18. Januar 2009

Valkyrie

We can serve Germany or the Führer, not both.

Mit Definitionen tut man sich schwer. In welche Kategorie zählte Claus von Stauffenberg? Wir haben es hier mit einem Offizier der Wehrmacht zu tun. Jemand der den Überfall auf Polen 1939 begrüßte, die dortige Bevölkerung als Pöbel bezeichnete und die Juden als Volk, dass „sich nur unter der Knute wohl fühlt“. Jemand, der es gerne sah, dass die gefangene Bevölkerung zu Landwirtschaftssklaven missbraucht wurde. Ein Mann, der stets ein Gegner der Weimarer Republik gewesen war und der sich zu Beginn begeistert von Adolf Hitler gezeigt hatte. „Das alles macht ihn bei Weitem noch nicht zum Nazi“, schrieb Stefan Schmitz in der zweiten Ausgabe des stern von diesem Jahr. Hier wird die Frage evoziert, was einen dann eigentlich zum Nazi macht. Oder die Frage, was einen eigentlich zum Helden macht.

Im Verständnis der Allgemeinheit ist Claus von Stauffenberg aus heutiger Sicht ein Held. Anhand der einfachen Formel: wer Hitler töten wollte, der kann nur ein Held sein. Denn der Feind von meinem Feind ist mein Freund. Oder so ähnlich. Die Wahrheit liegt hier wie immer im Auge des Betrachters. Es ist diskutabel, ob Stauffenberg Hitler stürzen wollte, weil ihm der Genozid der Juden gegen den Strich ging oder weil er lediglich realisiert hatte, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war und er Schadensbegrenzung betreiben wollte. Wie alle Verschwörer des 20. Juli ist Stauffenberg eine ambivalente Figur, bei der eine Kategorisierung zwischen Schwarz und Weiß nicht möglich zu sein scheint. Ein eindeutige Klassifizierung als Held geht somit nicht ohne einen Anflug von Nachgeschmack von statten.

Für viel Aufheben sorgte im Vorfeld dann die Hollywood-Produktion Valkyrie, die sich mit ebenjenem Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 beschäftigt. Glaubt man FAZ-Chefredakteur Frank Schirrmacher, dann geht es jetzt mit Deutschland wieder aufwärts. Viele andere hingegen missbilligten, dass ein deutscher „Held“ von einem Scientology-Mitglied verkörpert wird. Eine Dreherlaubnis für den historischen Ort der Hinrichtung im Bendlerblock wurde untersagt, später dann doch gestattet. Der Starttermin des Filmes wurde von Sommer auf Herbst und von Herbst auf Frühjahr verschoben. Was für Hauptdarsteller Tom Cruise als langersehntes Sprungbrett zum ersten Academy Award gedacht war, versucht sich nun in Schadensbegrenzung. Dabei erklärte Regisseur Bryan Singer vorab in einem Interview mit Christine Kruttschmitt vom stern (Ausgabe 2/2009) bereits, dass der Film „keine Filmbiographie über Stauffenberg, sondern ein Verschwörungsthriller mit real existierenden Figuren und Ereignissen“ darstellen soll. Singer betont, dass Valkyrie ein Unterhaltungsfilm sei und keine „historische Abhandlung“.

Betrachtet man das Ergebnis, ist Singer zuzustimmen. Glücklicherweise verzichtet der Regisseur zu Beginn des Filmes diesen mit dem obligatorischen „Nach wahren Begebenheiten“ einzuleiten. Die Verifizierung, dass es sich bei Valkyrie um keine Filmbiographie handelt, gab Singer zu Recht, wie bereits die ersten Minuten deutlich machen. In Tunesien philosophiert Oberst Stauffenberg (Tom Cruise) in seinem Zelt über die Lage der Nation. So geht das nicht weiter, Hitler zerstört Deutschland und der Judenmord ist auch nicht okay. „Es muss sich etwas ändern“, resümiert der Graf, der sich selbst stets als Abkömmling der Staufer und Ottonen sah (dabei jedoch lediglich dem Dienstadel entstammte). Da trifft es sich gut, dass Stauffenberg kaum aus dem Zelt raus schon gleich einen Befehl des Führers widerlegt. Schließlich müssten dabei nur unnötige Soldaten sterben und alles was er, der Graf, wolle, sei „so viele Männer wie möglich lebend nach Hause“ zu schaffen. Widerstand gegen den Befehl des Führers. Eigentlich begeht Stauffenberg schon hier Hochverrat. Sein Vorgesetzter nickt das ganze dann ab. Ein Angriff der Alliierten macht den Plan zunichte.

Schwer verletzt – Stauffenberg verliert sein linkes Auge, zwei Finger der linken und die gesamte rechte Hand – wird der Oberst nach München zurückgebracht. Dort erwartet ihn bereits General Friedrich Olbricht (Bill Nighy). Olbricht zählt zu einem illustren Kreis von Verschwörern rund um Generalmajor Henning von Tresckow (Kenneth Branagh) und Ludwig Beck (Terence Stamp). Vergeblich hatten diese zuvor versucht Hitler (David Bamber) zu töten. Als einer ihrer Mitverschwörer aus ihren Reihen scheidet, soll er durch Stauffenberg ersetzt werden. Hitler muss beseitigt werden, das steht fest. Doch die Frage ist „wie?“. Stauffenbergs erster Besuch bei Frau Nina (Carice van Houten) und Kindern bringt ihm die Erleuchtung. Die Kleinen spielen Wagners Walkürenritt und Stauffenberg dämmert ein Licht. Hitler soll mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden, die Operation Walküre dafür sorgen, dass der Staatsstreich ohne blutigen Niederschlag gelingt. Hierzu müssen jedoch General Friedrich Fromm (Tom Wilkinson), Chef der Ersatzarmee, und General Erich Fellgiebel (Eddie Izzard) gewonnen werden. Während von Tresckow an die Front versetzt wird, übernimmt Stauffenberg allmählich das Kommando über die Operation.

Ein neutraler Blick auf Valkyrie fällt dem deutschen Betrachter schwer. Schließlich hat man das Attentat vom 20. Juli schon etliche Male durchgenommen, sei es in der Schule oder in etwaigen Dokumentation und ZDF-Fernsehspielen. Am eindringlichsten bekannt sein dürfte die deutsche Produktion mit Sebastian Koch als Stauffenberg vor einigen Jahren. Dem Deutschen entlocken somit Szenen wie Stauffenbergs Gedankenblitz beim Hören von Wagners Musik während eines Luftangriffs ein leichtes Lächeln. Für internationale Zuschauer könnte die Szene wiederum ein plausibles Mosaik in einem komplexen Puzzle sein. In seinen Details lässt sich die Planung zur Operation Walküre nicht in einem zweistündigen Film abhandeln. Bedenkt man somit das, was Singers Film sein möchte, und betrachtet das, was Singers Film letztlich geworden ist, können die Macher halbwegs zufrieden sein. Dass Valkyrie ein amerikanischer Film ist – trotz deutscher Nebendarsteller wie Matthias Schweighöfer, Christian Oliver und Wotan Wilke Möhring -, merkt man diesem stets an.

Alle Figuren, allen voran Stauffenberg, bleiben eindimensional. Das Muster ist klar gestrickt, es gibt die Guten und die Bösen. Da es sich bei den Bösen um Nazis handelt, bedarf es keiner weiteren Erläuterungen für die Motive der Guten. Und weil amerikanische Zuschauer ein prägnantes Gesicht brauchen, eine Identifikationsfigur, fokussiert sich die Handlung weitestgehend auf Stauffenberg. Dieser wird Minute um Minute von Singer und den Drehbuchautoren Christopher McQuarrie und Nathan Alexander zentraler in das Komplott verstrickt. Für ein Charakterportrait ist keine Zeit, die heldenhafte Intention wird stattdessen durch pathetische Platituden bestärkt. Dass es eine Reihe von Verschwörern war und Stauffenberg nur einer von ihnen, dafür ist in einem Hollywood-Film kein Platz. Das Publikum wäre nicht bei der Sache, wenn es fünf oder acht unterschiedlichen Figuren folgen müsste. Daher schreiben McQuarrie und Alexander Stauffenberg die entscheidende Rolle zu, die teilweise schon messianische Züge annimmt, wenn Tresckow der Überzeugung ist, dass Stauffenberg Deutschland im Alleingang retten könne.

Ein differenziertes Bild der historischen Figur Stauffenberg erhält man nicht. Soll man aber auch nicht. Singer möchte einen Verschwörungsthriller erzählen und dies gelingt ihm über weite Strecken. Lediglich die teilweise fast unerträglich pathetischen Szenen trüben das Gesamtbild. Hätte man die Figuren etwas vielseitiger und kantiger, beziehungsweise authentischer, gestaltet, wäre für Valkyrie noch weitaus mehr drin gewesen. Inszenatorisch ist Singer auf formaler Eben nämlich kein Vorwurf zu machen. Newton Thomas Sigels Kamera ist ordentlich, die musikalische Untermalung von John Ottman gelungen. Das Szenenbild, die Ausstattung und die Kostüme wirken glaubwürdig. Lediglich die Darsteller gehen etwas unter. Cruise gibt Stauffenberg akzeptabel, allerdings wirkt sein Spiel recht l(i)eblos. Branagh und Stamp überzeugen in ihren wenigen Szenen, während man Nighy, Wilkinson, Thomas Kretschmann und Christian Berkel keinen rechten Vorwurf machen kann.

Dass Valkyrie den Ruf der deutschen Nation international verbessert, darf bezweifelt werden. Zumindest nicht in dem Ausmaß, wie Schirrmacher dies behauptet hat. Die Diskussionen im Vorfeld, auch hinsichtlich eines Tom Cruise (dessen Glaube, Xenu hin Spaghettimonster her, für Filme keine Rolle spielen sollte), haben dem Werk sicherlich geschadet. Nichtsdestotrotz ist Bryan Singer ein solider und ordentlicher Thriller gelungen, der zwar nicht sonderlich herausragend ist, jedoch auch nicht so schlecht, wie ihn einige bestimmt reden werden. An der filmischen Verklärung von Stauffenberg zum strahlenden Helden kann man sich stoßen. Fraglich wie ein Deutschland ausgesehen hätte, wenn der erklärte Demokratiefeind Stauffenberg (für den die Demokratie eine „Gleichheitslüge“ war), siegreich gewesen wäre. Eventuell würden wir heute dann in einem Militärstaat leben. Eventuell auch nicht. Vielleicht wird es Zeit, sich jemandem filmisch zuzuwenden, der wirklich als Held angesehen werden kann.

5.5/10 – erschienen bei Wicked-Vision

12 Kommentare:

  1. Nichts anderes habe ich erwartet. Business as usual.;)

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  2. Major-General Henning von Tresckow

    Also wenn Du schon die deutschen Dienstgrade benutzt, dann schreibe bitte auch "Generalmajor", denn einen "Major-General" gibt es in Deutschland nicht ... ;-)

    Ansonsten aber recht schönes Review - bin mir sicher, dass ich ihn lieben werde ^^

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  3. Zum Film an sich kann ich ja noch nichts sagen, aber ich finde deinen Abschluß schön. Wer nämlich erinnert wird, und wer nicht. Wer ein "Held" ist und wer nicht, das ist durchaus immer eine diffizielle Angelegenheit.

    Es ist diskutabel, ob Stauffenberg Hitler stürzen wollte, weil ihm der Genozid der Juden gegen den Strich ging oder weil er lediglich realisiert hatte, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war und er Schadensbegrenzung betreiben wollte.

    Genau. Letzendlich ist dies ja die interessanteste Frage an der gazen Geschichte(deren Beantwortung gerade im Film freilich schwer fallen muss): Wenn man nämlich berücksichtigt, dass wenige Tage vor dem Attentat im Prinzip die gesamte Heeresgruppe Mitte (28 Divisionen!!!) im Zuge der Operation Bagration von der roten Armee vernichtet wurde, kann man in Bezug auf den Zeitpunkt des Attentats wohl kaum noch von Zufall sprechen.

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  4. @Cleric: Ach, das ist unterschiedlich? Zum Glück interessiert mich jeglicher Militarismus nicht so.

    @Vega: Ich empfand ihn als soliden Thriller. Im übrigen hab ich dich schon wieder nicht gesehen. Dabei halte ich bei deinen Filmen (SPEED RACER, READER) immer extra Ausschau nach dir.

    @C.H.: Scheinbar gibt es ja einen Film über Elser mit K.M. Brandauer in der Hauptrolle. Bezeichnend, dass ich in 15 Jahren Fernsehgeschichte bewusst noch nie drüber gestolpert bin. Was Stauffenberg als Held angeht kann man meinem Text (1. Absatz) wahrscheinlich entnehmen, dass ich dem sehr viel kritischer gegenüberstehe.

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  5. Ach, das ist unterschiedlich?

    Ja, die Angelsachsen sagen Major General (aber dann ohne Bindestrich ;-)).

    @Rajko

    Ach, da biste auch mit von der Partie!

    ---

    "Frontal 21" von vor einigen Monaten hatte auch neue Dokumente gefunden, die belegen, dass von Treschkow in Osteuropa definitiv ethnische Säuberungen angeordnet hat und eindeutige Schreiben formulierte ... (um dem ganzen Komplex mal noch etwas hinzuzufügen)

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  6. "Haben Sie den Code Red befohlen?!"

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  7. Nunja, viel mehr habe ich von dem Film auch nicht erwartet. Im übrigen schließe ich mich den Ausführungen von C.H. an.

    "Frontal 21" von vor einigen Monaten hatte auch neue Dokumente gefunden

    Frontal 21, dann muss das ja was heißen...;)

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  8. Frontal 21, dann muss das ja was heißen...;)

    Wollte das nur anführen ... ;-)

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  9. Nee, ich war nicht zu sehen, deshalb fand ich ihn auch scheiße.^^

    Und beim READER auch nicht? Ich werde protestieren müssen. ;)

    (ganz im ernst, ich hatte bei VALKYRIE erst in besagter Szene überhaupt daran gedacht, vor zwei Jahren ja mal 'ne Woche dort Komparse geschoben zu haben)

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  10. bei mir kommt er sogar noch etwas besser weg, zwischen 7 und 8 punkte würde ich ihm geben. und zwar mit einer recht ähnlichen argumentation.
    sein blick für details machte ihn für mich spannend, cruise helden-imitation unterhaltsam. das von manchem erhoffte trash-teil ist er für mich jedenfalls nicht.

    singer drehte eigentlich nur einen weiteren superhelden-film im historischen gewand.

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  11. er kommt ja generell viel zu gut weg wie es scheint, Claudius Seidl in der F.A.S. fabuliert ja auch weider viel Schwachsinn und dichtet ihm ja nationale Grösse an

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