2. Februar 2009

Doubt [Glaubensfrage]

Where is your compassion?

Die Skandale in der Katholischen Kirche sind hinlänglich bekannt: Priester misshandeln Kinder, bevorzugt Jungen, sexuell. Gerne ihre Messdiener, da diese leicht bei der Hand sind. Ein delikates Thema nichtsdestotrotz, dem sich John Patrick Shanley vor fünf Jahren in seinem Theaterstück Doubt: A Parabel annahm, für das er 2005 den Pulitzer Preis gewann. Erzählt wird darin von Priester Brendan Flynn (Philip Seymour Hoffman), der im Jahr 1964 die St. Nicholas Gemeinde in Boston betreut. Während Flynn in seinem Gottesdienst von Zweifeln predigt, ermahnt Obernonne Schwester Aloysius (Meryl Streep) die Schüler in den Bankreihen zu Gehorsam. Shanley etabliert hier früh seine in den nächsten 90 Minuten folgende Rollenverteilung.

Auf der einen Seite sehen wir da in einer Szene Flynn, wie er in geselliger Runde mit dem Bischof und Kaplan zu Abend sitzt und sich das Maul zerreißt. Auf der anderen Seite wiederum führt Schwester Aloysius über ihre Schwesternschaft ein hartes Regiment – und zwingt ihre Mitschwestern gerne auch mal aufzuessen, obwohl es diesen nicht zu schmecken scheint. Wo Aloysius in der Gemeinde gefürchtet wird, gehört Flynn meist die Sympathie – zwei Charakterzeichnungen, die in Doubt ein Konfliktpotenzial bergen. Hinzu kommt, dass John Patrick Shanley vier Jahre vor Reverend Kings Gleichstellungsbewegung mit Donald Miller (Joseph Foster II) erstmals einen afroamerikanischen Schüler an der St. Nicholas Schule etabliert.

Von all seinen Schülern steht Flynn Donald besonders nah Eines Tages ruft der Priester den Jungen während des Unterrichts zu sich in die Kanzlei. Als Donald zurückkommt, wirkt er verstört, sein Atem riecht nach Alkohol. Die lehrende Nonne Schwester James (Amy Adams) beginnt Zweifel zu hegen. Schließlich hat Schwester Aloysius erst neulich darauf hingewiesen, ein Auge auf Vater Flynn zu werfen. Die junge Nonne beichtet also das Erlebnis ihrer Vorgesetzten, die sogleich das Schlimmste ahnt. Aloysius konfrontiert Flynn in der Folge mit ihren Vorwürfen und zwischen den beiden Kirchenvertretern beginnt im weiteren Verflauf ein Machtkampf zu kulminieren, aus dem am Ende nur einer von ihnen als Sieger oder Siegerin hervortreten kann.

Mitte der 1960 versuchte sich die Katholische Kirche auf dem zweiten vatikanischen Konzil etwas der Gegenwart anzupassen. Dieser Spagat zwischen Alt und Neu spaltete manche Kirchenvertreter, Shanley projiziert diesen Kontrast in Doubt auf Aloysius und Flynn. Sinnbildlich hierfür steht eine Szene, in der über das kommende Weihnachtsstück in der Schule gesprochen wird. Vater Flynn und Schwester James setzen sich dafür ein, dass auch nicht-christliche Weihnachtslieder zur Auflockerung in das Programm einbezogen werden. Schwester Aloysius hingegen würde diese heidnischen Lieder am liebsten verbieten lassen. Sie ist eine derart rudimentäre Frau, dass sie selbst mit Kugelschreibern nichts anfangen kann.

Zwischen diese zwei starken Figuren platziert Shanley die unerfahrene Schwester James als Platzhalter für den Zuschauer. Sie zweifelt wie das Publikum, ob sich Flynn an Donald vergangen hat oder seine Begründung plausibel klingt. Eine Frage, mit der sich auch Donalds Mutter (Viola Davis)  auseinandersetzen muss. Die Antwort obliegt letztlich jedem selbst, Shanley pflegt auch sein Ensemble im Dunkeln zu halten. Lediglich seinen Flynn-Darstellern (sei es bei Bühnenaufführungen oder in der Filmadaption) zu offenbaren, ob der Priester schuldig ist oder nicht. Mit Doubt präsentiert der Regisseur und Autor somit einen Gedankenanstoß, der dafür sorgt, dass man sich auch nach dem Filmabspann weiter mit der Geschichte befasst.

In der Inszenierung von Doubt experimentierte Shanley etwas mit der Kamera, präsentiert oft Einstellungen, die aus der Schräge kommen und gerne in Nahaufnahmen den Darstellern zu Leibe rücken. Dies wirkt ebenso wie Howard Shores Komposition bisweilen aufdringlich, die große Stärke des Films ist weniger die Handlung, sondern seine Darsteller. Zurecht wurden alle für Golden Globes nominiert. Meryl Streep gibt die kühle Hexe gekonnt und findet in Philip Seymour Hoffman einen ebenbürtigen Gegner. Amy Adams wiederum hat bereits Erfahrung als unschuldiges, naives Mädchens. Wenn auch die Handlung und Regie nicht immer zu überzeugen wissen, so ist der Film allein wegen der Leistung seiner Darsteller sein Eintrittsgeld wert.

7.5/10

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