Tic. Tic. Tic. That’s the sound of your life running out.
Seit 2005 läuft die Showtime-Serie Dexter im Fernsehen, doch erst im vergangenen Dezember ließen sich die Autoren zu einem für Drama-Formate gewöhnlich traditionellen Cliffhanger hinreißen. Am Ende der vierten Staffel brachte Serien(killer)held Dexter Morgan (Michael C. Hall) zwar seinen Gegenspieler Arthur (John Lithgow) um, fand jedoch anschließend Zuhause seine tote Ehefrau Rita (Julie Benz) und den gemeinsamen Sohn Harrison in einer Blutlache vor. Kein Happy End, kein zufriedenes Durchatmen nach zwölf strapaziösen Episoden. Dexters Welt würde im fünften Jahr nicht mehr dieselbe sein, so viel stand fest. Und mit dem Tod einer der zentralen Figuren eröffneten sich die Autoren nun die Möglichkeit, ihren Hauptprotagonisten in eine neue Richtung zu lenken.
Plötzlich ist der gefühlskalte Serienkiller, der eine Patchwork-Familie nur deswegen gründete, um eine soziale Tarnung zu haben, auf Gefühle angewiesen. Der Tod von Rita führt bei Dexter - so sehr er seine Frau auch schätzen und „lieben“ lernte - mehr zu einem Verantwortungsschock, denn zu einem emotionalen Einbruch. Selbst der Nachbar betrauert Ritas Ableben mehr als Dexter, was schließlich auch dessen Kollegen Detective Quinn (Desmond Harrington) auffällt, der den Blutforensiker ohnehin auf dem Kieker hat. Für Dexter hingegen heißt es umzudenken, ist er, der die Familienpflichten seiner Frau anvertraute, um nachts Serienmörder zur Strecke zu bringen, doch nun selbst für seine Kinder verantwortlich (auch wenn Astor und Cody anschließend zu ihren Großeltern ziehen).
Und wie immer, wenn Dexter unter Anspannungen leidet, müssen diese in seinen Mordgelüsten gelöst werden. Allerdings kommt alles anders, nachdem er bei einem seiner Morde von Lumen (Julia Stiles), einem der Opfer von Dexters Opfer, beobachtet wird. Hin- und hergerissen zwischen Harrys (James Remar) Code und seinem Gewissen, nimmt sich Dexter schließlich Lumens an. Die ist wiederum nur daran interessiert, jene Männer zur Strecke zu bringen, die sie entführt, vergewaltigt und fast umgebracht haben. Widerwillig bietet Dexter seine Hilfe an und warum auch nicht, lassen sich doch Lumens Rache- und Dexters Tötungsgelüste auf diese Weise geschickt kombinieren. Dumm nur, dass Quinns Recherchen in bester Doakes-Manier Dexter in die Ecke drängen.
In gewisser Hinsicht ist die fünfte Staffel eine Art „Best Of“ der Vorgänger. Hadert Dexter in den ersten Folgen damit, seiner Außenwelt glaubhaft zu vermitteln, dass ihn Ritas Tod trifft, so tritt anschließend mit Lumen eine Frau in sein Leben, in deren Gegenwart er wie bei Lila (Jaime Murray) so sei kann, wie er wirklich ist, und die zugleich - wie Miguel (Jimmy Smits) vor ihr - zu seiner Komplizin wird. Zudem bestärkt das Cliffhanger-Szenario Dexters Ängste, dass sein Sohn genauso werden könnte wie er selbst. Allerdings wäre Dexter nicht Dexter, würde er sich nicht weiterentwickeln. Eine besonders schöne Episode ist hierbei Teenage Wasteland, in der Dexter sogar so weit als sozialer Mensch und Vater reift, dass ihn selbst Harry respektive sein eigenes Unterbewusstsein dafür lobt.
Dass die Serienmacher viele der dieser Punkte eher zu Beginn aufgreifen und sie bei Tempo 50 der eigentlichen Handlung über Bord werfen, ist verzeihlich. So verschwindet die nach außen entstandene emotionale Leere nach Ritas Tod ebenso schnell, wie die Sorge, dass Harrison ein ernsthaftes Trauma erlitten hat. In charakterlicher Hinsicht ist diese persönliche Komponente von Dexter fraglos gut herausgearbeitet, jedoch auch in den ersten vier Episoden - obschon der Auftakt My Bad ausgesprochen gelungen ist - eine etwas langatmige Prozedur, die die Handlung zum Stehen bringt und sich im Seelen-Sightseeing verliert. Was die fünfte Staffel von Dexter nun zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass anschließend ein wahres Feuerwerk abgebrannt wird.
Die fünfte Folge First Blood nimmt Anlauf, sowohl was die Handlung um den Rachefeldzug von Dexter und Lumen angeht, als auch bezüglich Quinns Involvierung des korrupten und entlassenen Cops Liddy (Peter Weller) in seine Ermittlungen gegen Dexter. In ihrer zweiten Hälfte gewinnt Dexter dann eine derartige Spannung, dass man sich an die guten alten Zeiten des Debütjahres erinnert fühlt. Dexters Recherchen nach den Tätern von Lumens Entführung führen schließlich zum Selbsthilfe-Guru Jordan Chase (Johnny Lee Miller) und dessen bizarrem Unternehmen. Und als einer von Chases Komplizen (zu denen Chris Vance, Scott Grimes und Shawn Hatosy zählen) einen Fehler begeht, wird Dexters „Fall“ auch zu einer Angelegenheit für seine Schwester Debra (Jennifer Carpenter).
Für Dexter selbst bedeutet dies, dass er alle Hände voll zu tun hat. Denn neben seinen Vaterpflichten gegenüber Harrison muss er sich auch noch Quinn vom Leib halten und auf Lumen aufpassen, während er gleichzeitig versucht, näher an Jordan Chase heranzukommen. All diese Szenarien werden so gekonnt ausbalanciert und zum Ende der Staffel gesteigert (die letzten beiden Folgen Hop a Freighter und The Big One dürfen als Highlights angesehen werden), dass sie selbst den nervigen Subplot um die Beziehung von Batista (David Zayas) und LaGuerta (Lauren Vélez) vergessen machen, sowie für die eher uninteressiert zu Beginn nebenbei laufende Santa Muerte Ermittlung entschädigen. Und natürlich ist sich auch Masuka (C.S. Lee) nicht zu schade, für comic relief zu sorgen.
Insgesamt waren die Besetzungen mit Julia Stiles, Johnny Lee Miller und Peter Weller in diesem Herbst ein Geschenk. Zwar wurde Dexter nicht in eine komplett neue Richtung gelenkt, eher alte Aspekte neu aufgegriffen und reformiert. Und selbst wenn man sich im Staffelfinale vielleicht die eine oder andere, die Serie auf eine neue Ebene hievende, Wendung gewünscht hätte, hat die fünfte Staffel von Dexter Laune gemacht und fasziniert. Dass es gelungen ist, qualitativ fast an das erste Jahr anzuknüpfen (lediglich der holprige Start verhinderte mehr) ist für eine fünfte Staffel ein großer Verdienst. Und man darf gespannt sein, welche Überraschungen die Autoren im nächsten Herbst für den beliebtesten Serienmörder der US-amerikanischen Fernsehlandschaft bereithalten.
8.5/10
Ich habe ja noch zwei Episoden vor mir, deshalb habe ich auch erst einmal nur dein Fazit gelesen, dem ich dieses Mal absolut zustimmen kann. Nach den ersten Episoden dachte ich noch, dass die Serie wirklich einen Dämpfer erlitten hat, doch dann ging glücklicherweise wieder extrem aufwärts und hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich die Staffel bestimmt schon längst verschlungen.
AntwortenLöschenNach der brillanten vierten Staffel fand ich die doch sehr ermüdend. Hatte stets das Gefühl, dass man nichts mehr zu erzählen hat. Wie du schon sagst, wiederholt diese Staffeln einige Erzählstränge und Ideen aus den vorausgegangenen. Ohnehin: Ohne Rita ist die Serie nur noch halb so viel wert.
AntwortenLöschen@Anthony: Mir gefällt die Serie ohne Rita besser, die hat mich oft doch sehr genervt. Und die vierte Staffel empfand ich auch klar als die Schwächste von allen. Von daher werden wir zwei uns wohl wie so oft nicht eining :-)
AntwortenLöschentut mir leid, ich finde auch, dass diese staffel die schwächste der bisherigen ist. dexter hat keinen wirklichen gegenspieler - jordan chase ist in keiner einzigen situation eine wirkliche bedrohung. liddy stellt auch über die komplette staffel hinweg, genauso wie quinn keine ernste bedrohung dar. ab dem zeitpunkt an dem sich dexter entschließt lumen zu helfen, war klar dass es in einer affäre der beiden enden wird. wobei lumen charakterlich soviel tiefgang hat wie dexters boot... nebenhandlungen (astor & cody, harrison, la guerta & batista, die mordserie) wurden je nach belieben als füllmaterial benutzt ohne je bedeutung zu bekommen. sämtliche handlungen (dexter & partner, bedrohung von einem kollegen, affären. etc.) wurden schon in vorhergehenden staffeln viel besser behandelt. das ende war für mich sehr enttäuschend. hier hätte wirklich etwas passieren können. nach der grandiosen vierten staffel, drängt sich mir der gedanke auf, dass dieses format mittlerweile den zenith überschritten hat.
AntwortenLöschenHabe mir deine Rezi noch nicht durchgelesen, weil ich eben erst Folge 1 gesehen habe. Und die war schonmal grottig. Die langweiligste Folge DEXTER bislang. Eigentlich kann es nur besser werden...
AntwortenLöschen@Jochen: Naja, mir gefiel die Auftaktfolge sehr gut, von daher wirst du wohl der Anthony-Bernd-Partei beitreten. So unterschiedlich sind eben Geschmäcker :)
AntwortenLöschenIch bin inzwischen auch durch und habe deine Kritik nun gelesen. Größtenteils kann ich dir zustimmen, wenngleich ich die finale Episode dann doch nicht so stark fand wie du. Das Spannungsfeuerwerk davor hat mich aber ebenso beeindruckt.
AntwortenLöschenAuch wenn dies nicht die beste Staffel war, so wurde ich doch wieder exzellent unterhalten - und letztendlich ist es das, was zählt.
Ich finde ja, dass noch kein Staffelfinale wirklich ein "Boah, ey"-Mäßiges war, schon gar nicht das vergangene bis auf den "Huch, Rita ist tot?"-Effekt. Mich hatte dieses Mal schon alleine der Konfrontationsmoment mit Debra immens faszniert. Ohnehin ging es für mich diese ganze Staffel über um die Themen Reife und Vertrauen und das wurde in meinen Augen nahezu perfekt transferiert.
AntwortenLöschenIch hätte auch keinen effekthascherischen Cliffhanger, wie den letzten gewollt. Mir hätte es schon gereicht, wenn die Ambivalenz, mit der z.B. Quinn Dexter nun sieht stärker herausgehoben worden wäre. Auch ein Verdachtsmoment von Debra wäre wünschenswert gewesen, aber nun gut. Wird ja noch kommen :)
AntwortenLöschenmir gefiel die Auftaktfolge sehr gut
AntwortenLöschenMal ehrlich Rudi: Was gibt es denn an dieser larmoyanten Rotzfolge (bis auf den Lokuskill) an Positivem zu entdecken? Hier werden doch sämtliche Fehler begangen, die man sich nur denken kann: öde, kitschige, weinerliche Rückblenden, die einem nichts aber auch gar nichts mitteilen; Hausfrauenpsychologie bei altklugen Kindern; erneut hundsmiserables Acting von Jennifer Carpenter - ich bin mir mittlerweile sicher, die hat die Rolle nur aufgrund ihres Äußeren und einem Blowjob bekommen; und schließlich: überflüssige Voice-over Monologe (ein weiteres Grundproblem der Serie, die panische Angst davor zu haben scheint, vom Zuschauer auch nur ein kleines bisschen Denkarbeit zu verlangen).
Um dich zu ärgern, hier noch ein Vergleich: So eine auf der Stelle tretende Folge wäre auch bei einer schwächeren HBO-Serie niemals möglich! ;-)
Jochen, Jochen, du als HBO-Advokat müsstest doch wissen, dass wir bei Serien nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Warum also in die Ferne schweifen?
AntwortenLöschenIch finde das Acting von Carpenter nicht hundsmiserabel (zumindest nicht schlechter wie das beispielsweise von de la Huerta und ihr nonstop Titten-Gewippe in BITCHWALK EMPIRE). Mir gefiel am Auftakt dieser Schock für Dexter, weniger bzgl. Ritas Tod, sondern dass die Tarnung, die er sich aufgebaut hat, nun am Arsch ist. Dass alles vor die Hunde geht, dass durch das Geflenne des Nachbarn nun Quinn sich beginnt an seine Fersen zu heften, zudem durch Astor die Selbstzweifel, dass er selbst daran Schuld trägt. Und vielleicht manches mehr (Folge ist nun ja auch schon 2 Monate her).
Genauso gut könnte ich dich fragen: Mal ehrlich, Jochen, was gibt es denn an diesen lahmarschigen HBO-Serien wie SOPRANOS oder BOARDWALK EMPIRE Positves zu entdecken? Jedem Reiter sein Ross - HUGH! ;)
Bei Boardwalk und Sopranos schwingt im Gegensatz zu DEXTER in jeder einzelnen Szene immer noch so viel unausgesprochens mit. Da liegt so viel im Argen. Und die de la Huerta Figur war ja nun als äußerst sexuelle Figur angelegt - ein Gegenpol zu Kelly Macdonald, die äußerlich nicht mithalten kann und Nucky in die Zwickmühle bringt, zwischen einer einfältigen Sexmaschine und einer klügeren Partnerin zu entscheiden. Großartig: die Serie lässt eine solche SCHEINBAR eindimensionale Figur nicht fallen, sondern verfolgt sie weiter (bis zu dem wunderbar komischen Auftritt bei Michael Shannon, der sie geschwängert zu haben scheint - ich freu mich auf Staffel 2).
AntwortenLöschenIch drifte ab: All das, was du hier "in favour of" anführst, sind doch reine Drehbuchkniffe, die aber inszenatorisch öde waren. So spannend wie eine Schachfigur die von C2 auf C3 wandert :-)
So spannend wie eine Schachfigur die von C2 auf C3 wandert
AntwortenLöschenBesser könnte ich jede 0815-HBO-Serie auch nicht beschreiben.
Tja, nur gibt es keine 08/15-HBO-Serie ;-)
AntwortenLöschenMir fallen da genug ein ;-)
AntwortenLöschenAb Folge drei geht's endlich los! :-)
AntwortenLöschenIch fand nicht, dass das ein wirklicher Cliffhanger in der vierten Staffel war. Die Frau war zwar tot, der Mörder aber auch, keine losen Enden vorhanden. Irgendwie zeigt Dexter leider auch nur noch ständig das gleiche, besonders das Ende der fünften Staffel fand ich doch sehr enttäuschend. Lumen weg, Kinder wieder da, alles wie vorher? Ist doch langweilig. In der nächsten Staffel kommt dann wieder einer, dem er sich anvertrauen möchte und einer, der seinem Geheimnis auf die Schliche kommt. Das ganze wieder von vorne, jedes Jahr auf's neue.
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