26. Juni 2014

Fargo – Season One

What if you’re right and they’re wrong?

Wenn tatsächlich Filme mal einen TV-Ableger produzieren, dann in Regel einen in Animationsform. Aber auch Hits wie Ferries Bueller’s Day Off oder Highlander erhielten Fernsehformate, dass es aber eine TV-Version eines Films von Joel und Ethan Coen geben würde, war so nicht vorhersehbar. Immerhin sind die Werke der Brüder oft weitestgehend in sich abgeschlossen. Und dennoch schickte sich dieses Jahr Noah Hawley – der seine Meriten zuvor als Autor und Produzent bei Bones verdient hat – an, das coensche Kult-Meisterwerk Fargo als Miniserie umzusetzen. Die zehnteilige Serie ist nun einerseits ziemlich referentiell an den 1987er Film angelegt, zu dem sie ein Spin-off darstellt. Sie weicht jedoch auch ausreichend genug ab.

Spielte die Originalgeschichte in Minneapolis und Brainerd, Minnesota im Jahr 1987, wo der Autoverkäufer Jerry Lundegaard seine Ehefrau von zwei Schmalspurganoven aus Fargo, North Dakota entführen ließ, nur um von der schwangeren Polizeichefin Marge Gunderson überführt zu werden, setzt die Serie 19 Jahre später ein. Im Jahr 2006 treffen sich zufällig der maliziöse Verbrecher Lorne Malvo (Billy Bob Thornton) und der duckmäuserische Versicherungskaufmann Lester Nygaard (Martin Freeman) in einer Krankenhaus-Notaufnahme. Und treten aufgrund von Misskommunikation eine Lawine von Ereignissen los, die in den nächsten zwölf Monaten zahlreiche Menschen – schuldige wie unschuldige – das Leben kosten wird.

Plötzlich sind Lesters nervige Ehefrau und der Polizeichef von Bemidji, Minnesota tot – und Lester der Hauptverdächtige. Zumindest wenn es nach Polizistin Molly Solverson (Allison Tolman) geht. Von deren Thesen will der neue schusselige Polizeichef Oswalt (Bob Odenkirk) aber nichts wissen. Währenddessen ist Lorne Malvo bereits weitergezogen, zu seinem nächsten Opfer. Der bibeltreue Supermarkt-Magnat Stavros Milos (Oliver Platt) wird erpresst – für Malvo der Beginn eines perfiden Psychospiels. Seine Schatten wirft er jedoch auch auf den Straßenpolizisten Gus Grimly (Colin Hanks), der einen Fehler begeht und diesen wieder korrigieren will. Und auch an Fargo und dem dortigen Mafia-Kartell gehen die Ereignisse nicht spurlos vorbei.

Die Handlung ist somit weitestgehend eine andere zwischen Fargo, der Serie und Fargo, dem Film. Dafür ähneln sich einige Figuren ziemlich stark. So ist Martin Freemans Lester Nygaard ebenso deutlich an Jerry Lundegaard angelegt wie Allison Tolmans Molly Solverson an Frances McDormands Marge Gunderson. Und wenn später zwei Auftragskiller in Person von Adam Goldberg und Russell Harvard auf den Plan treten, wirken die wie weniger schusselige Versionen von Steve Buscemi und Peter Stormare. Bob Odenkirks Polizeichef erinnert derweil mehrfach an den armen Officer Lou aus dem Original, während Billy Bob Thorntons Lorne Malvo am ehesten in Anton Chigurh aus No Country for Old Men wohl sein Vorbild findet.

Wie dieser wirkt Malvo wie das wandelnde Böse, allerdings weniger als naturell denn willentlich. Lorne Malvo ist durchtrieben und bösartig – und auch deshalb das eigentliche Highlight von Noah Hawleys Fargo. Da darf er in Tieranekdoten seinen Gegenübern subversiv drohen oder diese in teils semantische Diskussionen verwickeln (Letztere erinnern erneut an Chigurh). Billy Bob Thornton spielt die Figur dabei bis zur Perfektion, was allerdings nicht allzu bemerkenswert ist. Denn generell agiert das Ensemble von Fargo am Limit, was auch der wie so oft brillante Martin Freeman veranschaulicht. Hinzu kommen starke Leistungen aus der zweiten Reihe, seien sie von Bob Odenkirk oder Kate Walsh als verwitwete, alkoholabhängige Ex-Stripperin.

Wirkt Fargo in den ersten Folgen noch ziemlich nah – fast zu nah – am Kinofilm, beginnt sich die Show ab der Mitte glücklicherweise verstärkt zu emanzipieren. Besonders in Person von Freemans Lester Nygaard, der in bester Nietzsche-Manier solange in den Abgrund geblickt hat, bis der sich in ihm selbst breit macht. Seine Entwicklung dürfte selbst Walter White zur Pastorentochter werden lassen, wenn er mehr und mehr zu einer Art Frankensteins Monster mutiert. Hawley selbst ordnet seine Serie einem klaren Gut-Böse-Schema unter, dessen helle Seite von den Gutmenschen wie Molly Solverson, ihrem Vater und Ex-Polizisten Lou (Keith Carradine) sowie Gus Grimly und dessen Tochter Greta (Joey King) verkörpert werden.

Man kann der Serie nun durchaus vorwerfen, dass die Nebenhandlungen mit Oliver Platt sowie Adam Goldberg und Russell Harvard nicht wirklich irgendwohin führen und dafür wiederum das Ende etwas überhastet abgespult wird. Dafür gewinnen die finalen Episoden enorm an Spannung, da zwar der Ausgang an sich in gewisser Weise vorhersehbar ist, nicht jedoch,wie er zustande kommt. Bemängeln ließen sich natürlich auch die zahlreichen Referenzen und Hommagen an die Werke der Coens. Diese stören mal mehr, mal weniger. So wird Marge Gundersons Finalpredigt wiederholt wie es auch Zitate zur Restaurant- und Parkhausszene gibt. Selbst das Schlussbild hat Noah Hawley eins-zu-eins für seine Serie übernommen.

Amüsanter sind dagegen die etwas subtileren Querverweise. Beispielsweise, wenn Malvo im Finale Morton’s Fork einen Gebrauchtwagen entwendet und dessen Kennzeichen (“DLR“) mit der Kamera eingefangen wird. Oder wenn das Haus von Lesters Bruder von seinem Schnitt her an das der Lundegaards angelehnt ist. Hinzu kommt eine geniale Plansequenz in Who Shaves the Barber? – selten wurde besser veranschaulicht, dass weniger in den meisten Fällen tatsächlich mehr ist. So unterhaltsam Billy Bob Thorntons Figur aber ist, zeigen sich gerade zu Beginn bereits erste Abnutzungserscheinungen seiner Charakterzüge. Glücklicherweise emanzipiert er sich jedoch wie Lester und Molly im Verlauf der Serie etwas von ihren coenschen Vorlagen.

Insofern ist Noah Hawleys Fargo im besten Sinne coenesk, wird die Serie doch von ihren Figuren bestimmt und von deren Widrigkeiten. Zu den besten Folgen zählen wohl Who Shaves the Barber? und A Fox, a Rabbit and a Cabbage, generell ist wie angesprochen die zweite Hälfte der Serie der ersten überlegen. Fargo ist dabei nicht nur etwas für Fans der Coens und des 1987er Films, die ganzen Zitate sind allerdings eindeutig für die Coen-Heads. In seiner Summe also kann die Fernsehverwertung des zweifachen Oscarpreisträgers somit als gelungen erachtet werden. Ob es allerdings wirklich einer zweiten Staffel – die wie True Detective neu strukturiert werden soll – bedarf, sei dahingestellt. Sehenswert ist Fargo aber allemal.

7.5/10

3 Kommentare:

  1. Klingt gut und den Film mag ich auch sehr. Werde ich mir definitiv vormerken. Hat also auch seinen Vorteil, hintendran zu sein... ;-)

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    1. FARSCAPE geht eben vor :D
      Dürfte dir aber sicher gefallen, die Show.

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    2. Ich habe zurzeit auch gar keinen Zugang zum aktuellen Serienprogramm und bin auf die Konserve angewiesen. Hat aber auch was.

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