26. Juni 2009

Sleeping Beauty

When true love’s kiss the spell shall break.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Der klassische Märchenepilog, der sich im Prinzip nahtlos auf alle Werke der Disney Studios münzen ließe. Jahrelang gingen die verschiedensten europäischen Märchen bei Disney ein und aus. Ein ganz besonderes unter ihnen ist Sleeping Beauty. Hier adaptierte Disney nicht nur das Original von Charles Perrault aus dem Jahr 1697, sondern verwob auch noch Elemente aus Pyotr Ilyich Tchaikovskys gleichnamigen Ballet von 1890 mit hinein. Bemerkenswert war Sleeping Beauty auch aus zwei anderen Aspekten. Zum einen war es der erste (und abgesehen von The Black Cauldron auch der einzige) Disney-Film, der im Technirama-Breitbild-Prozess gedreht wurde. Jenes Technirama stellte eine alternative zum gewöhnlichen anamorphotischen Verfahren (Cinemascope) dar. Außerdem markierte Sleeping Beauty bis 1989 und der Veröffentlichung von The Little Mermaid den letzten Disney-Film, der auf einem Märchen basierte. Seitdem hat sich das renommierte Studio auf seine alten Stärken zurückberufen und mit Geschichten wie Aladdin oder dem im nächsten Jahr startenden The Princess and the Frog wieder Märchenadaptionen in ihr Repertoire aufgenommen.

Die Handlung des Filmes lässt sich in wenigen Sätzen abhandeln. Als die böse Hexe Malefiz nicht zur Verlobungsfeier von Prinzessin Aurora eingeladen wird, belegt sie das Kleinkind mit einem Fluch. Dieser soll Aurora an ihrem sechzehnten Geburtstag das Leben kosten. Zwar kann eine der drei Feen Flora, Fauna und Sonnenschein den Fluch noch etwas schmälern, doch abwenden lässt er sich nicht. Zum Schutz der Prinzessin wächst diese fortan im Exil auf, unter der Aufsicht der drei Feen. Als ihr sechzehnter Geburtstag eintrifft, beginnen die Hochzeitsplanungen mit Prinz Philipp. Doch Malfiz gelingt es ihre Intrige zu spinnen, und so kann nur noch der Kuss ihrer wahren Liebe die jungfräuliche Magd aus den Klauen des Bösen befreien. Um mal etwas pathetisch zu werden. Wie die meisten klassischen Werke von Walt Disney spielt sich die Handlung innerhalb von etwa siebzig Minuten ab. Erst später begann man, die Laufzeit seiner Filme etwas nach hinten zu schieben. Während die klassisch gezeichneten Filme nun um die neunzig Minuten Spielzeit haben, können die Werke der ehemaligen Tochterfirma Pixar auch schon mal fast zwei Stunden (z.B. Ratatouille) laufen. Dabei wurde Sleeping Beauty bei seinem Kinostart keineswegs als Meisterwerk angesehen, wie man heutzutage von den Frühwerken des Studios gerne spricht.

Gerade einmal die Hälfte seiner Produktionskosten von sechs Millionen Dollar konnte der Film 1959 einspielen, sodass das Studio kurz vor dem Bankrott stand. Enttäuschend, bedenkt man, dass bei Disney fast ein Jahrzehnt an Sleeping Beauty gearbeitet wurde. Während man 1951 das Drehbuch schrieb und ein Jahr darauf die Stimmen der Schauspieler aufnahm, dauerte es ganze fünf Jahre, ehe 1958 alle Zeichnungen fertig gestellt waren. Ein Jahr zuvor hatte sich das Berliner Philharmonika Orchester zusammen gefunden, um die musikalische Untermalung für den Film basieren auf Tchaikovskys Ballet einzuspielen. Auch nicht wenig Zeit dürfte für die Vorabfilmung des Drehbuches mit realen Schauspielern beansprucht haben, die Walt Disney anforderte, um möglichst authentisch zu wirken. Dass der Film Sleeping Beauty heißt, lenkt beinahe auf die falsche Fährte, hat die betreffende Protagonistin doch äußerst wenig Dialoge und kommt im gesamten Film lediglich in einem Viertel der Laufzeit tatsächlich vor. Die eigentlichen Stars der Geschichte sind somit die drei farbfrohen Feen Flora, Fauna und Sonnenschein. Ihnen bildete Guillermo del Toro in seinem letztjährigen Meisterwerk El laberinto del fauno ein Denkmal, als der seine drei Feen ebenfalls mit dem Farbmuster Rot, Grün und Blau versah. Doch nicht nur der Mexikaner zitiert Disney, sondern das Studio pflegt sich zuvorderst gerne selbst zu zitieren. Besonders eindringlich im ebenfalls letzten Jahr erschienen Enchanted, der speziell Bezüge zu Sleeping Beauty herstellt.

Bezeichnend für Disney ist die Darstellung von jungen Prinzessinen als Heldinnen der Geschichte und/oder Objekt der Begierde. So findet sich nicht nur Aurora in dieser Kategorie, sondern auch die Kolleginnen Schneewittchen, Cinderella, Arielle, Jasmin und Belle. Dementsprechend ähneln sich auch oftmals die Enden der Filme, die in der Hochzeit von Prinz und Prinzessin münden. Hiermit befriedigt Disney speziell die Wünsche seines Hauptklientels, jenem Traum aller Mädchen, einen Prinzen zu heiraten und selbst zur Prinzessin zu werden. Auch die Tatsache, dass die Frau ihren Prinzen durch ihren Gesang becirct (vgl. The Little Mermaid) ist nicht ungewöhnlich. Was Sleeping Beauty so besonders macht, ist allerdings ganz gewiss nicht seine Handlung. Diese ist nämlich viel zu spannungsarm, das Finale zu schnell aufgelöst und mit einer enttäuschenden Klimax versehen.

Neben den stark untercharakterisierten Figuren wie Philipp und Aurora gesellen sich dann inhaltliche Mängel wie die drei Feen, die seit 16 Jahren mit der Prinzessin in zivil im Wald leben, aber dann scheinbar immer noch Probleme haben ein Kleid zu nähen und einen Kuchen richtig zu backen. Die Stärke des Filmes und jener Aspekt, für den man ihn noch heute preist, ist sein Zeichenstil. Walt Disney orderte explizit an, man solle sich an mittelalterlichen Gemälden orientieren und so sind einige Hintergründe auch solchen Gemälden entnommen. Die Burglandschaft, die eine Bedrohung darstellt, zeichnet sich dabei von einer enormen Kühle aus, während die Sequenzen im Wald konträr dazu Lebensfreude widerspiegeln. Als visuelle Ausnahmeerscheinung ist der Film somit durchaus gelungen, inhaltlich jedoch einige Schritte hinter anderen Werken des legendären Studios.

6.5/10 – erschienen bei Wicked-Vision

1 Kommentar:

  1. wie konnt emir dieser Beitrag nur entgehen.

    Ja, welches Mädchen träumt nicht von Philip, Eric und Co?! das macht doch den Zauber aus.
    Die Zeichnungen sind fließend, die Hintergründe wirklich wie aus einem Bild entsprungen und der finale Kampf wirklich etwas lasch. Dennoch ein Klassiker aus Kindertagen, den ich immer wieder gern anschaue.

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