Sprichwörter haben oftmals etwas für sich, zum Beispiel „Je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall“. Das weiß vermutlich in Hollywood niemand besser als Ben Affleck. Vier Jahre lang, von 1998 bis 2002, war Affleck obenauf. Einer der kommenden Stars Traumfabrik, mit Millionengehältern und Freundinnen, die auf die Namen Gwyneth Paltrow und Jennifer Lopez hörten. Mit den Bruckheimer-Filmen Armageddon und Pearl Harbour spielte er Hunderte Millionen Dollar ein, doch nach der Jahrtausendwende sollten um 2002/2003 Werke wie Daredevil oder auch Gigli, das gemeinsame Filmprojekt mit „Bennifer“-Verlobten Jennifer Lopez, floppen. Und Afflecks Karriere die nächsten Jahre in Nebenrollen wie Smokin’ Aces verdammen.
Als es mit den Schauspielangeboten mauer wurde, orientierte sich Affleck vor einigen Jahren einfach neu. In Gone Baby Gone, einer Romanadaption von Dennis Lehane, versuchte sich Affleck erstmals als Regisseur – und beeindruckte. Auch wenn der Film nach der ersten Hälfte an seiner kruden Geschichte (typisch für die Werke Lehanes) scheitert. Affleck jedenfalls entdeckte eine Nische für sich, und besetzte sie nun dieses Jahr erneut. In The Town führte Affleck erneut Regie und heuerte erneut einen Affleck für die Hauptrolle an. Anstelle seines Bruders Casey dieses Mal sich selbst. Und wo Affleck sich zwar schauspielerisch nicht unbedingt rehabilitieren kann, gelingt es ihm, einen weiteren, sicheren Schritt ins Regiefach zu machen.
Was ein Mal funktioniert, funktioniert auch ein zweites Mal. Für The Town lag erneut ein Roman als Vorlage zu Grunde. Zwar nicht von Dennis Lehane, aber dennoch im Bostoner Umfeld beheimatet. Chuck Hogans drittes Buch “Prince of Thieves” ist 400 Seiten dick und beschäftigt sich mit einer Gruppe von vier Jugendfreunden, die im Bostoner Vorort Charlestown groß wurden. Einem Stadtteil, der pro Kopf gesehen mehr Bankräuber hervorgebracht hat, als jeder andere Ort in den USA – mit dieser Information und Voraussetzung beginnen Hogan wie Affleck die Geschichte. Hauptprotagonist ist Doug MacRay (Ben Affleck), der gemeinsam mit seinem besten Freund, dem heißblütigen Jem (Jeremy Renner), Geldtransporter und Banken überfällt.
Bei einem dieser Überfälle trifft Doug die Bankmanagerin Claire (Rebecca Hall), die wie die Jungs aus Charlestown kommt – und diese daher eventuell identifizieren könnte. Während Jem sie buchstäblich kaltstellen will, kümmert sich Doug um die Angelegenheit. Als sich die Zwei näher kommen, beginnen sie, Gefühle füreinander zu entwickeln. Unterdessen zieht FBI-Ermittler Adam Frawley (Jon Hamm) die Schlinge um Doug, Jem und Co. immer enger. Der Film selbst ist ein klassischer Heist-Thriller. Es geht um Überfälle, die geplant und überlebt werden müssen. Wer hier im Verlaufe des Filmes stirbt, wer überlebt und an welcher Gabelung sich die jeweiligen Figuren am Ende der Geschichte wiederfinden, sollte daher niemanden überraschen.
In The Town ist also der Weg einmal mehr das Ziel und Affleck erweist sich als überaus guter Führer auf diesen bekannten Pfaden. Die Inszenierung der Handlung ist schnörkellos, zwar vorhersehbar, aber dennoch spannend. Es ist ein großer Verdienst, dass Affleck gar nicht erst versucht, irgendwelche überraschenden Wendungen einzubauen. Dass er die Geschichte runter erzählt, ohne Sperenzchen zu treiben. Sicherlich, die Figuren bleiben weitestgehend gesichtslos und eindimensional. Doug, das Eishockeytalent, das an seinem Temperament und der Tatsache gescheitert ist, dass er nicht rückwärts Schlittschuhlaufen kann. Jem, die getrieben Seele aus dem Viertel, gefangen in der Spirale der Gewalt, in die er sich selbst begeben hat.
Die beiden anderen Kumpel erhalten nicht einmal so viel Tiefe, ebensowenig wie Claire, die letztlich bloß der personifizierte Wendepunkt für den Romanhelden ist. Auch Jon Hamms FBI-Ermittler bleibt relativ konturenlos. Das Interesse an Claire aus Hogans Roman verschwindet, ebenso die unsympathische Freundin, die eigentlich Bestandteil seines Lebens ist. Ein tiefgründiger Blick hinter die Figuren, wie es Michael Mann in Heat für die Protagonisten pflegte, fehlt Afflecks Film. Hamms Figur empfindet keine Sympathien für Doug und Jem – genauso wie Frawleys Partner (Titus Welliver), der auch aus Charlestown stammt. Da ein 120-Minuten-Film kein 400-Seiten-Roman ist, spart Affleck viel über die Charaktere aus.
Auch Blake Livelys drogensüchtige, alleinerziehende White-Trash-Schwester von Jem und Ex von Doug existiert eigentlich nur aus einem einfachen, profanen Grund – und reiht sich damit neben die anderen, charakterlich weitestgehend blassen Figuren ein. Wer sich also erhofft, die Figuren in The Town näher kennenzulernen, wird wohl enttäuscht werden. Sie sind bloß Schachfiguren in einem Spiel, das seit Jahrzehnten gespielt wird. Weshalb sie ihre Funktion auch zufriedenstellend erfüllen. Der Zuschauer wird bis zum Schluss unterhalten, fiebert mit, ist gespannt – mehr kann man bei einem derart vorhersehbaren Genre wie dem Heist-Thriller vermutlich nicht erwarten. Auch schauspielerisch holt das Darstellerensemble alles raus.
Renner gibt den gewaltaffinen Heißsporn und genießt es wie Mad Men-Mime Hamm, sich im Kino austoben zu dürfen. Halls Leistung verschwindet fast hinter der faszinierenden Ähnlichkeit zwischen ihr und Scarlett Johansson, während Alteingesessene wie Pete Postlethwaite und Chris Cooper mit ihren Rollen kaum Probleme haben. Überraschenderweise überzeugt sogar Gossip Girls Blake Lively als heruntergekommene Blondine, während Afflecks Rolle seiner „gutherzige Männer mit Problemen“-Kiste entstammt, der schon seine Figuren aus Reindeer Games, Man About Town und Co. angehörten. Somit ist The Town letztlich ein durchaus gelungener Beitrag zum Genre und auch zu Ben Afflecks Vita. Getreu dem Motto: Was lange währt, wird endlich gut.
Als es mit den Schauspielangeboten mauer wurde, orientierte sich Affleck vor einigen Jahren einfach neu. In Gone Baby Gone, einer Romanadaption von Dennis Lehane, versuchte sich Affleck erstmals als Regisseur – und beeindruckte. Auch wenn der Film nach der ersten Hälfte an seiner kruden Geschichte (typisch für die Werke Lehanes) scheitert. Affleck jedenfalls entdeckte eine Nische für sich, und besetzte sie nun dieses Jahr erneut. In The Town führte Affleck erneut Regie und heuerte erneut einen Affleck für die Hauptrolle an. Anstelle seines Bruders Casey dieses Mal sich selbst. Und wo Affleck sich zwar schauspielerisch nicht unbedingt rehabilitieren kann, gelingt es ihm, einen weiteren, sicheren Schritt ins Regiefach zu machen.
Was ein Mal funktioniert, funktioniert auch ein zweites Mal. Für The Town lag erneut ein Roman als Vorlage zu Grunde. Zwar nicht von Dennis Lehane, aber dennoch im Bostoner Umfeld beheimatet. Chuck Hogans drittes Buch “Prince of Thieves” ist 400 Seiten dick und beschäftigt sich mit einer Gruppe von vier Jugendfreunden, die im Bostoner Vorort Charlestown groß wurden. Einem Stadtteil, der pro Kopf gesehen mehr Bankräuber hervorgebracht hat, als jeder andere Ort in den USA – mit dieser Information und Voraussetzung beginnen Hogan wie Affleck die Geschichte. Hauptprotagonist ist Doug MacRay (Ben Affleck), der gemeinsam mit seinem besten Freund, dem heißblütigen Jem (Jeremy Renner), Geldtransporter und Banken überfällt.
Bei einem dieser Überfälle trifft Doug die Bankmanagerin Claire (Rebecca Hall), die wie die Jungs aus Charlestown kommt – und diese daher eventuell identifizieren könnte. Während Jem sie buchstäblich kaltstellen will, kümmert sich Doug um die Angelegenheit. Als sich die Zwei näher kommen, beginnen sie, Gefühle füreinander zu entwickeln. Unterdessen zieht FBI-Ermittler Adam Frawley (Jon Hamm) die Schlinge um Doug, Jem und Co. immer enger. Der Film selbst ist ein klassischer Heist-Thriller. Es geht um Überfälle, die geplant und überlebt werden müssen. Wer hier im Verlaufe des Filmes stirbt, wer überlebt und an welcher Gabelung sich die jeweiligen Figuren am Ende der Geschichte wiederfinden, sollte daher niemanden überraschen.
In The Town ist also der Weg einmal mehr das Ziel und Affleck erweist sich als überaus guter Führer auf diesen bekannten Pfaden. Die Inszenierung der Handlung ist schnörkellos, zwar vorhersehbar, aber dennoch spannend. Es ist ein großer Verdienst, dass Affleck gar nicht erst versucht, irgendwelche überraschenden Wendungen einzubauen. Dass er die Geschichte runter erzählt, ohne Sperenzchen zu treiben. Sicherlich, die Figuren bleiben weitestgehend gesichtslos und eindimensional. Doug, das Eishockeytalent, das an seinem Temperament und der Tatsache gescheitert ist, dass er nicht rückwärts Schlittschuhlaufen kann. Jem, die getrieben Seele aus dem Viertel, gefangen in der Spirale der Gewalt, in die er sich selbst begeben hat.
Die beiden anderen Kumpel erhalten nicht einmal so viel Tiefe, ebensowenig wie Claire, die letztlich bloß der personifizierte Wendepunkt für den Romanhelden ist. Auch Jon Hamms FBI-Ermittler bleibt relativ konturenlos. Das Interesse an Claire aus Hogans Roman verschwindet, ebenso die unsympathische Freundin, die eigentlich Bestandteil seines Lebens ist. Ein tiefgründiger Blick hinter die Figuren, wie es Michael Mann in Heat für die Protagonisten pflegte, fehlt Afflecks Film. Hamms Figur empfindet keine Sympathien für Doug und Jem – genauso wie Frawleys Partner (Titus Welliver), der auch aus Charlestown stammt. Da ein 120-Minuten-Film kein 400-Seiten-Roman ist, spart Affleck viel über die Charaktere aus.
Renner gibt den gewaltaffinen Heißsporn und genießt es wie Mad Men-Mime Hamm, sich im Kino austoben zu dürfen. Halls Leistung verschwindet fast hinter der faszinierenden Ähnlichkeit zwischen ihr und Scarlett Johansson, während Alteingesessene wie Pete Postlethwaite und Chris Cooper mit ihren Rollen kaum Probleme haben. Überraschenderweise überzeugt sogar Gossip Girls Blake Lively als heruntergekommene Blondine, während Afflecks Rolle seiner „gutherzige Männer mit Problemen“-Kiste entstammt, der schon seine Figuren aus Reindeer Games, Man About Town und Co. angehörten. Somit ist The Town letztlich ein durchaus gelungener Beitrag zum Genre und auch zu Ben Afflecks Vita. Getreu dem Motto: Was lange währt, wird endlich gut.
7/10
Ich finde den Tweet dazu großartig: "Warum sich The Town lohnt"
AntwortenLöschenund würde sagen, weil sich der Besucher nicht betrogen fühlt. Für den immer gleichen Eintrittspreis gibt es das übliche, gut inszenierte, nicht besonders ausstechende Genrekino.