26. April 2015

A Girl Walks Home Alone At Night

Don’t count the things you’ve lost. Let’s count what’s still left.

Es gibt Genres, die wenig dankbar sind, weil man sich in ihnen kaum auszeichnen kann, da der generelle Output enorm ist. Beispielsweise im Vampirfilmgenre, das zwar weiterhin mal mehr (Twilight) und mal weniger (Byzantium) beachtete Vertreter ins Rennen schickt und dementsprechend über die Jahre hinweg beinahe ausgelutscht ist. Selbst ein Jim Jarmusch vermag sich da mit einem Beitrag wie Only Lovers Left Alive nur marginal hervorzuheben, schaffte es jedoch, mit Detroit als atmosphärischer Location und einer unterschwelligen Punkrockattitüde seinem Beitrag eine eigene Stimme zu verleihen. Dies gelingt auch Ana Lily Amirpour mit ihrem Debüt A Girl Walks Home Alone At Night, einer Schwarz-Weiß-Vampir-Romanze.

Der Ton und Look des Films erinnern streckenweise ironischerweise durchaus an Jarmusch, so als hätte dieser seinen Only Lovers Left Alive mehr mit seinem Dead Man verquickt. Amirpour erzählt von der fiktiven iranischen Stadt Bad City, in der James-Dean-Verschnitt Arash (Arash Marandi) über die Runden zu kommen versucht. Wenn ihm nicht grad der Dealer (Dominic Rains) seines Drogensüchtigen Vaters Hossein (Marshall Manesh) wegen dessen Schulden sein geliebtes Auto wegnimmt. “Business is business”, sagt Dealer Saeed lapidar. Eigentlich sollte Arash das wissen, ist er doch selbst ein Dieb, stiehlt zu Beginn des Films eine Katze, später Ohrringe der Tochter seines Arbeitgebers und einen Koffer voll Drogen und Geld von Saeed.

Doch auch der neue Reichtum vermag Arashs Leben nicht zum Besseren zu wenden. Bei den Frauen hat er kein Glück, der Ärger mit dem Vater lässt auch nicht nach. Immerhin endet eine Drogeninduzierte Kostümparty, die Arash als Dracula besucht, wider Erwarten in einem unbekannten Stadtteil. “This doesn’t look like Bad City. Does it?”, fragt Arash da die einzige zweite Seele auf der Straße, eine in einen Tschador gekleidete und auf einem Skateboard fahrende Fremde (Sheila Vand). Die wurde zuvor dem Publikum gegenüber bereits als Vampir eingeführt, scheint in Arash jedoch weniger den nächsten Durstlöscher zu sehen als vielmehr einen Gleichgesinnten. Hier, nachts in einer einsamen Straße, ist Bad City plötzlich gar nicht so bad.

Wenn das Vampir-Girl dann mit dem kostümierten Dracula nach Hause geht, ist das natürlich eine amüsante Metapher. Im Stehtanz hören sie Indierock von White Lies’ “Death”, ehe sie den Kopf absenkt und seinem Herzschlag lauscht, der die Musik zu übertönen beginnt. Mehr Indie als hier kann sich Amirpours Film nicht anfühlen, darin liegt die individuelle Stimme von A Girl Walks Home Alone At Night. Skateboardende iranische Vampire, die Tschador und Kajal tragen, White Lies hören und kleine Jungs daran erinnern, dass sie auch schön brav sein sollen. Und ihnen vor Augen führen, was passiert, wenn sie es nicht sind. Dass Bad City eine scheinbar verlassene Stadt und doch zugleich Industriestandort ist, passt da ins (Schwarz-Weiß-)Bild.

Der Look und die Verortung des Films sind originell – zumindest für sein spezielles Genre – und auch die musikalische Untermalung, die bisweilen Trompetenelemente integriert, die an Ennio Morricone erinnern, fügen sich vorzüglich ein. Die sicher lediglich angerissenen Charaktere sind trotz allem interessant, selbst der etwas nervige Vater. Vorwerfen lässt sich dem Film allenfalls, dass er in seinem letzten Akt für eine dramaturgische Zuspitzung die Aufmerksamkeit zu sehr auf Hossein und eine Prostituierte lenkt, die der Vampir bisweilen begleitet. Wünschenswerter wäre gewesen, wenn Amirpour die Beziehung zwischen Arash und Hossein sowie dem Mädchen noch etwas besser herausgearbeitet hätte, da Hossein alleine wenig interessant ausfällt.

Insgesamt ist A Girl Walks Home Alone At Night jedoch eine runde Sache und insbesondere für einen Debütfilm überaus gelungen. Auch oder gerade, weil sich Ana Lily Amirpour kein einfaches Genre ausgesucht hat. Ihre Umsetzung, von den bereits angesprochenen Details bis hin zur Tatsache, dass der Film in persisch daherkommt, obschon er aus den USA stammt, gibt ihm eine ganz eigene Aura und Stimmung, die den Zuschauer in den Bann zieht. Damit gelingt diesem Indie-Vampir-Werk etwas, das in Zeiten lebloser Action-Blockbuster eine Seltenheit geworden ist. Was A Girl Walks Home Alone At Night trotz seiner kalten Protagonistin weitaus wärmer daher kommen lässt. Und ihn zu einem der besseren Filme des Jahres macht.

7/10

22. April 2015

Avengers: Age of Ultron

I know you mean well. But you just didn’t think it through.

Befragt nach Avengers: Age of Ultron soll Regisseur Joss Whedon gemeint haben, der Film werde “smaller” und “not just a rehash of what worked the first time”. Anhand dieser Äußerungen muss das jüngste Action-Fest aus dem Hause Marvel als gescheitert betrachtet werden. Kleiner ist das so genannte Marvel Cinematic Universe hier keineswegs, vielmehr folgt Whedon der Blockbuster-Marschrichtung: The bigger, the better. Das heißt mehr Action, mehr Figuren, mehr, mehr, mehr. Und im Umkehrschluss vermutlich auch mehr Einnahmen an den Kinokassen als das 1,5-Milliarden-Dollar-Baby The Avengers. Am Vorgänger orientiert sich das Sequel speziell in seinem finalen Set Piece teils 1:1, was Age of Ultron entsprechend langweilig macht.

Hilfreich für die Spannung ist ebenso wenig, dass Marvel im Vorfeld groß sein Line-up bis 2019 ankündigt, inklusive dem Benennen, welche Figuren in welchen Filmen auftauchen werden. Wer sich also mit der Materie auseinandersetzt, weiß schon vorab, wer am Ende des Films ins Gras beißen und um wen man sich keine Sorgen machen muss. Dass zahlreiche Trailer und TV Spots die Handlung vorwegnehmen, ist derweil schon seit Jahren Gang und Gebe in Hollywood. Insofern ist Age of Ultron ein ziemlich ermüdender Film, der ohne wirkliche Höhepunkte daherkommt. Die Action ist belanglos und die Charaktermomente verschenkt, weil die Mehrheit der Figuren – auch aufgrund ihrer Anzahl – wenig bis nichts zu tun bekommt.

Die Handlung des Films setzt dabei einige Zeit nach den Ereignissen von Captain America: The Winter Soldier ein. Obschon S.H.I.E.L.D. de facto nicht mehr existiert, da von HYDRA unterwandert, sind die Avengers scheinbar immer noch in Aktion, wie das Opening Set Piece in medias res zeigt. Captain America (Chris Evans) hat die Suche nach seinem alten Kameraden Bucky Barnes in die Hände von Falcon (Anthony Mackie) gelegt, kämpft stattdessen mit Black Widow (Scarlett Johansson) sowie Hawkeye (Jeremy Renner), Iron Man (Robert Downey Jr.), Thor (Chris Hemsworth) und Hulk (Mark Ruffalo) gegen die Schergen von HYDRA-Bösewicht Baron von Strucker (Thomas Kretschmann) im fiktiven osteuropäischen Land Sokovia.

Schnell erledigt man sich der hier aufgefundenen Probleme und hat HYDRA scheinbar endgültig besiegt. Für die Figuren von Downey Jr. und Ruffalo Anlass, mit Hilfe von Lokis geborgenem Zepter und dem darin enthaltenen Infinity Stone ihr Projekt der künstlichen Intelligenz Ultron zu perfektionieren. Diese soll auf lange Sicht die Avengers obsolet machen und selbstständig die Erde vor (außer-)irdischer Bedrohung schützen. Nur hat Ultron (James Spader) andere Pläne, strebt vielmehr danach, die Avengers und die Menschheit auszulöschen, weil sie in ihrer Evolution stagniert seien. Helfen sollen ihm dabei die aus Sokovia stammenden Mutanten-Zwillinge Quicksilver (Aaron Taylor-Johnson) und Scarlet Witch (Elizabeth Olsen).

Die haben mit Tony Stark noch ein Hühnchen zu rupfen, weil ihr Haus einst von einer Rakete zerstört wurde, die Stark Industries hergestellt und verkauft hat. Nunmehr Waisen stellten sie sich in den Dienst von HYDRA und Baron von Strucker. Für die Avengers gilt es also, Frankensteins Monster zu eliminieren, ehe es Schaden anrichtet. Eine Mission, die die Helden vom fiktiven afrikanischen Staat Wakanda zum real existierenden Staat Südkorea über eine Zwischenstation in den USA zurück nach Sokovia führt. Mittendrin gibt es viel Krawall und Remmidemmi, in dessen Verlauf die Avengers quasi zu Terroristen avancieren, selbst wenn Ex-S.H.I.E.L.D.-Agentin Maria Hill (Cobie Smulders) dies charmant zum Social Media Trend euphemisiert.

Wirklicht thematisiert wird allerdings nicht, dass Iron Man und Hulk Anfang des zweiten Akts in Wakanda eine halbe Stadt in Schutt und Asche legen, bei der mehrere Gebäude beschädigt oder sogar zerstört werden. Womöglich sterben auch Menschen, was in diesen Disney-Marvel-Filmen schwer zu sagen ist. Später wird Joss Whedon diese innerstädtische Zerstörungsorgie noch zwei Mal wiederholen und damit Man of Steel toppen, der dies nur in zwei Städten wagte. Hier zeigt sich – zumindest für mich – eines der großen Probleme der Superhelden-Filme der Gegenwart, die glauben, großes Drama lässt sich nur dort inszenieren, wo es die Leute mitbekommen: mitten in der Stadt. Problematisch wird es, wenn ein Film hierbei redundant ausfällt.

Dass weniger manchmal mehr ist, haben Ang Lee und Bryan Singer vor zwölf Jahren in ihren Comic-Adaptionen unter Beweis gestellt. Dort wird in Hulk nicht halb San Francisco in Schutt und Asche gelegt, lediglich eine Straße aufgerissen und sowohl in X-Men als auch in X2 spielt sich der Konflikt zwischen Helden und Antagonisten außerhalb Bevölkerungsansammlungen ab. Wenn Whedon dann im Finale von Age of Ultron eine gesteigerte Neuauflage von The Avengers abliefert, spricht das Bände ob der fehlenden Ideen für dieses Sequel. Zugleich zeigen sich hier nochmals verstärkt die Probleme, die dem Film schon in seinen anderthalb Stunden zuvor die meiste Zeit über innewohnten: Er weiß mit seinen Figuren (zu) wenig anzufangen.

Denn zu den bereits angesprochenen Helden gesellen sich im Verlauf noch Nick Fury (Samuel L. Jackson), War Machine (Don Cheadle) und der Android The Vision (Paul Bettany). Der Film beherbergt derart viele Figuren, dass er nie Zeit findet, sich wirklich um sie zu kümmern. Allenfalls Tony Stark bekommt eine richtige Handlung auf den Leib geschrieben, als moderner Dr. Frankenstein, dem seine Schöpfung abhanden kommt. Bezeichnend ist, wenn Thor Mitte des zweiten Akts kurzzeitig die Gruppe verlässt, um sich um eine Nebenhandlung zu kümmern, die sich im Off abspielt, für die aus unerfindlichen Gründen aber dennoch Stellan Skarsgård kurzzeitig zurück ins Franchise gezerrt wird. Alles im Dienste des Marvel Cinematic Universe.

Rechnet man die kleinen Nebenrollen von Andy Serkis als Ulysses Klaw (vorausschauend für Black Panther in zwei Jahren eingeführt) und Claudia Kim als Genetikerin Helen Cho dazu, plus Cameos von Idris Elba und Haley Atwell, beinhaltet Age of Ultron beinahe zwei Dutzend Figuren. Nahezu dankbar muss man sein, dass da die Helden-Freundinnen Gwyneth Paltrow und Natalie Portman nur in zwei Halbsätzen erwähnt werden. Und dennoch opfert Whedon Zeit, um zwei der übrigen Figuren mit einer aus heiterem Himmel ins Geschehen geschriebenen Romanze, der jegliches Fundament fehlt, auszustatten. Ironischerweise sind dies dann noch die dankbareren Momente, weil die Charaktere hier zumindest etwas zu tun kriegen.

Zumindest der Ansatz, den Joss Whedon mit Age of Ultron verfolgt, ist vielversprechender als noch im Vorgänger die beliebig erscheinende Alien-Invasion. Ultron als ultimativer Avenger ist nachvollziehbar gedacht, seine augenblicklich eintretende Abkehr vom Schöpfer wirkt aber so überhastet, wie sein finaler Plan in sich selbst unsinnig. Er ist, wie so vieles in diesem Film, bloß Mittel zum Zweck und Aufhänger für die nächste Actionszene. Das Potential der Handlung wird ebenso verschenkt wie seine Figuren in dieser, von denen der im Vorgänger blass gebliebene Hawkeye vermeintlich etwas mehr Tiefe bekommt – nur macht diese den langweiligen Bogenschützen, trotz aller im Film geäußerten Beteuerungen, nicht wirklich interessanter.

Ein Urteil, das auf die meisten hier zutrifft. Wirklich spannend ist lediglich die Beziehung von Stark und Ultron, ohne dass Whedon sie vollends ins Zentrum stellt. Sie wird angerissen, wie so vieles, darunter auch die Folgen, die das Treiben von Iron Man und Avengers auf die Menschheit haben (siehe Quicksilver und Scarlet Witch oder Wakanda/Sukovia). Beiläufig erwähnt, weil: keine Zeit. Wirklich Leben bekommen die Mutanten nicht eingehaucht, genauso wenig wie The Vision. Und der eigentlich vielschichtige Ultron verkommt schnell zum 0815-Maniac, der mit seinem Weltzerstörungsplan ebenso gut der Widersacher von James Bond wie den Avengers sein könnte. Etwas mehr Auseinandersetzung mit sich selbst wäre nett gewesen.

Etwas, was man Whedon und Marvel generell als Rat mitgeben möchte. Denn irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht, keine Stadt mehr zerstörbar, auch die letzte Minute der zweieinhalbstündigen Laufzeit mit am Computer gerenderter Action ausgefüllt. Dass man mit wenig auch viel, wenn nicht sogar mehr erreichen kann, zeigte zuletzt Marvels auf Netflix exportierte Serie Daredevil. Hier ist der Bösewicht eine reale Figur mit Persönlichkeit und der Held ein mit sich hadernder Weltverbesserer, beide sich nicht unähnlich und doch mit unterschiedlichen Ansätzen. Ihr Konflikt ist spannend und steht im Fokus des Geschehens. Manchmal ist weniger mehr. Zumindest an den Kinokassen wird das für Age of Ultron aber irrelevant sein.

3.5/10

15. April 2015

Better Call Saul – Season One

Can you keep a secret? Because I really shouldn’t be telling you this.

Irgendwann ist für jede Serie Schluss, egal wie erfolgreich sie läuft. Das unterscheidet Friends nicht von Breaking Bad. Und dennoch bietet sich natürlich stets die Möglichkeit, auf eine Art und Weise dennoch zumindest zu versuchen, die Kuh noch weiter zu melken. So erhielt seinerzeit Matt LeBlanc mit Joey ein Spin-off zur vielleicht amüsantesten Figur des New Yorker Freundeskreises und auch der Comic Relief von Breaking Bad, Bob Odenkirks Saul Goodman, durfte sich zu Beginn des Jahres in Better Call Saul auf Netflix austoben. Das Ergebnis ist sicher nicht so gut wie die letzten Staffeln Breaking Bad, behauptet sich aber dennoch souveräner als es Joey vor neun Jahren tat (selbst wenn Joey Ratings hatte, von denen BCS nur träumt).

Die Frage war, ob die Nebenfigur aus Vince Gilligans schon Kult gewordener Serie eine eigene Handlung tragen kann. Und was in dieser eigentlich erzählt werden soll. Was das betrifft, dreht sich Better Call Saul darum, wie Saul Goodman die Figur wurde, die sie ist. Wo in Breaking Bad Walter White zu Heisenberg mutierte, gilt es also auf lange Sicht auch für Jimmy McGill (Bob Odenkirk), eine Transformation abzuschließen. Vince Gilligan und Peter Gould zeigen in Better Call Saul eine ehrbarere Version jenes Winkeladvokaten, den wir aus Breaking Bad kennen. Jimmy, im Hinterzimmer eines Nagelstudios hausend, kämpft mehr um als für Klienten – und allen voran um den Respekt seiner Kollegen darunter den seines Bruders Chuck (Michael McKean).

Der ist Co-Partner seiner eigenen respektablen Anwaltskanzlei, allerdings seit einem Jahr krankgeschrieben, weil er unter einer elektromagnetischen Allergie zu leiden vorgibt. In Rückblenden dröselt die Serie die Ursprünge von Jimmy auf, der einst als Slippin’ Jimmy in seiner Heimatstadt Gaunereien betrieb, ehe er im Gefängnis landete. Einen Neuanfang mit Chuck in Albuquerque wagend, strebt Jimmy nach dem Beispiel seines Bruders. Funktionieren will es aber nicht so recht. Und so schlägt sich Jimmy im Kampf um Mandanten mit Chucks Partner Howard Hamlin (Patrick Fabian) herum oder mit Kriminellen wie Nacho (Michael Mando) und dem pedantischen Mautstellen-Bediener und Ex-Cop Mike (Jonathan Banks).

Ein übergreifendes Thema besitzt Better Call Saul in seiner zehn Episoden umfassenden ersten Staffel nicht. Vielmehr verschiedene Subplots, die sich teils überlappen. Beispielsweise ein Ehepaar, das Millionengelder veruntreut haben soll und Justizbeistands bedarf. Oder ein Seniorenheimunternehmen, das seine Klienten finanziell ausbeutet. Auch Mike, die zweite aus Breaking Bad bekannte Figur, hat ihren eigenen kleinen Subplot rund um eine Polizeiermittlung alter Kollegen als Folge eines Mordes an Mikes Sohn. Immer wieder kommen Gilligan und Gould jedoch zurück auf den Konflikt zwischen Jimmy und Howard Hamlin, in dessen Schussfeld mit Kim (Rhea Seehorn) auch jemand steht, der mit Jimmy befreundet ist, aber für Hamlin arbeitet.

Und dennoch funktioniert die Show trotz des nur bedingt vorhandenen roten Fadens die meiste Zeit ganz gut. Immerhin ist der Fall der Figur das eigentliche Thema, selbst wenn die Serie dieses sehr gemächlich verfolgt. Manche offene Baustelle, wie Hamlins Animosität gegenüber Jimmy, wird zum Ende der ersten Staffel sogar geklärt, andere derweil (noch) nicht. Ist Kim eine Ex-Freundin von Jimmy oder doch nur gute Bekannte und was genau sieht sie in einem Mann, der augenscheinlich keine sozialen Kontakte zu haben scheint, aber dennoch – und dies wird als eine seiner Stärken beschrieben – als sozial sehr umgänglich gilt? Wirklich hinter die Fassade von Saul Goodman beziehungsweise Jimmy McGill können wir nicht blicken.

Zuvorderst lebt Better Call Saul daher vom vorzüglichen Spiel Bob Odenkirks, der bereits in Fargo in einer Nebenrolle auftrumpfte. Odenkirk versteht und beherrscht seine Figur, macht sie sich zu eigen und haucht ihr folglich Authentizität ein. Das übrige Ensemble macht seinen Job ebenfalls sehr gut, allen voran Michael McKean in einer bisweilen doch auch nervigen Rolle. Jonathan Banks’ Spiel wiederum ist weitaus zurückgenommener als das seiner Kollegen, ähnlich wie Odenkirk profitiert er von der Tatsache, dass ihn mit seiner Figur schon eine Jahrelange Geschichte verbindet. Allerdings wirkt die Beziehung zwischen Jimmy und Mike noch etwas unreif, zumindest nicht so harmonisch wie manch andere Verbindung zu Breaking Bad.

Eindrucksvoll ist die Serie auch aufgrund ihrer Inszenierung. Nicht nur der Look kann mit den HBO-Pendants mithalten, gerade die Locations und Mise-en-scene – der sich manche Filmseite wie IGN sogar sehr detailliert und analytisch widmet – heben Better Call Saul von anderen Network-Serien ab. Getreu dem Motto: Ist das noch Fernsehen oder schon Kino? Visuell-ästhetisch und darstellerisch kommt Gilligans und Goulds Spin-off folglich weitaus besser weg als von seinem Inhalt. Ob es für diesen wirklich zehn Folgen gebraucht hat oder es nicht auch acht getan hätten (wie in der zweigeteilten fünften Staffel von Breaking Bad) sei dahingestellt. Nach gutem Start flachte die Serie etwas ab, fing sich jedoch kurz nochmal.

Neben Mijo (mit einer Gastrolle eines weiteren Breaking Bad-Alumni) überzeugten dabei im ersten Jahr am meisten noch Five-O und RICO, während das Staffelfinale zwar einerseits seine Stärken hat, jedoch in seinem Schluss etwas unausgegoren wirkt. Zumindest ist der Ansatz, die Korruption einer im Kern guten Figur zu zeigen, etwas interessanter als in Breaking Bad. Dies mag auch daran liegen, dass Jimmy weitaus mehr hadert und Widerstand leistet als Walter White. In welche Richtung die zweite Staffel geht, lässt sich nicht sagen. Klar ist jedoch, dass Better Call Saul kaum mehr Luft haben dürfte, um über ein zweites, im besten Fall drittes Jahr hinaus zu bestehen. Denn irgendwann ist für jede Serie Schluss.

7.5/10

6. April 2015

Furious 7 [aka Fast & Furious 7]

Do whatever it is you do.

Wer wissen will, wie weit das Fast&Furious-Franchise seit 2001 gekommen ist, muss nur in den Abspann schauen. Keine sieben Minuten betrug jener von Rob Cohens The Fast and the Furious seinerzeit. Und das auch nur, weil sich der Film damals Zeit ließ. Kein Vergleich zu James Wans Furious 7, der beinahe Lord of the Ring’sche Ausmaße annimmt – und wen wundert’s, selbst Weta liefert inzwischen die Effekte. Produzent Neal H. Moritz hätte sich vor 14 Jahren wohl selbst nicht träumen lassen, dass aus seinem Quasi-Point-Break-Remake mal ein Billion-Dollar-Franchise entwachsen würde. Mit Budgets der Größenordnung von Skyfall und Avengers: Age of Ultron. Und einem Starteinspiel, rund doppelt so hoch wie das Budget des Vorgängers.

Insofern übertrumpft Furious 7 nochmals Fast & Furious 6, der bereits Fast Five in den Schatten stellte. Jene jüngsten drei Teile, die einer bis dahin eher milde belächelten und an den Kinokassen nur bedingt beachteten Filmreihe plötzlich ihren Stempel aufdrückten. Schlicht, weil man sich von Schlichtheit verabschiedete und dem Eskapismus mehr und mehr frönte. Der Erfolg der Reihe spiegelt sich daher auch in der Konzeption der Filme wider. Getreu dem Motto: The bigger, the better. Was folgerichtig in Fast Five eine ganze Reihe neu ausrichtete – nachdem Fast & Furious schon mit einigen Elementen hierzu spielte –, drückt seither verstärkt aufs Gaspedal. Und lässt dabei (leider) einige vergangene Vorzüge verstärkt im Rückspiegel zurück.

Inzwischen wird The Fast and the Furious eher müde belächelt, dabei ist das Original – zumindest für mich – neben Fast Five der beste Teil der Reihe. Ein Abklatsch von Point Break, sicher. Aber viel mehr wollte der Film auch nie sein. Und steht in einer Reihe mit Werken wie Drop Zone oder Terminal Velocity – zweitklassiges Actionkino um Extremsportler. Der Film verbarg das nicht und drehte sich dennoch um Werte wie Vertrauen, Loyalität, Freundschaft und Familie. Es ging letztlich um eine Handvoll Figuren und ihre Interaktion – die schnellen Autos waren Mittel zum Zweck. Ein Element, das naturgemäß in 2 Fast 2 Furious eher in den Hintergrund rückte, das aber durch die Integration von Tyrese Gibson abgeschwächt bewahrt wurde.

Das familiäre Element ist es, dass die Reihe seit Teil 5 ununterbrochen propagiert. So auch in Furious 7, indem die Bedrohung dieser Familie zum zentralen Thema wird. “The sins of London followed us back home”, sagt Vin Diesels Dominic Toretto in einer Szene mit Verweis auf Fast & Furious 6. Der Bruder des Antagonisten aus jenem Film sinnt nun nach Rache – und dient im Nachhinein als Bindeglied für The Fast and the Furious: Tokyo Drift und dem Franchise. War Fast Five im Kern ein reiner Heist-Film und Teil 6 schon eine Art Spy-Thriller, geht es nun ums reine Überleben. Jason Statham bleibt als Bösewicht dabei so blass wie seine Vorgänger, ist aber schon allein dadurch ernst zu nehmen, da er Dwayne Johnson ins Krankenhaus schickt.

Obschon inzwischen alle Figuren Multimillionäre sind (siehe Fast Five), heißt es für sie getreu Shakespeares Henry V: “Once more unto the breach, dear friends, once more.“ Und auch weil sie die Gejagten sind, will sie Kurt Russell in einer Nebenrolle als Regierungsstrippenzieher Mr. Nobody zu den Jägern machen. Schlichtweg damit der Film etwas zu erzählen hat. Hackerin Ramsey (Nathalie Emmanuel) hat ein Überwachungsprogramm entwickelt, nun müssen Dom und seine Crew um Freundin Letty (Michelle Rodriguez), Familienvater Brian (Paul Walker), Lebemann Roman (Tyrese Gibson) und Tech-Guy Tej (Ludacris) jene Hackerin aus Feindeshand befreien, das Programm sichern und sich zugleich Stathams Bösewicht vom Leib halten.

Auch das wiederum ist nur ein Vorwand, um jenen Vehikel-Eskapismus zu zelebrieren, der die Reihe spätestens nach Teil 5 ausmacht. Zugleich funktionieren das Franchise und seine Figuren gerade dann am besten, wenn sie in hanebüchenen Actionszenen wie ein Rad ins andere greifen müssen. Egal ob man mit Autos aus Flugzeugen schanzt oder von einem Hochhaus ins andere. Der Wahnsinn als Programm eint “Fast & Furious” dabei mit der Mission: Impossible-Reihe, nicht nur, da das Set Piece des zweiten Akts in Abu Dhabi spielt. Und in der Tat sind die Ähnlichkeiten hier ziemlich evident, wenn Diesel den Cruise, Walker den Renner (Wortwitz unbeabsichtigt) und Ludacris den Pegg gibt. James Wan reüssiert dabei genauso wie Brad Bird.

Über allem steht jedoch das Familienthema, gerade in den Beziehungen zwischen Dom und Letty (die weiterhin an Amnesie leidet) sowie Brian und Mia (Jordana Brewster). Selbst Johnsons Agenten-Hüne Hobbs kriegt eine altkluge Tochter ans Krankenbett geschrieben – eine Beziehung, die weitaus ausgefeilter wirkt als die zwischen Stathams Deckard Shaw und seinem kleinen Bruder. Beide Figuren, Diesels und Stathams, sind durch ihren Familieninstinkt motiviert – leider geht der Film nicht sonderlich darauf ein. Vielmehr verkommt Statham lediglich zu einem roten Faden, der Furious 7 einen Vorwand für seine Handlung geben soll. Dass der Film in Djimon Hounsou und Tony Jaa weitere blasse Gegenspieler einführt, hilft auch nicht.

Genauso thematisiert die Reihe nur unzureichend, welche Folgen der Lebensstil der Figuren auf die so hoch gehaltene Familie hat. Jesse starb bereits in Teil 1, Letty vermeintlich in Teil 4, Vince in Teil 5 und Han (zumindest für das Publikum) sowie Giselle schließlich in Teil 6. Da ist es einerseits so unsinnig wie zugleich nachvollziehbar, dass Mia stets ihren Mann mit ihrem Bruder ins Gefecht schickt. Selbst wenn (oder vielleicht weil) gerade das eigene Zuhause in die Luft gesprengt wurde. In gewisser Weise macht es sich der Film in seiner Handlung unnötig schwer, was womöglich aber auch bloß der Tatsache geschuldet ist, da man den Tod von Paul Walker während der Dreharbeiten berücksichtigend einarbeiten musste.

Grundsätzlich macht Furious 7 über den Großteil seiner Dauer durchaus Spaß, auch wenn der erst gegen Ende des ersten Akts einsetzt, indem die eigentliche Handlung rund um den MacGuffin startet (obschon auch Stathams Rache ein solcher ist). Beide zentralen und schon in den Trailern angeteaserten Action Set Pieces sind innovativ und ansprechend inszeniert. Wie schon in Mission: Impossible – Ghost Protocol bewährt sich Abu Dhabi als visuell unverbrauchte Location – und gefällt schon allein deswegen mehr als das Finale in Los Angeles. Auch wenn der Film wohl hier mehr als anderswo nach Musikvideo aussieht. Die ersten zwei Drittel seiner Laufzeit funktioniert Furious 7 relativ gut – und dann gerät der Motor ins Stottern.

Nicht nur, weil der Film sich letztlich eingesteht, dass die fast 90 Minuten Handlung zuvor wenig Bedeutung hatten, sondern weil Wan und Co. hier den Blockbuster-Fehler machen, zu glauben, man muss immer mehr bieten als der Vorgänger. Was Furious 7 in seinen finalen 30 Minuten vom Stapel lässt, ist eine Krawallorgie, die innerhalb des Films selbst – sicherlich ironisch gewollt – als “vehicular warfare” bezeichnet wird. Bei allem Wahnwitz aus Fast Five und selbst der unendlichen Landebahn in Fast & Furious 6 spottet dieser wirre Mix aus Live Free or Die Hard und GTA V nahezu jeder Beschreibung. Wo sich die früheren Teile fürs Finale meist zurückzogen, reiht sich Furious 7 ein neben solche Filme wie The Avengers und Man of Steel.

Kein Wunder also, dass Dominic, Hobbs und Co. in den Kritiken selbst als Universals ganz eigenes Superhelden-Franchise tituliert werden. Und wer weiß, vielleicht ist dies auch die einzige Art und Weise, wie sich die Reihe an den Kinokassen mit dem Marvel- und DC-Gehabe behaupten kann. Grundsätzlich machen jedoch hier, wie auch bei den Kollegen, die Figuren den Film aus. Man muss Letztere nicht vermeintlich ins Jenseits gleiten oder Gebäude zusammenstürzen lassen, um Spannung oder Gefühle zu erzeugen. Wie es wenn schon nicht richtig dann zumindest besser geht, beweist Furious 7 in seiner überaus emotionalen und zutiefst berührenden Schlussszene, die sich mehr von Paul Walker als seiner Figur verabschiedet, sogleich selbst.

So ist der Film in seiner Summe sicher konsequent weitergedacht, vermag dabei aber nicht alle seine alten Eigenschaften mitzutragen. Vielleicht auch nur, weil alte Figuren wie Vince, Han und Giselle nicht mehr vorhanden sind. Zugleich macht sich Furious 7 aber auch keine Mühe, selbst jemanden wie Sean Boswell (Lucas Black) bis auf einen Cameo zu integrieren. Ganz seinen ursprünglichen Charme hat sich der siebte Teil also nicht bewahrt, was umso deutlicher ist, wenn der Film zum Abschluss nochmal die Vergangenheit Revue passieren lässt (ähnlich wie im Opening zu Teil 6, aber mit Fokus auf Paul Walker). Auch in dieser Bilderschau sieht man, wie weit das Franchise in 14 Jahren gekommen ist. So weit, wie es die meisten erst gar nicht schaffen.

6/10

1. April 2015

Filmtagebuch: März 2015

APPROPRIATE BEHAVIOR
(UK 2014, Desiree Akhavan)
6.5/10

THE BIG SLEEP [TOTE SCHLAFEN FEST]
(USA 1946, Howard Hawks)

5.5/10

CHEF [KISS THE COOK: SO SCHMECKT DAS LEBEN]
(USA 2014, Jon Favreau)

2.5/10

CLIFFHANGER
(USA/I/F 1993, Renny Harlin)
7.5/10

DIVERGENT [DIE BESTIMMUNG – DIVERGENT]
(USA 2014, Neil Burger)

5.5/10

FOUR BROTHERS
(USA 2005, John Singleton)
5.5/10

FOXCATCHER
(USA 2014, Bennett Miller)
5.5/10

HALLOWEEN H20: 20 YEARS LATER
(USA 2008, Steve Miner)
4/10

TO HAVE AND HAVE NOT [HABEN UND NICHTHABEN]
(USA 1944, Howard Hawks)

6/10

IDENTITY [IDENTITÄT]
(USA 2003, James Mangold)

4/10

THE INTERVIEW
(USA 2014, Evan Goldberg/Seth Rogen)
6.5/10

JACK THE GIANT SLAYER [JACK AND THE GIANTS]
(USA 2013, Bryan Singer)

2.5/10

THE PRESTIGE
(USA/UK 2006, Christopher Nolan)
5.5/10

REAL STEEL
(USA/IND 2011, Shawn Levy)
6.5/10

SHOOTER
(USA 2007, Antoine Fuqua)
5.5/10

Retrospektive: Rocky


ROCKY
(USA 1976, John G. Avildsen)
9/10

ROCKY II
(USA 1979, Sylvester Stallone)
8/10

ROCKY III
(USA 1982, Sylvester Stallone)
6.5/10

ROCKY IV
(USA 1985, Sylvester Stallone)
5.5/10

ROCKY V
(USA 1990, John G. Avildsen)
5.5/10

ROCKY BALBOA
(USA 2006, Sylvester Stallone)
6.5/10

Werkschau: Adam Sandler


AIRHEADS
(USA 1994, Michael Lehmann)
6/10

BILLY MADISON
(USA 1995, Tamra Davis)
6.5/10

HAPPY GILMORE
(USA 1996, Dennis Dugan)
9/10

BULLETPROOF
(USA 1996, Ernest R. Dickerson)
5/10

THE WATERBOY
(USA 1998, Frank Coraci)
6.5/10

BIG DADDY
(USA 1999, Dennis Dugan)
8.5/10

LITTLE NICKY
(USA 2002, Steven Brill)
1.5/10

PUNCH-DRUNK LOVE
(USA 2002, Paul Thomas Anderson)
6/10

MR. DEEDS
(USA 2002, Steven Brill)
5.5/10

ANGER MANAGEMENT [DIE WUTPROBE]
(USA 2003, Peter Segal)

6/10

50 FIRST DATES
(USA 2004, Peter Segal)
6.5/10

SPANGLISH
(USA 2004, James L. Brooks)
5.5/10

THE LONGEST YARD [SPIEL OHNE REGELN]
(USA 2005, Peter Segal)

6/10

CLICK [KLICK]
(USA 2006, Frank Coraci)

4.5/10

REIGN OVER ME [DIE LIEBE IN MIR]
(USA 2007, Mike Binder)

7.5/10

I NOW PRONOUNCE YOU CHUCK AND LARRY
[CHUCK & LARRY – WIE FEUER UND FLAMME]
(USA 2007, Dennis Dugan)
2.5/10

YOU DONT MESS WITH THE ZOHAN [LEG DICH NICHT MIT ZOHAN AN]
(USA 2008, Dennis Dugan)
5.5/10

BEDTIME STORIES
(USA 2008, Adam Shankman)
4.5/10

HOTEL TRANSYLVANIA
(USA 2012, Genndy Tartakovsky)
5.5/10