12. Januar 2018

It Comes at Night

Everything’s gonna be okay.

Als ob die Leute nicht bereits im sozialen Normalzustand ihren Mitmenschen nicht weiter trauen, als sie diese werfen können, nimmt jene Xenophobie in einer Apokalypse nochmals verstärkt zu. Serien wie The Walking Dead füllen ganze Staffeln ausschließlich mit Konflikten zwischen verschiedenen Parteien. Insofern unterscheidet Trey Edward Shults’ It Comes at Night sehr wenig von anderen post-apokalyptischen Dramen, insbesondere denen, die eine virale Infektion zum Auslöser des Geschehens erklären. Auch wenn der Film – so viel sei vorab vielleicht zu recht verraten, um falsche Erwartungen zu beerdigen – eine Ausnahmeerscheinung im Zombiefilm-Genre darstellt, da er die Infizierten weniger zum Thema hat als die Angst der Menschen.

Der ehemalige Lehrer Paul (Joel Edgerton) lebt in Shults’ Geschichte mit Gattin Sarah (Carmen Ejogo) und ihrem Sohn Travis (Kelvin Harrison Jr.) abgeschottet in einem Haus im Wald. Bei Nacht wagen sie sich nicht ins Freie, werden dann später aber durch einen Eindringling aufgescheucht. Die Suche nach Wasser trieb Will (Christopher Abbott) zum Einbruch, seine eigene Familie hat er einige Meilen zurückgelassen, um diese zu versorgen. Ausgestattet mit einigen Farmtieren nehmen Paul, Sarah und Travis schließlich Will sowie seine Freundin Kim (Riley Keough) und ihren jungen Sohn Andrew bei sich auf. Zuerst relativ harmonisch miteinander lebend, zeichnen sich doch bald leichte Spannungen zwischen den Familien ab.

Über die Welt seines Films verrät Trey Edward Shults dem Publikum nur relativ wenig. Eine Krankheit sei vor einiger Zeit ausgebrochen, die Städte verlassen. Unterwegs durch die Landschaft haben Will und Kim über 80 Meilen hinweg angeblich niemanden getroffen – scheinbar nicht einmal Infizierte. Die sind generell Mangelware, selbst wenn It Comes at Night damit beginnt, wie Paul seinen infizierten Schwiegervater erlösen muss. Wirklich stimmig wirkt dieser Weltentwurf nicht. Wo sind all die Menschen hin, wenn sie nicht einmal als „Zombies“ umherwandeln? Wieso gibt es keine Anhaltspunkte für die Figuren, was vor sich geht? So entsteht der Eindruck, dass die Apokalpyse über Nacht ins Land von Shults’ Szenario gezogen ist.

Dies scheint gewollt von dem jungen Filmemacher, der hier seinen zweiten Spielfilm abliefert. Die Ungewissheit ist der eigentliche Hauptdarsteller – oder vielmehr: die Angst vor dem Ungewissen. Sei es, ob Will und seine Familie vertrauenswürdig sind oder welche Gefahr in den Wäldern um Paul und Sarahs Haus lauern könnte. Speziell im ersten Akt gelingt es It Comes at Night durchaus, eine bedrohliche Atmosphäre heraufzubeschwören, die sich dann zeitweise für das vermeintliche Idyll in der Mitte des Films zurückzieht, ehe sie naturgemäß zum Schluss erneut aufbrechen muss. Das will aber nur bedingt funktionieren, da Shults im zweiten Akt nur wenig die dramatischen Plot-Entwicklungen verfolgt, die er immerhin zumindest leicht anreißt.

Scheinbare Widersprüche in Wills Wiedergabe der Geschehnisse verlaufen somit ebenso im Sand wie angedeutete Zuneigungen seitens Travis für Kim. Das Aufeinandertreffen der Parteien in einem verlassenen Waldstück während der Post-Apokalypse, das unweigerlich im Konflikt enden muss, erinnert leicht an Stephen Fingletons The Survivalist. Die minimalistische (und finanziell sicher preiswertere) Herangehensweise an das Projekt erklärt wiederum, wieso von der Zivilisation sowie dem tödlichen Virus nur die Rede ist, ohne diese explizit in den Fokus zu rücken. Dass das eine das andere nicht ausschließen muss, bewies Henry Hobson in seinem exzellenten Zombie-Drama Maggie (auch wenn er fast das doppelte Budget besaß).

Das Ende kommt dann beinahe etwas moralinsauer daher, selbst wenn Shults die Auflösung ambivalent offen hält. Die Wahrheit der Ereignisse erschließt sich dem Zuschauer nicht vollends und ist interpretierbar. Wie es bei den Figuren aussieht, bleibt unklar, da diese nur lose skizziert werden. Gerade Carmen Ejogo hat eine wenig dankbare Rolle, der Fokus der Handlung liegt primär auf den Männerfiguren, die einem patriarchalischen Bild gerecht werden. Nach seinem Debüt Krisha verlagert Trey Edward Shults in gewisser Weise wieder den Horror in die eigenen vier Wände. Beide Filme haben vorurteilendes Misstrauen zum Thema, wirklich überzeugt keiner der zwei. Vielleicht fehlt mir aber auch nur mehr Vertrauen in Shults’ Schaffen.

5.5/10

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