner familiären Nähe.

Somit entzieht es sich nicht einer gewissen Ironie, wenn Speedman letztlich ausgerechnet mit seiner unbeholfensten Figur so etwas wie Zuneigung erfährt. Der Star ist missverstanden, wird unter Wert verkauft. Eine Prämisse, die sich in Stillers Filmographie ein ums andere mal wiederholt. Daher wäre es eigentlich weitaus spannender und amüsanter gewesen, wenn nicht Stiller sondern Tom Cruise den Tugg Speedman gegeben hätte. Denn Cruises geplanter Cameo nimmt im fertigen Film plötzlich Nebencharakterfunktion ein, was ein Engagement in anderer Hinsicht nicht ausgeschlossen hätte. Mit seinem Les Grossman hat Cruise jedenfalls keine Scheu sich mit HipHop-Getanze selbst zum Narren zu machen. Die Referenz zu Stillers eigenem Produktionspartner Stuart Cornfeld ist dabei die meiste Zeit durchaus gelungen, wobei weniger hier eindeutig mehr gewesen wäre, so amüsant der Abspann auch gelungen ist. Den Mut sich quasi selbst zu spielen und hochzunehmen, hatte Cruise dann aber wohl doch nicht.

Doch die eigentliche Geheimwaffe ist eine andere Kontroverse, die nicht mal zur Kontroverse wurde. Im Gegensatz zu Iron Man gelingt es Robert Downey Jr. in Tropic Thunder dem Film seinen Stempel aufzudrücken (was sogar mit einer Oscarnominierung belohnt wurde). Wahrscheinlich weil er sich nicht hinter einer – wie ironisch – Maske verstecken musste. Seine Figur des australischen Charaktermimen Kirk Lazarus ist der eigentliche Star, sowohl des Filmes als auch des Films im Film. Während die Persönlichkeit von Lazarus an seine beiden Kollegen vom fünften Kontinent, Russell Crowe und Heath Ledger, angelehnt ist, geht seine schauspielerische Person eher in die Richtung eines Daniel Day-Lewis. Obschon er bereits fünf Oscars gewonnen hat, lässt es sich Lazarus nicht nehmen, sich für die Rolle eines afroamerikanischen Sergeants einer Hauptpigmentierung zu unterziehen. So gelang es Downey Jr. schließlich zu einer Oscarnominierung zu kommen, indem er einen australischen Schauspieler spielte, der wiederum einen afroamerikanischen Soldaten verkörperte.


Verständlich dass sein Kollege und 50 Cent-Verschnitt, Alpa Chino (Brandon T. Jackson), angesäuert reagiert. Das alleine ist jedoch noch nicht mal der Höhepunkt, eher noch die Tatsache, dass Lazarus nie seine Rolle verlässt. Zumindest nicht „until the DVD commentary“ und in der Vorproduktion schon gar nicht. Wie die fiktive Dokumentation Rain of Madness, gedreht von Jan Jürgen (Drehbuchautor Justin Theroux in einer phänomenalen Werner Herzog-Verasche), aufzeigt, nimmt Lazarus auch ohne Vorbehalte die Familie des echten Kirk Lazarus gefangen, um einen näheren Zugang zur Rolle zu erhalten. Es ist daher auch Lazarus, der im Finale des Filmes beginnt die Vierte Wand zu durchbrechen, wenn er sich selbst als Schauspieler reflektiert, der einen Schauspieler spielt, der einen Charakter mimt („I’m the dude, playing the dude, disguised as another dude“). Wenn er dann auch noch derlei Sätze schwadroniert wie „ I don't read the script. The script reads me.“, wird klar, was Stiller und Konsorten von ihren method actor Kollegen halten.

Passend untermalt wird sein Action-Gag-Feuerwerk von Stiller mit perfekt passender Musik, wie man sie aus Full Metal Jacket und Apocalypse Now gewohnt ist. Man darf sich allerdings auch nichts vormachen, denn Tropic Thunder ist sicherlich kein Meisterwerk. Dafür vernachlässigt Stiller zu sehr das übrige Ensemble, wie auch die beiden Hauptcharaktere. Was zum Beispiel hat Portnoy veranlasst in einem Kriegsfilm mitzuspielen? Wie konnte man Lazarus für ein solches Projekt gewinnen, auch noch „nur“ in einer Nebenrolle? Und weshalb setzt das Studio überhaupt auf Speedman als Hauptdarsteller? Diese Fragen wissen auch die verbindenden Medienaufnahmen und Rain of Madness nicht wirklich zu beantworten. Im Zuge dieser drei Figuren kommen dann die übrigen oft etwas zu kurz. Allen voran der großartige Steve Coogan darf hier als britischer Regiedebütant Damien Cockburn nie sein wahres Potential ausnutzen. Auch Nick Nolte wirkt in seiner Rolle etwas unterfordert, während Jay Baruchel und Jackson mitunter zeigen, dass sie auch zu weitaus mehr im Stande gewesen wären, wenn Stiller sie mal gelassen hätte.

Zudem ist Stiller auch nicht in der Lage, den Film hindurch auf einige flachere Witze zu verzichten, die weniger zu gelingen vermögen als andere, sehr viel genialere Einfälle. Man hätte sich durchaus mehr Seitenhiebe auf das Genre, die Prämisse des Films im Film oder Hollywood gewünscht. Das Potential wäre hier durch einige zusätzliche Cameos im Stile eines Tobey Maguire vorhanden gewesen. Aber auch so funktioniert Tropic Thunder über die meiste Zeit seiner Lauflänge und wird dabei zumindest ansatzweise den exzellenten Trailern gerecht. Einiges von seinem Potential wird dann in der Masse an Extras deutlich, die sich speziell auf der „Director’s Cut“-DVD befinden. Hier packt Stiller nicht nur die herrliche Mockumentary Rain of Madness rein, sondern auch noch einige geschnittene Szenen und ein alternatives Ende (das seinen Charme besitzt, aber nicht so rund wie die Kinoversion wirkt). Trotz der schwachen Mitte kann Stillers letzte Regiearbeit die meiste Zeit überzeugen und ist für viele der besten Lachkrämpfe des Jahres verantwortlich.

7/10 - erschienen bei Wicked-Vision

8 Kommentare:

  1. Oha, jetzt bin ich gespannt, heute Abend gehts ins Kino. Nach der Review vom Kleriker dachte ich schon das Schlimmste :D

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  2. Wirst schon sehen, dass ich Recht hatte ... ;-) :p

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  3. Keine Ahnung wie er wird. Große Hoffnung hab ich nicht, aber freuen tu ich mich trotzdem drauf. :)

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  4. Das verstehe wer will, Scheißdreck feiern sie ab und bei 'ner gelungen Komödie ist das Jammern groß. Euch ist doch wahrlich nicht mehr zu helfen ;)

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  5. Du kommst echt nicht drüber weg, oder? :D

    Aber wer weiß? Vielleicht feiere ich ja Beides ab... ;-)

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  6. Ich bin schon drüber weg. Nur verstehe euch wer will.

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  7. Also, der Kleriker hatte recht mit seiner Kritik :D

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  8. Aber wer weiß? Vielleicht feiere ich ja Beides ab... ;-)

    Und genau so ist es gekommen ;-). Ich kann deiner Review nun getrost zustimmen!

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