(Little Shop of Horrors)
Jemandem die Zähne zeigen bedeutet umgangssprachlich, Widerstand zu leisten. Womöglich geht diese Redensart auf die Heilige Apollonia von Alexandria zurück. Im Jahr 249 n. Chr. soll die Jungfrau während der Christenverfolgung angegangen worden sein. Man schlug ihr die Zähne aus und drohte, sie auf den Scheiterhaufen zu werfen, wenn sie ihrem christlichen Glauben nicht abschwor. Apollonia wählte den Märtyrertod und gilt seither als Patronin der Zahnärzte. Der heutige 9. Februar markiert ihren Todestag und ist zugleich der offizielle Tag des Zahnschmerzes. Wer unter solchen leide, solle zur Schmerzlinderung seine Gebete an die Heilige Apollonia richten – dazu riet angeblich bereits Papst Johannes XXI.
Das Verhältnis der Menschen zu Zahnärzten ist ein schwieriges. Die Deutsche Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie mutmaßt, dass zwei Drittel der Bevölkerung regelmäßig Angst vor dem Zahnarztbesuch hat. Laut der Technischen Krankenkasse ist es immerhin jede/r fünfte Deutsche, die sich vor einer Behandlung fürchten. Der Grund für die Dentalphobie liege dabei oft in traumatischen Erlebnissen als Kind, beispielsweise wenn gebohrt wird. Folglich schieben viele Menschen bei Zahnproblemen den Arztbesuch so lange wie möglich auf. Dabei sind Zahnschmerzen vielmehr ein Zeichen für Probleme, die besser gleich behoben werden. Sonst können sich noch weitaus schlimmere Folgen abzeichnen, die schwieriger zu reparieren sind.
Beschädigte Zähne können mit am meisten Schmerzen verursachen. Dies liegt an den ausgeprägten Nervensträngen der einzelnen Zähne. Die sind mit den Nervenbahnen des Gesichtsnervs verbunden, weshalb Zahnschmerzen auf die Ohren, den Nacken und den Kopf ausstrahlen können. Ursächlich sind Parodontitis, fehlender Zahnschmelz oder am häufigsten Karies. Dabei sind die zahnmedizinischen Probleme hierzulande konstant im Rückgang. So verdoppelte sich allein zwischen 1997 und 2005 fast die Zahl der kariesfreien Kinder von 42 auf 70 Prozent. Was den Kariesbefall bei Kindern angeht schneidet Deutschland sowieso neben Dänemark im internationalen Vergleich mit am besten ab – doppelt so gut wie Frankreich, Spanien oder Österreich.
Auch bei jungen Erwachsenen und jungen Senioren ist die Zahl der Parodontalerkrankungen rückläufig. Dennoch ist die Angst vor dem Besuch in der Zahnarztpraxis in Deutschland groß, fürchtet sich zum Beispiel jede/r Zweite vor dem Bohrer. Weil mitunter für das Beheben einer Odontalgie, dem vom Zahn ausgehenden Schmerzgefühl, kurzzeitig Schmerzen nötig sind. “You’ll be a dentist! You have a talent for causing things pain”, singt Steve Martins sadistischer Zahnarzt in Little Shop of Horrors von der Berufs-Prognose seiner Mutter. Es verwundert daher nicht, dass in Filmen gerne Zahnschmerzen als probates Mittel der Folter herhalten müssen. Sei es zur Bestrafung für ein vorheriges Verhalten oder um Informationen zu erhalten.
So lässt Jason Isaacs Kurklinik-Arzt in Gore Verbinskis A Cure for Wellness dem Wall-Street-Broker von Dane DeHaan in einen gesunden Zahn bohren, während Choi Min-siks Protagonist in Park Chan-wooks Oldboy seinem Gegenspieler für Hinweise die Zähne per Hammer zieht. Humorvoll wird der Zahnverlust wiederum in Komödien inszeniert, egal ob in Home Alone Joe Pescis Goldzahn dran glauben muss oder in The Hangover Ed Helms’ Zahnmediziner selbst Hand anlegt. Eher subtil und Zeichen für anders gelagerte Probleme äußern sich in Darren Aronofsys Requiem for a Dream das Zähneknirschen der Diätpillen-Abhängigen Ellen Burstyn oder Essie Davis’ Zahnprobleme in Jennifer Kents Psycho-Horror-Film The Babadook.
Zähne können in Filmen natürlich noch andere Rollen spielen. Als scheinbarer Hilferuf in einer Rabbi-Anekdote in A Serious Man der Coen-Brüder oder als Auslöser für die Begegnung zweier Eheleute in Orson Welles’ Meisterwerk Citizen Kane. Dass sich mittels der individuellen Charakteristika unserer Zähne und über einen Gebissabgleich ante und post mortem unsere Identität nachweisen lässt, integrierten sowohl John McTiernans Thriller Wild Things als auch Jonathan Lynns Komödie The Whole Nine Yards in ihre Handlungen. Schmerzen können natürlich auch anderen durch Zähne verursacht werden, so wie durch Jess Weixlers mit einer Vagina dentata ausgestatteten Figur in Mitchell Lichtensteins Horror-Film Teeth von 2007.
Im Allgemeinen spielen Zähne und Zahnschmerzen in Filmen dann aber doch eine eher geringere Rolle. Vielleicht auch deshalb, weil die Assoziation mit den eigenen Ängsten als für zu groß erachtet wird. Bei manchen Menschen ist die Dentalphobie derart ausgeprägt, dass sie sich gar nicht mehr zu den in Deutschland erwerbstätigen rund 71.500 Zahnmedizinern wagen. So gibt die Barmer-Krankenkasse an, dass im Saarland und in Bremen ein Drittel der Bevölkerung nicht regelmäßig zum Zahnarzt geht. Bundesweit spart sich ebenfalls jede/r Vierte den jährlich von den Krankenkassen zur Vorsorge empfohlenen Besuch. Dabei kann es wie erwähnt oft zu spät sein, wenn erst nach langer Odontalgie über Jahre hinweg letztlich ein Arzt aufgesucht wird.
Mitunter wird neben Traumata aus Kindheitstagen auch das Schamgefühl gegenüber dem eigenen Mundbereich als Grund für die dentale Abstinenz angegeben. Sprich: Die Leute wollen anderen nicht die Zähne zeigen. Und geben stattdessen lieber ein Stoßgebet an die Heilige Apollonia ab. Zum Abschluss dieser Ausgabe der Top 5 wird nun fünf Filmen, die in gewisser Weise exemplarisch für die jeweils unterschiedliche Darstellung und Bedeutung von Odontalgie innerhalb des Mediums stehen, quasi auf den Zahn gefühlt. Das Ganze natürlich – wie immer – höchst subjektiv. Das müssen diejenigen, die anderer Meinung sind, in diesem Fall dann wohl zähneknirschend hinnehmen. Und ehe sich jetzt noch eine/r ins Feuer wirft:
5. The Spy Who Loved Me (Lewis Gilbert, UK 1977): Unterwegs mit seiner KGB-Kollegin Triple X (Barbara Bach) wird James Bond in The Spy Who Loved Me auf einer Zugfahrt durch Ägypten von Handlanger Jaws (Richard Kiel) attackiert. Physisch gegen diesen unterlegen, bleibt 007 nichts übrig, als das Metallgebiss seines Widersachers mit einem Lampenfuß unter Strom zu setzen, ehe ihm Jaws das Genick brechen kann. Zahnschmerzen als letzter Ausweg der Selbstverteidigung haben dabei eher Seltenheitswert.
4. Marathon Man (John Schlesinger, USA 1976): Eine der eindringlichsten dentalen Folterszenen der Filmgeschichte findet sich in John Schlesingers Marathon Man. Dort fühlt der ehemalige KZ-Zahnarzt Christian Szell (Laurence Olivier) buchstäblich Geschichtsstudent Babe (Dustin Hoffman) auf den Zahn – genauer: seine Nerven (“Is it safe?”). Im Ausland untergetaucht, lebt Szell von Diamanten, die er einst KZ-Häftlingen abnahm. Auf der Suche nach diesen findet er in Babe jedoch keinen hilfreichen Informanten.
3. Kynodontas (Giorgos Lanthimos, GR 2009): Zuhause eingesperrt und abseits der Gesellschaft aufgezogen, dürfen in Kynodontas drei Kinder laut ihrem Vater (Christos Stergioglou) erst das Elternhaus verlassen, wenn sie als Zeichen der Reife ihren Eckzahn verlieren. Die älteste Tochter (Angeliki Papoulia) hilft mit einer Hantel kurzerhand nach – und verschafft sich mit dem Ausschlagen ihres Eckzahns Legitimation für die Flucht von Zuhause. Hier repräsentiert der Zahnschmerz somit das Erlangen von Freiheit.
2. Cast Away (Robert Zemeckis, USA 2000): Manchmal wünscht man sich dann doch einen Zahnarzt, so wie der auf einer einsamen Insel in Cast Away gestrandete Chuck (Tom Hanks). Ein mit Karies befallener Zahn löst eine Infektion seines Zahnfleischs aus, was dem Überlebenden eines Flugzeugabsturzes keine Wahl lässt, als sich mit Hilfe eines Schlittschuhs kurzerhand selbst des kranken Zahns zu entledigen. Da kann man einmal sehen, wie wichtig es doch ist, sich zwei Mal täglich die Zähne zu putzen.
1. Jackass 3D (Jeff Tremaine, USA 2010): Was in den anderen Beispielen lediglich Fiktion war, setzte Jackass 3D in die Realität um. Ehren McGhehey tat sich als Freiwilliger hervor und ließ sich einen krummen Zahn ziehen – festgebunden an einen startenden Lamborghini. All das, weil ihm Chris Pontius versprach, man könne den Zahn erneut einfügen, allerdings dieses Mal korrigiert. Was sich letztlich, wen wundert’s, als falsche Behauptung herausstellte. “The tooth”, verkündet Johnny Knoxville, “is officially pulled.”
Das Verhältnis der Menschen zu Zahnärzten ist ein schwieriges. Die Deutsche Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie mutmaßt, dass zwei Drittel der Bevölkerung regelmäßig Angst vor dem Zahnarztbesuch hat. Laut der Technischen Krankenkasse ist es immerhin jede/r fünfte Deutsche, die sich vor einer Behandlung fürchten. Der Grund für die Dentalphobie liege dabei oft in traumatischen Erlebnissen als Kind, beispielsweise wenn gebohrt wird. Folglich schieben viele Menschen bei Zahnproblemen den Arztbesuch so lange wie möglich auf. Dabei sind Zahnschmerzen vielmehr ein Zeichen für Probleme, die besser gleich behoben werden. Sonst können sich noch weitaus schlimmere Folgen abzeichnen, die schwieriger zu reparieren sind.
Beschädigte Zähne können mit am meisten Schmerzen verursachen. Dies liegt an den ausgeprägten Nervensträngen der einzelnen Zähne. Die sind mit den Nervenbahnen des Gesichtsnervs verbunden, weshalb Zahnschmerzen auf die Ohren, den Nacken und den Kopf ausstrahlen können. Ursächlich sind Parodontitis, fehlender Zahnschmelz oder am häufigsten Karies. Dabei sind die zahnmedizinischen Probleme hierzulande konstant im Rückgang. So verdoppelte sich allein zwischen 1997 und 2005 fast die Zahl der kariesfreien Kinder von 42 auf 70 Prozent. Was den Kariesbefall bei Kindern angeht schneidet Deutschland sowieso neben Dänemark im internationalen Vergleich mit am besten ab – doppelt so gut wie Frankreich, Spanien oder Österreich.
In Park Chan-wooks Oldboy versucht sich der Held als Hobby-Dentologe. |
So lässt Jason Isaacs Kurklinik-Arzt in Gore Verbinskis A Cure for Wellness dem Wall-Street-Broker von Dane DeHaan in einen gesunden Zahn bohren, während Choi Min-siks Protagonist in Park Chan-wooks Oldboy seinem Gegenspieler für Hinweise die Zähne per Hammer zieht. Humorvoll wird der Zahnverlust wiederum in Komödien inszeniert, egal ob in Home Alone Joe Pescis Goldzahn dran glauben muss oder in The Hangover Ed Helms’ Zahnmediziner selbst Hand anlegt. Eher subtil und Zeichen für anders gelagerte Probleme äußern sich in Darren Aronofsys Requiem for a Dream das Zähneknirschen der Diätpillen-Abhängigen Ellen Burstyn oder Essie Davis’ Zahnprobleme in Jennifer Kents Psycho-Horror-Film The Babadook.
Zähne können in Filmen natürlich noch andere Rollen spielen. Als scheinbarer Hilferuf in einer Rabbi-Anekdote in A Serious Man der Coen-Brüder oder als Auslöser für die Begegnung zweier Eheleute in Orson Welles’ Meisterwerk Citizen Kane. Dass sich mittels der individuellen Charakteristika unserer Zähne und über einen Gebissabgleich ante und post mortem unsere Identität nachweisen lässt, integrierten sowohl John McTiernans Thriller Wild Things als auch Jonathan Lynns Komödie The Whole Nine Yards in ihre Handlungen. Schmerzen können natürlich auch anderen durch Zähne verursacht werden, so wie durch Jess Weixlers mit einer Vagina dentata ausgestatteten Figur in Mitchell Lichtensteins Horror-Film Teeth von 2007.
Zähneknirschen wie in Darren Aronofskys Requiem for a Dream kann zu Schmerzen führen. |
Mitunter wird neben Traumata aus Kindheitstagen auch das Schamgefühl gegenüber dem eigenen Mundbereich als Grund für die dentale Abstinenz angegeben. Sprich: Die Leute wollen anderen nicht die Zähne zeigen. Und geben stattdessen lieber ein Stoßgebet an die Heilige Apollonia ab. Zum Abschluss dieser Ausgabe der Top 5 wird nun fünf Filmen, die in gewisser Weise exemplarisch für die jeweils unterschiedliche Darstellung und Bedeutung von Odontalgie innerhalb des Mediums stehen, quasi auf den Zahn gefühlt. Das Ganze natürlich – wie immer – höchst subjektiv. Das müssen diejenigen, die anderer Meinung sind, in diesem Fall dann wohl zähneknirschend hinnehmen. Und ehe sich jetzt noch eine/r ins Feuer wirft:
5. The Spy Who Loved Me (Lewis Gilbert, UK 1977): Unterwegs mit seiner KGB-Kollegin Triple X (Barbara Bach) wird James Bond in The Spy Who Loved Me auf einer Zugfahrt durch Ägypten von Handlanger Jaws (Richard Kiel) attackiert. Physisch gegen diesen unterlegen, bleibt 007 nichts übrig, als das Metallgebiss seines Widersachers mit einem Lampenfuß unter Strom zu setzen, ehe ihm Jaws das Genick brechen kann. Zahnschmerzen als letzter Ausweg der Selbstverteidigung haben dabei eher Seltenheitswert.
4. Marathon Man (John Schlesinger, USA 1976): Eine der eindringlichsten dentalen Folterszenen der Filmgeschichte findet sich in John Schlesingers Marathon Man. Dort fühlt der ehemalige KZ-Zahnarzt Christian Szell (Laurence Olivier) buchstäblich Geschichtsstudent Babe (Dustin Hoffman) auf den Zahn – genauer: seine Nerven (“Is it safe?”). Im Ausland untergetaucht, lebt Szell von Diamanten, die er einst KZ-Häftlingen abnahm. Auf der Suche nach diesen findet er in Babe jedoch keinen hilfreichen Informanten.
3. Kynodontas (Giorgos Lanthimos, GR 2009): Zuhause eingesperrt und abseits der Gesellschaft aufgezogen, dürfen in Kynodontas drei Kinder laut ihrem Vater (Christos Stergioglou) erst das Elternhaus verlassen, wenn sie als Zeichen der Reife ihren Eckzahn verlieren. Die älteste Tochter (Angeliki Papoulia) hilft mit einer Hantel kurzerhand nach – und verschafft sich mit dem Ausschlagen ihres Eckzahns Legitimation für die Flucht von Zuhause. Hier repräsentiert der Zahnschmerz somit das Erlangen von Freiheit.
2. Cast Away (Robert Zemeckis, USA 2000): Manchmal wünscht man sich dann doch einen Zahnarzt, so wie der auf einer einsamen Insel in Cast Away gestrandete Chuck (Tom Hanks). Ein mit Karies befallener Zahn löst eine Infektion seines Zahnfleischs aus, was dem Überlebenden eines Flugzeugabsturzes keine Wahl lässt, als sich mit Hilfe eines Schlittschuhs kurzerhand selbst des kranken Zahns zu entledigen. Da kann man einmal sehen, wie wichtig es doch ist, sich zwei Mal täglich die Zähne zu putzen.
1. Jackass 3D (Jeff Tremaine, USA 2010): Was in den anderen Beispielen lediglich Fiktion war, setzte Jackass 3D in die Realität um. Ehren McGhehey tat sich als Freiwilliger hervor und ließ sich einen krummen Zahn ziehen – festgebunden an einen startenden Lamborghini. All das, weil ihm Chris Pontius versprach, man könne den Zahn erneut einfügen, allerdings dieses Mal korrigiert. Was sich letztlich, wen wundert’s, als falsche Behauptung herausstellte. “The tooth”, verkündet Johnny Knoxville, “is officially pulled.”
Du kommst auf Ideen! :D
AntwortenLöschen"Little Shop of Horrors" wäre mir zu dem Thema tatsächlich auch als erstes eingefallen. Und vor dieser Szene in "Cast Away" gruselt es mich jedes mal. Brr. Ich hasse aber auch Zahnarztbesuche.