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28. November 2009

Gake no ue no Ponyo

J…E…R…K!!!!!!

Der 68-jährige Hayao Miyazaki gilt als Asiens Walt Disney, zählen die Werke seines Studios Ghibli doch zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten, speziell in seiner Heimat Japan. Seit über einem Vierteljahrhundert beehrt Miyazaki seine Fans nun bereits mit seinen phantasievollen Geschichten, von denen überraschenderweise nur seine letzten beiden Werke für einen Academy Award nominiert wurden. In der westlichen Welt brachte ihm sein oscarprämierter Sen to Chihiro no kamikakushi sicherlich am meisten Ruhm ein, während bereits seine Filme aus den Achtzigern wie Tonari no Totoro den Produkten Disneys in nichts nachstanden. Folgte noch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt fast Film auf Film, scheint Miyazaki allmählich seinen Ruhestand einzuläuten. Vier Jahre musste man seit Hauru no ugoku shiro auf eine neue Geschichte aus der Feder des Japaners warten. Und während sich zwar wieder viele typische miyazakische Momente in Gake no ue no Ponyo finden, enttäuscht der Film im Vergleich zu seinen großen Brüdern doch ein wenig.

Für seine Geschichte ließ sich Miyazaki diesmal bei Hans Christian Andersens The Little Mermaid inspirieren und das merkt man dem Film auch an. Die kleine Ponyo, die eigentlich Brundhilde heißt, erinnert von ihrem Äußeren her an eine Handpuppe. Eines Tages büxt sie aus der Obhut ihres Vaters, dem Herrn des Meeres, aus und lässt sich von einer Qualle gen Küste treiben. Als ein Fischkutter den Meeresboden aufwühlt, landet Brunhilde in einem Marmeladenglas und dieses wiederum am Strand. Der fünfjährige Sōsuke findet das Glas und kümmert sich um Brunhilde, die er nun Ponyo tauft. Doch nach einem Tag kann Ponyos Vater, Fujimoto, seine Tochter wieder zurück ins Meer holen. Sōsuke, der gemeinsam mit seiner Mutter Lisa am Abend auch auf seinen Vater, einen Schiffkapitän, verzichten muss, ist untröstlich. Ebenso Ponyo, die sich in Sōsuke verliebt hat und fortan viel lieber Füße und Hände hätte. Kurzum: menschlich sein möchte. Erneut büxt sie aus und kommt dabei mit dem magischen Elixir ihres Vaters in Verbindung. Als sich Ponyo in einen Menschen verwandelt und Sōsuke aufsucht, bringt sie die Meeresordnung durcheinander und beschwört einen riesigen Tsunami herauf.

Große politische Botschaften wie Miyazakis Umweltbewusstsein kommen in Gake no ue no Ponyo nur sporadisch zu Beginn zum Tragen, wenn gerade Fujimoto bemäkelt, wie verschmutzt das Meer dank der Müllabladung der Menschen ist („Such filth! Intolerable!“). Aber damit hat es sich dann auch und Ponyo schwingt nicht so sehr die Moralkeule, wie es Kaze no tani no Naushika oder Mononoke-hime einst erfolgreich taten. Allerdings verliert sich der Film auch nicht in seiner phantastischen Welt, wie ein Totoro oder Chihiro. Im Gegenteil biedert sich die Geschichte eher als kindliche Variante von Disneys The Little Mermaid an. Mit der Humanisierung Ponyos zentriert sich das Geschehen auf die reale Welt und Sōsukes und Lisas Haus. Wo gerade Chihiro eine Ausgeburt an wahnwitzigen Orten und Charakteren war, wirkt Ponyo erschreckend langweilig. Gerade in seiner ersten Hälfte bezieht Miyazaki dabei seine Inspiration aus Ponyos Verortung in ihre neue Umgebung. Ohnehin ist Ponyo ob ihres Niedlichkeitsfaktors oft das Zünglein an der Waage, das den Film meist alleine tragen muss.

Enttäuschend ist insbesondere, wie ideenlos die Handlung daherkommt. Miyazaki erschafft eine vermeintliche Prüfung, die es für Sōsuke und Ponyo zu bestehen gilt, indem sich die beiden ihre Liebe gestehen. Damit Ponyo Mensch bleiben und das Meer sich beruhigen kann. Nun wirkt es zum einen reichlich befremdlich, wenn sich zwei Fünfjährige Liebe schwören sollen. Ein Begriff, den sie noch gar nicht richtig erfassen können. Zum anderen etablierte sich die Liebe der beiden ohnehin schon zu Beginn des Films, sodass von einer Prüfung als solcher nicht die Rede sein kann. Wo Sen to Chihiro no kamikakushi noch mit einer spannenden Prämisse – die kleine Chihiro muss ihre Eltern zurückverwandeln – aufwartete, verkommt Ponyo zu einem bisweilen eintönigen Road-Movie. Welche Funktionen Figuren wie Sōsukes Vater Kōichi haben, will einem dabei auch nicht klar werden. Wie es genauso verstörend ist, dass Sōsuke seine Eltern beim Vornamen anspricht, sodass man erst meinen könnte/würde, dass Lisa eigentlich seine Schwester denn seine Mutter ist.

Was jedoch gefällt, ist die ungefragte Annahme der phantastischen Elemente. Wo in anderen Fantasyfilmen erst groß gezweifelt und negiert wird, stellt Lisa zu keinem Zeitpunkt in Frage, dass das Mädchen Ponyo einst der Fisch Ponyo war und der Tsunami mit dem rothaarigen Mädchen zusammenhängt. Diese Voraussetzung von Phantasie, die willkommen geheißen wird, ist ein untrügliches Merkmal eines Ghibli-Films. Andere Eigenschaften kann Miyazaki jedoch nicht herüber retten. Eine Szene, in der Ponyo ihre Suppe und Sandwiches einem Baby abgibt, wirkt süß, will aber keinen bestimmten Zweck erfüllen. Ähnlich eine als wichtig eingeführte Unterredung zwischen Lisa und Guranmamare, Ponyos Mutter, die wohl die Verbindung der beiden Kinder besiegeln soll. Insofern will und kann Gake no ue no Ponyo nicht vollends überzeugen, fehlen ihm doch die gewinnenden Eigenschaften der anderen Ghibli-Werke. Was bleibt ist eine weitestgehend inhaltsfreie, wenn auch verspielte und sympathische Geschichte einer Kinderfreundschaft jenseits von äußerlichen Erscheinungsbildern.

8/10

11. Mai 2007

Tenkū no Shiro Rapyuta [Das Schloss im Himmel]

The earth speaks to all of us, and if we listen, we can understand.

Seine Vorstellungskraft und Bildgewaltigkeit kennt kaum Grenzen. Miyazaki Hayao ist fraglos Walt Disneys einzig wahrer Erbe als Vater des berührenden Zeichentrickfilms und dem Status seines Animationsstudios Ghibli als Meisterwerksschmiede macht nur Pixar Konkurrenz. Wen wundert es also, dass auch Tenkū no Shiro Rapyuta (aka Das Schloss im Himmel) als erster offizieller Ghibli ein kleines Meisterwerk ist. Eins, das bei uns erst spät in den Kinos lief. Nicht unähnlich wie ein Lied des hawaiianischen Künstlers Israel Kamakawiwo’ole, das 17 Jahre nach seiner Aufzeichnung – und 13 Jahre nach dem Tod des Künstlers – in Deutschland die Single-Charts stürmte.

Einen ähnlichen Triumphzug vermochte Tenkū no Shiro Rapyuta im Jahr 2006 allerdings nicht anzutreten, als der erste Film des Studio Ghibli fast genau 20 Jahre nach seiner Premiere in unseren Kinos startete. Mit seinem ersten Werk unter dem Banner des neu gründeten Studio Ghibli knüpfte Miyazaki-san im Jahr 1986 daran an, was ihn zwei Jahre zuvor mit Kaze no tani no Naushika so erfolgreich gemacht hat. Bildgewaltige Szenerien, sympathische Charaktere, ein ökologischer Subtext sowie ein pompöses Amalgam aus Kinder- und Actionfilm. Und was besonders beeindruckt: Tenkū no Shiro Rapyuta sieht nicht aus, als wäre er bereits zwei Jahrzehnte alt.

Das liegt zwar mit an der durchgängig-zeitlosen Animation von Ghibli, ist aber zugleich auch ein Qualitätsmerkmal. Ausgesprochen detailliert gerät dieser kindliche Abenteuerfilm, der mehrmals in mehrfacher Hinsicht schweres Geschütz auffährt. Wie so oft in Miyazakis Werken verschmelzen die verschiedenen Zeitepochen, wird Gegenwart und Vergangenheit oder Vergangenheit und Zukunft miteinander kontrastiert. Die Welt in Tenkū no Shiro Rapyuta erinnert an das viktorianische Zeitalter, wird jedoch gepaart mit einer Prise Fantasy-Futurismus und Steampunk. Hier treffen Loks auf fliegenden Scooter und Revolver auf unzerstörbare Roboter.

Grundsätzlich erinnert die Szenerie dabei an Großbritannien, wo Miyazaki und seine Zeichner Inspiration aus der walisischen Landschaft zogen. Das mag zwar für uns Abendländer weniger exotisch sein, dafür für die Japaner umso mehr. Aber auch bei uns hinterlassen die an Berghängen gegründeten Städte und die weite Peripherie Eindruck, selbst wenn sich ein Großteil der Handlung weniger zu Land denn in der Luft abspielt. Hier nimmt der Film nach einem bereits turbulenten ersten Akt anschließend richtig Fahrt auf. Im sprichwörtlichen Sinn. Denn Tenkū no Shiro Rapyuta ist ein Kinderfilm, wie man ihn nicht alle Tage – und schon gar nicht von Disney – erlebt.

Hier flirten mehrere Männer ungeniert mit kleinen Mädchen und Erwachsene scheuen sich nicht davor, wiederholt auf Kinder zu schießen. Was undenkbar in der naiv-harmonischen Welt von US-Animationsfilmen ist, trägt bei Miyazaki dazu bei, dass dieser ein spannendes Abenteuer für die Kleinen parat hält und sich für die Großen erwachsener gibt als Genrekollegen. Nicht vergessen werden dabei die Charaktere, von denen besonders die an die Fratellis aus The Goonies erinnernden Luftpiraten rund um Matriarchin Dora sich im Verlauf von den Bösen zu den Guten wandeln und somit jene humane Dualität repräsentieren, die den Werken Miyazakis stets innewohnt.

Getragen wird die Geschichte dabei von der unschuldigen Freundschaft und suggerierten Liebe zweier Kinder, deren Moral und Ethik so rein ist wie ihre Loyalität zueinander. So ist Tenkū no Shiro Rapyuta gerade für sein Produktionsjahr ein fast schon bahnbrechendes Werk, was die Integration von Action und Abenteuer in einem animierten Kinderfilm angeht. Selbst die für das Genre ungewöhnlich lange Laufzeit von zwei Stunden erzeugt keine Längen. Zwar ist der Film nicht ganz so stark wie Miyazakis Vorgänger, dennoch als erster Ghibli ein exzellenter Vertreter für die Ideologie und Qualität des Studios. Auch, wenn das die Deutschen erst 2006 mitbekamen.

8.5/10