24. Juni 2008

Stromberg - Erste Staffel

Theoretisch hab ich ja auch die Treppe genommen. 

In Großbritannien entstand 2001 mit The Office eine kleine, aber feine Serie durch Ricky Gervais und Stephen Merchant, die obschon ihrer geringen Folgenzahl einen großen kulturellen Effekt erzielte. Zumindest in der Medienlandschaft war The Office ein Geheimtipp und wurde anschließend von Gervais für den amerikanischen Markt konzipiert. Das dortige Pendant weiß jedoch noch eine Spur besser zu gefallen, doch richtet sich das subjektiv immer danach, ob man nun Michael Scott (Steve Carell) oder David Brent (Gervais) lieber sieht. Auch in Kanada und Frankreich (Le Bureau) hat die Serie bereits ihre entsprechenden Ableger gefunden. Das grundsätzliche Schema der Serie ist dabei meist dasselbe: eine Mockumentary über das Leben in einer Versicherungsfiliale. Aufgehängt wird dies über den jeweiligen Abteilungsleiter, der sich stets in das nächstgelegene Fettnäpfchen zu setzen weiß und bei seinen Angestellten nicht unbedingt beliebt ist, es jedoch selbst glaubt zu sein. Abgerundet wird dies von drei weiteren Figuren, dem nerdigen Angestellten, wie ihn Rainn Wilson perfektioniert hat, sowie einem potentiellen Liebespärchen innerhalb der Abteilung. 

Während die ausländischen Office-Ableger in Hinblick auf das Original entstanden, maßte sich der deutsche TV-Autor und Produzent Ralf Husmann an, das Konzept von Gervais und Merchant zu klauen, ohne auf das Original aufmerksam zu machen. Im Herbst 2004 lief sein Stromberg auf Pro Sieben und beinhaltete im Grunde all das, was The Office ausmacht. Erst nachdem Gervais der deutschen Produktionsfirma Brainpool mit einer Unterlassungsklage drohte, erklärte sich Husmann bereit ab der zweiten Staffel einen Verweis zum britischen Vorgänger einzubauen. Dass die Deutschen jedoch liebend gern vom internationalen Markt klauen, ist in der Medienlandschaft einschlägig bekannt und zeigt nur wie armselig das deutsche Fernsehen eigentlich ist. Dabei gibt es durchaus einige kleine Änderungen in Stromberg, die Rolle der Rezeptionistin wurde abgeändert zur einfachen Sachbearbeiterin Tanja Seifert (Diana Staehly), außerdem wurde mit Erika Burstedt (Martina Eitner) eine zusätzliche zentrale Figur eingebaut. Außerdem wäre zu erwähnen, dass der Nerd der Serie, Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Mädel) in der Tat von jedem aus seiner Abteilung gemobbt wird, wie er selber immer anklagt. 

Bei der ersten Ausstrahlung war Stromberg noch der absolute Kracher, wenn man die Serie jedoch mit den englischsprachigen Pendants vergleicht, verliert der deutsche Ableger ungemein. Fraglos besticht Husmann mit grandiosen Dialogen und frechen Momenten, jedoch verliert sich die Handlung ein ums andere Mal an ihren zahlreichen Figuren. Während sich die amerikanische Version zentral auf die vier Hauptcharaktere fokussiert, Michael Scotts Chefin Jan eher selten und wenn nur am Rande auftaucht, so ist Strombergs (Christop Maria Herbst) Vorgesetzte, Frau Berkel, quasi omnipräsent. Stromberg leitet  mit seinem türkischstämmigen Kollegen Sinan Turculu die Schadensregulierung der Capitol Versicherungen AG in Köln. Dabei stellt sich jedoch heraus, dass Bernd Stromberg der Geschäftsleitung mehr und mehr negativ auffällt. Die beiden Abteilungen der Schadensregulierung sollen zusammen gelegt werden und Stromberg glaubt die Gesamtleitung zu erhalten. Dabei steht sein Job in Gefahr und der Gute merkt das nicht mal. In diesem Zusammenhang tauchen eigentlich in jeder der acht Folgen der ersten Staffel die „Antagonisten“ Berkel und Turculu auf. Mit dem Geschehen innerhalb seiner Abteilung hat Stromberg eher weniger am Hut, weiß sich aber dennoch auch dort gelegentlich katastrophal einzuschalten.
 
Wenn im Wald ein Wolf einem Wolf begegnet, dann denkt der sich „Ah, ein Wolf“. Aber wenn ein Mensch im Wald einem Mensch begegnet, dann denkt der sich „Ah, sicher ein Mörder“. 

Hatten Tim Canterbury (Martin Freeman) und Jim Halpert (John Krasinski) ihren nebensitzenden Arbeitskollegen gelegentlich Streiche gespielt (Tacker in Gelee, z.B.), so trifft dies auf Ulf (Oliver Wnuk) überhaupt nicht zu. Während der amerikanische Jim einer der besten Arbeiter seiner Abteilung ist, bildet Ulf das Schlusslicht in Stromberg. Außerdem trifft es tatsächlich zu, dass er den guten Ernie mobbt und das nicht manchmal, sondern ständig. Dieses Mobbing wird schließlich hin und wieder auch von Tanja oder Erika, sowie anderen Kollegen nicht nur gebilligt, sondern auch unterstützt. Husmann fördert dies, indem er Ernie des Öfteren auch wirklich als Trottel darstellt, der sich selbst einen Hitlerbart schmiert oder Feuer legt. Man darf natürlich nicht übersehen, dass in Deutschland eine andere Arbeitsauffassung herrscht, als jetzt in den USA oder England. Ob sich das Serienformat zum Beispiel in Japan durchsetzen ließe, würde ich sogar fast ausschließen, da Abteilungsleiter dort einen anderen Charakter haben, als dies in der westlichen Welt der Fall ist. Stromberg jedenfalls entspricht durchaus dem Bild, das man von einem deutschen Abteilungsleiter haben könnte. Dieses Bild wirkt auch deswegen so überzeugend, da Christoph Maria Herbst hier die Rolle seines Lebens gefunden hat. Stromberg ist ein Narzisst und Macho wie er im Buche steht. Als Randgruppen bezeichnet er gerne mal neben Behinderten auch Schwule und Frauen und seiner Meinung nach hat der Türke außer Kaffee, Döner und Bauchtanz nichts geleistet. Dass bei solchen Einstellungen Ärger vorprogrammiert ist, dürfte sich von selbst verstehen. 

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Spiel aller beteiligten Darsteller gelungen ist, wobei insbesondere Bjarne Mädel zu loben ist. Durch das große Ensemble lassen sich jedoch weniger starke Sympathien aufbauen, wie dies bei der US-Version. Ein weiteres Problem bei Stromberg ist der Einbezug der Arbeit in das Geschehen der Serie. Im amerikanischen Pendant besteht die Serie fast ausschließlich aus den spinnerten Ideen von Michael Scott, in der deutschen Fassung jedoch spielen Zahlen, Vertragsabschlüsse und so weiter eine sehr viel stärkere Rolle. Immer wieder macht die Berkel Stromberg darauf aufmerksam, dass Verträge abzuschließen sind, Zahlen nicht stimmen, Mitarbeiterunterlagen abhanden gekommen sind. Wenn Stromberg dies mit einem „Da gehen wir besser mal in mein Büro“, im Zusammenhang mit Krawattenglattstreichen, oder einem einsilbigen „Läuft“, im Zusammenhang mit Bartglattstreichen, abtut, ist dies durchaus amüsant, jedoch auch eintönig. Die Ursache hierfür findet sich wohl darin, dass Stromberg selten in seiner Abteilung ist. Entweder er hat mit seinen Vorgesetzten zu tun oder er verschanzt sich in seinem Büro und lässt fantastische Analogien auf die Kamera los („Der Teufel ist ein Eichhörnchen“). 

Aus vielen Einzelideen setzt sich aber kein funktionierendes Ganzes zusammen, das ist von Seiten Husmanns bedauerlicherweise oft zu wenig. Wenn Erika ihr Patenkind ins Geschäft bringt, so nervt das, auch wenn es etwas lustig ist, wenn Stromberg die pubertierende Schülerin als Mittel zum Zweck benutzt. Zwar wissen Tanja, Ulf und Stromberg gelegentlich ihre sympathischen Seiten zu zeigen, jedoch ist hier auch sehr viel Schatten neben der Sonne. Wirklich am Herzen hängen tun die Figuren einem nicht, jedenfalls nicht wie es bei der US-Version der Fall ist. Außerdem baut die erste Staffel nach einem guten Beginn stark ab, die ersten drei Folgen (Der Parkplatz, Feueralarm, Mobbing) sind neben der letzten (Der letzte Tag) die gelungensten, die anderen vier verschwinden da etwas im Niemandsland. Die kommenden Staffeln bauen da noch etwas ab, am meisten dabei die dritte. Dennoch wird diesen Herbst die vierte Staffel der Serie gedreht werden, welche dann im Frühjahr 2009 auf Pro Sieben ausgestrahlt wird. Wer jedoch die Möglichkeit hat, The Office im Original zu sehen, dem sei von Stromberg abzuraten. 

7.5/10

7 Kommentare:

  1. oh je...
    ich seh es kommen, "wie kannst du nur, das Original ist viel besser, das ist doch nix, deutscher Humor ist doch eh unterirdisch..."

    Staffel 1 war wirklich sehr gut, die m.E. auch kaum dem Original nachsteht da ein anderer Ansatz gewählt wurde. Bei "The Office" bleibt einem doch ab und an das Lachen im Halse stecken, der Humor teilweise arg schwarzhumorig.
    Die deutschen fabrizierten das schon ein wenig seichter, wenn auch nicht weniger pointiert.

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  2. Ich hab "Stromberg" damals vor "The Office" gesehen, und inzwischen mehrmals, die Serie leidet jedoch meiner Meinung nach unter den Aspekten, wie vorgehoben: zu viele Figuren, zu sehr auf die Arbeit an sich konzentriert, zu wenig Interaktion zwischen Stromberg und Angestellten.

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  3. nicht zuviele, sondern wechselnde Figuren scheinen mir ein Hauptproblem.
    Gerade Tuberkel und Turculu waren tolle Charaktere, dass diese ohne Not aufgegben wurden, war ein Fehler.
    Der dir zu starke Arbeitsaspekt kann ich nicht nachvollziehen, gerade wer schon mal ein paar Jahre gearbeitet hat, kann sich wunderbar in Stromberg reinversetzen, weil es solche Typen überall gibt, nur sollten die Nebencharaktere besser ausgearbeitet werden

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  4. Deiner Einschätzung kann ich nur zustimmen. Am meisten hat mich das fehlende Identifikationspotential gestört. In "Stromberg" gibt es ja wirklich gar keine sympathische Figur. Unterhaltsam, aber besonders gegen das US-Pendant deutlich schwächer.

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  5. Geht mir genauso, dass ich zuerst Stromberg gesehen habe und danach "The Office".
    Solange man die angloamerikanischen Pendants nicht kennt ist Stromberg klasse, weil auch mal was ganz Neues im deutschen Fernsehen.

    Aber sobald man den direkten Vergleich hat zieht Stromberg eindeutig den kürzeren - egal ob Humor, Figuren oder Stories.

    Was mir vor allem auffiel ist, dass man z.B. Michael Scott eher abnimmt, dass er trotz Chaos und Dummheit seinen Job behält, während man das bei Strombergs heftigen Vergehen kaum glauben kann.

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  6. Wobei man an Stromberg auch das ganze Dilemma deutscher Serien festmachen kann. An sich nette Ideen werden mittels unglaublich platten und unsympathischen Nebencharaktere konterkariert. Vielleicht hätten sich die Autoren einmal die alten Folgen von Büro, Büro anschauen sollen. Sicherlich ultra dated, aber jeder Charakter war doch irgendwie liebenswert. Kann auch daran liegen, daß damals noch Schauspieler in Fernsehserien mitspielen durften;)

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