29. Juni 2008

Hancock

Call me an “asshole“ one more time.

Schon allein der Untertitel zu Hancock ist großartig und packt vor allem die erste halbe Stunde genial in einen einzelnen Satz. Es gibt Helden, es gibt Superhelden und es gibt Hancock. Hier wird bereits impliziert, dass man es bei Hancock mit keinem gewöhnlichen (Super-)Helden zu tun hat. Dabei hat das Genre viele verschiedene Helden hervorgebracht, allen voran Strahlemann Superman, der Inbegriff des American Way of Life, immer korrekt, immer brav. Dann gibt es den verbitterten Batman, der den Glauben an die Menschen verloren hat und sein eigenes Gesetz propagiert. Den lockeren Spider-Man, ein Identifikationsfaktor für Nerds, die gegen Diskriminierung agierenden X-Men oder auch Hulk, den Inbegriff unterdrückter Wut und Aggression. Sie alle finden ihre Wurzeln in Comic-Bänden, die teilweise – im Fall von Superman und Batman – bereits siebzig Jahre in der Vergangenheit liegen. Andere, insbesondere die Marvel Helden, entstanden in den sechziger Jahren und beherrschen inzwischen durch die Spider-Man- und X-Men-Trilogie die Kinos. In dieses Monopol an Vorzeigehelden brach vor einigen Monaten ein etwas unkonventioneller Held. Doug Liman inszenierte in Jumper einen jungen begabten Mann, der seine außergewöhnliche Fähigkeit nicht zum Wohl der Menschheit einsetzte, sondern zur eigenen Bereicherung. Dadurch sticht Jumper aus der Masse der Superhelden-Filme hervor, auch wenn es ihm an einem guten Drehbuch gemangelt hat. Nun kommt aber Hancock, eine eigene Kategorie von Held und der Trailer zum Film machte Hoffnung auf einen Film, der zum Film des Jahres werden konnte. Vorab sei gesagt – er ist es nicht. Man muss aber zugestehen, dass dies durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre, hätte man die zweite Hälfte des Filmes besser inszeniert. An dieser Stelle sei gesagt, dass der vorletzte Absatz Spoiler enthalten wird, da er sich mit Problemen des Filmes beschäftigt.

Seit einem Jahrzehnt existierte das Skript zu Hancock, welches damals noch Tonight, He Comes hieß und von Vincent Ngo verfasst wurde. Auch die Geschichte war damals noch eine andere, erzählte sie doch von einem 12jährigen Jungen, der eines Nachts Besuch von einem gescheiterten Superhelden erhält. Ngos Skript begeisterte damals Tony Scott und wurde später von Vince Gilligan, langjähriger Autor der Fernsehserie The X Files umgeschrieben. Zeitweilig waren Michael Mann und Jonathan Mostow als Regisseure im Gespräch, am Ende blieben sie als ausführende Produzenten an Bord. Letztlich wurde etwas Drama aus dem Drehbuch herausgenommen, der Titel dementsprechend geändert und nach der Hauptfigur benannt. Diese heißt John Hancock, scheinbar nach dem dritten Präsidenten des Kontinentalkongresses und erste Unterzeichners der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung benannt. Jene Unterschrift wurde so säuberlich verfasst, dass der Name „John Hancock“ in Amerika sinnbildlich für eine Unterschrift steht. Wieso Hancock allerdings heißt, wie er heißt, wird im Film nicht geklärt. Zugpferd des Filmes ist Hauptdarsteller Will Smith, praktisch der letzte Mohikaner in Hollywood, jedenfalls an den Kinokassen. In Zeiten in denen Tom Cruise und Brad Pitt nicht mehr die Massen in die Kinos locken, schafft es Smith quasi mit jedem seiner Filme die hundert Millionen Dollar Marke zu druchbrechen. Man muss hier aber zugestehen, dass im Gegensatz zu anderen Schauspielern seiner Altersklasse, Smith sich auf sein Mainstream-Publikum beschränkt. In Filmen wie Babel oder Lions and Lambs wird man den Afroamerikaner nicht finden können. Das höchste der Gefühle ist da schon ein Cameo in Kevin Smiths Jersey Girl, mit gutem Willem auch seine Nebenrolle in Robert Redfords The Legend of Bagger Vance. In jenem Film spielte auch Oscarpreisträgerin Charlize Theron mit, der auch in Hancock nur eine Nebenrolle bleibt. Der Star ist jedoch Smith alias Hancock.
  Man stelle sich vor, man verfüge über Superkräfte. Unsterblichkeit, Fliegen, unbegrenzte Kräfte – so etwas würde man wahrscheinlich zum Wohl der Menschen einsetzen. Wie Onkel Ben jedoch bereits Peter Parker erläuterte, kommt mit großer Macht auch große Verantwortung einher. Der frühere Schauspieler und jetzige Regisseur Peter Berg konzentriert sich in Hancock nicht darauf, wer Hancock (Will Smith) ist oder wie er seine Kräfte erhielt, sondern er springt wie Bryan Singer mit X-Men direkt in das Geschehen des Superhelden hinein. Eine Verfolgungsjagd auf dem Freeway, im Zusammenhang mit Feuergefecht, ein „Unterstützung! Unterstützung“ flimmert aus den Boxen. Die Kamera fährt auf den Helden des Filmes…auf einer Parkbank. Schlafend. Einen Rausch ausschlafend. Geweckt wird Hancock von einem kleinen Jungen, der über den Zustand des Superhelden nur den Kopf schütteln kann. Es gibt Helden, Superhelden und Hancock. Hancock ist kein verantwortungsbewusster Superheld, er ist Alkoholiker, ertränkt seinen Miesmut gegenüber der Welt in Whiskey. Es kotzt ihn an, dass er ständig für alle Probleme in die Bresche springen muss – aber er tut es. Mit einem desaströsen Absprung macht er sich auf in die Luft und zerstört dabei einen halben Häuserblock. Zu Ludacris’ „Move Bitch“ – wenn auch in entschärfter Form – fliegt Hancock in angetrunkenem Zustand hinter dem Fluchtfahrzeug her und bringt die Täter letztlich zur Strecke. Dabei verursacht er jedoch einen Schaden von neun Millionen Dollar, ein neuer persönlicher Rekord. Doch Hancock interessiert das nicht, genauso wenig die 600 Anzeigen, die sich inzwischen gegen ihn aufgetürmt haben. Er ist grob, unhöflich und meistens beleidigend, sowie latent aggressiv. Bei einer seiner missglückten Rettungsaktionen lernt Hancock dann den Gutmenschen und erfolglosen PR-Berater Ray Embrey (Jason Bateman) kennen. Dieser will sich um Hancocks Ruf bemühen und integriert ihn in seine eigene Familie. Dabei entwickelt Hancock dann Gefühle für Rays Ehefrau Mary (Charlize Theron). Beide birgt unerwarteter Weise ein Geheimnis.

Animositäten der Stadtbevölkerung gegenüber ihren Superhelden gab es bereits in Spider-Man oder X-Men, wirklich effektiv mit dem Thema beschäftigt hatte sich dann Brad Bird in seinem Pixar-Abenteuer The Incredibles. Weil die Superhelden dort mehr Schaden verursachte, als sie vermieden, wurden sie per Gesetzesentwurf „verboten“. Auch Hancock würden die Angelenos gerne loswerden, gerade dank seiner ekeligen Art ist dieser Superheld jedoch so sympathisch für den Zuschauer. Wenn es Superhelden gäben würde, dann wären sie wohl wie Hancock. Die Figur ist ungemein authentisch und passt damit perfekt in die skizzierte Handlung. Die erste halbe Stunde des Filmes ist grandios und wird hierbei unterstützt von einschlägigen HipHop Songs sowie Liedern von John Lee Hooker. Um ein Schritt auf die Bevölkerung von Los Angeles zu machen und der Stadt zu beweisen, dass sie ihn braucht, lässt sich Hancock in das örtliche Gefängnis einsperren. Auch hier weiß Bergs Film mit vielen amüsanten Einfällen aufzuwarten, unter anderem das Treffen Anonymer Alkoholiker, in deren Mitte sich Hancock öffnen soll. Kurz vor der Hälfte des Filmes beginnt dann die Katharsis der Hauptfigur, aus dem Helden heraus wird praktisch ein neuer Held geboren. Im Grunde ist die Geschichte zu diesem Zeitpunkt vorbei, Gilligan und Berg haben nichts mehr zu erzählen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann rettet Hancock noch heute Menschen. Aber Genrefans erinnern sich, ein Superheld wäre kein Superheld, wenn er nicht auch einen Schwachpunkt hätte. Diesen Schwachpunkt braucht man wahrscheinlich, um eine halbwegs spannende Geschichte erzählen zu können, selbst Achill hatte mit seiner Ferse einen Schwachpunkt (auch wenn sich einem nie erschließen wird, weshalb ausgerechnet die Ferse der Schwachpunkt eines Kriegers sein soll). Bei Drachentöter Siegfried war es das Schulterblatt, bei Superman das Kryptonit. Der Schwachpunkt eines Helden bringt diesen kurzzeitig zu Fall, macht die Geschichte spannend und sorgt für den finalen Klimax.

In diesem Absatz wird nun die Handlung gespoilert, wer sich dies ersparen möchte, kann direkt zum kommenden und letzten Absatz weiter springen. Die zweite Hälfte von Hancock beschäftigt sich mit Hancocks Schwachpunkt und zugleich seiner Vorgeschichte. Praktischerweise hat man versucht dies zusammen zu fassen und scheitert letztlich daran. Bergs Film funktioniert prächtig, bis es schließlich zur Demaskierung von Charlize Theron als Gleichgesinnte Hancocks kommt. Beide sind übermenschliche Figuren, gelegentlich als Götter und Engel bezeichnet und jahrtausende alt. Vom wem sie geschaffen wurden (Gott?) wird nicht geklärt, spielt im Grunde jedoch auch keine Rolle. Hancock, der seit achtzig Jahren unter Amnesie leidet, muss feststellen, dass er quasi von „Geburt“ an mit Mary verheiratet ist. Immerhin schon starke 3000 Jahre! Die Krux der ganzen Sache ist, es werden immer zwei übernatürlich starke Wesen geschaffen, die füreinander bestimmt sind und in Gegenwart des anderes dafür sorgen, dass die Superkräfte verloren gehen. Bereits dieser Punkte macht im Grunde die gesamte Entstehung dieser Wesen überflüssig, da Hancock jedoch nicht sterben kann – zumindest im Superheldenstatus – erklärt dies nicht, wieso sich sein Erinnerungsvermögen nicht wieder hergestellt hat. Mit Einführung dieser Thematik jedenfalls bricht der Film in sich zusammen, da die folgenden Szenen im Grunde nur noch nerven. Der Kampf zwischen Hancock und Mary zählt dabei fraglos zu den langweiligsten Kämpfen im Superheldengenre. Moralisch fragwürdig wird die Geschichte dann auch noch, schließlich handelt es sich bei Hancock und Mary um ein gemischtrassiges Paar. Dies ist auch die Ursache für verschiedene Attacken auf die beiden, beispielsweise 1850 oder vier Jahre vor Christus. Die gemischtrassige Beziehung der beiden sorgt für Aggressionen der umliegenden Bevölkerung. Am Ende des Filmes bleibt Mary auch bei ihrem Ehemann Ray und Hancock zieht allein von dannen. Die Botschaft ist unmissverständlich: gemischtrassige Beziehungen können nicht funktionieren, da sie nicht akzeptiert werden. Das sich Will Smith für so etwas hergibt, zeugt nicht gerade von Feingefühl und ist kritisch zu betrachten.

Seine 150 Millionen Dollar Produktionskosten wird Hancock ohne Probleme einspielen, dafür ist Smith in Amerika zu sehr Zugpferd. Die Hälfte seiner Kosten sollte Bergs Film dabei direkt am Startwochenende einspielen können, weltweit dürfte mit einem Einspiel in der Größenordnung von 500 Millionen Dollar und mehr zu rechnen sein. Wirklich gut ist Hancock jedoch nicht, zu lieb- und einfallslos ist die zweite Hälfte geraten. Das Finale des Filmes selbst ist dabei die Spitze des Eisberges und vollkommen unspektakulär. Dass Berg dennoch extrem auf Dramatik setzt macht ihn eigentlich nur lächerlich. Peter Berg bestätigt hier jedoch den Weg, den er eingeschritten hat, als massenkonformer Regisseur, der unbedenkliche Unterhaltung wie The Rundown oder Hancock inszenieren kann. Seinen prätentiösen The Kingdom mal außen vor gelassen, der als bedenkliches Stück Propaganda betrachtet werden sollte, dessen intendierte Botschaft für die meisten Zuschauer dank Bergs Inszenierung verloren gehen dürfte. Will Smith spielt den Part des genervten Superhelden solide runter, wobei er nur in der ersten Hälfte so richtig überzeugen kann. Dass Produzent Akiva Goldmann behauptet, der Film wäre nur mit Smith möglich gewesen, hängt eher mit dessen Namen als Garant, denn mit seinem Schauspiel zusammen. Ein Colin Farrell in der Hauptrolle – als einfaches Beispiel – würde dem ganzen relativ wenig nehmen oder geben. Dagegen ist die Theron gänzlich fehlbesetzt, was man besonders in der allgemein enttäuschenden zweiten Hälfte feststellen muss. Sie kann sehr wenig zu ihrer Figur beitragen, zudem stimmt die Chemie zwischen ihr und Gegenpart Smith überhaupt nicht. Der heimliche Star des Filmes ist Jason Bateman, der sich nach Nebenrollen in Juno allmählich etabliert und bereits mit Berg in dessen Polit-Vehikel Kingdom zusammengearbeitet hatte. Die Effekte enttäuschen etwas in Hancock, wobei dies nicht unbedingt zu den Störfaktoren gehört. Oftmals werden sie gelungen von John Powells überzeugendem Soundtrack kaschiert. Wenn zweite Seite der Medaille nicht wäre, wäre Hancock ein toller Film geworden, so verschwindet er jedoch etwas in der Masse und wird in einigen Monaten vergessen sein.

5/10

27. Juni 2008

Reservation Road

Can you hear music if you're in Heaven?

König Theoden sagt in The Two Towers, dass es nichts Schlimmeres gäbe, als sein eigenes Kind zu Grabe tragen zu müssen. Der Tod eines Elternteils ist in Hollywood-Filmen oftmals Auslöser für eine Selbstfindung der hinterbliebenen Kinder und wird zentral in Dramödien wie Garden State oder Elizabethtown behandelt. Beide Filme haben ruhige und konsternierte Söhne als Hauptprotagonisten, die das Elternteil zwar vermissen, an dem Verlust jedoch nicht zu Grunde gehen. Anders dagegen ist dies, wenn ein Elternteil sein Kind verliert. Sean Penn inszenierte in The Crossing Guard Jack Nicholson als verbitterten Vater, der Rache an David Morse für den Tod seines Kindes ausüben wollte. Auch Naomi Watts verlor in 21 Grams von Alejandro Gonzáles Iñárritu ihre beiden Kinder nebst Ehemann und zerbrach schier daran. In John Burnham Schwartz’ Roman Reservation Road (dt. Eine Sekunde nur) wird ein solches Ereignis beschrieben.

Nach einem glücklichen Ausflug macht die Familie Learner um Oberhaupt Ethan und Ehefrau Grace Halt an einer Raststätte auf der Reservation Road. Der zehnjährige Sohn, Josh, verlässt den Wagen und wird daraufhin von einem ausscherenden Geländewagen erfasst und tödlich verletzt. Im Wagen saß Dwight Arno mit seinem Sohn Sam, beide auf dem Heimweg von einem Baseballspiel. Dwight hält zwar kurz an, begeht dann jedoch Fahrerflucht und lässt eine trauernde Familie auf der Reservation Road zurück. Schwartz’ Roman wurde im vergangenen Jahr von Terry George fürs Kino verfilmt. George, der für seine Drehbücher zu In the Name of the Father und Hotel Rwanda jeweils eine Oscarnominierung erhielt, adaptierte Schwartz’ Drehbuch und besetzte den Film mit hochkarätigen Schauspielern. Erfolg war ihm dabei jedoch nicht vergönnt, der Reservation Road spielte weltweit nicht mal eine Millionen Dollar ein und wurde auch bei den diesjährigen Academy Awards übergangen.

Der Roman von Schwartz beeindruckt dadurch, dass jedes Kapitel sich abwechselnd auf das Innenleben von Ethan, Grace und Dwight beschränkt, ihr Innenleben reflektiert und so die Handlung vorangetrieben wird. Dabei ist sich Dwight seiner Schuld durchaus bewusst und er plant letztlich sein Geständnis bei der Polizei, will zuvor aber noch etwas Zeit mit seinem eigenen zehnjährigen Sohn verbringen, der bei Dwights Ex-Ehefrau Ruth lebt. Während sich Ethan und Dwight im Roman nie begegnen, veränderte George das Drehbuch an diesem Punkt. Nach dem Verlust von Josh wird Ethan (Joaquin Phoenix) von Rachegelüsten überfallen. Immer mehr entfremdet er sich von seiner ebenfalls trauernden Frau Grace (Jennifer Connelly). Da er die Ermittlungen der örtlichen Polizei als unzureichend empfindet, informiert Ethan sich übers Internet in etwaigen Foren und schaltet schließlich eine Anwaltskanzlei ein.

Wie das Schicksal so spielt, arbeitet ausgerechnet der Täter und Fluchtwagenfahrer Dwight (Mark Ruffalo) bei dieser Anwaltskanzlei - doch Ethan erkennt ihn nicht. Bei den Kritikern kam Reservation Road nicht besonders gut weg, Filmrezensent James Berardinelli von ReelViews bemängelte insbesondere das schwache Ende im Vergleich zur Vorlage. Wer den Roman kennt, mag sich wundern, wovon Berardinelli eigentlich spricht, denn abgesehen von einem Ortswechsel ist das Ende im Film vom Inhalt her identisch mit dem des Romans. Die Abänderung der Beziehung zwischen Ethan und Dwight mag man dagegen durchaus kritisch beobachten, Roman und Film gehen hier zwei verschiedene Wege, die letztlich am selben Ziel enden. Es lässt sich jedoch kaum leugnen, dass in den Szenen zwischen den Beiden die Spannung förmlich in der Luft liegt, ein Knistern, das eine herbe Explosion anzudeuten vermag.

Wirklich bedauerlich hingegen ist die Kürzung von Grace im Film, die dem Publikum mehr von der großartigen Jennifer Connelly vorenthält. Im Roman wird ihr eine weitaus bedeutendere Rolle zugesprochen, im Film hingegen konzentriert sich George zuforderst auf die Gemeinsamkeiten zwischen Ethan und Dwight. Zwei Männer, die in etwa im selben Alter sind und die beide einen zehjährigen Sohn haben. Während Dwight mehrfach Streitereien mit seiner Ehefrau Ruth (Mira Sorvino) hatte und schließlich das Sorgerecht verlor, ist Collegeprofessor Ethan eine gute Seele und stolzer Vater zweier musikalisch begabter Kinder. Man mag sich daran beißen, dass die Learner hier die klischeehafte, harmonische Familie geben, im Laufe des Filmes wird sich dies jedoch ändern. Anstatt für seine Familie da zu sein, kapselt sich Ethan immer mehr in seinem Kummer ab. Ein einsamer Mann auf der Suche nach Vergeltung. Seine Ehefrau Grace hingegen versucht mit dem Verlust ihres einzigen Sohnes zurecht zu kommen und ihrer Tochter Emma (Elle Fanning) eine gute Mutter zu sein.

Dwight hingegen ist von enormen Schuldgefühlen geplagt, als Vater ist er sich des verursachten Schmerzes durchaus bewusst. Da er nicht überführt werden kann, plant er sich zu stellen. Zuvor will er jedoch noch die Meisterschaft im Baseball mit seinem Sohn verfolgen, ein letztes positives Ereignis, ehe er für mehrere Jahre ins Gefängnis wandern wird. Zwei Männer mit Seelenballast, zwei Männer die etwas zu verlieren haben. Man mag sich fragen, was passiert wäre, wenn Ethan Dwights Sohn Lucas und nicht umgekehrt Dwight Ethans Sohn Josh überfahren hätte. George skizziert zwei liebende Familienväter, die lediglich versuchen ihre Familie zusammenzuhalten und mit dem Schmerz klar zu kommen. Besondere Spannung erhält dies selbstverständlich durch den Umstand, dass Dwight durch seine Arbeit in die Umgebung der Learners gezogen wird.

Die Oscarpreisträger im Cast finden sich mit Connelly und Sorvino auf Seiten der beiden Damen, Reservation Road jedoch gehört alleine den männlichen Schauspielern um Joaquin Phoenix und Mark Ruffalo. Besonders Phoenix weiß hier als introvertierter Vater zu überzeugen, sein Spiel ist von einer außerordentlichen Tiefe geprägt, dagegen kommt selbst Ruffalo mit einer ebenfalls guten Leistung oft nicht an. Aber auch Connelly weiß wie so oft zu überzeugen, obschon ihre Figur im Gegensatz zur Vorlage etwas eingeschränkt wurde. Von Sorvino sieht man leider viel zu wenig, sie fügt sich jedoch mit Elle Fanning in das großartig aufspielende Ensemble ein, welches den Film im Grunde alleine trägt. Abgerundet wird das Ganze dann von Mark Ishams stimmungsvollen Kompositionen, die versuchen in ruhigen Tönen den Schmerz der Familie Learner und die innere Zerrissenheit von Dwight einzufangen.

Georges Film schließt den Zuschauer etwas aus dem Innenleben der Figuren aus, dass man eine solche Geschichte jedoch auch aufteilen kann, hat im vergangenen Jahr Todd Field mit seinem großartigen Little Children bewiesen. Nichtsdestotrotz ist Reservation Road Schauspielkino erster Güte und der Schmerz, den die Learners empfinden, transferiert sich wunderbar auf die Leinwand und wirkt ergreifend auf das Kinopublikum. Das Ende, betrachtet man das Geschehene nur konsequent, erinnert in seiner Auflösung jedoch etwas an Hanekes Caché. Zuletzt sei gesagt, dass der Trailer zum Film wieder mal sinnbildlich für die Inkompetenz der Trailercutter steht. Wenn sie einem nicht gänzlich die Laune auf einen Film vermiesen, wie bei Hallam Foe oder XXY, so nehmen sie das Ende des Filmes, wie hier geschehen, bereits vorweg. Wer Reservation Road in 150 Sekunden gepresst sehen will, sei somit der Trailer geraten, alle anderen sollten um diesen einen Bogen machen.

7.5/10

25. Juni 2008

All the Boys Love Mandy Lane

Some have even died in their reckless pursuit of this angel. 

Die Schulzeit ist eine harte Zeit, vor allem in den USA. Cliquenwirtschaft existiert während der Pubertät, man versucht sich selbst zu finden und versammelt sich mit Leuten, die gleich oder ähnlich denken wie man selbst. Wer seit vierzig Jahren Kinofilme kennt, der weiß, dass dies in den amerikanischen High Schools noch etwas versierter ist, als hier in Deutschland. Dort hat es die Football-Spieler, die quasi die Könige der Schule sind und ihre Königinnen bestehen aus den Cheerleaderinnen. Prestige ist alles, Aufmerksamkeit auch und diese holt man sich wenn nötig auch auf die rabiate Weise. Und wenn es Könige gibt, existieren auch Narren, die Nerds, Freaks, Streber der Schule. Die Dicken, die Bebrillten, die Schmächtigen, sie werden von den Sportlern und Attraktiven als „Tunten“, „Schwuchteln“ und „Loser“ bezeichnet. Dieses Klischee einer High School lebt in den meisten Teenager-Filmen fort und wurde auch durch TV-Serien wie The O.C. bestärkt und getragen. Eine dieser gemobbten Charaktere ist Emmet (Michael Welch) und die Tatsache, dass er auf der Pool-Party von Schulschönling Dylan ist, verdankt er lediglich seiner Jugendfreundin Mandy Lane (Amber Heard). Mandy wird von ihren männlichen Mitschülern zum heißesten Mädchen der Schule verklärt, doch hierbei spielt nicht ausschließlich ihr Aussehen mit rein, sondern auch, dass sie scheinbar noch jungfräulich ist. Folglich ist sie für Dylan und seine Freunde Bird (Edwin Hodge), Red (Aaron Himmelstein) und Jake (Luke Grimes) eine Art Trophäe, die es zu ergattern gilt. Auf Dylans Poolparty kommt es schließlich zu einem Unfall, der auch Emmet und Mandy auseinander treiben wird. Fortan versucht sich Mandy im neuen Freundeskreis um die eingebildete Chloe (Whitney Able). Gemeinsam soll zum Ferienhaus von Red gefahren werden, doch bereits in der ersten Nacht eskaliert die Situation. Ein Mörder sucht das Anwesen heim und beginnt sich der Teenager zu entledigen. 

Hinter All the Boys Love Mandy Lane verbirgt sich eine Gruppe von Filmhochschulabsolventen, von denen im Grunde alle einen Master of Fine Arts in ihrem jeweiligen Metier erlangt haben und rund die Hälfte beim American Film Institute studiert hat. Hierzu zählt auch Regisseur Jonathan Levine, der mit Mandy Lane sein Regiedebüt feiert. „Wenn das Publikum ‚All the Boys Love Mandy Lane’ sieht, soll es sich daran erinnern, wie schrecklich es doch war, ein Teenager zu sein“, beschreibt Levine seinen Film. Mandy Lane somit ein großes Ganzes über das Leben in der High School? Die seltensten Schülerinnen und Schüler dürften während eines Ferienausflugs von einem wahnsinnigen Mörder gejagt worden sein, somit dürfte dies sehr viel weniger mit Levines eigener Schulerfahrung zu tun haben, die er mit seinem Film in Verbindung bringt. Dafür dass die Macher mit Mandy Lane eher eine „Highschool-Geschichte“ denn einen Horrorfilm erzählen wollten, überraschen sie mit extrem naiver Einfallslosigkeit. Das Schulleben, das man hier sieht, konnte man bereits in den American Pie-Filmen oder Robert Rodriguez’ The Faculty sehen, sowie in zwei Dutzend anderer Teenie-Filme aus dem Land hinter dem Ozean. Sexgeile Schönlinge, die jedem Rock hinterher jagen und Mädchen, die Wert auf ihr Aussehen und die Gunst der Jungen legen. Dazu Sex, Petting, Fellatio, Drogen, Alkohol und laute Musik. Neue Sichtweisen kann Levines Film folglich nicht bieten, sondern bedient sich freizügig beim allseits bekannten Klischeepool des Genres, nicht nur in dieser Hinsicht. Auch die Idee eines Serienmörders, der Kinder in ihrer Freizeit heimsucht – am meisten drängt sich Friday the 13th auf – ist so altbacken, dass es für den Zuschauer vollständig vorhersehbar ist. Wer der Täter ist und was seine Motivation, das weiß man bereits nach fünf Minuten, daher ist die Luft aus Levines Film bereits heraus, ehe dieser richtig begonnen hat. 

Eine „raffinierte Story“ wird dem Publikum versprochen, der Film soll „den Touch eines spätsommerlichen Feel-Good-Werbespots“ erzeugen. Ein Horrorfilm über die schlechten Erfahrungen in der Schule. Ein Widerspruch in sich. Auch die Aussage des Regisseurs, während der Drehzeit mit 2 Stunden Schlaf pro Nacht ausgekommen zu sein. Viel Lärm und nichts dahinter. Der Film weiß zwar mit einem netten Plottwist aufzuwarten – welcher jedoch ebenfalls vorhersehbar ist –, doch rettet dies das Gesamtbild des Filmes nicht. Dennoch ist der Plottwist sicherlich der Höhepunkt und weiß zu retten, was zu retten ist, einfach da er durch seine Inkonsequenz zu gefallen weiß. Was dem Film jedoch davor bewahrt in sich zusammen zu brechen, ist der Soundtrack, der gerade das gewollte Feel-Good-Gefühl wecken kann. Ironischerweise ist er nicht im Handel erhältlich, aus welchen Gründen auch immer, denn der US-Independent-Film, der jetzt erst in Deutschland startet, ist nicht aktuell, war letztes Jahr bereits auf dem Fantasy Film Fest zu bewundern. Man muss es den Filmhochschulabsolventen allerdings zu Gute halten, dass sie – so einfallslos wie ihr Film ist – diesen optisch und technisch zumindest überzeugend transferieren konnten. Auch das Casting für die eindimensionalen Figuren ist als gelungen zu bezeichnen, stellt allerdings auch keine zu großen Anforderungen an die jungen Darsteller, von denen manche (z.B. Edwin Hodge) bereits seit dem Kindesalter als Schauspieler arbeiten. 

Woher die Affinität zu diesen 08/15-Teenie-Slasher-Filmchen stammt, bleibt wohl ein Geheimnis, vor allem da sie alle identisch miteinander sind. Sei es Halloween H20, I Still Know What You Did Last Summer und dergleichen, sie alle konzentrieren sich auf eine Gruppe Teenager, die von einem Mörder heimgesucht werden. Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen um die Schönen und Doofen der Schule, die Sportler, Cheerleaderinnen und Mobber. Dies lässt darauf schließen, dass die Macher dieser Filme früher einst Nerds und Freaks waren, Leute die gehänselt wurden und sich nun an ihren ehemaligen Peinigern „rächen“ möchten. Wann wurde schon einmal eine Gruppe Jugendlicher auf einer LAN-Party abgestochen? Nein, es sind die oberflächlichen und selbstverliebten Teenies, die sich dem Tod gegenübersehen müssen. Überleben dürfen immer diejenigen, die doch nicht so böse und gemein sind, wie man eigentlich dachte. Diejenigen, die früher mal selbst Nerd waren, oder mit einem eine Freundschaft eingegangen sind. Diese macht man ebenfalls zu Beginn der jeweiligen Filme aus, somit weiß man, wer in All the Boys Love Mandy Lane überleben, wer sterben und wer der Mörder sein wird. Außerdem weiß man, aus welchen Beweggründen heraus der Mörder mordet. All das ist einem nach 10 Minuten bekannt, die restlichen achtzig Minuten verlaufen dann so, wie man sich das denken kann, wenn man in seinem Leben bereits einen Horrorfilm gesehen hat. Dafür, dass der Film das erste Werk einiger Absolventen ist, kann man diesen ihr Ergebnis noch einmal verzeihen, schlimmer wäre es, wenn ein alteingessesener Regisseur diese Geschichte verzapft hätte. Wer seinen Spaß an Slashern wie Friday the 13th oder seinen Genrevertretern hatte, der kommt auch bei All the Boys Love Mandy Lane auf seine Kosten. Für alle anderen dürfte der Film kaum bis wenig Neues bieten, nicht überraschen und kaum erschrecken – der Soundtrack aber, der ist wirklich gut. Hoffentlich kommt der noch auf den Markt. 

4.5/10 

24. Juni 2008

Stromberg - Erste Staffel

Theoretisch hab ich ja auch die Treppe genommen. 

In Großbritannien entstand 2001 mit The Office eine kleine, aber feine Serie durch Ricky Gervais und Stephen Merchant, die obschon ihrer geringen Folgenzahl einen großen kulturellen Effekt erzielte. Zumindest in der Medienlandschaft war The Office ein Geheimtipp und wurde anschließend von Gervais für den amerikanischen Markt konzipiert. Das dortige Pendant weiß jedoch noch eine Spur besser zu gefallen, doch richtet sich das subjektiv immer danach, ob man nun Michael Scott (Steve Carell) oder David Brent (Gervais) lieber sieht. Auch in Kanada und Frankreich (Le Bureau) hat die Serie bereits ihre entsprechenden Ableger gefunden. Das grundsätzliche Schema der Serie ist dabei meist dasselbe: eine Mockumentary über das Leben in einer Versicherungsfiliale. Aufgehängt wird dies über den jeweiligen Abteilungsleiter, der sich stets in das nächstgelegene Fettnäpfchen zu setzen weiß und bei seinen Angestellten nicht unbedingt beliebt ist, es jedoch selbst glaubt zu sein. Abgerundet wird dies von drei weiteren Figuren, dem nerdigen Angestellten, wie ihn Rainn Wilson perfektioniert hat, sowie einem potentiellen Liebespärchen innerhalb der Abteilung. 

Während die ausländischen Office-Ableger in Hinblick auf das Original entstanden, maßte sich der deutsche TV-Autor und Produzent Ralf Husmann an, das Konzept von Gervais und Merchant zu klauen, ohne auf das Original aufmerksam zu machen. Im Herbst 2004 lief sein Stromberg auf Pro Sieben und beinhaltete im Grunde all das, was The Office ausmacht. Erst nachdem Gervais der deutschen Produktionsfirma Brainpool mit einer Unterlassungsklage drohte, erklärte sich Husmann bereit ab der zweiten Staffel einen Verweis zum britischen Vorgänger einzubauen. Dass die Deutschen jedoch liebend gern vom internationalen Markt klauen, ist in der Medienlandschaft einschlägig bekannt und zeigt nur wie armselig das deutsche Fernsehen eigentlich ist. Dabei gibt es durchaus einige kleine Änderungen in Stromberg, die Rolle der Rezeptionistin wurde abgeändert zur einfachen Sachbearbeiterin Tanja Seifert (Diana Staehly), außerdem wurde mit Erika Burstedt (Martina Eitner) eine zusätzliche zentrale Figur eingebaut. Außerdem wäre zu erwähnen, dass der Nerd der Serie, Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Mädel) in der Tat von jedem aus seiner Abteilung gemobbt wird, wie er selber immer anklagt. 

Bei der ersten Ausstrahlung war Stromberg noch der absolute Kracher, wenn man die Serie jedoch mit den englischsprachigen Pendants vergleicht, verliert der deutsche Ableger ungemein. Fraglos besticht Husmann mit grandiosen Dialogen und frechen Momenten, jedoch verliert sich die Handlung ein ums andere Mal an ihren zahlreichen Figuren. Während sich die amerikanische Version zentral auf die vier Hauptcharaktere fokussiert, Michael Scotts Chefin Jan eher selten und wenn nur am Rande auftaucht, so ist Strombergs (Christop Maria Herbst) Vorgesetzte, Frau Berkel, quasi omnipräsent. Stromberg leitet  mit seinem türkischstämmigen Kollegen Sinan Turculu die Schadensregulierung der Capitol Versicherungen AG in Köln. Dabei stellt sich jedoch heraus, dass Bernd Stromberg der Geschäftsleitung mehr und mehr negativ auffällt. Die beiden Abteilungen der Schadensregulierung sollen zusammen gelegt werden und Stromberg glaubt die Gesamtleitung zu erhalten. Dabei steht sein Job in Gefahr und der Gute merkt das nicht mal. In diesem Zusammenhang tauchen eigentlich in jeder der acht Folgen der ersten Staffel die „Antagonisten“ Berkel und Turculu auf. Mit dem Geschehen innerhalb seiner Abteilung hat Stromberg eher weniger am Hut, weiß sich aber dennoch auch dort gelegentlich katastrophal einzuschalten.
 
Wenn im Wald ein Wolf einem Wolf begegnet, dann denkt der sich „Ah, ein Wolf“. Aber wenn ein Mensch im Wald einem Mensch begegnet, dann denkt der sich „Ah, sicher ein Mörder“. 

Hatten Tim Canterbury (Martin Freeman) und Jim Halpert (John Krasinski) ihren nebensitzenden Arbeitskollegen gelegentlich Streiche gespielt (Tacker in Gelee, z.B.), so trifft dies auf Ulf (Oliver Wnuk) überhaupt nicht zu. Während der amerikanische Jim einer der besten Arbeiter seiner Abteilung ist, bildet Ulf das Schlusslicht in Stromberg. Außerdem trifft es tatsächlich zu, dass er den guten Ernie mobbt und das nicht manchmal, sondern ständig. Dieses Mobbing wird schließlich hin und wieder auch von Tanja oder Erika, sowie anderen Kollegen nicht nur gebilligt, sondern auch unterstützt. Husmann fördert dies, indem er Ernie des Öfteren auch wirklich als Trottel darstellt, der sich selbst einen Hitlerbart schmiert oder Feuer legt. Man darf natürlich nicht übersehen, dass in Deutschland eine andere Arbeitsauffassung herrscht, als jetzt in den USA oder England. Ob sich das Serienformat zum Beispiel in Japan durchsetzen ließe, würde ich sogar fast ausschließen, da Abteilungsleiter dort einen anderen Charakter haben, als dies in der westlichen Welt der Fall ist. Stromberg jedenfalls entspricht durchaus dem Bild, das man von einem deutschen Abteilungsleiter haben könnte. Dieses Bild wirkt auch deswegen so überzeugend, da Christoph Maria Herbst hier die Rolle seines Lebens gefunden hat. Stromberg ist ein Narzisst und Macho wie er im Buche steht. Als Randgruppen bezeichnet er gerne mal neben Behinderten auch Schwule und Frauen und seiner Meinung nach hat der Türke außer Kaffee, Döner und Bauchtanz nichts geleistet. Dass bei solchen Einstellungen Ärger vorprogrammiert ist, dürfte sich von selbst verstehen. 

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Spiel aller beteiligten Darsteller gelungen ist, wobei insbesondere Bjarne Mädel zu loben ist. Durch das große Ensemble lassen sich jedoch weniger starke Sympathien aufbauen, wie dies bei der US-Version. Ein weiteres Problem bei Stromberg ist der Einbezug der Arbeit in das Geschehen der Serie. Im amerikanischen Pendant besteht die Serie fast ausschließlich aus den spinnerten Ideen von Michael Scott, in der deutschen Fassung jedoch spielen Zahlen, Vertragsabschlüsse und so weiter eine sehr viel stärkere Rolle. Immer wieder macht die Berkel Stromberg darauf aufmerksam, dass Verträge abzuschließen sind, Zahlen nicht stimmen, Mitarbeiterunterlagen abhanden gekommen sind. Wenn Stromberg dies mit einem „Da gehen wir besser mal in mein Büro“, im Zusammenhang mit Krawattenglattstreichen, oder einem einsilbigen „Läuft“, im Zusammenhang mit Bartglattstreichen, abtut, ist dies durchaus amüsant, jedoch auch eintönig. Die Ursache hierfür findet sich wohl darin, dass Stromberg selten in seiner Abteilung ist. Entweder er hat mit seinen Vorgesetzten zu tun oder er verschanzt sich in seinem Büro und lässt fantastische Analogien auf die Kamera los („Der Teufel ist ein Eichhörnchen“). 

Aus vielen Einzelideen setzt sich aber kein funktionierendes Ganzes zusammen, das ist von Seiten Husmanns bedauerlicherweise oft zu wenig. Wenn Erika ihr Patenkind ins Geschäft bringt, so nervt das, auch wenn es etwas lustig ist, wenn Stromberg die pubertierende Schülerin als Mittel zum Zweck benutzt. Zwar wissen Tanja, Ulf und Stromberg gelegentlich ihre sympathischen Seiten zu zeigen, jedoch ist hier auch sehr viel Schatten neben der Sonne. Wirklich am Herzen hängen tun die Figuren einem nicht, jedenfalls nicht wie es bei der US-Version der Fall ist. Außerdem baut die erste Staffel nach einem guten Beginn stark ab, die ersten drei Folgen (Der Parkplatz, Feueralarm, Mobbing) sind neben der letzten (Der letzte Tag) die gelungensten, die anderen vier verschwinden da etwas im Niemandsland. Die kommenden Staffeln bauen da noch etwas ab, am meisten dabei die dritte. Dennoch wird diesen Herbst die vierte Staffel der Serie gedreht werden, welche dann im Frühjahr 2009 auf Pro Sieben ausgestrahlt wird. Wer jedoch die Möglichkeit hat, The Office im Original zu sehen, dem sei von Stromberg abzuraten. 

7.5/10

23. Juni 2008

Jerry Maguire

You had me at “hello“.

Er ist einer der größten Hollywood-Stars, vielleicht einer der größten aller Zeiten, zugleich jedoch einer der umstrittensten. In seiner langen Karriere hat er noch nie bei einem Audiokommentar zu einem seiner Filme mitgemacht, bis schließlich dieses Werk hier kam. Man kann Tom Cruise also Glauben schenken, wenn er in ebenjenem AK seine Beweggründe damit begründet, dass er diesen Film liebt, ihn unbedingt machen wollte und sich gemeinsam mit Autor und Regisseur Cameron Crowe, sowie den beiden Nebendarstellern Cuba Gooding Jr. und Renée Zellweger zu einem AK bequemte. Auch heute, zwölf Jahre nach Entstehen des Filmes, markiert Jerry Maguire noch den größten Erfolg von Cameron Crowe, mit einem weltweiten Einspiel von rund 270 Millionen Dollar. Lediglich seine zweite Kollaboration mit Tom Cruise fünf Jahre später im Abre los ojos Remake Vanilla Sky sollte mit zweihundert Millionen Dollar ähnlich erfolgreich sein. Tom Cruise würde seine Rolle als Jerry Maguire die zweite von insgesamt drei Oscarnominierungen bescheren respektive die letzte Nominierung als Bester Hauptdarsteller bis zum heutigen Tage. Ironischerweise haben „alle“ anderen am Set inzwischen einen (oder anders gesagt ihren) Oscar gewonnen: Crowe für sein Drehbuch zu Almost Famous vier Jahre später, Zellweger für ihre Nebenrolle in Anthony Minghellas Cold Mountain und Cuba Gooding Jr. für seine Beteiligung an diesem Projekt als Rod Tidwell. Eben alle außer Cruise, selbst seine Ex-Frau gewann inzwischen den Preis, nicht vorstellbar, wie dies an ihm nagen muss. Dabei wäre er eventuell nicht einmal nominiert worden, war die Rolle des Jerry Maguire schließlich überhaupt nicht für ihn vorgesehen. Geschrieben hatte Crowe seine beiden Protagonisten Jerry Maguire und Dorothy Boyd nämlich für Tom Hanks und Winona Ryder. Da Hanks jedoch im selben Jahr mit seiner Arbeit an That Thing You Do beschäftigt war, kam Cruise an Bord. Beim Vorsprechen sahen Cruise und Ryder aufgrund ihrer Haarfarbe jedoch aus wie Bruder und Schwester, sodass Ryder das Projekt anschließend verlassen musste und es ein Hauen und Stechen für die Rolle der Dorothy gab (u.a. Cameron Diaz, Mira Sorvino, Courtney Love).

Am Ende erhielt die damals weitestgehend unbekannte Renée Zellweger den Zuschlag, die eigenen Angaben nach zum damaligen Zeitpunkt so pleite war, dass sie nicht einmal Geld abheben konnte. Auch Gooding Jr., der sich gegen Jamie Foxx durchsetzte, war noch ein relativ unbeflecktes Gesicht und hatte erst im Jahr zuvor unter Wolfang Petersen in Outbreak auf sich aufmerksam machen können. Am Ende erhielt Jerry Maguire fünf Oscarnominierungen, darunter auch für den Besten Film des Jahres, und hat bei den Benutzern von Rotten Tomatoes (83%) und Metacritic (88%) noch ein hohes Ansehen. Hierzu tragen auch die vielen Zitate bei, die der Film in der Gesellschaft etablieren konnte und von denen es die zwei bekanntesten auch unter die Top 100 des American Film Institutes geschafft haben. Das oben benannte ist sicherlich das romantische, etwas verkitschte, aber deswegen nicht weniger schöne und auf Platz 52 wieder zu finden. Dagegen dürfte Crowes Film den meisten wegen seines zweiten Zitates und der damit verbundenen Szene im Gedächtnis geblieben sein. Jerrys Kampf um Rod Tidwells Gunst, kulminierend in einer geschrieenen Affektion von „Show me the money!“, die es mit Platz 25 unter die Top 30 und damit noch vor Schwarzeneggers „I’ll be back“ (Platz 37) geschafft hat. Mit Jerry Maguire gelang Crowe, der sich vier Jahre später mit Almost Famous zu der Top-Riege der Regisseure um die Jahrtausendwende zählen durfte, eine gelungene Geschichte über Moral und Zusammenhalt. Getragen wird der Film hierbei neben seinem kongenialen und wunderbar zusammenspielenden Ensemble vor allem durch die Musikwahl Crowes (am einschneidensten natürlich durch Bruce Springsteens „Secret Garden“) und die Ausleuchtung von Spielberg-Spezi Janusz Kaminski, die selbst Gooding Jr. auf dem AK hervorhebt. Der Film verschmilzt geradezu mit seiner Musik, was es umso verständlicher macht, dass diese auch während der Dreharbeiten am Set nebenher lief und die Gefühle erzeugte, die Crowe sich wünschte.

Tom Cruise, der anschließend die nächsten drei Jahre bis zu Kubricks Eyes Wide Shut keinen Film drehen sollte, ist als Schauspieler ein Grenzfall, da die eine Hälfte seiner Darstellungen durch übertriebenes Schauspiel (Mission Impossible, Minority Report) und die andere Hälfte durch sein wahnhaftes Grinsen getrübt werden. Hier bildet Jerry Maguire dankenswerterweise eine gelungene Ausnahme (und daher auch den einzigen Film mit Cruise, der sich in meiner DVD-Sammlung befindet), was Cruise seiner Figur zu schulden hat. Jerry Maguire (Tom Cruise), Sportagent, ist ein wahrhafter Kotzbrocken, wie er im Buche steht. Entgegen vieler anderer Filme lässt Crowe jedoch die Katharsis der Figur (zumindest die erste) nicht am Ende stattfinden, sondern bereits zu Beginn, um sie als Ausgangspunkt seiner Geschichte zu nutzen. Der Sohn eines verletzten Klienten zeigt Maguire auf, zu was er geworden ist. In einem depressiven Affekt verfasst Maguire ein Manifest, ein Memo, welches er an seine Agentur weiterleitet. Bereits im selben Moment, als er dieses losschickt, merkt er seinen Fehler und sieht sein Schicksal kommen. Im Grunde handelt es sich hierbei um die stärkste weil intensivste Szene von Cruise im ganzen Film, ein früher Höhepunkt, dem er anschließend nicht mehr gerecht werden kann, was seine positive Leistung aber wenn nur minimal schmälert. Was anschließend folgt, ist ein Hinfallen und Aufrappeln, das Crowe sogar mehrfach bildlich umsetzt, wenn Maguire mal für mal ins Straucheln gerät. Am einschlägigsten ist der Moment nach seiner Entlassung geraten, wenn Maguire in sein Büro zurückkehrt, stürzt und sich sofort wieder aufrappelt. Was folgt ist die oben angesprochene Szene, welche bereits die grundsätzliche Botschaft des gesamten Filmes beinhaltet. Von seinen über siebzig Klienten versucht Maguire so viele mitzunehmen, wie er kann, bleibt aber mittendrin am Running Back der Arizona Cardinals, Rod Tidwell (Cuba Gooding Jr.), hängen und verstrickt sich mit diesem. Sein Kampf um Tidwell wird Maguire alle anderen Klienten kosten, Auslöser hierfür sein commitment (Engagement, Verpflichtung) gegenüber Tidwell.

Weiterer zentraler Punkt ist das Verlieren von Cush (Jerry O’Connell), eine Nacht vor dem Draft. Cruises gefrorenes Lächeln ist überzeugender, als seine gesamte Leistung im Spielberg-Schinken War of the Worlds. Auch hierfür ist Tidwell verantwortlich, die gesamte Szenerie, mit der beendeten Beziehung zu Maguires Freundin Avery (Kelly Preston) ist ein weiterer –sprichwörtlicher – Tiefschlag für Jerry, aus welchem er sich ebenfalls sofort aufrappelt. Was folgt ist eine gezwungene Bindung an Tidwell, die zu Beginn noch nicht das darstellt, was Tidwell so liebevoll als „kwan“ bezeichnen wird. Wie jede andere Beziehung in Crowes Film, muss auch diese zuerst wachsen, und interessanterweise kommt die berufliche Beziehung, obschon sie Ausgangspunkt ist, erst nachdem beide sich als gegenseitige Freunde etabliert haben. Besser gesagt ist Tidwell Maguires einziger Freund durch den ganzen Film hindurch, da sich seine vorherigen Freunde als Haifische im Becken ausgewiesen haben. Crowe zelebriert seinen Jerry Maguire als Mann, der am Tiefpunkt angelangt ist. Ein Sportagent ohne Sportklienten, ohne Verlobte, ohne Job, ohne Geld. Ein Mann der alles verliert, um am Ende alles gewinnen zu können. Crowe fasst dies in seiner letzten Einstellung, die zu den gelungensten der letzten zehn Jahre zählt, brillant zusammen, wenn er Maguires Mentor zusammenfassen lässt, dass man im Leben ebenso oft verliert, wie man gewinnt. Was zählt, ist das man sich aufrappelt und nicht liegen bleibt, ein Motto, aus dem Sport entlehnt, welches man in Amerika zweifelsohne verinnerlicht hat und anpreist. So verwundert es auch nicht, dass Jerry Maguire eine zutiefst amerikanische Figur ist, die symbolisch für amerikanische Werte steht, die heute kaum noch vorzufinden sind. Allgemein ist die Einbeziehung von Dickie Fox, Maguires Mentor und angelehnt an Regielegende Billy Wilder (der sie ursprünglich auch spielen sollte), ein ausgesprochen netter Zusatz zu diesem tollen Film.

Das Herz und die Seele des Filmes ist jedoch zweifelsohne die Beziehung zwischen Jerry und Dorothy oder besser gesagt die Darstellung dieser durch Zellweger. Unerklärlicherweise wurde sie von allen drei Akteuren als einzige nicht für den Oscar nominiert, dabei ist ihr Schauspiel der Leim der alles zusammenhält und die schönsten und gelungensten Momente des Filmes trägt (wie auch einmündig beim AK von den männlichen Beteiligten attestiert). Bereits mit ihrer Eröffnungsszene gewinnt Zellweger die Leinwand in einer allgemein sehr gelungenen Einstellung, wenn Dorothy als Passagier zweiter Klasse eingeführt wird und ihrem Jerry in die erste Klasse hinterher trauert. Schließlich wird sie von der Stewardess bildlich durch einen Vorhang ausgeschlossen, von dem besseren Leben, wie sie auch selbst bemerkt. Ihr nächster großer Moment ist die Ablieferung von Maguire am Flughafen, wenn Zellweger mit traurigem Blick die perfekte Familie vorgesetzt bekommt, die sie nicht hat und nach der sie sich sehnt. Hierzu kommt dann noch der goldige Jonathan Lipnicki, der perfekt mit Zellweger harmoniert beziehungsweise vice versa. Sehr toll auch die Inthronisierung der Beziehung Jerry-Ray, die von Crowe immer wieder vorangetrieben wird. Durch ihre Liebe zu Jerry geblendet erkennt Dorothy nicht, dass sich Jerry weniger in sie, als vielmehr in ihren Sohn verliebt hat. Während Dorothy mit Jerry eine Geschäftsbeziehung eingeht, sprich für ihn ihren Job kündigt, weil sie ihn liebt, geht Jerry mit Dorothy eine Ehe ein, weil er ihren Sohn liebt. Perfektes Beispiel hierfür ist Jerry Heiratsantrag, vor dem er einen letzten Blick zu Ray wirft und der schließlich auch die Anlaufperson ist, als Dorothy schließlich einwilligt. Für Jerry geht es bei Beziehungen um Loyalität, was ihn auch zur Ehe mit Dorothy bewegt. Zugegebenermaßen ist die Liebeskatharsis von Jerry letzten Endes etwas unübersichtlich geraten, bzw. zu wenig ausgeleuchtet. Hier folgt Crowe eher dem Motto, das man etwas erst vermisst, wenn man es nicht mehr sein eigen nennt. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass Jerry in seiner Entschuldigung den Satz des verliebten Taubstummen klaut.

Vier Jahre nach Singles ist Cameron Crowe eine nochmalige Steigerung gelungen, die weitere vier Jahre später mit Almost Famous ihren Abschluss finden würde. Sein Amenábar-Remake ist auf unerklärliche Weise unnötig und scheint Crowe ein Jahr nach seinem Erfolg mit Almost Famous ins Wanken gebracht zu haben. Er hielt wieder seine vier Jahres Pause ein und lieferte daraufhin seinen Elizabethtown ab, der weder Kritiker noch Fans begeistern konnte. Seitdem ist es still um Crowe geworden und es bleibt abzuwarten, ob nächstes Jahr (s)ein neues Projekt von ihm auf der Leinwand erscheinen wird. Jerry Maguire hingegen ist nahezu perfekte Unterhaltung, dessen größtes Manko seine Laufzeit ist. In manchen Szenen tritt Crowe zu lange auf der Stelle und benötigt zu viel Zeit, um seine Handlung voranzubringen. Gerade die Momente zwischen Dorothy und Jerry – so schön sie auch sind – sind meist ein bis zwei Minuten zu lange geraten. Generell wären dem Film zehn bis fünfzehn Minuten weniger sehr recht geraten, doch trübt die Laufzeit von zwei Stunden auch das Erlebnis nicht im weiteren Sinne. Tom Cruise, um auf die Einleitung zurück zu kommen, weiß hier entgegen vieler anderer Filme zu überzeugen, da sein debiles Lachen, Lächeln und Grinsen perfekt zu seiner narzisstischen Figur von Jerry Maguire passt. Auch wenn es gelegentlich zu viel wird und hin und wieder sein Schauspiel übertrieben wirkt, so ist er sicherlich die bessere Wahl gegenüber Volksheld Tom Hanks gewesen, dem der innere Schweinehund eines Maguire weniger glaubhaft abzukaufen gewesen wäre. Es ist jedoch Zellweger, die damals ihren Durchbruch feierte und die den Film durch ihr emotionales Schauspiel trägt. In das ganze fügt sich Cuba Gooding Jr. mit einer soliden Darstellung ein, an die er höchsten noch in As Good As It Gets ein Jahr später anknüpfen konnte. Dass er sich mit seiner Leistung gegen William H. Macy, Armin Müller-Stahl  und Edward Norton durchgesetzt hat, ist bis heute eine der vielen umstrittenen Entscheidungen der Jury. Jerry Maguire ist jedoch unbestritten (zumindest in meinen Augen) einer der besten Filme der 90er.

9/10

21. Juni 2008

Cloverfield

I don't know what to say.

Wer die Bezeichnung „virales Marketing“ hört, muss inzwischen unmittelbar an Cloverfield denken. Das Projekt von J.J. Abrams begann ein halbes Jahr vor Filmstart einen Internethype, wie man ihn vorher lange nicht gesehen hatte (wenn überhaupt schon einmal). Im Juli 2007 wurde der Teaser vor Michael Bays Transformers ausgestrahlt – ein wohlweislicher Zug, wird hier doch dasselbe Publikum angesprochen, hierzu später mehr. Viel zu sehen gab es im Teaser nicht, schon gar keinen Titel für den Film. Lediglich der Starttermin und der Name von Produzent J.J. Abrams, der durch seine erfolgreichen Serien Alias und Lost als Zugpferd fungieren sollte, wurden dem Publikum präsentiert. Im World Wide Web fanden sich dann über die Monate hinweg vermehrt Puzzle-Websites, gefaktes Videomaterial und allerlei anderen Krimskrams, um die YouTube-Generation bei Laune zu halten, bis der Filmstart endlich kam.

Selbst die Darsteller wussten nicht, wofür sie überhaupt vorsprachen. Ihnen wurden Skripte von Lost und Alias vorgelegt, damit auch ja nichts über die Handlung des Filmes verraten werden würde. So sagte zum Beispiel die Nebendarstellerin Lizzy Caplan ausschließlich deswegen bei dem mysteriösen Projekt zu, weil sie ein erklärter Fan von Abrams TV-Serie Lost ist. Wie der Film heißen sollte, wusste man auch lange Zeit nicht, obschon bereits im Trailer von November 2007 der Titel Cloverfield auftauchte. Aber auch Slusho oder Grayshot hielten sich lange im Rennen, am Ende hieß der Film dann jedoch erneut Cloverfield, eine Bezeichnung die Abrams seinem Arbeitsweg in Kalifornien entlehnte. Schließlich würde sich allerdings herausstellen, dass Cloverfield nicht mehr war als viel Lärm und nichts dahinter.

Fünf Freunde irren durch New York City, welches von einem riesigen Monster und tausenden von US-Militärs bevölkert ist. Häuserschluchten, U-Bahn-Schächte und einstürzende Brücken. Schutt und Asche, Panik, Angst. Ganz bewusst bedienen sich Produzent Abrams, Regisseur Matt Reeves und Autor Drew Goddard beim 11. September. Die Gruppe Freunde wollte eigentlich nur einen schönen Abend verleben, doch plötzlich rennt sie um ihr Leben. Als sie getrennt werden, beginnt die abenteuerliche Großstadtodyssee, immer schön an dem Maschinengewehrfeuer vorbei und zwischen den Beinen des Monsters durch. Auf die Idee des Monsterfilmes kam J.J. Abrams während seiner Promoreise von Mission: Impossible III in Japan. Dort besuchte er mit seinem Sohn ein Spielzeuggeschäft und kam beim Anblick einer Godzilla-Figur auf die Idee, dass Amerika auch ein Monster braucht.

Doch keinen King Kong, der durch New York City randaliert und auch keinen Godzilla, den Roland Emmerich einige Jahre zuvor nach New York City zum randalieren schickte, nein, ein neues Monster brauchte Abrams. Ein neues Monster, das, ähem, dass durch New York City randaliert. Ungemein einfallsreich das ganze, man merkt es gleich. Schaut man sich Cloverfield tatsächlich bis zum Ende an, ist der gesamte Film zur Hälfte eine direkte Übernahme von Emmerichs Godzilla-Film, nur eben mit Handkamera aufgezeichnet. Um was es sich bei dem Monster handelt, wird dabei nicht verraten. Im Grunde wird in Abrams Film eigentlich gar nichts verraten oder anders gesagt, es wird überhaupt keine Geschichte erzählt. Würde man all die inhaltlichen Fehler und unlogischen Momente, welche der Film aufwirft, zusammenzählen, könnte man sich in derselben Zeit die Godfather-Trilogie ansehen.

Was das Monster ist, verkommt hierbei noch zum unwichtigsten Teil. Doch woher es kommt, ebenso wie auch das ganze Militär, welches innerhalb weniger Stunden in der New Yorker Innenstadt stationiert wird, sind Fragen der Kategorie A. Unsere fünf Freunde schaffen es nicht nur das gesamte Manhattan auf und ab zu laufen, innerhalb einer einzigen Nacht, sondern überall wo sie sich befinden, läuft auch das Monster herum. Dabei interagieren sie mit diesem überhaupt nicht, was seine Anwesenheit nur noch lächerlicher macht. Fehlen darf hier natürlich auch nicht die Videokamera, deren Robustheit ein ums andere Mal erstaunt, ebenso wie die Laufzeit des Akkus. Da fliegt der Kameramann durch die Gegend, wird erschüttert, angegriffen und so weiter und so fort – die Kamera läuft und läuft. Kein einziger Kratzer auf der Linse, kein Schmutz, auch keine Einblendung, dass gerade etwas aufgezeichnet wird oder der Akku in die nächste Phase geht.

Was die Macher zu Beginn des Filmes in sehr viel Detailtreue mit „Eigentum der Regierung“ und ähnlichem installieren, verabschieden sie bereits nach zwei Minuten. Totale Inkonsequenz ist hier das Motto von Cloverfield, dabei hätte man einiges, wenn nicht gar alles besser machen können. Die Wackelkamera ist dabei noch das beste des ganzen Filmes und sehr gut eingesetzt, auch wenn unverständlich ist, wie sie Übelkeit und Schwindel bei den Zuschauern auslösen könnte, wie der Verleih damals bei der Vorführung warnte. Für die Macher ist es jedenfalls nicht wichtig was das Monster ist, woher es kommt und um was es eigentlich geht. Da wird zum Ende hin zwar etwas angedeutet, eine schöne Verbindung hergestellt (wie wahrscheinlich der ganze Film eine schöne Verbindung sein soll), aber zugleich natürlich die Logik verabschiedet.

Dabei ist Drew Goddard fraglos talentiert, schrieb bereits für die Abrams-Serien Alias und Lost, zudem für Joss Whedons Buffy und Angel. In einem Monsterfilm muss, kann, darf, soll man keine Logik erwarten, dem lässt sich sicher zustimmen und das macht letztlich auch Frank Darabonts The Mist relativ unterhaltsam (wenn auch aus anderen Gründen). Wenn man jedoch einen Monsterfilm mit solch gelungenen Effekten wie Cloverfield dreht und gerade durch seine YouTube- und Wackelkameramentalität Authentizität beansprucht, korrumpiert man sich quasi selbst. Hauptfigur Rob (Michael Stahl-David) hat einen illustren Freundeskreis, dem nur attraktive Frauen beiwohnen, oder besser gesagt, ausschließlich attraktive Frauen beiwohnen. Dazu noch einen Bruder und einen Freund, beides Kaukasier, die flüchtige Bekannte (Lizzy Caplan) und Freundin von Rob (Odette Yustman) ebenso. Lediglich die Schwagerin in spe bringt etwas ethnische Würze in die Truppe (die restlichen Partygäste sind übrigens ebenfalls zu 85% weiß).

Kaum bricht der Terror über New York ein, zelebriert Matt Reeves - dessen wenige Regiewerke solche Knaller wie Der Zufallslover mit einschließen - sofort eine Gruppe Afro-Amerikaner, die einen Hi-Fi-Laden stürmen und Fernseher klauen. Nur einer der rassistischen Momente des Filmes, die fortgeführt werden, wenn ein farbiger US-Militär die Freunde praktisch „unter der Hand“ nach New York in ihr Verderben zurück lässt, obgleich sich dieses momentan im Ausnahmezustand befindet. Abrams selbst tat sich bereits bei Lost keinen großen Gefallen in der Darstellung farbiger Figuren und sollte seine Charaktergestaltung vielleicht doch mal überdenken. Wenn man seinen Darstellern nicht verrät, wofür sie eigentlich vorsprechen, seinen Film selbst lediglich mit dem Namen des Produzenten bewirbt und mit der Werbetrommel sechs Monate lang das Internet durchstreift, kommt man zu dem Schluss, dass dies alles nötig war, um überhaupt jemanden in die Kinos zu treiben.

Mit vierzig Millionen Dollar am Startwochenende stellte Cloverfield einen Rekord für den Monat Januar auf, bis zum heutigen Tag hat der 25 Millionen Dollar teure Film weltweit das sechseinhalbfache seiner Kosten eingespielt. Wie nicht anders üblich bei Horrorfilmen - oder inzwischen sogar Filmen allgemein - wird eine Fortsetzung nicht lange auf sich warten lassen und ist bereits für das nächste Jahr geplant. Hätte Cloverfield auch ohne das virale Marketing funktioniert? Zweifelhaft. Ein Film von einem Regisseur ohne Namen, mit Schauspielern ohne Namen und ohne wirkliche Handlung – dafür hätten sich in den USA kaum so viele Leute begeistern können. Und ein Film der nur durch sein Marketing funktioniert, funktioniert praktisch gar nicht, denn wenn man Teenagern in zehn Jahren Cloverfield zeigt, werden diese sich gelangweilt abwenden.

Ein wilder Crossover-Mix aus Blair Witch Project (welches zumindest unwahrscheinlich innovativ und über weite Strecken äußerst gelungen war) und Godzilla mit einer gehörigen Priese 11. September, sowie dem Plakat von Escape From New York und fertig hat man einen der bedeutungslosesten Filme der letzten Jahre. Kein Wunder, dass er vor einem weiteren bedeutungslosen Film wie dem inhaltsfreien Transformers lief und demselben Klientel gefiel. Als Monsterfilm scheitert Cloverfield schließlich wegen seiner zu guten Effekte und seiner aufgesetzten Authentizität, als Sci-Fi-Thriller scheitert er wiederum an seinen gestelzten Schauspielern, die ihre Texte zu mechanisch runter rattern. Hier fehlt jegliches Stottern oder andere Merkmale eines Terrorangriffes. Cloverfield will vieles sein und ist am Ende nichts, am wenigsten davon in irgendeiner Weise innovativ. Alles was bleibt, ist das Überbleibsel eines verblassenden Hypes.

2.5/10

18. Juni 2008

Batman Begins

It’s not who you are underneath, it’s what you do that defines you.

Im Jahre 1934 wurde die Firma National Allied Publications gegründet, die zwei Jahre später Detective Comics heißen sollte, bekannter unter ihrer Abkürzung DC Comics. Es sollten zwei weitere Jahre vergehen, ehe DC Comics mit Superman seine stilbildende Superheldenfigur erschaffen sollte. Im Mai 1939 kam dann die zweite weltberühmte Figur hinzu: Batman. Gezeichnet von Bob Kane und betextet von Bill Finger war Batman vollkommen anders, wie sein ein Jahr älterer Superhelden-Kollege. Während Superman alias Clark Kent als Außerirdischer auf der Erde einzigartig ist und dem Wohl der Menschheit beziehungsweise Amerika dient, ist Batman alias Bruce Wayne nichts weiter als ein solcher, normaler Mensch. Batman verfügt über keine übernatürlichen Fähigkeiten, ist nicht Opfer einer (nuklearen) Mutation. Es handelt sich bei ihm, ähnlich wie bei Tony Stark als/in Iron Man, um einen normalen Menschen.

Wayne beherrscht verschiedene Kampfkünste und kann sich dank seines finanziellen Status’ viele Spielzeuge wie das Batmobil leisten, die ihm bei seiner Verbrechensbekämpfung unterstützen. In einer Zeit, als Marvels Helden im Kino praktisch nicht existent waren, dominierte DC Comics in den 1980ern mit der Superman-Reihe um Christopher Reeve und in den 1990ern mit den vier Batman-Teilen (die ersten beiden entstanden unter der Regie von Tim Burton) die Leinwände. Nachdem Joel Schumacher zweiter trashiger Ausflug in die Serie, Batman & Robin, gefloppt war, wurde Batman erst einmal begraben, obschon sich viele verschiedene Projekte im Untergrund in Entwicklung befanden, darunter Wolfgang Petersens Batman vs. Superman. Anfang des 21. Jahrhunderts, sicher mitbegründet durch den Erfolg von Marvels Spider-Man-Verfilmung, plante Warner Bros. die Rückkehr des dunklen Ritters in die Lichtspielhäuser.

Einen großen Einfluss auf die Rückkehr von Batman übte Frank Millers Batman: Year One aus. Millers Comic sollte die Grundlage für einen Film von Darren Aronofsky werden, doch die angestrebten Storyelemente (darunter Alfred als afroamerikanischer Mechaniker und Bruce Wayne als Obdachloser) widerstrebten der Warner. Man trat an die Gebrüder Wachowski heran, die aber zu Gunsten ihrer Matrix-Sequels ablehnten, weshalb die Wahl schlussendlich auf Christopher Nolan fiel. Gemeinsam mit seinem Bruder Jonathan hatte sich Nolan durch Memento einen Namen gemacht und sollte nunmehr das Batman-Franchise wiederbeleben. Für das Drehbuch wurde David S. Goyer engagiert, der bereits Marvel’s Blade in einer Trilogie zum Leben erweckte. So kam es, dass für das fünfte Abenteuer des dunklen Ritters weder Millers gerühmter Batman: Year One noch sein bahnbrechender The Dark Knight Returns adaptiert wurde.

Vielmehr fanden The Man Who Falls, Dark Victory und The Long Halloween starken Einzug in die Story. Und entgegen dem Comic-Kanon entwarf Nolan mit Rachel Dawes eine neue Figur, die quasi zur Mary Jane für Bruce Wayne werden sollte und für Katie Holmes geschrieben wurde. Nunmehr musste nur noch ein neuer Batman gefunden werden, ein glaubwürdiger Batman. Waren Val Kilmer und George Clooney zuvor an den Fußstapfen von Michael Keaton gescheitert, standen Hugh Dancy, Ashton Kutcher oder Jake Gyllenhaal im Raum. Beim Vorsprechen konnte jedoch Christian Bale entsprechenden Eindruck auf Nolan und Goyer machen, sodass er letztlich die Rolle bekam. Ironischerweise hatte Bale einst bei Batman & Robin für den Part von Robin vorgesprochen. Für die Nebenrollen von James Gordon wurden unter anderem Kurt Russell und Dennis Quaid angesprochen, während es bei Ra’s al Ghul Daniel Day-Lewis und Viggo Mortensen waren.

Wo die Vorgänger der Batman-Serie zumindest innerhalb ihrer Regie jeweils bei Tim Burton und Joel Schumacher chronologisch waren, versucht Batman Begins neue Wege zu beschreiten. Wie der Titel sagt, geht es um Batmans Genese. Dabei dürfen natürlich die essentiellen Erlebnisse des jungen Bruce Wayne nicht fehlen: der Höhlensturz mit Fledermaus-Begegnung, sowie die Ermordung der Eltern. Jene erste Erlebnis beginnt den Film und führt sogleich Rachel Dawes ein. Kurz nach dem Sturz wird Nolan dann in die Gegenwart überleiten, zu einem bärtigen Bruce Wayne (Christian Bale) inmitten eines chinesischen Gefängnisses. Dort gerät er aus scheinbar nichtigen Gründen in eine Massenschlägerei, nimmt es problemlos mit sechs Männern auf und landet dann in Einzelhaft. Hier tritt der ominöse Henri Ducard (Liam Neeson) an Wayne heran, wirbt um ihn und lockt ihn zu einer Herausforderung für Körper und Geist.

Es wird klar: Wayne ist noch nicht Batman, er ist ein untrainierter Ausreißer in einer fremden Welt. Woher er das Vermögen besitzt, es mit sechs Männern gleichzeitig aufzunehmen, zeigen Nolan und Goyer dem Publikum nicht. Doch was macht Bruce Wayne in China? Die nächste Rückblende bringt Aufschlüsse. Als Achtjähriger geht mit seinen Eltern in die Oper, wird dort aber so verstört, dass seine Eltern diese vorzeitig verlassen. Wieso und weshalb die Waynes die Oper durch einen Hinterausgang in eine Seitengasse verlassen, bleibt ebenfalls das Geheimnis der Produzenten, genauso die Reaktion von Thomas Wayne gegenüber seinem Mörder. Wer Tim Burtons Charakterisierung dieses Ereignisses aus Batman (1989) kennt – ungeachtet der Tatsache, dass hier der Joker miteingewoben wird – kann für diese hier gezeigte, unglaubwürdige Porträtierung nur ein müdes Lächeln übrig haben.

Als nächstes wartet eines der krudesten Hollywood-Klischees: Alter Schauspieler spielt junge Version seiner Figur indem man Haare in die Stirn wischt. Ein scheinbar gerade volljähriger Bruce Wayne, möchte Rache an dem Mörder seiner Eltern nehmen. Dem steht Freigang bevor, da er gegen Untergrundboss Carmine Falcone (Tom Wilkinson) aussagen will. Doch Falcone kommt Wayne zuvor, seine Rache verpufft im Ansatz. Gotham City ist verkommen, korrupt, manipuliert und schmutzig – eben so wie Gotham immer schon war, weshalb auch ein Batman aus ihr heraus entstand. Von der düsteren und unheimlichen Stadt eines Tim Burton bleibt aber bei Nolan nicht viel übrig, vielmehr orientiert er sich an einer semi-futuristischen Version von New York City und einer optischen Orientierung an Ridley Scotts Blade Runner. Das Letzterer durch eine düstere Hoffnungslosigkeit beeindruckte, scheint Nolan entgangen zu sein.

Wayne jedenfalls wird nach einem Treffen mit Falconi bewusst, dass er so das Unrecht in der Stadt nicht bekämpfen kann. Sieben Jahre lang wird er sich fortan auf dem asiatischen Kontinent herumschlagen und seine eigene Firma bestehlen, ehe er in jenem Gefängnis zu Filmbeginn landen wird. Jetzt kann die Katharsis des Bruce Wayne beginnen. Im hohen Norden Tibets wird er unter Henri Ducard und Ra’s al Ghul (Ken Watanabe) zum Allround-Kämpfer für die League of Shadows ausgebildet. Als Wayne erfährt, dass die allerdings Gotham City aufgrund ihres maroden Zustands auslöschen will, versucht der junge Milliardär dies zu verhindern. Nach Hause zurückgekehrt, will er es gemeinsam mit seinem loyalen Butler Alfred (Michael Caine) mit Falcone und Co. aufnehmen. Damit dies gelingt, bedarf er jedoch der Hilfe einiger unkorrupter Personen, wie Staatsanwaltsgehilfin Rachel oder Polizist James Gordon (Gary Oldman).

Nolans Auffassung nach überwiegte in früheren Batman-Filme der Style vor Substance. Ebenjene wollte Nolan in seinem Reboot in den Fokus rücken, dabei ist seine Rückschau der wayneschen Erlebnisse relativ unnötig. Insbesondere, da man sich der Szenen nur als Mittel zum Zweck bedient und so an Glaubwürdigkeit einbüßt. Der aus dem Verlust resultierende Hass und Durst nach Rache soll Bruce Wayne letztlich zu Batman werden lassen, dabei ist dies nicht der Fall. Denn eigentlich wird Wayne zu Batman, um Gotham zu retten, selbst als die ursprüngliche Gefahr durch die League of Shadows ausgeräumt scheint. Somit ist Nolans Batman kein Ebenbild des verbitterten dunklen Ritters eines Frank Miller, dabei wäre eine getreue The Dark Knight Returns-Adaption so interessant wie konsequent gewesen. Dies scheint heutzutage, wo selbst John McClane und Indiana Jones junge Sidekicks erhalten, nicht umsetzbar zu sein.

Ein 50-jähriger Batman, welcher Jugendliche hätte sich dafür interessiert? Dabei war Batman Begins trotz seines überschwänglichen Lobes nicht mal sonderlich erfolgreich, spielte „lediglich“ das Doppelte seiner Kosten ein. Dies mag auch mit der Wahl der Antagonisten zu tun haben, zählen Figuren wie Scarecrow (Cillian Murphy) doch nicht zur Elite unter Batmans Feinden. Angesichts des Hypes, der seit Monaten im Netz um die Fortsetzung The Dark Knight herrscht und seit Heath Ledgers Tod noch verstärkt wurde, verspricht das Sequel kommerziell erfolgreicher als der Vorgänger zu werden. Der Grund dürfte auch die Wahl des Jokers als Antagonist sein, ist und bleibt er doch Batmans Nemesis schlechthin, (die zudem noch Unterstützung von Two-Face erhält). Ob dagegen Christian Bales schauspielerische drei Gesichtsausdrücke ausreichen werden,  um die innere Zerrissenheit seiner Figur darzustellen, bleibt abzuwarten.

Michael Caine und Gary Oldman hingegen können gemeinsam mit Murphy überzeugen, während sich die restlichen Darsteller in ihren Figuren nicht viel nehmen. Das musikalische Thema von Hans Zimmer und James Newton Howard ist durchaus gelungen, der Score allgemein bewegt sich jedoch eher im Hintergrund. Der große Vorwurf den man Nolans Film machen muss, ist, dass er – um es auf den Punkt zu bringen - eine langatmige Exposition geworden ist, die zu keinem Zeitpunkt wirklich im Stande ist, richtig Spannung aufzubauen. Viel mehr als eine fast zweieinhalbstündige Vorgeschichte zur Fortsetzung ist das Ganze nicht und hierbei bisweilen auch leidlich unterhaltsam. Die ersten Ausflüge im Batsuit sind ebenso wenig dramatisch, wie die krude Flucht im unglaublich hässlichen Tumbler, in dem sich Batman zigmal in Position und wieder zurück schieben muss, nur um letztlich in ein Waldstück zu rasen.

Wie er dabei bei seinen Aktionen halb Gotham zerstört, dürfte selbst einen Hancock in den Schatten stellen. Das Finale, auf welches mühsam hingearbeitet wurde, fällt dann noch mal in ein extremes Loch und avanciert zur wilden Mixtur aus Speed und Spider-Man. Was Nolan hier versucht hat, war keine Weitererzählung einer Figur, sondern eine Neuerfindung. Diese ist zwar technisch durchaus gelungen, kann jedoch inhaltlich nicht vollends überzeugen. Weshalb Bruce Wayne es mit sechs Männern aufnehmen oder in seiner Bathöhle alleine in kürzester Zeit allerlei Equipment installieren kann, verwirrt. Und auch die Fokussierung auf den Vater-Plot – die Mutter darf in den Rückblenden lediglich einen Satz sagen und scheint keine Beziehung zum Sohn zu haben –, der auf die Figuren von Alfred, Gordon, Ducard und Lucius Fox (Morgan Freeman) ausgeweitet wird, stört hier ebenso, wie in anderen Hollywood-Filmen.

6/10

17. Juni 2008

Nim’s Island

Be the hero of your own life story.

Kinderbücher zu verfilmen war schon immer en vogue, das erfolgreichste Beispiel dürfte wohl die Verfilmung der Harry Potter-Reihe sein, deren sechster Band diesen Herbst im filmischen Gewand daherkommt. Aber auch die Chroniken von Narnia oder His Dark Materials schafften es ins Kino. In diesem speziellen Genre wird keine Müdigkeit vorgeschützt, The Hobbit ist soeben in Planung und bereits abgedreht sind die Kultbücher Inkheart von Cornelia Funke und Where The Wild Things Are von Maurice Sendak. Abgesehen von letzterem handelt es sich bei den verfilmten Kinderbüchern um Textgeschichten, die wenig bis gar keine Bilder aufweisen. Somit wird die Phantasie der Leser gefordert und spätestens in den jeweiligen Verfilmungen dann bildlich kontextualisiert. Dass es nicht immer eines Kultbuches bedarf, um eine Verfilmung zu erzwingen, beweist nun das neue Werk von Universal. Filmproduzentin Paula Mazer, die hinter Kinderfilmen wie Corinna, Corinna steht, entdeckte zufällig einen Roman in einer Bücherei in Santa Monica. Das Buch wurde gekauft und ihren eigenen Kindern vorgelesen. Mazer war so fasziniert von dem Buch, dass sie sich die Rechte daran sicherte und eine Verfilmung anstrebte. Bei dem angesprochenen Buch handelt es sich um Nim’s Island, das 2002 aus der Feder von Wendy Orr erschien. Als Regisseure und Autoren konnte Mazer das Ehepaar Mark Levin und Jennifer Flackett gewinnen. Beide haben in ihren Vitae dramaturgische Arbeiten an den Fernsehserien The Wonder Years und Earth 2 vorzuweisen, wie auch ihre Arbeit an dem Drehbuch zur britischen RomCom Wimbledon. Mit einem relativ bescheidenem Budget von 37 Millionen Dollar stellten beide dabei einen durchaus überzeugenden Kinderfilm vor äußerst gelungenem Setting zusammen, der durch sein namhaftes Hauptdarstellertrio abgerundet wird. Bedenkt man die Konkurrenz, läuft der Film mit dem bisherigen Einspiel des doppelten seiner Produktionskosten verhältnismäßig gut.

Wie der Titel bereits verrät dreht es sich in der Geschichte um die Insel von Nim. Nim (Abigail Breslin) lebt zusammen mit ihrem Vater Jack (Gerard Butler), einem Meeresbiologen, auf einer einsamen Insel im Südpazifik. Ihre freie Zeit vertreibt sie sich dabei mit den Lebewesen der Insel, darunter allen voran die Seelöwin Selkie. Aber auch ein Leguan, eine Seeschildkröte und ein Pelikan zählen zu ihrem Freundeskreis. Sollte Nim doch einmal langweilig werden, vertieft sie sich in die Abenteuerromane rund um Alex Rover (Gerard Butler), der selbstredend an Genrevater Indiana Jones angelehnt ist. Als Jack eines Tages auf eine Expedition geht, aufgrund eines Unwetters jedoch nicht zurückkehrt, beginnt sich Nim Sorgen zu machen. Vor allem da auch Piraten drohen die Insel zu okkupieren. Da trifft es sich gut, dass per Email Alex Rover mit ihr Kontakt aufnimmt, den sie prompt um Unterstützung bittet. Was Nim jedoch nicht weiß: bei Alex Rover handelt es sich um Alex(andra) Rover (Jodie Foster), die unter extremer Agoraphobie leidet. Mit Hilfe ihres Alter Egos Alex Rover gelingt es Alexandra jedoch das Abenteuer anzunehmen und sich auf die Suche nach Nim und ihrer Insel zu begeben. Das ganze ist im Endeffekt zwar weniger abenteuerlich, wie es die Produzenten einem weiß machen wollen, dafür ist das Paradies aber mehr als tropisch. Eigentlicher Hauptdarsteller ist im Grunde Hinchinbrook Island, eine Insel vor der Küste Australiens, die Pate für Nim’s Insel stand. Wunderschöne Sandstrände und glasklares Wasser machen das Kinopublikum sehnsüchtig nach einem eigenen Ausflug in den Pazifikraum. Mit der Oscarnominierten Abigail Breslin konnten die Macher einen der Top-3-Kinderstars für ihr Projekt gewinnen, wenn nicht sogar das derzeit talentierteste Kind der Filmbranche, da Freddie Highmore und Dakota Fanning für ihre Leistungen bisher nicht sonderlich honoriert wurden.

Komlettiert wird Breslin hierbei von Oscarpreisträgerin Jodie Foster, die sich selbst zum Affen machen darf und dabei keinerlei Scheu empfindet. Ihr Engagement am Film dürfte sicherlich auch mit ihren eigenen beiden Kindern zusammenhängen, denen sonst die Filme ihrer Mutter aufgrund der Altersfreigabe verwehrt bleiben dürfte. In einer Doppelrolle zu sehen ist Gerard Butler, der seit seinem Erfolg in 300 sich auch für weniger spektakuläre Rollen – wie diese hier – nicht zu schade ist. Die Tatsache, dass Butler auch als Abenteurer Rover zu sehen ist, fügt sich sehr schön in Nim’s blühende Phantasie ein, in der es nur selbstverständlich wäre, dass ihr Vater, den sie als Held ansieht, Pate steht für ihren anderen Helden. Allgemein sind die Szenen, welche Alex Rover einbeziehen, sehr gelungen geraten, obschon sie einer gewissen Lächerlichkeit ausgesetzt sind. Besonders die Szene, in der Nim das neueste Roversche Abenteuer liest, ist ausgesprochen gelungen und praktisch eine Liebesbezeugung an die Magie des Lesens. Die Phantasie spielt ohnehin eine gehobene Rolle in Nim’s Island, auch wenn die Tierfreunde von Nim mit anderen Personen interagieren. Diese finden sich außerhalb des Drehrahmens im Sea World Australia, erstaunlicherweise scheint vieles im Film – entgegen seinem Anschein – nicht von Animatronics zu stammen. Wer den Film in der deutschen Synchronisation sieht, darf sich zudem auf Dorette Hugo freuen, die einer Stewardess ihre Stimme leiht und einen „Kurzauftritt“ hat. Ich selbst bin der guten Frau seit Arielle – die Meerjungfrau stimmtechnisch sowieso verfallen, sodass die deutsche Fassung des Filmes allein ihretwegen schon wert war angesehen zu werden.

Man sollte sich aber nicht in die Irre führen lassen, denn die eigentliche Heldin von Orrs Geschichte ist weniger Nim als vielmehr Alexandra. Nim ist ohne Frage ein heldenhafter und mutiger Charakter, was allein durch ihren Status als Mädchen schon etwas Besonderes darstellt. Aber die eigentliche Handlung spielt nicht auf ihrer Insel, sondern auf dem Festland. Alexandra ist es, die ihre Ängste überwinden, sich auf ein Abenteuer einlassen muss. Ironischerweise ist sie das verklärte Gegenbild von all den Idealen, welche sie ihrem männlichen Alter Ego Alex zuschreibt. Alles muss desinfiziert sein und nicht mal die Post aus dem Briefkasten ist für Alexandra eine zumutbare Aufgabe. Die Not von Nim in Verbindung mit ihrer inneren Stimme (Alex Rover) hilft ihr jedoch bei der Überwindung und so nimmt sie die Reise in den Pazifik tatsächlich auf sich. Das ist die eigentliche Geschichte, welche Orr erzählt, denn dass der Film am Ende eigentlich überhaupt keine funktionierende Handlung hat, verwundert gar nicht mehr. Nim’s Not ist ein einfacher MacGuffin, der die vordergründige Geschichte auslöst. Alexandras Emanzipation. Wer hier eigentlich der Hilfe von wem bedarf, zeigt sich gegen Ende des Filmes. Für die Ansprüche eines Erwachsenen mag der Film nicht genügen, die Kinderherzen zwischen 8 und 12 lassen sich aber bestimmt einfacher gewinnen. Dafür sorgt wohl allein der Leguan Fred, der als comic relief funktioniert. Die Handlung ist kaum bis selten innovativ, das Ende bereits nach wenigen Minuten absehbar und die auferlegte Spannung in keinem Moment wahrlich spannend. All das brauchen Kinder allerdings auch nicht, denen wird Nim als emanzipiertes und akzeptiertes Kind auf Augenhöhe mit Erwachsenen zusagen, zusammen mit der Insel als Spielplatz und den sympathischen Tierfiguren als Freunde. In der Hinsicht funktioniert der Film also, bei dem es, wie so oft in Kinderfilmen, vormerklich um die Vermittlung einer Botschaft geht.

6/10

15. Juni 2008

Street Fighter II: The Animated Movie

All the actors are here and now we have the perfect stage.

Vor 21 Jahren fing alles an. Die Japaner Takashi Nishiyama und Hiroshi Matsumoto entwickelten für Capcom das Kampfspiel Street Fighter. Hier musste man als Einzelkämpfer Ryu Straßenkämpfe ausfechten und gegen verschiedene Gegner bestehen. Endgültigen Kultstatus sollte das Spiel jedoch in seiner vierten Ausführung als Street Fighter II im Jahre 1991 erleben. Erst hier wurden all die Figuren zum Leben erweckt, die schließlich das Street Fighter Universum ausmachen sollten, von Chun Li bis hin zu Blanka. Der Muay Thai Kämpfer Sagat, welcher neben Ryu und Ken die einzige Figur aus dem ersten Spiel markiert, wird hier vom Endgegner zum Vizeendgegner degradiert. Die Street Fighter II Serie war in den neunziger Jahren Kult unter den Super Nintendo Spielern und so einige Jugendliche – darunter auch meine Wenigkeit – verbrachten viele Nachmittage und Kindergeburtstage damit, sich auf dem Bildschirm die Köpfe einzuschlagen. Hierbei hatte für gewöhnlich jeder Spieler nach einer gewissen Zeit seinen Lieblingsspieler auserkoren, auch wenn Ryu sowohl von den Fans, als auch von dem Franchise selbst, quasi zum Wolverine der Serie erhoben wurde.

Ich selbst bin erklärter Ken-Fan (was den Vorteil mit sich bringt, dass er im Grunde neben Bison die stärkste Figur im Spiel ist, da von den Fähigkeiten identisch mit Ryu). Figuren wie Zangief, E. Honda und Dhalsim zeichneten sich durch Talent aus, da unerfahrene Spieler mit ihnen selten die Chance hatten gegen Chun Li, Guile und Konsorten zu gewinnen. Die Street Fighter II Serie wurde schließlich noch erweitert zu Super Street Fighter II und Super Street Fighter II: Turbo. Ersterer führte vier weitere Charaktere ein (T.Hawk, Cammy, DeeJay und Fei Long), während letzterer den im Kanon enthaltenen Akouma als freischaltbaren Charakter besaß. Der Vorteil der Super-Street-Fighter-Serie bestand darin, dass man die Möglichkeit erhielt endlich einmal die Bosse M. Bison, Sagat, Balrof und Vega zu spielen, gegen die man in der Street Fighter II Serie lediglich antreten durfte.

Am Anfang war der Kampf. Und Bison sah, dass er gut war. So lässt sich im Grunde die Eröffnung von Streetfighter II: The Animated Movie beschreiben, die mit einem Kampf in der Nacht zwischen Sagat und Ryu beginnt. Sogleich wird man Zeuge des grandiosen Hadouken, mit welchem Ryu obsiegt, ehe die Titelkarte eingeblendet wird. Neben der Spielkonsolenserie fand Street Fighter einen Absatzmarkt in Mangas und Serien, schließlich 1994 auch in einer Realverfilmung mit Jean-Claude van Damme (zu dieser später noch mehr). Im selben Jahr wie die amerikanische Realverfilmung entstand dieser Anime. Ihr Regisseur war Gisaburō Sugii, der ein Jahr später auch die umfangreichere Fernsehadaption Street Fighter II: V inszenieren sollte. Mit jener hat dieser Anime-Film sehr viel gemeinsam, allen voran dass Bison als Kopf von Shadaloo versucht den perfekten Kämpfer als Terroristen zu rekrutieren. Bei seiner Suche stößt er auf Ryu, der die höchsten Kampfwerte aller Kämpfer besitzt, denen Bison bisher begegnet ist. Auf Bison und Shadaloo wird Major Guile angesetzt, der entgegen der Victory-Reihe hier mit Chun Li als Interpol Agentin zusammenarbeitet.

Identisch ist auch die Tatsache, dass Bison über Ken respektive Ryu zu dem anderen der beiden gelangen will, einen von diesen einer Gehirnwäsche unterzieht und sie gegeneinander kämpfen lässt. Ansonsten nehmen die Parallelen auch bereits ab, was der Komplexität der Handlung zum Opfer gereicht, die sich in der Victory-Reihe auf die fast siebenfache Lauflänge ausdehnt. The Animated Movie hingegen will ein Eingeständnis an die Fans sein, baut alle Figuren der Super Street Fighter-Reihe ein – während in Victory neben Honda, Dee Jay und T. Hawk auch Blanka fehlt – und liefert zudem einen Plot, der funktioniert, wenn man seine Ansprüche etwas herunterschraubt. Ryu verkommt zum MacGuffin des Filmes, hinter welchem Bison her ist, der stattdessen jedoch lediglich Ken bekommt. Dabei tappt der Film genau in die Falle, die zu Diskussionen unter den Fans geführt hat: Ryu wird stärker als Ken eingeschätzt.

Die Konstellation des Filmes teilt sich in zwei Lager: auf der einen Seite die Shadaloo-Fraktion (Bison, Vega, Sagat, Balrog) und die Interpol-Fraktion (Chun Li, Guile). Dazwischen befinden sich dann Ryu und mit Abstrichen Ken als Objekte der Begierde. Der restlichen Garde sind nicht mehr als Gastrollen zuzuschreiben, Cammy zu Beginn, Dhalsim und Honda dazwischen, kurz Fei Long, ein wenig Dee Jay, kaum T.Hawk und ein kleiner Showkampf zwischen Zangief und Blanka. Woher die Charaktere ihre Kräfte haben respektive die Hand voll Charaktere, die überhaupt Kräfte haben, wird nicht erklärt. Amüsanterweise schafft es sogar Kens Verlobte Eliza in die Filmhandlung, andere Familienangehörige werden lediglich angesprochen. Hier unterscheidet sich wieder die Victory-Reihe, die Dhalsim und Zangief bedeutsamere Rollen zukommen lies, ebenso Cammy und Fei Long. Der deutlichste Unterschied zu jener Reihe ist jedoch die Tatsache, dass Ken und Ryu fast durchweg zusammen sind und hier erst im Finale aufeinander treffen. Neben einigen Plotelementen ähneln sich auch die Zeichenstile der Figuren ein wenig.

Besonders gut gelungen sind Ryu, Ken und Chun Li, am eindrucksvollsten ist jedoch die Zeichnung in Ryu und Kens Rückblenden, wo jüngere Pendants von ihnen erkennbar sind. Die Serie ist dabei nicht unbedingt jugendfrei, wird Gewalt zwar nicht ausgiebig gezeigt, allerdings in einer Szene (mit Gastauftritt von Gandhi) sehr zentral. Zudem wartet der Film mit einer Nacktszene von Chun Li auf, was als Einleitung für den eigentlichen Höhepunkt fungiert: einen Kampf zwischen Chun Li und Vega. Diesen bestreitet sie zwar nicht nackt, aber total überrascht, die Choreographie des Kampfes ist sehr beeindruckend geraten und befindet sich auf einem Niveau (wenn nicht sogar ein wenig darüber) mit dem Kampf zwischen Vega und Ken in der Victory-Serie. Auch die Kämpfe zwischen Blanka und Zangief sowie Ken und Ryu gegen Bison sind nett geraten, doch nicht von derselben Intensität des Chun Li-Vega-Kampfes.

Sehr sympathisch ist auch die Tatsache, dass im Grunde jede Figur zumindest einen ihrer Moves im Film anwenden darf. Andere (Ken, Ryu) zeigen sogar die ganze Palette ihres Könnens. Ähnliches wie dieser Film hatte auch die Realverfilmung mit Jean-Claude van Damme versucht: die Einbindung so ziemlich jeder Figur. Am häufigsten ist dabei Blanka zum Scheitern verurteilt, der im Live-Action Film seinen Ursprung in Guiles Kamerad Charlie findet. Größter Unterschied ist auch die Tatsache, dass van Damme als Guile den Hauptprotagonisten gibt und Ken wie Ryu zu bloßen Sidekicks degradiert. Darüber mag der Fan denken was er will, fraglich, ob sich Street Fighter überhaupt (besser) als Realverfilmung eignet. Im Gegensatz zur Victory-Reihe missfiel mir als Ken-Fan jedenfalls die zu starke Gewichtung auf Ryu, schließlich sind beide Charaktere gleich stark. Kens Leistung ist sogar höher einzuschätzen, bedenkt man, dass Ryu sein ganzes Leben damit verbringt an sich und seinen Kräften zu arbeiten – ein ruheloser Wanderer. Ken hingegen ist ein Playboy, ein Lebemann, der seinen Alltag mit Frauen und Luxusgütern verbringt.

Dennoch ist er in der Lage dasselbe Potential abzurufen wie Ryu, wenn es im Kampf auf ihre Hado-Kräfte ankommt. Die Gleichstellung der beiden wird jedoch lediglich in der Victory-Reihe besonders hervorgehoben, auch The Animated Movie impliziert zumindest, dass Ryu der ultimative Kämpfer ist. Für sich genommen ist der Film schwer einzuschätzen, wirft er das Publikum doch direkt ins Geschehen und setzt voraus, dass man über die Charaktere und ihre Fähigkeiten etwas Bescheid weiß. Vom Zeichenstil her braucht sich der Film jedoch nicht vor Animes wie Akira zu verstecken. Wer – wie ich – begeisterter Fan des Street Fighter Franchises ist, der wird an diesem Film – wie ich – seinen Heidenspaß haben. Selten habe ich mich so gut unterhalten gefühlt in letzter Zeit. Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, dass aus Lizenzgründen Bison im japanischen Original Vega, Vega Balrog und Balrog Bison heißt. Wieso man damit die Lizenzrechte (vor allem da der Film von Capcom produziert wurde!) umging, bleibt ein Geheimnis, in der englischen Synchronisation jedenfalls tragen alle Figuren ihre richtigen Namen.

6.5/10

13. Juni 2008

Vorlage vs. Film: Charlie and the Chocolate Factory

Charlie and the Chocolate Factory (1964) Kinderbücher gibt es zu Hauf, selbst Pop-Queen Madonna schreibt inzwischen welche. Aber es gibt auch die Klassiker der Klassiker unter den Kinderbüchern und neben den Werken von Dr. Seuss zählt auch Roald Dahl zu ihren Meistern. Der geborene Waliser verfasste in den sechziger Jahren eine Geschichte mit dem Namen Charlie Chocolate Boy. Diese stammt aus dem Jahr 1961 und dreht sich um die phantastische Schokoladenfabrik von Willy Wonka. Eben jener Wonka verteilte pro Woche zehn goldene Tickets, die jeden Samstag die Besucher in die Fabrik einluden, darunter auch den Held der Geschichte: Charlie Bucket. In dieser ersten Fassung der Geschichte traten noch keine Oompa Loompas oder Grandpa Joe auf. Doch dies blieb auch lediglich die erste Fassung. Drei Jahre später kam schließlich Charlie and the Chocolate Factory (dt. Charlie und die Schokoladenfabrik) heraus und wurde nicht nur zum Kinderbuchklassiker, sondern sorgte auch für Kontroversen. In seinem ersten Druck beschrieb Dahl die Oompa Loompas nämlich noch als farbige afrikanische Pygmäen, was ihm starke rassistische Vorwürfe einbrachte. Daher wurde der Text von Dahl 1973 nochmals geändert und platzierte die mysteriösen Arbeitskräfte nunmehr in das fiktive Loompaland. 

Völlig frei von Kritik blieb das Buch trotz allem nicht, doch verwundert dies kaum, werden doch selbst Werke wie Pullman’s His Dark Materials oder Rowling’s Harry Potter in unserer heutigen Zeit von verschiedenen Menschen und Institutionen kritisiert. Dahls Geschichte beginnt mit der Familie Bucket, die mit drei Generationen in einem Haus lebt. Es handelt sich hierbei um eine ausgesprochen arme Familie, die hauptsächlich Kohlsuppe isst. Die vier Großeltern der Titelfigur Charlie Bucket nisten sich seit zwanzig Jahren in einem großen Bett ein und als Vater Bucket seinen Job in der Zahnpasta-Fabrik verliert, muss die Familie den Gürtel noch mal enger schnallen. Da ist es ein noch viel größerer Luxus, dass der kleine Charlie an seinem Geburtstag dennoch seinen obligatorischen Schokoriegel der Firma Wonka erhält. Doch diesmal hat das ganze einen anderen Hintersinn. Denn seit mehreren Jahrzehnten hat sich Schokoladenfabrikant Willy Wonka in seine Fabrik zurückgezogen und seinen Arbeitern wegen Industriespionage gekündigt. Jetzt plötzlich kündigt er aber fünf Goldene Tickets an, die seinen Schokoriegeln beiliegen und den Gewinner auf eine Rundschau durch die Fabrik einladen. Dieses Goldene Ticket erhofft sich Charlie und wünschen ihm seine Angehörigen, schließlich muss der arme Junge doch auf so viel verzichten. Doch der Riegel enthält nicht das Ticket. Sein Großvater Joe wird Charlie schließlich seine Ersparnisse geben, damit sie noch einen Riegel kaufen können, doch auch dieser enthält nicht das Ticket. Charlie findet dann überraschenderweise Geld in der Straße und kauft sich erneut einen Riegel, wieder erfolglos. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, noch einen weiteren Riegel zu kaufen und diesmal wird er fündig. Charlie stößt auf das letzte verbliebene Goldene Ticket. Dahl spielt hier geschickt mit dem Spannungsbogen und lässt Charlie nicht sofort auf das Ticket stoßen. Doch auch Charlies Hartnäckigkeit in Anbetracht der Not seiner Familie entbehren nicht eines etwas missratenen Charakters.
 
There was a silence. Charlie stood there holding tightly onto Grandpa Joe’s hand. “You mean you’re the only one left?” Mr. Wonka said, pretending to be surprised. (p. 142) 

Denn was Charlie von den anderen vier Gewinnern unterscheiden soll, ist gerade sein reiner und unschuldiger Charakter. Jener Punkt ist in Dahls Buch an dieser Stelle nicht besonders gelungen, stellt Charlie doch sein eigenes Glück an erste Stelle und das seiner Familie hinten an. Auch wenn noch Geld übrig bleibt, so spricht die Gier des Jungen, innerhalb weniger Tage vier Riegel zu essen, nachdem er zuvor jedes Jahr nur einen erhielt, doch für sich. Jener Punkt wird in Burtons Verfilmung etwas gerader gerückt, doch dazu später mehr. In Dahls Geschichte geschieht fortan etwas ungewöhnliches, denn die Bösewichter seiner Handlung sind keine Erwachsenen, sondern Kinder. Genauer gesagt Gören. Angefangen bei Augustus Gloop, einem Vielfraß, der nichts anderes tut außer essen. Gesteigert wird dies nur noch von Veruca Salt, einer verzogenen Göre, die alles besitzen möchte, was sie erblickt, ungeachtet des Aufwands und der Kosten. Als nächstes hätte man dann Violet Beauregarde, die eine Affinität zu Kaugummis hat und einen Rekord im Dauerkauen aufgestellt hat. Letzter in der Gruppe ist Mike Teavee, ein Fernsehkonsumist, der eine Liebe zu Pistolen und Gewalt dank der medialen Unterhaltung aufgebaut hat. Schaut man genauer hin, verkörpern die vier Kinder vier der sieben Todsünden: Augustus gibt sich der Völlerei (gula) hin, Veruca hingegen gehört dank ihrer Habsucht in die Kategorie des Geizes (avaritia). Violet zählt man wegen ihrer Ruhmsucht zum Hochmut (superbia) und Mike Teavee dank seines ausschweifenden TV-Konsums zur Wollust (luxuria). Die fehlenden drei Sünden (Zorn, Neid, Trägheit) teilen sich die vier mehr oder weniger. Charlie hingegen ist eine reine, unschuldige Seele. 

An ihren Verfehlungen werden die Kinder auch in Willy Wonkas Schokoladenfabrik schließlich scheitern, eines nach dem anderen geht quasi flöten und erleidet dadurch letztlich einen mehr oder weniger enormen persönlichen Schaden. Allesamt scheitern die Kinder daran, dass sie nicht auf Willy Wonka und seine Warnungen hören, sich vielmehr eigene Gedanken machen und diesen folgen. Sie sind folglich ungehorsam. Außer unser Charlie, dieser stellt das, was Wonka sagt, nicht in Frage, mit seiner kindlichen Naivität begeistert er sich stattdessen für dessen wundersame Fabrik. Am Ende ist Charlie der einzige verbliebene Gewinner und erhält als Aufschlag noch Wonkas gesamte Schokoladenfabrik, die er als Besitzer nunmehr führen darf! Angeblich ist Wonka alt und wollte einen Erben auswählen, der sein Lebenswerk fortführt. Das Bild, welches Dahl hier zu platzieren versucht (Kinder, macht was man euch sagt) ist sicherlich kritisch zu betrachten, ebenso wie gegenteilige Botschaften eines Dr. Seuss (z.B. The Cat in the Hat). Nichtsdestotrotz ist ihm ein sehr harmonisches Kinderbuch gelungen, das durch seine verschrobene Figur von Willy Wonka und der phantastischen Umwelt seiner mysteriösen Schokoladenfabrik zu gefallen weiß. Insbesondere die Oompa Loompa Passagen respektive ihre Lieder wissen durch Inhalt und Textung zu beeindrucken. Fraglich bleibt jedoch, ob einem unbekannten Literaten aus einem Haufen von hundert wahllosen Kinderbüchern Dahls Chocolate Factory auch so hervorstechend auffallen würde, oder ob man das Buch heute lediglich als Klassiker ansieht, weil ihm dieser Status vor langer Zeit verliehen wurde (und man ganz im Sinne von Dahls Botschaft dies nicht hinterfragen sollte). Würde man den guten Mann darauf heutzutage ansprechen, dürfte er sicherlich geneigt sein Willy Wonka zu zitieren und lediglich zu entgegnen: „You really shouldn't mumble, because I can't understand a word you're saying“. 

Charlie and the Chocolate Factory (2005)

I'm sorry, I was having a flashback. 

Eine erste Verfilmung von Dahls Klassiker gab es bereits 1971, damals erschienen unter dem Titel Willy Wonka & the Chocolate Factory. Wieso der Film Willy Wonkas Namen im Titel trägt ist mir selbst nicht klar. Roald Dahl schrieb damals selbst das Drehbuch zum Film, durch wurde dieses noch nachträglich umgeschrieben. Dies führte dazu, dass Dahl einen Hass auf das Projekt entwickelte und sich Mel Stuarts Film niemals ganz angesehen hatte. Der Film mit Produktionskosten von drei Millionen Dollar floppte und spielte etwas mehr als seine Kosten ein. Heute wird er jedoch als Klassiker angesehen. Interessanterweise werden die Oompa Loompas in dieser Filmversion von 1971 bereits so portraitiert, wie sie anschließend erst 1973 in der neu gedruckten Buchversion erscheinen sollten. Wonka-Darsteller Eric Idle war dabei nicht die favorisierte Wahl von Dahl und verlangte einen Purzelbaum in den Film einbauen zu dürfen, wenn er darin mitspielen sollte. Angeblich gehörte Idle neben seinen Monty Python Kollegen John Cleese und Michael Palin zu den potentiellen Wonka-Kandidaten für das 2005er Remake. Außerdem waren auch Jim Carrey, Adam Sandler, Robert De Niro, Robin Williams und ein halbes Dutzend anderer Comedians im Gespräch für die Rolle gewesen (darunter auch Will Smith und Dwayne „The Rock“ Johnson). Am Ende wurde es jedoch Johnny Depp, der Lieblingsdarsteller von Regisseur Tim Burton, der 2003 zum Projekt stieß. Burton brachte auch einige andere Weggefährten mit an Bord, so schrieb John August (Big Fish) das Drehbuch und Burtons Lebensgefährtin Helena Bonham Carter erhielt ebenso eine Rolle, wie Missi Pyle (Big Fish). Fehlen durfte natürlich auch nicht Danny Elfman als Komponist des Filmes, doch hierzu später mehr. 

Kam die ´71er Version mit Kosten von drei Millionen Dollar aus, so beanspruchte Burton für seine Verfilmung ein Budget, welches das Fünfzigfache dieser Summe beanspruchen sollte. Allein 18 Millionen davon gingen an Johnny Depp, der Rest wohl in die Studiokulisse und die Visuellen Effekte, die zu einem Großteil dennoch ziemlich unnatürlich wirken. Seine Wirkung scheint es zumindest nicht verfehlt zu haben, spielte der Film doch weltweit fast fünfhundert Millionen Dollar ein und markiert somit den erfolgreichsten Film, den Tim Burton je gedreht hat. Mit sehr viel Liebe zur Ausstattung beginnt Burton seinen Film im Haus der Familie Bucket. Die Rolle von Charlie Bucket ging an das aufstrebende Schauspieltalent Freddie Highmore, der Burton von Depp selbst ans Herz gelegt wurde, nachdem dieser mit Highmore in Finding Neverland gespielt hatte. Die Rolle von Grandpa Joe ging an David Kelly, der dies der Tatsache zu verdanken hat, dass Gregory Peck und Peter Ustinov beide verstarben, ehe sie am Projekt teilnehmen konnten. Ein großes Lob gebührt Susie Figgis für ihr großartiges Casting der vier Satansbraten. Egal ob AnnaSophia Robb (Violet), Julia Winter (Veruca), Philip Wiegratz (Augustus) oder Jordan Fry (Mike), sie allesamt sind brillant gecasted und transportieren ihre Figuren exzellent. Besonderes Lob gebührt hierbei Robb und Fry, die in ihren Szenen sogar einen Johnny Depp neben sich blass aussehen lassen (Wortwitz). Dagegen mag Highmore nicht immer zu überzeugen, obschon er offensichtlich engagiert bei der Sache ist. Ähnliches lässt sich auch über Depp sagen, der mit seiner Michael-Jackson-Imitation fraglos einen glaubhaften Wonka darstellt, mit hoher Stimme und blassem Gesicht, dennoch wäre ein Mike Myers in der Rolle weitaus besser aufgegangen. Allgemein scheinen so manche Besetzungen, von Burton über Depp bis hin zu Elfman vielleicht nicht immer glücklich gewesen zu sein. 

Herzstück der Geschichte ist selbstverständlich die besagte Schokoladenfabrik und den ersten Blick, den man auf sie erhält, ist der Schokoladenraum. Dieser wirkt mitunter äußerst lächerlich animiert, wenn die echte Ausstattung (aus wirklichen Süßigkeiten!) mit den digitalen Effekten verschmilzt. Gerade bei einer Summe von 150 Millionen Dollar hätte man sich hier doch ein etwas besseres Ergebnis gewünscht. Ansonsten ist die Transferierung von Dahls Geschichte, wie auch über den ganzen Film gesehen, äußerst detailgetreu geraten. Im Gegensatz zu anderen US-Produktionen wurde sogar die deutsche Sprache ausführlich recherchiert, wenn Mrs. Gloop ausruft „Augustus, pass auf!“. Da ist man ja von manchem Regisseur schlimmeres gewohnt. Hier tritt aber auch eines der Mankos des Filmes auf: die miserablen Kompositionen der Oompa Loompa Songs. Das Lied im Nuss-Sortierraum geht in Ordnung, mit schönen Anleihen an die Beatles, aber die anderen drei Lieder, die Elfman hier komponiert hat, sind eine grauenhafte Ausgeburt an Musik. Zudem geht bei seinem lautstarken Tamtam teilweise der Liedtext der Oompa Loompas unter. Ohnehin ist Elfman für diesen Kinderfilm gänzlich fehlbesetzt, den seine verstörenden, schrägen Töne passen nicht so recht in diesen Hort von Spaß und Spiel. Ein Randy Newman wäre vielleicht besser gewesen, das merkt man bereits zu Beginn, wenn Burton seinen Film mit der Schokoladenproduktion beginnen lässt. Dafür – um die Bewertung verständlich zu machen – erhält der Film einen halben Punkt Abzug. Elfmans Score ist nicht schlecht, das sollte man nicht falsch verstehen, er ist durch und durch Elfman. Nur passt die Musik nicht in die Landschaft der Schokoladenfabrik, sie sieht sich eher als Beipackzettel von Burtons Filmstil, der sich auch in anderen Punkten im Film niederschlägt. Der Einsatz der Oompa Loompas jedenfalls wirkt nicht immer gelungen, eigentlich fast gar nicht, abgesehen von eben jener Szene im Nuss-Sortierungsraum, die ohnehin die beste und gelungenste Sequenz des Filmes darstellt. 

Weitestgehend hat sich Burton aber wirklich an die Vorlage gehalten und sie zum Teil auch mit neuen und frischen Ideen eine Spur witziger gemacht. Insbesondere die zynische Beziehung zwischen Wonka und Mike Teavee wird sehr gut eingefangen. Was jedoch Burton eigenständig einarbeiten musste, war die tragische Vater-Sohn-Geschichte, die den Hintergrund von Willy Wonka beleuchten sollte. Scheinbar kommen amerikanische Filme überhaupt nicht mehr mit tragischen Vätern aus, siehe jeden Film von Steven Spielberg. Es ist natürlich eine besonders ironische Seite, dass Wilbur Wonka (Christopher Lee) ein gefürchteter Zahnarzt war und seinem Sohn, dem designierten Schokoladenfabrikanten, diese süße Speise verbietet. Was das ganze mit Dahls Geschichte zu tun hat fragt man sich vergeblich. Wenn Wonka immer bei dem Wörtchen „Eltern“ ins Stocken gerät und mit Rückblenden beginnt, stört dies ungemein den Erzählfluss, auch wenn es (siehe Zitat oben) seine humoristischen Aspekte hat. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Witz, dass Wonka gegen seinen gläsernen Fahrstuhl latscht, das ist beim ersten Mal schon nicht lustig, und schon gar nicht beim zweiten Mal. Für die missglückte Vater-Sohn-Geschichte erhält der Film einen Punkt Abzug, viel zu viel Tim Burton besitzt die Geschichte hier. Penetrant versucht dieser seine Wonka-Figur zum Außenseiter zu stempeln, wie jede Burtonsche Geschichte ihren Außenseiter braucht. Dabei übersieht Burton jedoch, dass Wonka bereits Außenseiter genug ist und nicht noch einer tragischen Vergangenheit bedarf. Da Burton auch Dahls Ende nicht gut sein lassen kann, und hier nochmals nachhakt, eine ganze zusätzliche Viertelstunde auf das wonkasche Familienglück fokussiert, kostet den Film den letzten halben Punkt. Zwar beweist Charlie am Ende schöne Familientreue, doch hängt diese lediglich mit Burtons Änderung an Wonkas Charakter zusammen. Alles in allem ist Charlie and the Chocolate Factory jedoch eine detailgetreue Adaption von Dahls Vorlage, welche die meiste Zeit zu unterhalten und mit ihrer Farbpracht zu begeistern weiß. Wenn Burton nicht versucht hätte den Film seinem persönlichen Stil unterzuordnen, wäre er perfekt geworden. 

8/10