15. Oktober 2016

Certain Women

I wonder how much more there might be buried here.

Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist ein Thema, dass immer noch unsere Gesellschaft dominiert. Weil sie leider auch im Jahr 2016 noch nicht erreicht ist. Frauen verdienen weniger Geld für dieselbe Arbeit und werden zugleich bei dieser benachteiligt. Davon können auch die Damen in Hollywood ein Lied singen, wo sich unter anderem Jennifer Lawrence für ihr Geschlecht stark macht. Und auch wenn wohl in Kürze mit Hillary Clinton erstmals eine Frau die Vereinigten Staaten von Amerika anführen wird und Comic-Superhelden wie Thor und Iron Man ihr Y-Chromosom verlieren, sind Filme wie Kelly Reichardts Certain Women die Ausnahme der Regel.

In drei Geschichten, die sehr lose Bezug zueinander nehmen, rückt die Regisseurin – wie der Titel impliziert – Frauen in den Fokus. So sieht sich Rechtsanwältin Laura (Laura Dern) mit einem Mandanten (Jared Harris) konfrontiert, der gegen seine Entlassung juristisch vorgehen will. Gina (Michelle Williams) versucht derweil nach einem Camping-Trip mit Ehemann und Tochter für Bauzwecke einem Einsiedler seinen begehrten Sandstein abzuschwatzen. Die junge Anwältin Beth wiederum gibt widerwillig die Dozentin in einem Kurs für Schulrecht und weckt dadurch das Interesse der zufällig daran teilnehmenden Pferdehof-Rancherin Jamie (Lily Gladstone).

Nacheinander widmet sich Kelly Reichardt in rund halbstündigen Segmenten jeder der drei Geschichten, die thematisch von den beruflichen wie privaten Beziehungen der Figuren erzählen. Zugleich aber auch von der Rolle der vier Frauen und ihrer Wahrnehmung in der Gesellschaft. So hat Laura ihrem Mandanten über Monate mehrfach die Aussichtlosigkeit seines Falles vor Augen geführt, wahrhaben will er diese jedoch erst, als sie ihn für eine zweite Meinung zu einem männlichen Kollegen schleppt. Auch Gina muss sexuelle Diskriminierung erleben, wenn der Einsiedler mehr Wert auf die Worte ihres Mannes legt, obschon sie es ist, die beruflich die Hosen anhat.

Aber auch ihre eigene jugendliche Tochter reagiert rebellisch gegenüber der Mutter – etwas, mit dem sich diese scheinbar inzwischen abgefunden hat. Die Beziehung innerhalb ihrer Familie scheint gestört, was sich auch dadurch äußert, dass Ehemann Ryan (James LeGros), wie zu Beginn zu sehen, eine Affäre mit Laura unterhält. Gänzlich weiblich, aber nicht minder kompliziert, ist das Verhältnis zwischen Beth und Jamie. Erstere hat aus einem Missverständnis heraus den Nachhilfekurs angenommen, für den sie zweimal die Woche insgesamt gut 16 Stunden pendeln muss. Für die zurückgezogen lebende, introvertierte Jamie ist der Kurs derweil das Highlight ihrer Woche.

Keine der Figuren, ob Mann oder Frau, wirkt wirklich glücklich. Eher konsterniert gehen Laura, Gina, Beth und Jamie die Dinge in ihrem Alltag an. Einblick in ihr Innenleben schenkt Certain Women seinem Publikum nicht, verrät aber auch so genug über die vier Frauencharaktere und ihren Platz im Leben. Fast schon meditativ verfolgt der Zuschauer die Entwicklungen, die mal mehr (Laura) und mal weniger (Gina) dramatische Züge annehmen. Zwar sind Laura, Gina und Beth beruflich selbstbestimmte Frauen, zugleich werden sie als solche aber nicht richtig von ihrem Umfeld wahrgenommen und akzeptiert. Außer eben, wie im Fall von Jamie, von anderen Frauen.

Die zwischenmenschlichen Beziehungen, die Kelly Reichardt hier zeichnet, sind glaubhaft – nicht zuletzt dank des starken Ensembles. Wo Reichardt-Veteranin Michelle Williams etwas untergeht (jedoch in der undankbarsten der vier Rollen), untermauern besonders die tolle Laura Dern sowie Kristen Stewart erneut ihre Klasse. Auch Lily Gladstone und Jared Harris setzen Akzente, sodass Certain Women vorzügliches Charakterkino ist. Es wäre leicht gewesen, die Geschichten aus der Perspektive der Männer zu erzählen. Dass dem nicht so ist und der Film von vier starken Frauenrollen dominiert wird, ist ein weiterer Weg hin zur Gleichberechtigung. Zumindest im Kino.

7/10

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