29. September 2008

Spider-Man 3

Where do these guys come from?

Ein neues Phänomen erreichte in Hollywood 2007 seinen Höhepunkt: Fortsetzungen. Sie boomen wie nie und markieren neben Remakes die einträglichste Rubrik des aktuellen Kinos. Die Arbeit wird klein gehalten, man verwertet bekannte Geschichten und schlachtet andere Themen genüsslich aus. Gerade die dritten Teile hatten es dem vergangenen Jahr angetan, denn neben Shrek the Third, Ocean’s Thirteen und Rush Hour 3 warteten auch die Abschlüsse der Pirates of the Carribean- und Spider-Man-Trilogien auf. Letztgenannte Filme konnten sich erfolgsmäßig von der übrigen Masse absetzen. Den Rekord des teuersten Films aller Zeiten durfte Spider-Man 3 nach dem Start von Pirates of the Carribean: At World’s End an diesen abgeben. Auch finanziell war das letzte Piratenabenteuer noch eine Spur erfolgreicher als der Spinnenmann.

An den Top 10 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten scheiterte der Film mit Platz 11 nur knapp, immerhin lief er in den USA erfolgreicher als Jack Sparrow und Konsorten. Dabei stört es Sony relativ wenig, dass Spider-Man 3 einen Schlussstrich unter eine stringente Trilogie setzte, die Planungen für einen vierten Teil, der alsbald in die Kinos kommen soll, laufen bereits. Fraglich ist bisher noch, ob Sam Raimi wieder Regie und Tobey Maguire erneut die Hauptrolle spielen wird. Beide machen ein potentielles Engagement von dem Entscheid des anderen abhängig, ebenso wie Kirsten Dunst. Möglich – und im Grunde zum Scheitern verurteilt – wäre eine Neubelebung der Reihe, mit neuem Regisseur und Darstellern. Sehr wahrscheinlich, dass sich Sony dadurch selbst ins Knie schießt. Auch eine Fortsetzung der bisherigen Story ist wohl kritisch.

Im Vergleich zu den Vorgängern haben sich die Dinge für Peter Parker (Tobey Maguire) gewandelt. New York City liebt ihn und verleiht ihm nach der Rettung von Gwen Stacy (Bryce Dallas Howard) sogar den Schlüssel zur Stadt. Auch in Liebesdingen kann sich Peter nicht beklagen, führt er doch eine zufriedene und glückliche Beziehung mit seiner Jugendliebe MJ (Kirsten Dunst). Lediglich die zerrüttete Freundschaft zu Harry (James Franco) bereit ihm Kopfzerbrechen, während sich dieser insgeheim auf die finale Konfrontation mit Spider-Man vorbereitet. Während es für Peter bestens läuft, hat MJ mit Problemen zu kämpfen. Als Peter und Tante Mae (Rosemary Harris) dann erfahren, dass Onkel Bens wahrer Mörder, der Bankräuber Flint Marko (Thomas Haden Church), auf der Flucht ist, kocht in Peter wieder der scho in Spider-Man aufgetretene Wunsch nach Rache.

Nachdem Marko zu Beginn dann durch einen Unfall genetisch verändert und zum Sandman mutiert ist, sucht Peter später den Konflikt. Bei seiner Vergeltungssucht verletzt er dann nicht nur MJ, sondern auch seinen direkten Konkurrenten beim Daily Bugle, Eddie Brock Jr. (Topher Grace). Schuld an Peters Verhalten ist dabei ein außerirdischer Symbiont, der Besitz von ihm ergriffen hat. Für Peter gilt es nunmehr, sich auf seinen wahren Charakter zu besinnen und seine Gefühle unter Kontrolle zu kriegen. Eine Katharsis muss zu Ende gebracht werden, die in Spider-Man begonnen wurde. Gekonnt verknüpft Regisseur Sam Raimi hierbei die Handlung mit den Ereignissen aus den vorangegangen Teilen, sehr schön auch in der Eröffnungssequenz bebildert. Somit ist Spider-Man 3 letztlich ein würdiger Abschluss der Comic-Trilogie in allen Belangen.

Die Hauptthemen des Films sind Rache und Vergebung, die alle Figuren motivieren. Peter reitet sich in einen Rachedurst hinein, als er erfährt, dass Marko der eigentliche Mörder seines Onkels ist. Er stößt MJ von sich und verliert sich vollkommen in seiner Vergeltung. Nachdem er Marko vermeintlich getötet hat, stößt er bei seiner Tante zu seiner Überraschung nicht auf Dankbarkeit, sondern Abscheu. Sein Verhalten provoziert wiederum Rache beim Sandman, der zuvor keinerlei Aggressionen gegen Spider-Man hegte (“I don’t want to hurt you. Leave now.”). Diese Aggressionen leiten den Sandman letztlich zu Venom, der durch Eddie Brock Jr. gesteuert ebenfalls auf Rache aus ist. Brock ist ein schmieriger Charakter, der beim Anblick seiner Freundin, Gwen Stacy, in Lebensgefahr nichts Besseres zu tun hat, als Fotos für die Zeitung zu schießen.

Somit gehört Brock folglich zu der Sorte Mensch, die immer auf den kürzesten Weg zum erwünschten Ziel kommen möchte und sich dabei auch nicht scheut, fragwürdige Abkürzungen zu nehmen. Durch den Symbionten wird sich Peter also einen Feind schaffen, indem er Brock vor der gesamten Stadt demütigt. Auch Harry strebt es nach Rache, er will Spider-Man für den Tod seines Vaters aus dem ersten Teil büßen lassen, den er dem allseits beliebten Spinnenmann zu Unrecht angelastet hat. Nicht von ungefähr sind es dabei ausschließlich die männlichen Charaktere, denen es nach Rache gelüstet, während das weibliche Ensemble die Tugend der Vergebung propagiert. MJ muss Peter vergeben und diesen wiederum selbst dazu bringen, Flint Marko zu vergeben. Diese Lektion wird er auch außerdem noch von seiner Tante Mae lernen.

Im Trilogie-Abschluss macht Raimi vieles richtig und manches falsch. Die grundsätzliche Stimmung ist gut eingefangen, ein Comic-Flair spürbar. Die Action-Szenen (abgesehen vielleicht vom Finale) sind gut choreografiert und gebührend umgesetzt. Die Musik von Christopher Young kommt meist zwar nicht an den Score von Danny Elfman heran (es fehlt das Mystische), aber das Thema zu Flint Marko ist ausgesprochen gelungen. Nach der Zweitsichtung auf DVD hatte ich dem Film nochmals einen halben Punkt mehr zugesprochen, dem ich ihm bei der jetzigen Drittsichtung wieder abziehe. Zwar ist Spider-Man 3 weitaus lustiger und selbstironischer als es der erste Teil war, doch an den Humor von Spider-Man 2 kommt er dann doch nicht heran. Herausragend ist dennoch die Portraitierung des Evil Peter – herrlich selbstgefällig, arrogant und überheblich auf einmal.

Allein sein Walk-Down in den Straßen New Yorks mit Händeklatschen und Fingerpistole ist grandios, aber auch sonst sind viele Einstellungen amüsant geraten. Interessant ist der Aspekt von Raimi, einen Helden zu zeigen, der negative Eigenschaften trägt, im Gegensatz zum Antagonisten, der scheinbar aus löblichen Beweggründen agiert. Entgegen der allgemeinen Meinung fand ich den Film nicht zu schwülstig, sondern sehr glaubhaft und emotionsgeladen. Gefühle werden verletzt, Beziehungen stehen in Gefahr. Der Kameraschwenk in wunderschön romantischen Pastellfarben erinnert an King Kong und führt zu einem dramatischen Ende aller Konflikte. Entgegen anderer Trilogie-Abschlüsse (Pirates of the Carribean, Matrix) fährt Raimi den Karren nicht gegen die Wand, sondern bringt seine Handlung zu einem gelungen und würdigen Ende.

Dennoch hätte der Film weitaus besser sein können, denn vieles ist zu redundant ausgefallen. Wie in den Vorgänger muss MJ im Finale wieder von Spider-Man gerettet werden, sie wird entführt und als Falle ausgelobt. Das Ganze wurde schon im zweiten Teil eintönig und ist es hier erst recht. Dem hätte man zuvorkommen können, wenn man – wie ich an anderer Stelle schon mal erwähnt hatte – im ersten Teil auf MJ verzichtet und Gwen Stacy in den Mittelpunkt gerückt hätte. Es ist durchaus schön, diese nun endlich zu sehen und sie wird auch fantastisch von der attraktiven Bryce Dallas Howard dargestellt, nur wirkt sie etwas verschenkt. So wie sehr viel im Grunde verschenkt wird, denn Spider-Man 3 krankt an seinen drei Bösewichtern. Denn hatte es Spider-Man in den Vorgänger immer jeweils mit nur einem Gegner zu tun, so sind es dieses Mal derer drei.

Diese treten jedoch nicht parallel, sondern immer abwechselnd auf, sodass man gerne mal die anderen beiden vergisst, wenn sie 20 Minuten lang nicht im Bild sind. Frühzeitig legten sich Raimi und Tobey Maguire auf die Anwesenheit des Sandman fest. Dabei ist dieser eine ziemlich langweilige Figur und wurde vom Regisseur nur deswegen ausgewählt, weil seine Umsetzung eine Herausforderung darstellte. Und die Umsetzung ist auch gelungen, der Sandman wurde großartig animiert. So großartig, dass für Venom scheinbar nicht mehr genug Geld vorhanden war. Dass es Venom überhaupt in den Film geschafft hat, verdankt sich Produzent Avi Arad, der Raimi dazu aufforderte, den Fan-Liebling in den letzten Teil der Reihe mit einzubeziehen. Der Film wird Venom jedoch nicht gerecht, insbesondere nicht in dessen Animation und Darstellung durch Topher Grace.

Im Grunde stellt er nur einen Sidekick für Sandman dar, welcher der eigentliche Antagonist ist, da er Peters Rache-Thema vorantreibt. Eines sporadischen Venom hätte der Film dann nicht bedurft, die Figur ist verschenkt. Auch der Sandman, als liebender Vater, der nur das Beste für seine kranke Tochter wollte, ist ein kleiner Störfaktor. Besser wäre gewesen, man sich auf einen Hauptbösewicht beschränkt, dazu noch die Auseinandersetzung mit dem New Goblin. Wobei es fraglich ist, ob man Harry überhaupt ein Pseudonym geben muss, da er die Stadtbevölkerung gar nicht angreift. Die Handlung kann den drei Strängen jedenfalls nicht immer folgen, man fühlt sich bisweilen gehetzt, die finale Exposition kommt ebenfalls ziemlich überhastet. Auch die Einbindung der New Yorker ins Finale – inklusive Star Spangled Banner – beißt sich.

Meistens erweckt Spider-Man 3 den Eindruck, als habe man zwei Filme in einem erzählen wollen. So erklärt sich auch MJs Verhalten gegenüber Peter. Dennoch funktioniert der Film überaus gut, ich stufe ihn daher hinter dem zweiten Teil als den Besten der Trilogie ein. Entlohnen dürfte den Fan alleine der Cameo von Bruce Campbell, der seine Leistung aus dem Vorgänger erneut zu toppen weiß. Manches Logikloch im Skript findet sich dennoch, man hätte den Film durchaus anders und somit etwas plausibler erklären können. Wie ein anderes Ende für Spider-Man 3 hätte aussehen können, zeigt ein äußerst amüsanter und animierter Internet-Spoof. Dennoch war der dritte Teil ohne Frage ein Höhepunkt des vergangenen Kinojahres und zählt zu den gelungen Comicverfilmungen in einem Genrepool, der zurzeit keinen Beckenrand zu kennen scheint.

8/10

27. September 2008

Vorlage vs. Film: Sphere

Sphere (1987)

Neben Stephen King und John Grisham zählt sicherlich auch Michael Crichton zu Amerikas meistgelesenem Bestsellerautor, dessen Werke immer wieder gerne von den Produzenten in Hollywood aufgegriffen werden. Dabei konzentrieren sich Crichtons Romane oft auf dieselbe Thematik, nämlich ein schief gelaufenes wissenschaftliches Experiment als warnendes soziales Beispiel anzuprangern. Letztlich ist es das Streben nach jener wissenschaftlichen Errungenschaft, welche die Protagonisten seiner Geschichten in ihr Dilemma führt. Hierzu zählen unter anderem Werke wie Prey oder auch sein letzter Roman Next. Hierbei vertieft sich Crichton meist durchaus in das jeweilige Thema, recherchiert das Fachgebiet, auf welches er Bezug nimmt und gibt dieses über weite Strecken akkurat wieder. Grundsätzlich „technisch“ sind seine Geschichten allerdings nicht, eher wirken diese Einschübe gestreut zwischen seinen staffelartigen Spannungsmomenten. Auf der literarischen Ebene ist Crichton kein Ernest Hemingway, wobei man ihm zugestehen muss, dass seine Dialoge ein auffälliges Streben nach Authentizität haben. Seine Stärke liegt dabei vormerklich in der Exposition und der Hinführung zu einer durchaus interessanten Thematik. Lediglich mit dem weiteren Verlauf respektive Ende seiner Geschichten hapert es bei dem 66-Jährigen etwas. Zuletzt sorgte Crichton auch für Kontroversen, als er in seinem Roman State of Fear die Globale Erwärmung negierte und in Next einen Zeitungsredakteur persönlich angriff. Da verwundert es auch nicht, dass seit 2003 keiner seiner Romane mehr für die Kinoleinwand adaptiert wurde, nachdem die letzten drei Versuche grandios gefloppt waren.

Auch Sphere, der in Deutschland unter dem Titel Die Gedanken des Bösen vertrieben wurde (ein undankbar schlechter Titel), beschäftigt sich mit einem von Crichtons beliebten Warnbeispielen. Der Psychologe Norman Johnson wird in den Pazifik hinaus geflogen, wo er auch eine Militärflotte trifft. Ursache für das Szenario ist ein abgestürztes und in 300 Meter Meerestiefe gefundenes Raumschiff, welches außerirdischen Ursprungs sein soll. Norman, der einst einen Kontaktbericht über Außerirdische verfasst hat, soll gemeinsam mit vier anderen Wissenschaftler in ein Tiefseehabitat und mit jenen unbekannten Wesen in Verbindung treten. Was niemand weiß: Norman hatte seinen Auftrag nie Ernst genommen und wahllos Bekannte als Kontaktpersonen eingesetzt. Als die Gruppe um Mathematik-Genius Harry Adams, Astrophysiker Ted Fielding und Biologin Beth Halpern in der Tiefe ankommt, stellt sich bald heraus, dass es sich vielmehr um ein amerikanisches Raumschiff aus der Zukunft, denn ein außerirdisches UFO handelt. Diese Entdeckung, welche Harry bereits an der Oberfläche gemacht hat, spaltet die Gruppe in zwei Parteien. Da kein außerirdischer Kontakt vorhanden ist, zieht es Norman, Beth und Harry zurück an die Oberfläche – doch es kommt alles anders. Im Frachtraum des Raumschiffes entdeckt die Gruppe eine ominöse Kugel (engl. sphere), welches sich offenbar jedoch nicht öffnen lässt. Als ein Zyklon an der Oberfläche aufzieht, ist das Team jedoch gezwungen einige Tage auszuharren – da stellt sich heraus, dass Harry in die Kugel gegangen ist. Nachdem er wieder aus ihr erscheint, beginnen sich seltsame Zufälle zu ereignen. Der Meeresboden ist plötzlich von Lebensformen belebt und es findet sich eine Matrix auf dem Bordcomputer. Scheinbar versucht die Kugel mit Norman und den anderen Crew-Mitgliedern in Kontakt zu treten.

Das Geheimnis der außerirdischen Entität Jerry ist dabei ebenso leicht durchschaubar, wie das von Crichton angestrebte Finale. Besser wäre es wahrscheinlich gewesen, hätte sich die Handlung nicht allein auf Norman konzentriert, sondern abwechselnd auf die drei tragenden Charaktere des Psychologen sowie Harry und Beth. Denn das Bild, das die Leser von diesen beiden erhalten, ist durch Norman bereits vorgegeben, während eine wirkliche Reflexion seiner Figur durch die Augen der Anderen nicht vorhanden ist. Was es dabei genau mit der Kugel auf sich hat, spielt für den Ausgang der Geschichte eine untergeordnete Rolle. Das Bild, welches man von ihr in den späteren Kapiteln, darunter dem Epilog, erhält, ist für eine Interpretation ausreichend. Umso schrecklicher daher der deutsche Titel, der hier ein völlig falsches Resümee der ganzen Ereignisse zieht. Die technisch-wissenschaftlichen Einschübe Crichtons über die Funktion von Unterwasserhabitaten, den Aufbau von Schwarzen Löchern und anderen Themenfeldern sind gut recherchiert, informativ und dabei in Verbindung mit der Geschichte nicht so abgehoben, dass sie verfälschend wären. In regelmäßigem Abstand wissen sie die sich im Kreis drehenden Dialoge und thrillerlastige Geschichte auf ein semi-authentisches Niveau zu heben. Im Ganzen ist Sphere jedoch wegen seiner narrativen Schwächen, gerade zum Ende hin, ein etwas unausgegorenes Werk, welches durch die rudimentäre Übersetzung von Alfred Hans („Kreuzdonnerwetter“, „Rutsch mir doch den Buckel runter“, etc.) einen ungewollt trashigen Zug erhält.

Sphere (1998)

We're all gonna die down here.

Neben Steven Spielberg zählt auch Oscarpreisträger Barry Levinson zu den Regisseuren, die zwei Mal einen Roman von Michael Crichton verfilmt haben. Vier Jahre nach Disclosure würde Levinson sich des Stoffes von Sphere annehmen und für 80 Millionen Dollar einen Flop für Warner Bros. Pictures einbringen. Dabei ist sein Film eine weitestgehend getreue Adaption der Romanvorlage, die lediglich hier und da eine Abweichung präsentiert, abgesehen vom veränderten Finale. Mit Dustin Hoffman, Sharon Stone und Samuel L. Jackson konnte Levinson auch drei namhafte Darsteller gewinnen, die durch den damals noch recht unbekannten Liev Schreiber ergänzt wurden. Weltweit konnte der Film lediglich 50 Millionen Dollar einspielen und sollte auch für Levinson eine Pause in seiner Karriere bewirken, konnten doch keine seiner folgenden Filme an Erfolge wie Rain Man oder Good Morning, Vietnam anknüpfen. Ohnehin war das Jahr 1998 mit Filmen wie Armageddon oder Deep Impact ziemlich beengt, was Missionen in luftdichten Anzügen anging. Obschon es sich wie erwähnt um eine ziemlich getreue Adaption handelt, geht Levinson einen anderen Weg als es Crichton im Buch gepflegt hat. Die technischen Aspekte werden nur so weit erläutert, wie sie für das Verständnis des Filmes von Nöten sind. Im Gegensatz zur Vorlage wird daher vielleicht nicht jeder exakt verstehen, wie ein Schwarzes Loch funktioniert, wenn die Person es nicht ohnehin bereits weiß. Aber allgemein spielt die Kugel in Sphere eine weitaus geringere Rolle, als sie Crichton in seinem Roman benutzt. Levinson bedient sich ihrer vormerklich als Projektionsfläche für ein Überthema: Angst.

Im Film ist die Kugel gewichtiger aus Auslöser der unterbewussten Angst dargestellt, als es im Roman der Fall ist. Dort verwendet die Crew auch mehr Zeit in ihren Gesprächen mit Jerry, die ebenfalls anders strukturiert werden, um später eine Identifikation mit Harry (Samuel L. Jackson) zu offenbaren. Levinson wirft dieses Konstrukt vollkommen über Bord, sodass die Szenen selbst noch mal eine andere Bedeutung als im Kontext des Romans erhalten. Stattdessen ist die Kugel hier lediglich der Auslöser, wird aber nicht großartig im weiteren Verlauf berücksichtigt. Für ihr Verständnis fehlt dann auch Normans (Dustin Hoffman) Besuch in ihr, der im Film ohnehin viel früher stattfindet und zu einem wahren Mischmasch der Ereignisse führt. Dem Publikum erschließt sich im Film daher nicht um was es sich genau bei der Kugel handelt bzw. nicht handelt, da diese Frage von den Charakteren hier nicht erörtert wird. Da der Film in seiner vorhanden Form über zwei Stunden lang ist scheint sich die Ursache hierfür in der Laufzeit niederzuschlagen, die man ungern über zweieinhalb Stunden dehnen wollte. Ohnehin begeht Levinson den typischen Weg einer Romanadaption indem er viele Haken schlägt. Was als wichtig erachtet wird, erfährt eine Thematisierung, ist dabei oftmals aus seinem Zusammenhang gerissen, weshalb viele Einstellungen unfertig und nichts sagend wirken.

Mach mir den Kubrick, Barry ... 2001: A Spacey Odyssey meets Sphere.

Hinzu kommen kleine, unwichtige Veränderungen wie Norman und Beths (Sharon Stone) Nachnamen. Unklar, weshalb Norman im Film Goodman und nicht Johnson heißt, ebenso wie Beths Name von Halpern zu Halperin geändert wurde. Ebensowenig tragisch ist der Alterstausch der Figuren Harry und Ted (Liev Schreiber). Wohingegen Ted im Roman vierzig und Harry dreißig und bebrillt ist, ist es im Film umgekehrt. Gut möglich dass Levinson einfach keinen bekannten dreißigjährigen Afroamerikaner gefunden hat, der ihm geeignet schien die Rolle von Harry zu spielen. Grundsätzlich lässt sich an den Besetzungsentscheidungen jedoch nicht meckern, die Darsteller repräsentieren ihre Figuren authentisch und spielen sie über weite Strecken auch glaubhaft und überzeugend. Es ist wenn dann das Drehbuch, das sie mitunter ins Overacting treibt, da es übertrieben auf jenes Element der Angst ausgerichtet ist. Die Konzentration auf jene sollte für Levinson den Film wohl verstärkt in die Thriller-Kategorie schieben, was ihm jedoch misslingt, da er nicht den Punkt der Vorlage trifft. Hierzu zählt auch das flache und unspannende Finale, welches selbst das des Romans noch mal unterbietet und kulminiert schließlich in dem veränderten Ende, welches seine zwiespältige Interpretation – zumindest hat es den Anschein – aufgeben muss. Die Veränderungen gegenüber der Vorlage stoßen nur hier etwas sauer auf, hat man zuvor bereits die Tode von Barnes (Peter Coyote) und Ted in ihrer abgewandelten Form – mehr Unfall wie „Absicht“ – bereitwillig geschluckt. Das Finale des Filmes ist in seiner Form jedoch zu weichgespült und mehr als unglaubwürdig. Mordversuche der Überlebenden aneinander werden sofort vergeben, umso lächerlicher, da zuvor eine extreme Spannung zwischen allen vorbereitet wurde.

Zudem scheitert der Film an seiner versuchten Vertiefung der jeweiligen Charaktere, speziell natürlich Harry und Beth. Des einen Tintenfischabneigung und der anderen Vorgeschichte mit Norman ist prinzipiell zur Erzählung der Geschichte nicht notwendig und erfüllt dabei auch nicht den Zweck der Dramatisierung. Dafür werden diese Aspekte nicht stark genug gewichtet, sodass der Versuch zeitweise in den Bereich des Horror abzutauchen jedes Mal grandios scheitern. Auch von den Nebenkriegsschauplätzen bei Crichton (Norman war nur vierte Wahl, Barnes belügt das Team) ist im Film nicht mehr viel geblieben, insgesamt entfaltet sich bei Levinson die angespannte Situation aller Beteiligten, nicht nur untereinander sondern vor allem gegenüber Jerry, weniger gelungen wie in der Romanvorlage. Andere Kürzungen wie den Angriff des Riesenkalmars hat man soweit umgeformt, dass man sich die Effekte für jenen Kalmar sparen konnte. Das ist gerade deswegen enttäuschend, da die Ursache für einige Todesfälle dadurch abgeändert wird und umso erstaunlicher, weil es Levinsons Ansatz der Geschichte eigentlich unterstützt hätte. Im Grunde bleibt Sphere jedoch von der Adaption her eine gute Umsetzung, deren Fehler weniger die Arbeit von Levinson und Konsorten ist, als vielmehr Crichtons Vorlage. Der Film versagt aus denselben Gründen, weshalb es auch dem Roman nicht zu gelingen vermag mehr als Durchschnitt zu sein, obschon er zu meinen Lieblingswerken zählt (was ich mir selbst nicht erklären kann). Die Ausstattung, die Effekte, die Besetzung der Figuren – alles ist im Grunde gelungen, lediglich die Geschichte von Crichton gibt nicht mehr her, als das was dem Zuschauer hier geboten werden kann. Ähnlich, wie es auch bei anderen Crichton-Verfilmungen (Timeline, Congo) der Fall gewesen ist.

5/10

24. September 2008

Roswell - Season One

How are you doing on the mating ritual?

Das Konzept ist nicht unbedingt genial aber dennoch erstaunlich gut umgesetzt. Außerirdische. Sie existieren nicht nur, nein, sie leben direkt unter uns! Und das nicht irgendwo, sondern ironischerweise direkt in Roswell, New Mexico. Hier soll am 8. Juli 1947 ein unbekanntes Flugobjekt, kurz UFO genannt, abgestürzt sein. Ein lebender Mythos, der in vielerlei Filme und Serien Einzug gefunden hat, unter anderem The X Files oder Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull. Der Vorfall in Roswell war die Geburtsstunde der UFOlogen, spaltete die Gesellschaft endgültig in das Lager der Gläubigen und Skeptiker. Für Roswell selbst kann dies im Grunde egal sein, die Stadt erfreut sich nunmehr bester Touristik. Doch was wäre wenn nun tatsächlich Außerirdische in Roswell abgestürzt sind? Und was wäre, wenn die mitten unter uns leben und keiner weiß etwas davon? Bis zu dem Tag, an dem sie sich outen.

Vor zehn Jahren verfasste Melinda Metz die Buchserie Roswell High. In jener Geschichte geht es um die drei Alien-Mensch-Hybriden Max, Isabel und Michael, die in Roswell, New Mexico zur Schule gehen und ein relativ sorgenfreies Leben führen. Bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem die Kellnerin Liz angeschossen wird und Max ihr das Leben rettet. Anschließend werden auch zwei weitere Mitschüler in das Geheimnis eingeweiht und neben einer Sondereinheit des FBI ist auch der örtliche Sheriff Valenti auf die Teenager aufmerksam geworden. Und weil das alles nicht bereits genug ist, verlieben sich Max und Liz auch noch ineinander, was die Situation nicht nur allgemein verkompliziert, sondern auch hinsichtlich des Schicksals der Außerirdischen große Probleme bereitet. Soziale Themen wie teen angst, coming of age, erste Liebe und häuslicher Missbrauch finden Einzug in dieses Sci-Fi-Gewand einer Fernsehserie.

Bereits 1999 fand die Serie von Metz dann ihre Adaption im US-Fernsehen. Jason Katims trat als Schöpfer der Serie auf und ist eine von mehreren Antriebskräften der Serie gewesen. Zu diesen gehört auch Jonathan Frakes, der allein durch seine Star Trek-Vergangenheit mit dem Thema der Außerirdischen verwurzelt ist. Frakes trat nicht als Mitproduzent und dreimaliger Regisseur in der ersten Staffel auf, sondern spielte sich dabei auch zweimal selbst. Besonders viel Selbstironie bewies er dabei in der Folge The Convention, in der er wünscht mit demselben Respekt wie der Kollegen Shatner behandelt zu werden. Im Vergleich zur Buchserie verzichtete Katims in Roswell dann auf einige der Alien-Hybriden und konzentrierte sich vielmehr hauptsächlich auf die Gemeinschaft der Sechs (Max, Michael, Isabel, Liz, Maria, Alex). Als Antagonist existierte im Grunde einzig Sheriff Valenti (William Sadler), auch wenn mit den beiden FBI-Agenten Tupolsky (Julie Benz) und Pierce (David Conrad) gelegentlich andere Gegenspieler auftraten.

Essentiell für den Erfolg der Serie ist neben ihrem interessanten Grundkonzept auch die Besetzung des Schauspielensembles gewesen. Für die Rolle des Alien-Anführers Max Evans hatte damals der inzwischen verstorbene Heath Ledger vorgesprochen, doch ging die Rolle stattdessen an Jason Behr, der zuvor bereits in der zweiten Staffel von Dawson’s Creek zu sehen war. Andere Darsteller, wie Katherine Heigl, Shiri Appleby und Nick Wechsler, sprachen für alle möglichen Rollen vor, ehe sie ihren individuellen Figuren zugeordnet wurden. Während manche Darsteller wie Majandra Delfino oder Nick Wechsler inzwischen kaum noch in den Medien zu sehen sind, hat es besonders Katherine Heigl letztlich geschafft sich durchzusetzen und wurde im vergangen Jahr sogar für ihre Rolle in Grey’s Anatomy mit einem Emmy ausgezeichnet.

Ohne Umschweife beginnt Roswell bei seiner Geschichte. In der Pilot-Folge rettet Max Evans (Jason Behr) nach einer Schießerei im Crashdown Restaurant seiner Mitschülerin und dortigen Kellnerin Liz Parker (Shiri Appleby) das Leben. Das entgeht dieser natürlich nicht und auch nicht dem Sheriff. Mit jener Aktion ändert sich das Leben für eine Vielzahl von Beteiligten. Durch Valenti wird das FBI auf den Plan gerufen und Valenti selbst ist fortan hinter Max her. Eine Veränderung in seinem Verhalten findet erst in der Folge The Convention statt, als Max’ Leben durch einen Bekannten Valentis bedroht wird. Da Liz nun mal ein pubertierendes Mädchen ist, kann sie Max’ großes Geheimnis nicht lange vor ihrer besten Freundin Maria DeLuca (Majandra Delfino) geheim halten.

Dies sorgt für Spannungen unter den Alien-Mensch-Hybriden, insbesondere bei Michael Guerin (Brendan Fehr). Doch während es zwischen Max und Liz kurz darauf anfängt zu knistern, kann auch Michael den Reizen von Maria nicht widerstehen. Sehr zum Missfallen von Max’ Schwester Isabel (Katherine Heigl), die sich versucht den nerdigen Alex Whitman (Colin Hanks) vom Hals zu halten. Da Alex lange Zeit ebenfalls nicht eingeweiht wird, entstehen auch hier Spannungen zwischen ihm und Liz – nicht zu vergleichen jedoch mit der Neugier von Liz’ Ex-Freund Kyle (Nick Wechsler) und der ominösen neuen Schülerin Tess (Emilie de Ravin). In Roswell beginnen allmählich die Emotionen hochzukochen.

Die erste Staffel von Roswell ist nach verschiedenen Schemen durchstrukturiert. Das erste Drittel der Staffel wird von den Nachforschungen von Agent Tupolsky beherrscht, welche die Schule als Vertrauenslehrerin getarnt besucht. Damals relativ unbekannt erfreut sich nun das Dexter-Herz an Julie Benz als tougher Agentin in sieben Episoden. Eine Rolle die vollkommen anders wirkt, als ihr Part in Dexter. Damit ist die Benz neben Jonathan Frakes das einzig bekannte Gesicht, welches sich auf eine „Gastrolle“ einlässt in der ersten Staffel. Nachdem die Tupolsky aufgeflogen ist, beginnt das zweite Drittel der Staffel. Jenes wird bestimmt durch Valentis Nachforschungen, insbesondere aber von der Beziehung zwischen Max und Liz. Unter den Augen des FBI war es in den ersten Folgen nie ein Thema, ob oder dass die beiden zusammen kommen. Viel wichtiger war es, nicht aufzufliegen. Da die Tupolsky Roswell anschließend aber verlassen hat, fällt es gerade Max immer schwerer, seinen Gefühlen für Liz zu widerstehen.

Der erste Kuss folgt dann auch bald nach Tupolskys Abschied, in der darauf folgenden Episode Heat Wave. Doch sein Verantwortungsbewusstsein nötigt Max schon eine Folge später dazu mit Liz Schluss zu machen. Letztlich steht sie nur im Weg, planen die Außerirdischen, jedoch vor allem Michael, ihre Rückkehr zum Heimatplaneten. Max will sich hier keinen unnötigen emotionalen Ballast aufladen, ist er sich doch insgeheim bewusst, dass eine Beziehung zwischen ihren beiden Spezies nicht funktionieren kann. Die Kehrtwendung folgt dann mit der Einleitung ins letzte und beste Drittel der ersten Staffel. In Sexual Healing kommen nicht nur Max und Liz endlich zusammen, sondern die Dramatik der Serie beginnt sich jetzt auch für den finalen Höhepunkt zu entfalten.

Neben der Sci-Fi-Thematik spielen die romantischen Elemente, die mit den coming of age und teen angst Themen verwoben werden, eine entscheidende Rolle. Vor allem die Begegnung der beiden Spezies in den Beziehungen der Jugendlichen spielt sich fast schon auf einer Metaebene ab. Ausdrucksstark besonders die Beziehung von Max und Liz, erhalten ihre sexuellen Treffen durch die gegenseitigen Visionen, speziell die von Liz, eine enorm wichtige Bedeutung (auf humoristische Weise in Sexual Healing umgesetzt). Die pubertierende Phase der Figuren greift Roswell dabei sehr geschickt auf. Die Entfremdung zwischen Elternteil und Kind wird mehrfach angesprochen und macht im Grunde vor keiner  Figur Halt.

So freut sich gerade der Macho Kyle enorm auf das alljährliche Vater-Sohn-Camping, stellen diese zwei Tage doch die einzige, direkte Zeit mit seinem viel beschäftigten Erzeuger dar. Auch Liz’ Eltern fühlen ihre Tochter langsam aus ihren Finger gleiten. Früher wurde immer über alles gesprochen und jetzt beginnt das eigene Fleisch und Blut auf einmal Geheimnisse zu haben. Eine komplizierte Phase, die Katims gebührend zu würdigen weiß und nicht vernachlässigt, Alien-Thema hin oder her. Auch vor anderen, ernsten Themen macht die Serie keinen Halt. So dreht sich in Independence Day alles um den häuslichen Missbrauch von Michaels Adoptivvater. Der Konflikt, der zuvor bereits zwischen den Zeilen angesprochen wurde, kulminiert hier.

Eigentlich nimmt das coming of age in Roswell sogar einen sehr großen Raum ein, bedenkt man, dass über die Herkunft und Identität der Außerirdischen wenig in Erfahrung gebracht wird. In Folgen wie River Dog oder The Balance setzt sich die Gruppe mit den Weisheiten des alten amerikanischen Ureinwohners River Dog auseinander, der vor vierzig Jahren bereits Kontakt mit einem Außerirdischen namens Nasedo geknüpft hat. Besonders für Michael, der keine geordneten Familienverhältnisse besitzt, wird Nasedo nun zur vollkommenen Hoffnung, von der er sich Antworten und eine mögliche Rückkehr verspricht. Zur Mitte der Staffel hin beginnt auch Nasedo mit der Gruppe in Kontakt zu treten und outete sich letztlich in Tess, Lies and Videotape vollständig als Beschützer, während er in den finalen drei Episoden eine essentielle Rolle spielt. Auch die Ankunft von Tess in Roswell erschüttert die vorherigen Ereignisse, betritt die Handlung doch eine neue Ebene.

Das Schicksal der Gruppe wird schließlich in Four Square angedeutet und im Staffelfinale Destiny vollends enthüllt. Die Aliens stammen von dem Planeten Antar, welchen Max als König beherrscht. Aber sein Volk ist inzwischen einer Tyrannei ausgesetzt, weshalb man die Königsfamilie (Max, seine Frau Tess, seine Schwester Isabel und deren Mann Michael) geklont und auf die Erde geschickt hat. Jenes Staffelfinale bildet nun die dramatische Klimax. Hier betritt Roswell einen Pfad, den eine Fernsehserie äußerst selten begeht, wenn auch nicht auf eine dermaßen ungewöhnliche Weise wie in der japanischen Anime-Serie Gilgamesh geschehen. Was es genau mit der außerirdischen Komponente auf sich hat, wird in den anderen beiden Staffel noch zur Genüge erklärt. Als Ausgang für die erste Staffel ist diese Eröffnung durchaus ein akzeptables Ende.

Insgesamt ist Roswell eine überaus gelungene Serie, die gekonnt Elemente der ersten Liebe wie sie auch in Dawson’s Creek und anderen Serien zu finden sind mit einer interessanten, phantastischen Geschichte zu verbinden weiß. Dabei nimmt sich die Serie nicht allzu ernst und versucht sich oft in kleineren Auflockerungen für das Publikum. Schwachpunkte lassen sich jedoch nicht leugnen, und hierzu zählt speziell die Figur von Michael. Sein rebellisches Verhalten selbst gegenüber Max und Isabel ist durchaus verständlich und bisweilen auch gerechtfertigt. Allerdings wirkt dies durch seine Redundanz mehr als zäh nach über einem Dutzend Folgen. Auch werden Fragen aufgeworfen, die keine Antwort erfahren. Scheinbar war Michael schon immer so, was aber der „Vorprogrammierung“ in Destiny widerspricht. Auch wurde in Four Squares eröffnet, dass sich die drei Freunde bereits in der Raumkapsel begegnet sind, was den Geschehnissen aus The Balance zuwider läuft.

Die Figur des Michael wirkt also etwas flach ausgearbeitet, ebenso wie das Innenleben von Isabel nicht sonderlich ergründet wird. So überrascht es einen, wie sie sich plötzlich von einer Folge auf die andere mit Alex einlässt. Die schwächste Phase hat die Serie dann auch in ihrem zweiten Drittel, in welchem keine wirkliche Weiterentwicklung stattfindet, wenn Max und Liz in ihren Gefühlen hin und her schwanken. Dafür sind die finalen fünf Folgen sehr stringent und spannend miteinander verknüpft, sodass neben der Pilot-Folge auch die letzten drei Episoden Max to the Max, The White Room und Destiny keine Wünsche offenlassen und dabei von kaum weniger schlechten Episoden (Four Squares, Tess, Lies and Videotape, The Morning After) ergänzt werden. Jason Katims Roswell ist unterhaltsam, amüsant und mit einer packenden Grundstory versehen, sodass die erste Staffel der kurzlebigen Serie zu den Highlights der Seriengeschichte des letzten Jahrzehnts zu rechnen ist.

9/10

23. September 2008

WALL•E

Try blue, it's the new red!

Vor zwanzig Jahren sind Ally Sheedy und Steve Guttenberg mit Johnny durch die Gegend gehuscht. Gut möglich, dass die aktuelle Generation, die zum Großteil ja noch nicht mal A New Hope gesehen hat, mit den Namen Sheedy und Guttenberg gar nichts anfangen kann. Und Short Circuit, zu deutsch Nummer 5 lebt!, haben sie eventuell auch noch nie gesehen. Dabei dient John Badhams Film – Badham kennt die Generation wohl auch nicht (mehr) – als Inspiration für Pixars neuesten Kinohelden. WALL•E ist von seinem äußeren Erscheinungsbild fraglos Johnny aus Short Circuit nachempfunden, während seine naive Psyche Ähnlichkeiten zu Steven Spielbergs E.T. – The Extraterrestrial offenbart. Und da WALL•E zu einem Teil auch im All spielt, kommt Regisseur Andrew Stanton auch um Verweise zu Stanley Kubricks zeitlosem Meisterwerk 2001: A Space Odyssey nicht herum. Also viel geklaut und wenig eigenständiges? Nicht unbedingt. Natürlich sind viele Komponenten von Pixars Neuem nicht sondern neu und die Referenzen tun ihr übriges, doch obschon Stanton eine recht spannungsarme und einfach gestrickte Geschichte erzählt, kann sein Film die meiste Zeit hinweg unterhalten. Zumindest bei der Erstsichtung. Doch was ein Pixar ist, verfügt über ausreichend Eigenschaften, um ein Erfolgsgarant zu werden. Zwar steht das konkurrierende DreamWorks Animationsstudio Pixar bei den Einspielen kaum nach – beiden Studios erzielten mit ihren digitalen Filmen bisher über vier Milliarden Dollar – doch werden die Pixars dennoch im Auge der Öffentlichkeit und der Kritiker anders wahrgenommen. Acht Academy Awards konnte Pixar bisher für sich verbuchen, während DreamWorks lediglich bei Shrek und Wallace & Gromit erfolgreich war. Während die Shrek-Trilogie bei DreamWorks für die Hälfte des Einspiels verantwortlich ist, sind die Erfolgsgaranten bei Pixar ebenjene Oscarpreisträger Andrew Stanton und Brad Bird.

Pixar ist ein Zauberwort, welches meist immer funktioniert. Selbst mit schlechten Beiträgen wie John Lassetters Cars hatte man noch Erfolg, wobei der Maßstab sicherlich von Brad Bird gesetzt wurde. Seine The Incredibles und Ratatouille trieben die digitale Animationsschmiede ein gutes Stück vorwärts, ähnlich wie es bereits Stanton mit Finding Nemo zuvor gelungen war. Und auch mit WALL•E verliert sich Stanton wieder in Nebensächlichkeiten, erzählt an der Geschichte vorbei und schadet damit dem Fluss der Handlung. Was einst Marlin und Dory war, ist heute einfach WALL•E und EVE – Stantons konzeptueller Aufbau damit relativ simpel strukturiert. Dass Stanton die Idee zum Film bereits vor 13 Jahren gekommen sein soll, macht das ganze im Grunde nur noch enttäuschender. Was wenn man vergisst den letzten Roboter auf der Erde auszuschalten? Das ist die Prämisse für Stantons Geschichte, die in dieser Form bereits wackelig aufgebaut ist. Zwar sieht man nicht viele WALL•E's in WALL•E, doch wundert es, weshalb gerade ein einziger von ihnen vergessen wurde auszuschalten. Wirklich nötig für den Startschuss des Filmes ist es sicherlich nicht. Da passt es nur perfekt hinein, dass auch scheinbar nur eine Küchenschabe überlebt hat, von jeglichen anderen Lebewesen ganz zu schweigen. Stanton wirft das Publikum einfach hinein in sein 22. Jahrhundert, in welchem kein Leben mehr auf der Erde existiert. Stattdessen sind die Straßen voll von Müll, ganze Skylines baut WALL•E aus seinen Müllwürfeln. Wieso die Welt so ist, wie sie Stanton hier zeichnet, erklärt er nicht. Natürlich findet sich eine Andeutung, selbstverständlich ist der Mensch Schuld. Er wurde immer bequemer, die Arbeiten auf Roboter verlagert. „There's no need to walk!“, prophezeit eine Reklame zu Beginn des Filmes. Doch was passiert ist, erfährt man nicht.

Wenn man jedoch wie Stanton eine sozialkritische Komponente in seinen Film einbaut, die weit über den kleinen moralischen Zeigefinger geht, den man sonst aus Animationsfilmen (Und die Moral von der Geschicht: …) gewohnt ist, enttäuscht das. Wieso wurde die Welt so schmutzig, wo sind die anderen Lebewesen? Diese Fragen, welche die Menschen betreffen, ignoriert der Film durchweg. So wundert sich der Kommandant der Axiom später auch nicht, den Anweisungen eines siebenhundert Jahre alten Präsidenten zufolgen. Scheinbar bestand kein Kontakt zwischen der Exekutive und ihren Untertanten, andernfalls lässt sich das Verhalten des Kommandanten nicht erklären. Natürlich ist WALL•E vordergründig eine Geschichte über die Liebe zweier Individuen zueinander. Da Stanton diese Romanze jedoch in ein sozialkritisches Umfeld setzt, muss er für jenes auch Verantwortung zeigen. Woher kommen zum Beispiel die Babys auf der Axiom? Hierbei muss es sich ja um Retortenkinder handeln, zeigt das Verhalten von John und Mary doch, dass ein sexuelles Interesse zwischen den Passagieren im Grunde nicht vorhanden ist. Aber hierfür bleibt Stanton ebenso ein Antwort schuldig, wie für die Intention von BnL seine Bürger subversiv zur Füllerei aufzurufen. Die Verblüffung von Mary bei ihrer Entdeckung ist zwar eine nette Referenz zu John Carpenters They Live, doch fehlt auch hier die inhaltliche Tiefe.

In WALL•E konfrontiert Stanton das Publikum also mit gesellschaftlicher Sozialkritik, die auf keinen fundierten Boden aufbaut und somit letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Vor allem, da der Film auch überhart mit der menschlichen Rasse ins Gericht geht. Natürlich sucht der Mensch nach bequemeren Wegen und wenn er in einem Hovercraft-Sessel sitzen könnte, würde er dies tun. Aber nicht unentwegt, zumindest nicht ein Teil der Menschheit. Jenen Teil präsentiert Stanton allerdings nichts. Bei ihm sind die Menschen eher Kollektiv als Individuen, alle gleich gestrickt, ohne irgendeine Eigenständigkeit in welcher Art auch immer. Das ist zwar in seiner Kontradiktion zu den Robotern durchaus mit einem gewissen Sinn versehen, der jedoch wenig plausibel erscheint. Schließlich ist der Mensch dafür bekannt, Beziehungen zu bestimmten Ob- oder Subjekten aufzubauen. Das zeigt bereits die erste Begegnung, die WALL•E mit einem Menschen (John) hat. Sofort findet eine Identifikation und Akzeptanz statt – und zwar gegenüber WALL•E als eigenständigem Individuum. Daher ist auch hier die Kontradiktion des Menschen als lebloser Kreatur und des Roboters als Gefühlswesen wenig fundiert. Somit verliert sich Stanton mit seinem Sozialrüffel etwas im Sande, zieht das ganze Thema viel zu groß auf, ohne sich ernsthaft damit auseinander zu setzen. Wie es besser geht, haben Tim Johnson und Karey Kirkpatrick vor zwei Jahren mit Over the Hedge gezeigt, in welcher dieselbe Kritik in einer einzigen Einstellung auf denselben Nenner gebracht wurde. Generell hat Stanton Probleme eine stringente Handlung zu skizzieren, was bereits die etwaigen „Abkürzungen“ in Finding Nemo gezeigt haben, die auch hier in WALL•E erneut zu findet sind. Diese redundanten Momente wie das unentwegte Bennennen der beiden Titelfiguren untereinander („WALL•E!“ – „Eeeeeva!“ – „WALL•E“ – „Eeeeeva!“, ff.) wirken hier etwas eintönig mit der Zeit.

Nichtsdestotrotz weiß WALL•E die meiste Zeit zu unterhalten, was jedoch bei einer Zweitsichtung bereits wieder anders aussehen kann. Vordergründig liegt dies natürlich an seinen infantilen Robotern, allen voran WALL•E und der Reinigungsroboter M-O, der sich im wahrsten Sinne des Wortes zum running gag („Foreign contaminant!“) entwickelt. Wie immer in Animationsfilmen sind es daher die unmenschlichen Wesen, denen menschliche Züge verliehen werden. Dies gelingt bei den Robotern nicht weniger als im Fall eines Ratatouille bei Ratten. Am meisten profitiert hier natürlich EVE, die ihr Augen-Pixel ebenso variieren kann, wie ihre Seitenflügel. Da haben es WALL•E und M-O durchaus schwerer. Hier ist es meist die Motorik, die für emotionale Ausdrücke steht, ebenso wie die Töne, welche die Roboter machen. So kommt man natürlich nicht umhin ein Lob an Ben Burtt auszusprechen, der neben den beiden Robotern auch noch allgemein für den Ton im Film verantwortlich war. Dass Burtt dabei für Pixar der richtige Mann schien, findet sich in dessen Filmographie, die seine Beteiligung an der Star Wars-Reihe sowie E.T. offenbart. Neben dem Sound ist es auch die musikalische Komposition von Thomas Newman, welche für die Erzeugung der liebevollen Atmosphäre sorgt. Die Symbiose aus Burtts Ton und Newmans Musik ist die meiste Zeit unwiderstehlich und vereint sich mit den exzellenten Effekten – die man von Pixar gewöhnt ist – zu einem tollen audio-visuellen Erlebnis. Wie hier bei Pixar stets die Grenzen weiter nach vorne geschoben werden, ist beeindruckend. Ebenso wie die Müllskyline oder WALL•Es Weltraumflug zur Axiom. Hier verspricht sich wieder einmal ein spannender Zweikampf im Frühjahr bei den Academy Awards zwischen Pixars Film und Kung Fu Panda, DreamWorks zumindest optisch nicht minder gelungenem Beitrag.

Abgesehen von all den Kritikpunkten ist WALL•E jedoch eine gelungene Liebesgeschichte, zwischen zwei Robotern. Die Persönlichkeit, die WALL•E über die Dauer von 700 Jahren hinweg entwickelt hat, ist so unschuldig wie hinreißend. Die Beziehung zu seinem einzigen Freund, der Küchenschabe, nicht weniger ergreifend wie gegenüber EVE. Seine Flirtversuche sind es hierbei, die das Publikum zum Lachen bringen, wenn WALL•E nach einer Bespitzelungsaktion fluchtartig Reißaus nimmt und letztlich von einer Kolonne Einkaufswagen umgefahren wird. Es ist das ein Videoband des Musicalfilms Hello, Dolly in welchem sich WALL•E's Sehnsüchte manifestieren. Der Ausdruck von Zuneigung und Liebe durch Händehalten wird für den kleinen Roboter zum Lebensinhalt. Gerade in der Simplizität dieser Geste liegt die ganze Unschuld jenes wandelnden Schaltkreises. Dennoch lassen sich auch Kritikpunkte an seinem Verhalten findet, „zwingt“ er EVE schließlich zu ihrem ersten „Händchenhalten“ und entwickelt sich bisweilen zum unermüdlichen Stalker. Doch man nimmt es ihm nicht wirklich übel, sieht darüber hinweg, und lässt sich in diese sympathische Welt entführen, die einige geniale Einfälle birgt, aber grundsätzlich an der lax ausgearbeiteten Geschichte zu knabbern hat. Hier ist Bird seinem Pixar-Kollegen doch weit voraus, auch wenn es in seinen Filmen weniger um den „Ach wie süß“-Faktor geht, als durch seine Handlung zu punkten. Insgesamt ist WALL•E fraglos ein sehenswerter Film, der sich nahtlos in die beispielhafte Filmographie von Pixar einreiht. Ob er jedoch nach der zweiten oder dritten Sichtung immer noch funktioniert, bleibt abzuwarten. Lobenswert ist an dieser Stelle auch erneut Pixars Kurzfilm vor dem Hauptfilm. War Lifted damals vor Ratatouille etwas eintönig, so ist Presto diesmal eine meisterhafte Leistung und regt im Grunde sogar mehr zum Lachen an, als es dem anschließende Abenteuer von WALL•E zu gelingen vermag.

8/10

22. September 2008

Tropic Thunder

After only five days of shooting, the film was two months behind schedule.

Schon der Vorspann ist klasse. Sogar die Vorschau vor dem Vorspann ist klasse. Allein deswegen lohnt sich das Geld und wenn man sich dann inmitten der Einleitung zu Tropic Thunder befindet – indem man sich inmitten der Einleitung zu Tropic Thunder befindet – weiß man, dass Ben Stiller einen hier in den folgenden neunzig Minuten überzeugen wird. Von einer Spezialeinheit in Vietnam kehrten einst nur zehn Soldaten lebend zurück. Von jenen zehn haben vier ein Buch über ihre Erlebnisse geschrieben, von diesen Büchern wurden drei veröffentlicht und von diesen drei wurden bei zwei die Filmrechte erworben. Doch in Tropic Thunder geht es nicht darum, dass eine oder dass andere Buch nachzuerzählen, sondern vielmehr den katastrophalen Dreharbeiten zu einer der Buchadaptionen zu folgen. Wenn der Zuschauer dann erfährt, dass man nach fünf Drehtagen bereits zwei Monate (!) hinter dem Produktionsplan und 100 Millionen Dollar über dem Budget liegt, hat Stillers neue Komödie schon früh ihre Klimax gefunden und weiß dennoch auch im restlichen Verlauf der Handlung gewisse Akzente zu setzen.

Seine Erzählung von Hollywoodstar Tugg Speedman (Ben Stiller), der sich gemeinsam mit Comedian und Bad Boy Jeff Portnoy (Jack Black) und dem mehrfachen Oscarpreisträger Kirk Lazarus (Robert Downey Jr.) daran versucht, die Biographie von Vietnamveteran „Four Leaf“ Tayback (Nick Nolte) zu verfilmen, ist teilweise zum Schreien komisch. Denn mit Tropic Thunder gelingt Stiller nicht nur ein Film im Film, sondern zugleich eine Persiflage zum einen auf das Genre des Vietnamkriegsfilms und auf die Traumfabrik Hollywoods. Und wenn die Charaktere dann auch noch anfangen die Vierte Wand zu durchbrechen, schraubt sich Stillers neueste Regiearbeit auf die vorderen Plätze der diesjährigen Comedy-Highlights. Selbst wenn dem Gag-Feuerwerk gerade in der Mitte öfters mal die Puste ausgeht. Denn das Tempo und Niveau des Trailer über die gesamte Laufzeit aufrecht zu erhalten, ist der amerikanische Komiker dann zwar nicht im Stande, doch ist dies über die meiste Zeit hinweg ein Tropfen auf dem heißen Stein. Schließlich ist hier der Weg das Ziel und Pfad beschreitet Tropic Thunder so oft mit Bravur, dass die Fettnäpfchen in Vergessenheit geraten.

Stiller selbst zählt zu der höchsten Klasse der gegenwärtigen Comedy-Darsteller, seine Filme spielten weltweit über zwei Milliarden Dollar ein und zu seinen drei erfolgreichsten Produktionen gab oder gibt es Fortsetzungen. Als tölpeliger Schussel kennt und liebt ihn die Welt aus Filmen wie Meet the Fockers oder A Night at the Museum. Und wie andere Kollegen bemühte Stiller für Tropic Thunder das virale Marketing. Neben künstlichen Internetseiten für seine Filmcharaktere ließ sich Stiller auch mit seinen beiden anderen Zugpferden Jack Black und Robert Downey Jr. im Fahrwasser von deren Erfolgsfilmen, Kung Fu Panda und Iron Man, ablichten. Dabei bewarb er nicht nur den Film selbst, sondern machte sich auf zugleich über jenes virale Marketing und die amerikanischen Zuschauer lustig. „Witzigkeit kennt keine Grenzen“, gab Hape Kerkeling einst bereits in Kein Pardon zum Besten. Und in der Tat macht Tropic Thunder kaum Halt vor irgendetwas. Hier wird nicht nur über Action-Darsteller hergezogen, die sich in redundanten Fortsetzungen verlieren, sondern auch Kollegen wie Eddie Murphy, Curtis Jackson oder Russell Crowe bekommen ihr Fett weg.


Alles selbstverständlich immer mit einem Augenzwinkern, da Stiller und Co. selbst zu den Produkten jener Traumfabrik gehören, die sie hier bisweilen an den Pranger stellen. Dass diese Botschaft angekommen ist, sieht man an den zahlreichen, sich selbst veräppelnden Gastauftritten etlicher Stars von Tobey Maguire (MTV Movie Award for Best Kiss) über Jon Voight bis hin zu Tom Hanks. Doch Tropic Thunder hat noch weitaus mehr zu bieten, als jene kurzen Cameos. Denn wer genauer hinsieht kann auch den einen (Bill Hader) oder anderen (Tom Cruise) Schauspieler entdecken, den man nicht unbedingt gleich wieder erkennt. Heruntergezogen wird das lediglich von der Nebenrolle Matthew McConaugheys, die dieser zu keinen Zeitpunkt wirklich aufzufüllen weiß. Hätte Owen Wilson sich nicht wegen Kate Hudson versucht das Leben zu nehmen, hätte man diesen (weitaus talentierteren) Schauspieler als Hollywoodagent Rick Peck erleben dürfen.

Das enorme Budget merkt man Tropic Thunder bereits in seinen ersten zehn Minuten an, in denen Stiller mehr auf die Kacke haut, als andere Regisseure in richtigen Actionfilmen. Sein Film im Film macht sich anschließend daran seinen Charakteren Tiefe zu verleihen, wobei bereits der Film im Film veranschaulicht, dass sich Stiller hauptsächlich auf die beiden Figuren Speedman und Lazarus konzentrieren wird. Beide nehmen eine rivalisierende Position am Set ein, ähnlich wie man es von einigen realen Kollegen (z.B. Brad Pitt und Harrison Ford) kennt. Meist sind Filmsets nicht groß genug für zwei riesige Egos und dies scheint hier der Fall zu sein. Speedman bemüht die fünfte Fortsetzung seiner einst erfolgreichen Scorcher-Reihe, doch lockt er mit seiner redundanten Story (über die sich selbst die Trailerstimme lustig macht) niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Sein Ausflug ins Charakterfach ging dann mit dem Behinderten-Drama Simple Jack auch gehörig schief. Ein Fakt, den Lazarus während des Filmes gerne durch den Kakao zieht.

Hier findet sich auch die Hauptkontroverse des Filmes, da jener Dialog zwischen Speedman und Lazarus bezüglich Simple Jack scheinbar unhöflich mit geistig Behinderten umgeht. In Hollywood nimmt man immer gerne alles gleich persönlich, die Essenz der Szene haben viele scheinbar nicht mitgekriegt. „You never go full retard“, erklärt Lazarus seinem Kollegen, nachdem er sich einen verunsichernden Spaß mit ihm erlaubt hat. Ein bisschen zurückgeblieben sein, das ist hilfreich, siehe Dustin Hoffman in Rain Man oder Tom Hanks in Forrest Gump. Die Szene dreht sich dabei weniger um die Darstellung von Behinderten in diesem Film oder anderen, sondern – wie die meisten Szenen – grundsätzlich um die Schauspielergilde Hollywoods. Und insofern persifliert Stiller mit Tugg Speedman auch seinen Freund Tom Cruise, welcher sich seit Jahren bemüht endlich seine Anerkennung durch einen Oscar zu erhalten, bisher jedoch lediglich auf drei Nominierungen zurückblicken kann.


Jene Schauspieler sind es auch, auf deren Kosten die Lacher in Tropic Thunder gehen, denn die Filmindustrie selbst wird weit weniger auf den Arm genommen, als man zuerst meinen könnte. Tugg Speedman ist ein Querschnitt aus all den Gesichtern, die man inzwischen schon nicht mehr sehen mag: Leonardo Di Caprio, Tom Cruise oder Angelina Jolie. Speedman sehnt sich nach Anerkennung, engagiert sich für Pandas, spricht sich in einer Talkshow aus und adoptiert letztlich sogar ein asiatisches Kleinkind, welches er prompt umbenennt. Er ist eine einsame Figur, dessen einzig wirklicher Freund sein Agent ist. Speedman ist missverstanden, wie so oft bei Stillers Figuren der Fall, egal ob Derek Zoolander oder Tugg Speedman. Beide ecken in ihrer Umgebung durch ihre Beschränktheit an und erwecken damit zugleich gewisse Sympathien beim Publikum. Es sind diese unbeholfenen Charaktere, die Stiller seit Jahren begleiten, angetrieben lediglich von ihrem Beruf (wie auch White Goodman in Dodgeball), ausgeschlossen von irgendeiner familiären Nähe.

Somit entzieht es sich nicht einer gewissen Ironie, wenn Speedman letztlich ausgerechnet mit seiner unbeholfensten Figur so etwas wie Zuneigung erfährt. Der Star ist missverstanden, wird unter Wert verkauft. Eine Prämisse, die sich in Stillers Filmographie ein ums andere mal wiederholt. Daher wäre es eigentlich weitaus spannender und amüsanter gewesen, wenn nicht Stiller sondern Tom Cruise den Tugg Speedman gegeben hätte. Denn Cruises geplanter Cameo nimmt im fertigen Film plötzlich Nebencharakterfunktion ein, was ein Engagement in anderer Hinsicht nicht ausgeschlossen hätte. Mit seinem Les Grossman hat Cruise jedenfalls keine Scheu sich mit HipHop-Getanze selbst zum Narren zu machen. Die Referenz zu Stillers eigenem Produktionspartner Stuart Cornfeld ist dabei die meiste Zeit durchaus gelungen, wobei weniger hier eindeutig mehr gewesen wäre, so amüsant der Abspann auch gelungen ist. Den Mut sich quasi selbst zu spielen und hochzunehmen, hatte Cruise dann aber wohl doch nicht.

Doch die eigentliche Geheimwaffe ist eine andere Kontroverse, die nicht mal zur Kontroverse wurde. Im Gegensatz zu Iron Man gelingt es Robert Downey Jr. in Tropic Thunder dem Film seinen Stempel aufzudrücken (was sogar mit einer Oscarnominierung belohnt wurde). Wahrscheinlich weil er sich nicht hinter einer – wie ironisch – Maske verstecken musste. Seine Figur des australischen Charaktermimen Kirk Lazarus ist der eigentliche Star, sowohl des Filmes als auch des Films im Film. Während die Persönlichkeit von Lazarus an seine beiden Kollegen vom fünften Kontinent, Russell Crowe und Heath Ledger, angelehnt ist, geht seine schauspielerische Person eher in die Richtung eines Daniel Day-Lewis. Obschon er bereits fünf Oscars gewonnen hat, lässt es sich Lazarus nicht nehmen, sich für die Rolle eines afroamerikanischen Sergeants einer Hauptpigmentierung zu unterziehen. So gelang es Downey Jr. schließlich zu einer Oscarnominierung zu kommen, indem er einen australischen Schauspieler spielte, der wiederum einen afroamerikanischen Soldaten verkörperte.


Verständlich dass sein Kollege und 50 Cent-Verschnitt, Alpa Chino (Brandon T. Jackson), angesäuert reagiert. Das alleine ist jedoch noch nicht mal der Höhepunkt, eher noch die Tatsache, dass Lazarus nie seine Rolle verlässt. Zumindest nicht „until the DVD commentary“ und in der Vorproduktion schon gar nicht. Wie die fiktive Dokumentation Rain of Madness, gedreht von Jan Jürgen (Drehbuchautor Justin Theroux in einer phänomenalen Werner Herzog-Verasche), aufzeigt, nimmt Lazarus auch ohne Vorbehalte die Familie des echten Kirk Lazarus gefangen, um einen näheren Zugang zur Rolle zu erhalten. Es ist daher auch Lazarus, der im Finale des Filmes beginnt die Vierte Wand zu durchbrechen, wenn er sich selbst als Schauspieler reflektiert, der einen Schauspieler spielt, der einen Charakter mimt („I’m the dude, playing the dude, disguised as another dude“). Wenn er dann auch noch derlei Sätze schwadroniert wie „ I don't read the script. The script reads me.“, wird klar, was Stiller und Konsorten von ihren method actor Kollegen halten.

Passend untermalt wird sein Action-Gag-Feuerwerk von Stiller mit perfekt passender Musik, wie man sie aus Full Metal Jacket und Apocalypse Now gewohnt ist. Man darf sich allerdings auch nichts vormachen, denn Tropic Thunder ist sicherlich kein Meisterwerk. Dafür vernachlässigt Stiller zu sehr das übrige Ensemble, wie auch die beiden Hauptcharaktere. Was zum Beispiel hat Portnoy veranlasst in einem Kriegsfilm mitzuspielen? Wie konnte man Lazarus für ein solches Projekt gewinnen, auch noch „nur“ in einer Nebenrolle? Und weshalb setzt das Studio überhaupt auf Speedman als Hauptdarsteller? Diese Fragen wissen auch die verbindenden Medienaufnahmen und Rain of Madness nicht wirklich zu beantworten. Im Zuge dieser drei Figuren kommen dann die übrigen oft etwas zu kurz. Allen voran der großartige Steve Coogan darf hier als britischer Regiedebütant Damien Cockburn nie sein wahres Potential ausnutzen. Auch Nick Nolte wirkt in seiner Rolle etwas unterfordert, während Jay Baruchel und Jackson mitunter zeigen, dass sie auch zu weitaus mehr im Stande gewesen wären, wenn Stiller sie mal gelassen hätte.

Zudem ist Stiller auch nicht in der Lage, den Film hindurch auf einige flachere Witze zu verzichten, die weniger zu gelingen vermögen als andere, sehr viel genialere Einfälle. Man hätte sich durchaus mehr Seitenhiebe auf das Genre, die Prämisse des Films im Film oder Hollywood gewünscht. Das Potential wäre hier durch einige zusätzliche Cameos im Stile eines Tobey Maguire vorhanden gewesen. Aber auch so funktioniert Tropic Thunder über die meiste Zeit seiner Lauflänge und wird dabei zumindest ansatzweise den exzellenten Trailern gerecht. Einiges von seinem Potential wird dann in der Masse an Extras deutlich, die sich speziell auf der „Director’s Cut“-DVD befinden. Hier packt Stiller nicht nur die herrliche Mockumentary Rain of Madness rein, sondern auch noch einige geschnittene Szenen und ein alternatives Ende (das seinen Charme besitzt, aber nicht so rund wie die Kinoversion wirkt). Trotz der schwachen Mitte kann Stillers letzte Regiearbeit die meiste Zeit überzeugen und ist für viele der besten Lachkrämpfe des Jahres verantwortlich.

7/10 - erschienen bei Wicked-Vision

20. September 2008

Wanted

Boom goes the dynamite.

Es gibt sie noch, diese kleinen, innovativen Geschichten. Die nicht nur abseits des Stroms zu finden sind, wie Oasen, die den Durst versprechen zu löschen, sondern die vielmehr noch gegen jenen Strom schwimmen. Zum Beispiel Alan Moores Watchmen, welches die Grenzen des Comics durchbrach und von Kritikern sogar als einer der gelungensten Romane des 20. Jahrhunderts angesehen wird. Dabei transferiert Moore in seinem Kultbuch nicht durch die Angst vor dem nuklearen Dritten Weltkrieg aus den Fünfzigern in die Achtziger, sondern ihm gelingt sogar ein brillanter Seitenhieb auf das Comicgenre der DC und Marvel Verlage. Eine trostlose Welt voller Superhelden, die von der Gesellschaft verachtet werden. Ein Krieg, der dank der Anwesenheit eines übernatürlichen Wesens gerade Pause macht. Moore schrieb seine Geschichte so komplex, dass es für Zach Snyder äußerst schwierig werden wird, ihr auch nur Ansatzweise gerecht zu werden. Im Grunde kann er nur scheitern, zumindest in seiner Kinoversion.

Denn Watchmen ist voller Helden, die morden und vergewaltigen – alles für ein höheres Ziel. Es gibt sie noch, diese kleinen, innovativen Geschichten, die in ihrer Auflösung des Zuschauer sagen: fick dich. Anfang des 21. Jahrhunderts verfasste der Schotte Mark Millar mit Wanted eine solche Geschichte. Klein, innovativ, gegen den Strom. Kultig. Klar, dass Hollywood hier zuschlagen muss. Die Geschichte als Basis für einen Super-Blockbuster. Die Rechte sicherte man sich dann auch Ende 2004 und die Planungen für den Film begannen Ende 2005. Als Regisseur holte man den Kasachen Timur Bekmambetov an Bord, der sich dank seiner überraschend guten Verfilmung der Dozor-Bücher von Sergei Lukyanenko ausgezeichnet hatte. Nun passiert in Hollywood das, was eigentlich immer passiert, wenn man auf eine interessante Geschichte trifft: man zerstört sie. Wobei zerstören das falsche Wort ist, vielmehr erschafft Hollywood eine Art Cyborg oder eher noch einen filmischen Borg. Ein total künstliches Werk mit einem Hauch der originalen Handlung.

Jene Handlung, welche die Geschichte erst so besonders gemacht hat. Auch für die Herren Produzenten aus Hollywood. Im Falle von Wanted verbinden Film und Vorlage gerade einmal eine handvoll Einstellungen, sowie Titel und Namen der beiden Hauptprotagonisten. Das ist erschütternd. Als würde man einen Film mit Namen Lord of the Rings machen, dessen Titelfigur Frodo heißt und die einen Ring von Punkt A nach B bringen muss. Und den Rest ändert man. Aus Frodo macht man einen Kleinwüchsigen und zwischen Punkt A und Punkt B muss er sich mit der Mafia, der CIA und El Kaida anlegen, ehe er den Ring einem Supermodel an den Finger stecken kann. All die Elemente, die Wanted zu Wanted und Millars Werk so universell einzigartig machten, ließ man fallen. Eine offizielle Begründung lautet: der erste Drehbuchentwurf entstand, als gerade einmal das zweite von sechs Heften draußen war. Nur stimmt das so in zweierlei Hinsicht nicht.

Erstens sicherte man sich die Rechte Ende 2004 und zweitens wurde die erste Drehbuchfassung unter anderem von Millar und Bekmambetov verworfen. Die Wahrheit ist wohl einfach die, dass man in Hollywood keine cojones hatte, Wanted so zu erzählen, wie die Geschichte erzählt werden muss. Denn was Millar hier erschaffen hat, ist in seiner Form auf der Kinoleinwand nicht umsetzbar, höchstens von dem französischen Kino, welches die moralischen Grenzen der Menschen seit Jahren mit Filmen wie À l’intérieur oder Martyrs auslotet. Mit Wanted erschuf Millar einen Helden wie Du und ich, jemanden aus der Gesellschaft, jemand, mit dem man sich identifizieren kann. Wesley Gibson ist ein Verlierer, der in seinem Job in einem Großraumbüro versackert und sich von seiner afroamerikanischen Chefin unterbuttern lassen muss. Seine Freundin vögelt seinen besten Freund, weiß aber nicht, dass Wesley das weiß. Dafür beichtet sie ihm, dass sie mit 22 ihrer männlichen Mitarbeiter gefickt hat, was Wesley auch nicht wirklich stört.

Was soll er auch sonst machen, mit wem sonst zusammenleben? Sein Alltag besteht daraus irgendwelche Krankheiten für seine eingebildeten Symptome zu googeln oder sich im Internet Pornos anzusehen. Doch alles ändert sich, als er in seiner Imbissbude die dunkelhäutige Fox kennenlernt. Indem sie jeden Besucher des Ladens kurzerhand erschießt, löst sie Wesley gleichzeitig von seinem alten Leben. Und noch viel mehr, Wesley erfährt, dass sein Vater gestorben ist und ihm nicht nur zum Multimillionär gemacht hat, sondern auch seinen Arbeitsplatz hinterlässt. Wesleys Vater war der Killer. Richtig gelesen, nicht ein Killer, sondern der Killer. Der absolut beste Killer auf der Welt. Und ein Mitglied der Elite von Superbösewichtern. Diese vereinten sich 1986 und merzten in einer mehrere Monate andauernden Schlacht epischen Ausmaßes jeden, aber auch wirklich jeden Superhelden der Erde aus. Superman, tot. Wonder Woman, tot. Batman, tot. Alle tot.

Ohne Superhelden keine Gegenwehr. Die Bösen regieren die Welt. Jedoch nicht offensichtlich, sondern im Untergrund. Die Menschheit weiß nichts mehr von den Ereignissen des Jahres 1986, die Erinnerung an die Superhelden wurde bis auf Comichefte ausgemerzt. Fünf Köpfe der Bösewichte herrschen über den Planeten, jeder kriegt einen Kontinent. Mister Rictus, das personifizierte Böse, musste Australien nehmen und ist sichtlich angepisst. Wesley wird in den folgenden Wochen auf Wunsch seines Vaters zum tough guy trainiert. Fortan hat es Wesley mit Figuren wie Fuckwit zu tun, quasi dem Superman mit Down-Syndrom. Oder Shit-Head, ein wandelnder Scheißhaufen, der aus den Fäkalien von 666 fiesen Wichsern – darunter natürlich auch Hitler – erschaffen wurde. Und das Beste ist: Wesley gehört dazu. Fortan darf er erschießen wen er will und vergewaltigen wen er will. Niemand stört es, niemand erfährt es. Vom Niemand zum Unantastbaren an einem Tag.

Was Mark Millar hier geschaffen hat, ist die Umkehr des klassischen Comicbuchs. Es gibt keine Helden, es gibt nur die Bösen und die etwas psychisch labileren Bösen. Kann man jemanden zum sympathischen Held machen, der fast schon gelangweilt darüber berichtet, wie er mittags einen Hollywoodstar vergewaltigt hat? Millar kann es. Zwar ist Wesley mitunter eine recht eindimensionale Figur, deren Kritikpunkte seines unveränderten Zustandes ich durchaus nachvollziehen kann. Aber es sind dennoch andere Umstände. War Wesley zuvor ein Sklave der Gesellschaft, gefangen in einem aussichtslosen Job und einer aussichtslosen Beziehung, ist er jetzt zwar nicht sein eigener Herr, da Professor Seltzer unterstellt, doch hat er weitaus mehr Freiheiten als vorher. Niemanden zwingt ihn für Seltzer zu arbeiten oder auf Fox zu hören. Er tut es zwar, aber er muss es nicht. Dabei beschäftigt sich Wesley durchaus zu einem Zeitpunkt mit der Moralität seines Handelns, erfährt durch Fox später noch Läuterung.

Von der 113 Seiten umfassenden Story Millars adaptiert Hollywood nun starke 4 Blätter und nicht einmal die sind wirklich getreu. Von einem „basiert auf“ kann also bei Bekmambetovs Film in keiner Weise die Rede sein. Eher lose inspiriert ist Wanted und nicht einmal das trifft es. Zwischen Vorlage und Film liegen Welten, sodass man sich fragt, wieso man eigentlich die Rechte an dem Stoff gesichert hat. Vor allem da das Resultat so dermaßen armselig geworden ist, dass man nur mit dem Kopf schütteln kann. Bösewichter als Helden kann man dem Amivolk nicht verkaufen, schon gar nicht in der Zeit nach 9/11. Also werden die Superbösewichter kurzerhand zu einer Jahrtausende alten Bruderschaft von Auftragskillern (das PS3-Spiel Assassin’s Creed lässt grüßen) – und jetzt kommt das Beste – die insgeheim die Welt im Gleichgewicht halten! „Töte einen, rettet tausend“, erklärt da Angie lasziv, gute dreißig Minuten ehe sie einen ganzen Zug voller unschuldiger Zivilisten in den Abgrund jagt.

Doch es wundert nicht, dass Wanted allgemein gnadenlos inkonsequent ist, in seiner umgepolten Welt, die sich eigene Gesetze aufstellt, die sie je nach Szenenwechsel biegt und bricht. Im Sinne von „was kümmert mich mein Geschwätz aus der Szene zuvor“. Dabei bringt Bekmambetiv in der Tat einige nette Ideen, wie zum Beispiel das um die Ecke schießen oder die verlangsamte Reaktionszeit. Schließlich müssen die Helden ja irgendwas besonders haben, wenn sie schon keine Superbösewichter sein dürfen. Die Ideen hier sind gut, ob es wirklich dem unentwegt verwendeten Zeitraffer bedürft hätte, ist eine andere Frage. Da Wanted per se keine richtige Geschichte hat, lebt der Film ganz und gar von seiner stylistischen Aufmachung. Dass Bekmambetov sich daran zu ergötzen weiß, beweisen seine Dozor-Filme. Dies in Bullet Time geschossen, das in Bullet Time geschossen – im Grunde sind die wenigsten Szenen in Wanted nicht in Bullet Time geschossen.

Klar, dass die Wachowskis uns das beschert haben ist eine coole Sache und in The Matrix fetzt das auch so richtig, nur Bekmambetov verwendet den Effekt bis zum geht nicht mehr und wiederholt sich hier ständig. Kugel in Bullet Time wird abgelöst von Auto in Bullet Time wird abgelöst von Kugel in Bullet Time wird abgelöst von schanzendem Auto in Bullet Time und dann schließt sich der Kreis und die Schose geht von vorne los. Exzellent, Genosse. Die erste Hälfte des Filmes wird dann zusätzlich noch aufgepeppt durch zeitgenössische Musik, bevorzugt Nine Inch Nails, die man dann in der zweiten Hälfte (denn hier wird es ja nun dramatisch) für Danny Elfmans bemerkenswert unbemerkenswerten Score in den Hintergrund rückt. Dabei vermag die Visualität des Filmes nur sehr selten über den fehlenden Inhalt hinwegtäuschen. Wesleys Charakter wird dabei noch weniger erörtert, als es bereits bei Millar der Fall ist. Wieso auch, schließlich verliert dessen moralisches Dilemma seine Bedeutung, da in der Verfilmung überhaupt keine Moralität in Frage gestellt wird.

Hierzu gesellt sich auch die plumpe Hinnahme von Sloans (Morgan Freeman) Erläuterung, dass einer der ihren, Cross (Thomas Kretschmann), Wesleys Vater erschossen haben soll. Und schon brennt der Baum und Wesley nimmt die Querelen auf sich, die ihm den Kopf von Cross bringen sollen. Dass hier die große Wendung des Filmes lauert – ja, mei, hat denn der Cross wirklich den Vadder umgebracht? – wird jedem klar, nur nicht James McAvoys Figur. Jener Wendepunkt des Filmes ist in seiner lächerlichen Armseligkeit dann auch nur das Tüpfelchen auf dem „i“. Dass die Bruderschaft eine Vorgabe braucht und diese Vorgabe für die Tötungen eine mystische Spindel ist, ist eine nette Mischung aus Philip K. Dicks Minority Report und Platons Spindel der Notwendigkeit aus seiner Politeia. Gegen diese Idee – so dämlich sie auch sein mag – habe ich nicht einmal etwas einzuwenden. Wenn man sich dann der Spindel bedient und das Finale an ihr aufhängt, dann muss man jedoch sich und seiner Geschichte auch treu bleiben.

Tut Bekmambetov allerdings nicht. Vielmehr versucht sich in aufgezwungener Coolness zu verlieren, um einen Film zu präsentieren, der dann auch sogleich die Köpfe seiner Zuschauer verdreht. Fliegende Autos, Kugeln in Bullet Time, da jauchzt das Herz, da ist das Publikum glücklich. So hat der Film weltweit bereits das Vierfache seiner Kosten wieder eingespielt, es verwundert also nicht, dass Wanted 2 und Wanted 3 bereits in Planung sind. Mit Wanted war dann auch Mark Millar durchaus zufrieden, was natürlich wenig verwundert. Warum sich groß beklagen für einen Film, der mit dem eigenen Produkt zwar nichts zu tun hat, einem aber dennoch einen Beteiligungsbonus beschert. In Bekmambetovs Film erwartet das Publikum eine unsinnige Geschichte, die inhaltsfrei, spannungsarm und schlecht besetzt ist. Nie nimmt die Story Zug auf, verliert sich stattdessen in Zeitlupenschießereien. Wer Wanted für einen extrem coolen Film hält, dem rate ich ab, Millars Comicvorlage zu lesen. Es könnte ihm sonst der Kopf platzen.

2.5/10

18. September 2008

Scrubs - Season Six

Bust a move.

In der dritten Staffel von Scrubs hatte Danni (Tara Reid) eine treffende Charakterisierung für J.D. gefunden als sie behauptete, dieser wolle immer das haben, was er im Moment nicht kriegen könne. So überstürzte J.D. (Zach Braff) in der fünften Staffel seine Beziehung mit der schusseligen Julie (Mandy Moore) und kaufte ein Grundstück, nur um kurz darauf die Beziehung zu der 23-Jährigen zu beenden, weil diese noch nicht bereit für eine Familie war. Ohnehin war es stets eine Partnerin, nach der sich J.D. sehnte, jemand, mit dem er eben das tun konnte: Eine Familie gründen. Als ihm dies nun nach den Ereignissen des Vorjahresfinales mit Kim (Elizabeth Banks) bevorsteht, muss es folglich irritieren, wenn J.D. darüber nachdenkt, den Fötus abzutreiben und diese Entscheidung einem Münzwurf überlässt. Er will eben immer das, was er nicht haben kann.

Die Wende bringt dann die Geburt der Tochter von Carla (Judy Reyes) und Turk (Donald Faison) in My Best Friend’s Baby’s Baby and My Baby’s Baby. Dabei ist die Entscheidung von J.D. nun doch sein Kind zu bekommen letztlich so überstürzt wie die meisten seiner übrigen Entscheidungen. Doch obschon das Kinderkriegen dieses Jahr groß geschrieben wird – Elliot (Sarah Chalke) ist die einzige Figur neben Dr. Kelso (Ken Jenkins) und Janitor (Neil Flynn), die keinem Kindersegen entgegenblickt –, fällt Carlas anschließend auftretende Postpartale Stimmungskrise abgesehen von Turk (und auch bei diesem) weitestgehend unter den Tisch. Dabei wäre sie gerade für J.D. und Kim interessant. Dennoch sind Schwangerschaften, speziell die von Kim abgesehen vom zweiten Drittel der Staffel, dieses Jahr das große Thema von Scrubs neben Elliots Beziehungsleben.

Serienschöpfer Bill Lawrence bleibt sich zugleich treu, wenn er traditionell seine Nebenfiguren nicht aus den Augen verliert. So erhält Dr. Kelso in His Story IV ebenso eine zentrale Folge wie später in Their Story auch die „Ergänzungsspieler“ rund um Ted (Sam Lloyd), Todd (Robert Maschio) und Jordan (Christa Miller). Gerade das letztgenannte Trio wird in ihrer Episode mit zuvor ungeahnter charakterlicher Tiefe ausgestattet, wobei hier insbesondere die berufliche Fürsorge des Todd überrascht und gefällt. Lediglich der Janitor gerät etwas ins Hintertreffen, wenn ihm auch versucht wird, in Folgen wie My Words of Wisdom nicht nur etwas mehr Präsenz, sondern zusätzlich auch mehr Relevanz zu verleihen. Und während Doug (Johnny Kastl) sowie Lonnie (Michael Hobert) selten bis gar nicht mehr auftauchen, ist es Lloyd (Mike Schwartz), der vermehrt vorbeischaut.

Mit Carlas Postpartaler Stimmungskrise und einem Todesfall im Sacred Heart schlägt die sechste Staffel von Scrubs erstaunlich ernste Töne an. Verstärkt wird dies noch von Kims scheinbarer Fehlgeburt, der J.D. in My Road to Nowhere gegenübertreten muss. Inzwischen befinden sich J.D., Turk und Elliot jenseits der 30, ihre jugendliche Unbekümmertheit muss vollends abgestreift werden. Die Tatsache, dass neben Turk und Carla nun auch noch J.D. zum Elternteil wird, verschreckt Elliot merklich. War ihre Beziehung zu Keith (Travis Schuldt) bereits zu Beginn der Staffel kurzzeitig ins Schwanken geraten, so überstürzt sie zum Ende hin ihre Entscheidungen. Elliots Wunsch nach einer Hochzeit ist so groß, dass sie freudig Keiths Heiratsantrag annimmt. Schließlich will sie nicht die ewige Jungfrau sein, sonder ebenfalls in ihrem Leben vorwärts kommen.

Seinen Dämonen muss auch Dr. Cox (John C. McGinley) stellen, der mit Jordan einem zweiten Kind entgegensieht. Dieses ist auch noch krank, bedarf pränataler Operation. Das gab es schon lange nicht mehr in Scrubs: Dr. Cox’ ungeborenes Kind mit einer Erkrankung, Carla in Postpartalen Stimmungskrisen, Kims Fehlgeburt und in der Mitte der Staffel stirbt auch noch Laverne (Aloma Wright). Auch in dieser Hinsicht geht die sechste Auskopplung der Serie neue Wege. Wie bereits in My New God der letzten Staffel wird die Involvierung von Gott in unser Leben thematisiert. Geschieht alles aus einem Grund, auch die schlechten Dinge? Was Laverne aus Glauben praktiziert, wird sich später als Überlebensmechanismus herausstellen. Zu Beginn wird mit dem Irakkriegsveteran Private Dancer als Patient auch Bushs kontroverse Politik innerhalb der Serie diskutiert.

Die drei herausragenden Folgen im sechsten Jahr sind dabei My Best Friend’s Baby’s Baby and My Baby’s Baby, Their Story und My Point of No Return, wohingegen sich die übrigen Episoden bis auf My Night to Remember (einer Folge im nutzlosen Clip-Show-Format) auf einem meist überdurchschnittlichen Level bewegen. Zu den unvergesslichen Momenten zählen sicher Turk’s Booty Breakdown, ein Eheszenario zwischen Dr. Cox und Elliot, ein Wasserballonkampf im College, J.D.’s getürkte Beerdigung oder der Versuch von J.D., gegenüber Turk ein unmögliches Date möglich erscheinen zu lassen. Hinsichtlich der Gastdarsteller kocht die sechste Staffel auf Sparflamme, wartet Lawrence doch einzig mit Keri Russell in zwei Folgen auf, während Elizabeth Banks mit neun Episoden ähnlich einer Heather Graham im vierten Jahr fast zum Ensemble zu zählen ist.

Insgesamt leidet Scrubs inzwischen ein wenig unter der fehlenden Reife von J.D., wirken viele seiner Eigenschaften nunmehr etwas kindisch. Kann er für seine vasovagale Synkope zwar nicht allzu viel, ist sein Umgang mit der Krankheit – die in der zweiten Hälfte der Staffel übrigens nicht mehr präsent ist – doch etwas fraglich, wie auch sein Davonrennen vor dem Gespräch mit Kim in My Conventional Wisdom nicht nur ob dessen Redundanz anstrengt. Somit betrat die Sitcom von Bill Lawrence bereits in der fünften Staffel Pfade, die hier, wie im „Cliffhanger“ zu sehen, fortgeführt werden und letztlich hin zur achten Staffel führen würden. Die meisten Figuren befinden sich in Position, J.D. wiederum wird langsam auf seine Zielgerade geschickt. So ist Scrubs zwar nicht mehr wie Todd sagt die “Greatest. Show. Ever.”, aber immer noch eine Herzensangelegenheit.

7.5/10

16. September 2008

JCVD

You won. I lost.

Er ist eine Legende. Ein Mythos. Nach dem Tod von Marlon Brando der letzte große Schauspieler der Filmbranche. Er ist The Muscels of Brussels. Der Fred Astaire des Karate. Sein Name: Jean-Claude Van Damme. Belgiens größter Filmexport ist natürlich nicht mit Brando zu vergleichen, besitzt nicht mal schauspielerische Fähigkeiten. Oder doch? Ja, das ist die große Frage, die der Belgier mit JCVD spielend beantwortet. Van Damme, der seinen Durchbruch mit 28 Jahren Ende der Achtziger mit Bloodsport erlebte, gehörte einer Generation Schauspieler an, die ihr Genre beherrschten. Neben Namen wie Steven Seagal, Chuck Norris, Bruce Willis, Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger zählt Van Damme zu den Größen den Actionkinos Anfang der neunziger Jahre. In der Mitte des Jahrzehnts sollte er seine Hochzeit haben, für Filme wie Sudden Death und Street Fighter erhielt er Gagen bis zu sechs Millionen Dollar.

Dann kam The Quest im Jahr 1996 und Van Damme brach ein. Filme wie Maximum Risk, Double Team oder Knock Off waren immer weniger erfolgreich. Gemeinsam mit seinen Kollegen Norris und Seagal musste er mit ansehen, wie seine anderen Actionkameraden in neue Sphären vorstießen. Van Damme hatte im Grunde einen Fehler gemacht, ohne diesen bewusst begangen zu haben. Denn eigentlich unterscheidet nichts einen Film wie Legionnaire (1998) von einem Lionheart (1990) - außer ihre Entstehungszeit. Während Sly und Arnie sich für andere Projekte hergaben, die sich mehr dem Actionkino der Neunziger anpassten, drehte Van Damme weiterhin Filme im Stil der achtziger Jahre. Und versackte anschließend im Direct-to-DVD Sumpf. Mit JCVD kehrt der Belgier nun zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren auf die Kinoleinwand zurück.

Ein Krisengebiet, vermutlich Terroristen. Doch kein Problem für den Helden, der sich wacker durch das Szenario prügelt und auch nicht vor Flammenwerfern und anderen Waffen zurückschreckt. Eine Szene, die in einer einzigen Einstellung gedreht wird und letztlich durch eine umfallende Kulisse endet. Wir sind am Set des neuen Films von Jean-Claude Van Damme, der keucht und fertig ist. Mit sich und der Welt. Er könne keine solche schnittlose Einstellung mehr drehen, er sei immerhin schon 47 Jahre alt, beklagt er gegenüber seinem chinesischen Regisseur. Dieser macht deutlich, dass ihm nichts an Van Dammes Meinung, geschweige denn dem Film selbst, liegt. Es ist der Tiefpunkt der Karriere eines Mannes, dessen herbste Niederlage aber erst noch folgen soll. Vor Gericht wird Van Damme das Sorgerecht für seine Tochter abgesprochen, der gegnerische Anwalt wirft ihm Verantwortungslosigkeit vor und zählt die Todesumstände von Van Dammes Gegnern in dessen Filmen auf.

Die Tochter will lieber bei der Mutter leben, da sie sich für ihren Vater schämt. Dabei ist ihr nicht bewusst, dass sie ihr Leben wie sie es lebt ebenjenen Filmen ihres Vaters zu verdanken hat. Es ist eine undankbare Gesellschaft, in der sich Van Damme zu Beginn des Filmes wieder findet. Da tut es gut, nach Hause, nach Belgien, zu kommen, wo ihn die Leute noch schätzen. Ihren Star, den sie alle liebevoll „Jean-Claude“ nennen. Eine rasche Abbuchung bei der Poststelle verkommt jedoch nach wenigen Minuten zur Geiselnahme. Polizeikommissar Bruges (François Damiens), selbst ein Fan des Action-Darstellers, hält Van Damme für den Geiselnehmer. Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass er das Sorgerecht verloren und finanzielle Schwierigkeiten hat. Währenddessen versucht Van Damme die Situation in der Poststelle vor der Eskalation zu bewahren und lässt den Tag Revue passieren.

In seinem zweiten Film zeigt Regisseur Mabrouk El Mechri eindrucksvoll die Demontage eines Denkmals im vollen Bewusstsein des Denkmals selbst. Jean-Claude Van Damme ist pleite. Als er seinen Agenten nach neuen Rollenangeboten fragt, offeriert dieser ihm einen idiotischen Film, den Van Damme jedoch bereits vor einem halben Jahr gedreht hat. „Dann die Fortsetzung?“, bringt der Agent lapidar als Erwiderung hervor. Der Belgier ist genervt, hat seinen Fehler von vor zehn Jahren eingesehen und sehnt sich nur noch nach einer einfachen Studioproduktion. Schließlich geht er auf die Fünfzig zu und kann nicht ewig Actionfilme drehen. „Ich bin zu alt für diesen Scheiß“, prangert es da, Danny Glover aus Lethal Weapon zitierend, auf dem Kinoplakat. Doch was soll er machen? Ihm fehlt das Geld um seine Anwälte für den Sorgerechtsstreit zu bezahlen.

Ein neues Projekt muss her, etwas Geld, ein Vorschuss. Das mit dem neuen Projekt wird nichts, man hat bereits Steven Seagal engagiert. Er soll sich extra seinen Pferdeschwanz dafür abgeschnitten haben. Insiderhumor par excellence, Seagal trennt sich von dem Merkmal, das ihm in seiner Karriere sicher die eine oder andere Rolle gekostet haben dürfte. Aber Van Damme gibt nicht auf: Dreht er eben diese bescheuerte Fortsetzung seines Agenten. Zum letzten Mal, wird er sich denken, danach ändere ich mich. Vorerst braucht er aber Geld, will und darf seine Tochter nicht verlieren, immerhin ist sie das Einzige was er in diesem Leben, das nur noch von Verlust bestimmt ist, noch besitzt. Mit JCVD gelang El Mechri ein stilles Drama eines ausgelaugten Menschen, von dem mehr erwartet wird, als er zu leisten im Stande ist.

Durch seinen Status ist er für die drei Bankräuber und Geiselnehmer eine unmittelbare Gefahr, insbesondere deshalb, weil einer von ihnen selbst ein riesiger Fan von Van Damme ist. Die Szenen zwischen ihm und Van Damme bilden die Höhepunkte des Filmes. Besonders die Kritik an John Woo ist in ihrer Köstlichkeit kaum noch zu überbieten. Natürlich vollkommen fehl am Platz, denn nur weil Van Damme Woo einst für Hard Target nach Hollywood holte, bedeutet dies nicht dass der Chinese ihm irgendetwas schuldig wäre. Schade auch, dass hier nicht noch Roland Emmerich ins Spiel gekommen ist. Diese Fanboytum ist jedoch exakt das, wofür Van Damme immer stehen, was er immer bewirken wollte. Und wer würde Van Damme nicht gerne eine Zigarette wegkicken sehen, wenn er mit ihm allein in einem Raum wäre?

Zudem steht Arthur exemplarisch für den Niedergang von Jean-Claudes Karriere. Der erkannte selbst, dass seine Fanbase nicht nachwächst, sondern gemeinsam mit ihm altert. Und welcher 42-Jährige will sich vorwerfen lassen, Karate-Filme anzusehen? Aber was soll ein Jean-Claude Van Damme auch anderes machen? Adam Sandler beweißt auch in Filmen wie Reign Over Me, dass er über schauspielerisches Talent verfügt. Jedoch liegt seine Fanbase ganz woanders, das Geld für den Unterhalt seiner Familie verdient er eben durch Grown Ups und Konsorten. Seinen Wunsch sich selbst oder vielmehr seinen Kritikern etwas zu beweisen, kann Van Damme sich nicht erfüllen, für Studiofilme kommt er einfach nicht in Frage. Dabei kann er schauspielern, nur ließen es seine eindimensionalen, meist antriebslosen Figuren bisher nicht zu. Seine Chance erhält er nun in JCVD, denn wer kann ihn besser spielen als er selbst?

Die meisten Kritiker sehen seinen Schauspielbeweis in einem scheinbar improvisierten fünfminütigen Monolog, der quasi als Beichte oder Geständnis fungiert. Dabei handelt es sich hierbei um die schwächste Szene des Filmes, da sie zum einen gestelzt ist und zum anderen nichts offenbart, was man nicht schon gewusst hat. Als Star lauern überall Drogen und keiner stört sich daran, wenn man welche nimmt. Das ist ein offenes Geheimnis. Egal ob Charlize Theron, Nicole Kidman, Matthew McConaughy, sie alle konsumieren Drogen, manche sogar in der Öffentlichkeit. Wenn man Lindsay Lohan heißt, kann man sogar mit Kokain im Kofferraum Autounfälle bauen, ohne im Knast zu landen. Auch seine Rechtfertigung in Bezug auf seine Ehen wirkt hier unnötig.

Natürlich empfindet Van Damme für jede seiner vier Frauen eine besondere Liebe, dafür muss er sich nicht rechtfertigen, schon gar nicht dem Publikum gegenüber. Ebenso wenig für seine Filme, schließlich ist das die Sorte Kino, die das Publikum Anfang der Neunziger noch wollte. „You won, I lost“, erklärt er betrübt und hebt hervor, dass er nie jemanden verurteilt hat. Das kauft man ihm nicht ab, verurteilen doch wir alle andere Menschen, es ist ein menschliches Charakteristikum. Wäre Van Damme noch Multimillionär hätte er kaum JCVD gemacht und dieses Statement von sich gegeben. Weitaus interessanter wäre gewesen, wenn er über seine Tochter gesprochen hätte, beziehungsweise die Tatsache, dass sie sich ihres Vaters schämt. Nur hier kann der wahre Schmerz dieses Mannes liegen. Doch JCVD versäumt es dieser Thematik nachzugehen.

Dass der Belgier in der Tat schauspielern kann, beweist er nicht im Monolog, sondern in all den anderen Szenen. Wenn die Polizei seine Mutter an das Telefon holt, die ihren Sohn fragt, was er da eigentlich macht - das ist Schauspielerei. Van Damme kann es also, es wäre auch lachhaft gewesen, wenn er in zwanzig Jahren in Hollywood kein Talent aufgeschnappt hätte. Vielleicht ist JCVD da der Schritt in die richtige Richtung, obschon sich Gerüchte häufen, dass der Abschluss der Universal Soldier-Trilogie sich anbahnt (was ich im Übrigen begrüßen würde). Demnächst plant Van Damme mit Full Love sich nicht nur noch mal selbst zu spielen, sondern er zelebriert mal wieder sein Autoren- und Regietalent. Mit JCVD hat Van Damme jedenfalls alles richtig gemacht. Die Dramatik seiner Lebenskrise ist gegenwärtig und spürbar.

Ein Mann am Wendepunkt seines Lebens, müde und der Vergangenheit überdrüssig. Gewürzt wird das alles durch aberwitzige Szenen, die bereits bei der brillanten Einleitung des Gaumont-Logos beginnen und sich in der finalen Auflösung des Geiselkonfliktes fortsetzen. Das Ende des Filmes ist diskutabel, jedoch im Kontext des zuvor Gezeigten durchaus konsequent. Die Bilder sind dabei oftmals sehr dunkel geraten und voll von Schatten, was eine Aufnahme mit einer digitalen Kamera vielleicht besser gemacht hätte. Nichtsdestotrotz ist JCVD ein Highlight für jeden bekennenden Fan von Van Damme und wohl auch für diejenigen zu empfehlen, die zumindest etwas mit seiner Filmographie anfangen können. Wer jedoch nicht weiß wer Van Damme ist und was für Filme er in seiner Karriere gedreht hat, wird der bitteren Ironie dieses Werkes kaum folgen können.

8.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision