25. Juli 2013

Only God Forgives

One night in Bangkok makes a hard man humble.
(Murray Head, One Night in Bangkok)

Dänemarks Filmemacher machen es sich nicht leicht. Ein Lars von Trier flog 2011 bei den Filmfestspielen in Cannes wegen scheinbarer Nazi-Äußerungen hinaus und sein Landsmann Nicolas Winding Refn polarisiert durch Penetrationswünsche nicht nur die Gemüter der Fünf Filmfreunde. Hassen oder nicht hassen – das ist hier die Frage. Zumindest bei Winding Refn erklärt sich die Abneigung mancher vermeintlicher elitärer Filmkritiker durch dessen kühlen Vorjahres-Noir Drive. In seinem neuen Film vereint sich der Däne wieder mit Ryan Gosling, der kurzfristig Luke Evans ersetzte, und liefert seinen Hatern frisches Futter. Und in der Tat fällt Only God Forgives leider weniger penetrierend als penetrant aus.

Erzählt wird darin die Geschichte des ruhigen Julian (Ryan Gosling), der mit seinem älteren Bruder Billy (Tom Burke) in Bangkok einen Boxclub als Tarnung für Drogengeschäfte leitet. Als Billy ein junges Mädchen vergewaltigt und ermordet, ruft dies den pensionierten Polizisten Chang (Vithaya Pansringarm) auf den Plan. Er lässt an dem Amerikaner Rache verüben und zieht damit den Zorn von Billys Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas) auf sich. Weil Julian die Angelegenheit als erledigt betrachtet, engagiert die Matriarchin Auftragskiller für Chang. Doch das Attentat misslingt und fortan verfängt sich Julian immer mehr in der von der Mutter entfachten Gewaltspirale, welcher er sich nicht zu entziehen vermag.

Im Gegensatz zu sich selbst sind die Protagonisten von Nicolas Winding Refn keine Männer großer Worte. Oder großer Taten. Goslings schick gekleideter Krimineller wirkt sogar derart apathisch, dass er sich nicht einmal am sexuellen Akt mit der Prostituierten Mai (Rhatha Phongam) beteiligen will. Es langt ihm, sie bei der Selbstbefriedigung zu beobachten, später führt sie dann doch mal seine Hand zwischen ihren Schritt. Der Tod des Bruders wird akzeptiert als Julian von dessen Umständen erfährt. Die stoische Gefühlskälte der Hauptfigur blättert erst, nachdem mit seiner egomanischen Mutter Julians familiäre Vergangenheit den Zoll in Bangkok durchschreitet. Die Tragödie der ödipalen Figur setzt sich damit fort.

Allerdings erfahren wir über die Charaktere wenig bis nichts. Weder wieso Billy, scheinbar mit Intention, sein Verbrechen verübt, noch warum die Bangkoker Polizei anstatt Kriminelle vor ein Gericht zu stellen, sie in Selbstjustiz von einem ehemaligen Kollegen als “Angel of Vengeance” hinrichten lässt. Immerhin mangelt es soweit es den Film betrifft nicht an Geständigkeit der Täter noch an potentiellen Zeugen. Nachvollziehbar ist das Geschehen in Only God Forgives somit nicht, zu spärlich fallen sowohl die Handlung als auch die Figuren aus. Bei diesen bleibt Hauptprotagonist Julian ebenso blass wie unerhebliche Charaktere à la Mai – sie scheinen allesamt, inklusive Crystal und Chang, gefangen in der Eindimensionalität.

Stattdessen verliert sich Winding Refn in seiner blau-violett schimmernden Neonwelt, die mit Elternbeziehungen – in einem vergessenswerten Subplot sehen wir Chang als alleinerziehenden Vater einer Tochter – aufgeladen scheint, die allerdings über weite Stücke dem Schnitt zum Opfer fielen (?). Die gelegentlichen Gewaltexzesse Changs, die man beim besten Willen nicht als brutal bezeichnen kann, wollen ebenso wenig ein stimmiges Ganzes mit Julians subtilem Ödipuskomplex ergeben, wie die mehrfach eingestreuten Gesangspassagen des Racheengels sowie anderer Figuren. Wo Drive in seiner Verbindung von Atmosphäre mit simpler Handlung und Charakteren reüssierte, verliert sich Only God Forgives in Prätention.

Dies wiederum bringt ihn auf eine Wellenlänge mit Valhalla Rising, auf den der Film an sich direkt hätte folgen sollen, ehe Gosling Drive vorziehen wollte. Dass Winding Refn die Helden aller drei Filme als ein und dieselbe Person erachtet, vermag sich wohl nur ihm zu erschließen. Mit Drive eint Only God Forgives jedenfalls nur Ryan Gosling und der stumm-stoische Protagonist, der Film selbst wirkt eher wie ein in Neonfarben getauchtes Nachbeben für jene Vikinger-Sülze, die der Regisseur vor drei Jahren fabriziert hat. In welche Richtung er sich mit dem kommenden I Walk with the Dead bewegen wird, ist offen. Sollte der Däne sich aber erneut in Prätention verlieren, vergibt ihm dies vermutlich tatsächlich nur noch Gott.

4/10

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