16. Januar 2016

Speed

Relationships that start under intense circumstances, they never last.

Mit Bussen ist es immer so eine Sache: Entweder sie fahren zu früh oder – weitaus häufiger – sie kommen zu spät. Vielleicht sollte der Busfahrer einfach etwas stärker aufs Gaspedal treten; und sich vorstellen, dass er eine Bombe unter seinen Füßen hat. Wie ein unaufhaltbarer Bus, der den Fuß auf dem Gas hat, schickte sich 1994 auch Jan de Bonts Regiedebüt Speed an. Für moderate Kosten (30 Millionen Dollar) gedreht, avancierte der Action-Thriller seinerzeit zu einem Kassenknüller, der das Zehnfache seiner Kosten einspielte und zum fünfterfolgreichsten Film seines Jahrgangs aufstieg. Dabei entwickelte sich Speed zum von Benzingetriebenen Action-Kracher, mehr als zwei Jahrzehnte vor George Millers überschätztem Mad Max: Fury Road.

Entstanden in einer Zeit, in der Action-Kino noch nicht bierernst war (im selben Jahr starteten True Lies und Beverly Hills Cop III), schanzt zu Beginn Polizistenheld Jack (Keanu Reeves) in die Handlung. Inszeniert in einem visuellen Motiv, dass de Bont in zwei späteren Szenen nochmals wiederholen würde. Ohnehin dient die Auftaktsequenz mit der Fahrstuhl-Geiselnahme dem Einführen verschiedener wiederkehrender Elemente. Vom “pop quiz”-Spruch über die Beziehung von Polizist und Geisel bis hin zur Präsentation von Gegenspieler Howard Payne (Dennis Hopper) mit Indizien zu dessen Identifikation. Wir erleben Reeves’ Jack als wagemutigen Entscheider, der gut von Jeff Daniels als mitdenkender Bombenexperte Harry begleitet wird.

Mit Glück kommen die beiden Helden als auch die Geiseln mit dem Leben davon. “Guts will get you so far, then they’ll get you killed”, gibt Harry nach einer Auszeichnung durch den Bürgermeister später seinem jüngeren Kollegen mit. Erst jetzt beginnt der eigentliche Film mit seiner halsbrecherischen Prämisse, die so spannend da simpel ist. Die Bombe im Bus führt dazu, dass Speed als Film kontinuierlich in Bewegung bleiben muss. Und dabei dennoch die Zeit findet, dem Zuschauer die Figuren näher zu bringen. Allen voran Sandra Bullocks Aushilfs-Busfahrerin Annie, die buchstäblich das Ruder an sich reißen muss, als der eigentliche Fahrer nach einer Auseinandersetzung im Bus angeschossen und schwer verletzt wird.

Nur widerwillig fährt Annie überhaupt mit dem Bus. “I love my car. I miss my car”, verrät sie einer Mitfahrerin seufzend. Auf den Bus ist sie nur deswegen angewiesen, weil sie ihren Führerschein verloren hat. Der Grund: Geschwindigkeitsübertretung. Mit einem Augenzwinkern serviert einem der Film diese Dialoge, die aus der Feder von Joss Whedon stammen, der jedoch keine Nennung als Autor erhalten hat. Für ähnlich humorvolle Auflockerungen stehen Alan Rucks einfallsloser Tourist (“We’re at the airport. I’ve already seen the airport”), ebenfalls von Whedon umgeschrieben, oder Glenn Plummer als “Tune Man”. Dabei ist die Exposition des Busdramas keineswegs fehlerfrei, angefangen mit Annies Platzierung in diesem.

De Bont impliziert eine Freund- oder zumindest Bekanntschaft zwischen Annie und Fahrer Sam (Hawthorne James), die unwahrscheinlich erscheint, wenn Annie meist mit dem Auto fährt. Simpler wäre es gewesen, hätte der Film die Busfahrer-Figuren von Sam und Bob (John Capodice) verschmelzen lassen, sodass es ausschließlich Jack ist, der eine Bekanntschaft mit einem Fahrer hat. Auch sonst macht es sich Speed bisweilen einfach. So wenn Annie einen Kinderwagen überfährt, in dem sich dann jedoch nur Dosen befanden (selbst wenn ein Hollywood-Film wohl kaum so authentisch-düster sein wird, ein Kind als Kollateralschaden zu präsentieren). Oder wenn es um eine der zentralen, aber unnötigen Actionszenen geht: den Freeway Jump.

Kurz vor diesem filmt Jan de Bont eine Luftaufnahme des leerstehenden Freeways, die eine Abbiegung aufzeigt, sodass unklar ist, wieso der Bus überhaupt auf seiner nicht fertiggestellten Spur zu bleiben hat. All das nur, um wie auch im Finale im Fall der U-Bahn das Schanzen-Motiv zu Beginn zu wiederholen. Einfacher und weniger übertrieben wäre es gewesen, direkt zur Flughafenszene überzugehen. Die wiederum fühlte sich für mich schon als Elfjähriger damals im Kino wie das eigentliche Finale an, in dessen Folge die U-Bahn-Sequenz mit der direkten Konfrontation zwischen Jack und Howard als drittes eigenständiges Set Piece beinahe schon etwas langatmig wirkt. Nicht zuletzt daher, weil auch hier erneut die Linie nicht fertiggestellt ist.

In seiner Summe funktioniert Speed jedoch sehr gut, was sich auch Mark Mancinas energetischem Soundtrack verdankt, der quasi zusätzlich aufs Tempo drückt und aus dem der Komponist im Jahr darauf für seine Musik zu Michael Bays Bad Boys viel übernahm. De Bont konzentriert seine Geschichte fast kammerspielartig auf eine sich bewegende Bühne, mit soliden Schauspielleistungen seines weitgehend unpopulären Ensembles. So drehte Bullock zuvor eine humorvolle Nebenrolle in Demolition Man und Reeves kam vom Set von Little Buddha. Während Reeves anschließend in der enttäuschenden William-Gibson-Verfilmung Johnny Mnemonic spielte, geriet Bullocks Romantik-Komödie While You Were Sleeping zum moderaten Erfolg.

Jan de Bont wiederum sollte zwei Jahre später mit dem Katastrophenfilm Twister seinen Höhepunkt erreichen. Auf den zweiterfolgreichsten Film von 1996 folgte schließlich Speed 2: Cruise Control. Die mehr als dreimal so teuere Fortsetzung (110 Millionen Dollar) brachte lediglich Sandra Bullock – und Glenn Plummer – zurück (ihr Gehaltsscheck war nun 18-fach höher als noch 1994), entwickelte sich allerdings zum Box Office Flop, der in den USA nicht mal die Hälfte seines Vorgängers einspielte. Der Misserfolg des Sequels (mit acht Razzie-Nominierungen) konnte jedoch dem Original keinen Schaden zufügen. Speed ist ein würdiger Vertreter des überragenden Action-Kinos der 90er Jahre, das so in der Form leider heute nicht mehr existiert.

7.5/10

2 Kommentare:

  1. Jetzt bekomme ich wieder richtig Lust auf den Film. Und irgendwie auch Teil 2, den ich damals sogar im Kino sah. Oh man, was für ein Abbau. Der erste Teil hat das 90er Jahre Actionkino aber zweifellos mit definiert.

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    1. Teil 2 hat sicherlich nichts definiert, aber dennoch fand ich ihn nicht so desaströs wie er generell gemacht wird.
      Eine Besprechung wird im Laufe des Monats folgen (denke ich).

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