An einer Stelle in Lucy Walkers HBO Dokumentation The Crash Reel heißt es: Die Mutigen leben vielleicht nicht ewig, die Zaghaften hingegen leben gar nicht. Man fühlt sich an das Zitat “live fast, die young” aus Nicholas Rays Knock On any Door erinnert. Dieses schwebt in gewisser Weise wie ein Damoklesschwert über Walkers Film, der sich Snowboarder Kevin Pearce zum Thema nimmt. Pearce galt in der Szene als eines der vielversprechendsten Talente – bis ihn ein Trainingsunfall fast das Leben kostete. Mit Freunden wollte sich der damals 22-Jährige im Dezember 2009 in Park City, Utah auf die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver vorbereiten. Doch Pearces Traum wurde am Silvestermorgen jäh beendet.
Als er in der Halfpipe zu einem Double Cork ansetzte, einem doppelten Salto, verlor er bei der Landung das Gleichgewicht und prallte auf sein Gesicht. Fast vier Wochen verbrachte er daraufhin auf der Intensivstation, fast fünf Monate wiederum im Krankenhaus. Er hatte sich ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen – und dennoch dabei noch mal Glück gehabt. Sein Leben würde trotzdem nie mehr dasselbe sein und der heute 26-Jährige musste sich damit auseinandersetzen statt zu den Mutigen nun zu den Zaghaften zu gehören. In The Crash Reel zeichnet Lucy Walker ein Bild von Kevin Pearce vor und nach dem Unfall am Morgen des 31. Dezember 2009. Und wie der junge Mann sich anschließend ins Leben zurückkämpfte.
Der erste Akt unterscheidet sich stilistische und dramatisch vom Rest der Doku. Mit Filmmaterial von Kevin Pearce und seiner Snowboardclique wird deren Kultur sowie ihre Mentalität skizziert. Textmarker im Bild halten fest, wen wir gerade sehen, während sich Pearce vom ungeholfenen Jungen zum größten Talent der Szene mausert. Sein Potential hebt Lucy Walker im Vergleich mit Shaun White hervor, dem zweifachen Olympiasieger und ehemaligen Jugendfreund von Kevin Pearce. Ehe dessen Erfolg in den beiden Jahren vor seinem Unfall einen Keil zwischen die beiden trieb. Und während der eine (Pearce) ein Kumpel war, der mit seinen Freunden über die Piste jagte, avancierte der andere (White) zum “machine athlete”.
Sinn und Zweck ist, zu etablieren, welchen Weg Pearce hätte gehen können. Und was er durch den Unfall alles verlor. Beängstigend ist sein Anblick nach diesem, wenn leere Blicke und fehlende Reaktionen einen schweren Hirnschaden androhen. Umso erstaunlicher gerät der Fortschritt, den er im Laufe eines Jahres macht. Zwar bereiten die Augen und die Feinmotorik noch Probleme, aber der Snowboarder ist sicher, bald wieder auf sein Brett steigen zu können. Um da weiterzumachen, wo er aufgehört hat. Sehr zum Bestürzen seiner Familie, die einen Unfall wie jenen von Silvester 2009 nicht erneut durchmachen will. Und den Kevin Pearce, so das Echo seiner Neurologen, auch nicht erneut überleben würde.
Gerade in jenen Familienmomenten gewinnt The Crash Reel eine enorme emotionale Tiefe. Was auch der Verdienst der Pearces ist, von Mutter Pia bis runter zum am Down-Syndrom leidenden Bruder David. “Oh my God”, bricht der in einer Szene in Tränen aus, als er von den Comeback-Überlegungen von Kevin hört. Die Sorge der Familie scheint berechtigt, wie Lucy Walker anhand zweier anderer Beispiele von wiederholten Schädel-Hirn-Traumata aufzeigt. Auch ein tatsächliches, minutenlanges “crash reel” erwartet das Publikum, mit allerlei Sturzverletzungen von Snowboarder-, Ski- und Dirt Bike-Fahrern, sodass man als Zuschauer gar nicht verstehen kann, wie sich überhaupt jemand einem derartigen Risiko aussetzen will.
Und so verschiebt sich in der zweiten Filmhälfte der Fokus von der Szene, Kevins Freunden und seiner Passion – mit der er seinen Lebensunterhalt bestritt – hin zum Familiendrama. Das dieses den Zuschauer ergreift, verdankt sich auch dem intimen Zugang zu den Pearces, der Lucy Walker gelungen ist. Die legt mit The Crash Reel letztlich durchaus eine Comeback-Story vor, wenn auch eine etwas andere als man vermuten oder sich wünschen würde. Immerhin war Kevin Pearce ein solches Comeback vergönnt, was andere Kollegen der Szene, wie der Film dokumentiert, nicht von sich behaupten können. Sie lebten schnell und starben jung, Kevin Pearce wiederum zeigte Mut. Den Mut zur Vorsicht.
Als er in der Halfpipe zu einem Double Cork ansetzte, einem doppelten Salto, verlor er bei der Landung das Gleichgewicht und prallte auf sein Gesicht. Fast vier Wochen verbrachte er daraufhin auf der Intensivstation, fast fünf Monate wiederum im Krankenhaus. Er hatte sich ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen – und dennoch dabei noch mal Glück gehabt. Sein Leben würde trotzdem nie mehr dasselbe sein und der heute 26-Jährige musste sich damit auseinandersetzen statt zu den Mutigen nun zu den Zaghaften zu gehören. In The Crash Reel zeichnet Lucy Walker ein Bild von Kevin Pearce vor und nach dem Unfall am Morgen des 31. Dezember 2009. Und wie der junge Mann sich anschließend ins Leben zurückkämpfte.
Der erste Akt unterscheidet sich stilistische und dramatisch vom Rest der Doku. Mit Filmmaterial von Kevin Pearce und seiner Snowboardclique wird deren Kultur sowie ihre Mentalität skizziert. Textmarker im Bild halten fest, wen wir gerade sehen, während sich Pearce vom ungeholfenen Jungen zum größten Talent der Szene mausert. Sein Potential hebt Lucy Walker im Vergleich mit Shaun White hervor, dem zweifachen Olympiasieger und ehemaligen Jugendfreund von Kevin Pearce. Ehe dessen Erfolg in den beiden Jahren vor seinem Unfall einen Keil zwischen die beiden trieb. Und während der eine (Pearce) ein Kumpel war, der mit seinen Freunden über die Piste jagte, avancierte der andere (White) zum “machine athlete”.
Sinn und Zweck ist, zu etablieren, welchen Weg Pearce hätte gehen können. Und was er durch den Unfall alles verlor. Beängstigend ist sein Anblick nach diesem, wenn leere Blicke und fehlende Reaktionen einen schweren Hirnschaden androhen. Umso erstaunlicher gerät der Fortschritt, den er im Laufe eines Jahres macht. Zwar bereiten die Augen und die Feinmotorik noch Probleme, aber der Snowboarder ist sicher, bald wieder auf sein Brett steigen zu können. Um da weiterzumachen, wo er aufgehört hat. Sehr zum Bestürzen seiner Familie, die einen Unfall wie jenen von Silvester 2009 nicht erneut durchmachen will. Und den Kevin Pearce, so das Echo seiner Neurologen, auch nicht erneut überleben würde.
Gerade in jenen Familienmomenten gewinnt The Crash Reel eine enorme emotionale Tiefe. Was auch der Verdienst der Pearces ist, von Mutter Pia bis runter zum am Down-Syndrom leidenden Bruder David. “Oh my God”, bricht der in einer Szene in Tränen aus, als er von den Comeback-Überlegungen von Kevin hört. Die Sorge der Familie scheint berechtigt, wie Lucy Walker anhand zweier anderer Beispiele von wiederholten Schädel-Hirn-Traumata aufzeigt. Auch ein tatsächliches, minutenlanges “crash reel” erwartet das Publikum, mit allerlei Sturzverletzungen von Snowboarder-, Ski- und Dirt Bike-Fahrern, sodass man als Zuschauer gar nicht verstehen kann, wie sich überhaupt jemand einem derartigen Risiko aussetzen will.
Und so verschiebt sich in der zweiten Filmhälfte der Fokus von der Szene, Kevins Freunden und seiner Passion – mit der er seinen Lebensunterhalt bestritt – hin zum Familiendrama. Das dieses den Zuschauer ergreift, verdankt sich auch dem intimen Zugang zu den Pearces, der Lucy Walker gelungen ist. Die legt mit The Crash Reel letztlich durchaus eine Comeback-Story vor, wenn auch eine etwas andere als man vermuten oder sich wünschen würde. Immerhin war Kevin Pearce ein solches Comeback vergönnt, was andere Kollegen der Szene, wie der Film dokumentiert, nicht von sich behaupten können. Sie lebten schnell und starben jung, Kevin Pearce wiederum zeigte Mut. Den Mut zur Vorsicht.
7.5/10
The Crash Reel ist im deutschen iTunes-Store erhältlich – zum Kauf oder zur Leihe.
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