Das perfekte Liebesglück ist eine schwer zu findende Sache. Ganz besonders, wenn es über Jahrzehnte hinweg ins hohe Alter bewahrt wurde. Tom (Jim Broadbent) und Gerri (Ruth Sheen) sind ein solches perfektes Paar. Glücklich in einem Londoner Vorort lebend, erfreuen sie sich an der Arbeit in ihrem Schrebergarten und an den gelegentlichen Besuchen ihres wohlerzogenen Sohnes Joe (Oliver Maltman). Es ist eine absurd harmonische Familie, was sich gerade dadurch feststellen lässt, dass sie über weniger harmonisch lebende Freunde verfügt. Allen voran Mary (Lesley Manville), die ihre Einsamkeit in Alkohol ertränkt und in den vier Wänden von Arbeitskollegin Gerri ein zweites Zuhause gefunden zu haben scheint.
“It’s really lovely the way Tom and you do everything together”, erkennt Mary zu Beginn neidisch an. “You’re both such lovely people.” Gerade in Gegenwart der beiden Freunde schwappt Marys Sehnsucht über, die peinlichen Avancen gegenüber dem fast halb so alten Joe dürfen als Versuche gelten, am Glück dieser Familie teilzuhaben. Regisseur Mike Leigh sieht sie in Another Year als Opfer von zugetragenen Vorstellungen. Jung und sexy sind Eigenschaften, die Mary nicht mehr erfüllt. Und so wie Joe ihre Avancen ausschlägt, lässt Mary wiederum den übergewichtigen Ken (Peter Wight), einen weiteren einsamen Freund der Familie, auflaufen. Der ertränkt seinen Kummer ebenso in Alkohol und Zigaretten wie Mary selbst.
In Another Year wimmelt es von derart unglücklichen Figuren, zu denen auch Imelda Staunton am Anfang zählt. Als müde Ehefrau und Mutter sehnt sie sich nach Tabletten für ihre Schlaflosigkeit und ordnet ihr Wohlbefinden auf einer Zehnerskala lediglich bei Eins ein. Ein anderer Freund von Tom und Gerri hadert unterdessen mit der Krankheit seiner Frau, während Toms Bruder Ronnie (David Bradley) die Seinige im Verlauf des Films verstirbt. Der Leichenschmaus entwickelt sich zur ultimativen Kontrastdarstellung. Wo das Haus von Tom und Gerri voller Glück, Wärme und Leben ist, in das Sohn Joe und Freunde gerne einkehren, ist Ronnies Haus kalt und karg, die Beziehung zu seinem einzigen Sohn Carl (Martin Savage) eklatant gestört.
Stets kontrastiert Mike Leigh die perfekte Ehe mit der tristen Einsamkeit ihrer Umgebung. “Life’s not always kind, is it?”, resümiert Mary in einer Szene etwas betrübt. Letztlich verlangt es sie nur nach jemandem, mit dem sie reden kann. Ein Wunsch, dem besonders Gerri in der ersten Hälfte des Films noch bereitwillig Folge leistet. Mary ist eine bemitleidenswerte Figur, und das nicht nur im negativen Sinne. Ihr tragisches Leben berührt, wenngleich ihr bisweilen peinliches Benehmen zugleich dazu führt, dass sich selbst der Zuschauer für sie geniert. Höhepunkt ist ein überraschender Besuch von Joe und seiner neuen Freundin (Karina Fernandez), deren Anwesenheit die Eifersucht Marys auf ihre Umgebung eskalieren lässt.
Eingebettet wird der Film in vier Jahreszeiten, die kommen und gehen und somit das Titelgebende weitere Jahr (engl. another year) bilden. Mike Leigh folgt hierbei keiner konkreten Geschichte, die Handlung setzt scheinbar in einem beliebigen Jahr im Leben der Hauptpersonen ein. Sein Film lebt anschließend auch weniger von der weitestgehend ruhigen Handlung, sondern von den überzeugenden Figuren. Wo manche Charaktere aus Hollywood nie über den Status eindimensionaler Karikaturen hinauskommen, wirken Leighs Geschöpfe wie authentische Menschen, die leben, atmen und fühlen. Was man über sie wissen muss, erfährt das Publikum meist in einer einzigen Einstellung. Eine Seltenheit in der heutigen Kinolandschaft.
Tom und Gerri sind hierbei lediglich das Kontrastmittel – das Idealbild des perfekten Lebensglücks, nach dem die Marys, Kens, Ronnies und Carls wie nach Platons Idee nur streben können. In ihrem Schmerz liegt die Stärke des Films, sei es David Bradleys ausdrucksloses Gesicht oder Peter Wights bemühte und doch zum Scheitern verurteilte romantische Avancen. Eigentlicher Star ist jedoch Lesley Manville, der es gelingt, eine Person zu verkörpern, der man zwar einerseits helfen will, die man andererseits aber wohl nicht in der eigenen Küche haben wollte. Leigh inszeniert hier mit Another Year wahres und buchstäbliches Charakterkino, dessen Geschichte letztlich da endet, wo sie begonnen hat: in einem Jahr von vielen.
“It’s really lovely the way Tom and you do everything together”, erkennt Mary zu Beginn neidisch an. “You’re both such lovely people.” Gerade in Gegenwart der beiden Freunde schwappt Marys Sehnsucht über, die peinlichen Avancen gegenüber dem fast halb so alten Joe dürfen als Versuche gelten, am Glück dieser Familie teilzuhaben. Regisseur Mike Leigh sieht sie in Another Year als Opfer von zugetragenen Vorstellungen. Jung und sexy sind Eigenschaften, die Mary nicht mehr erfüllt. Und so wie Joe ihre Avancen ausschlägt, lässt Mary wiederum den übergewichtigen Ken (Peter Wight), einen weiteren einsamen Freund der Familie, auflaufen. Der ertränkt seinen Kummer ebenso in Alkohol und Zigaretten wie Mary selbst.
In Another Year wimmelt es von derart unglücklichen Figuren, zu denen auch Imelda Staunton am Anfang zählt. Als müde Ehefrau und Mutter sehnt sie sich nach Tabletten für ihre Schlaflosigkeit und ordnet ihr Wohlbefinden auf einer Zehnerskala lediglich bei Eins ein. Ein anderer Freund von Tom und Gerri hadert unterdessen mit der Krankheit seiner Frau, während Toms Bruder Ronnie (David Bradley) die Seinige im Verlauf des Films verstirbt. Der Leichenschmaus entwickelt sich zur ultimativen Kontrastdarstellung. Wo das Haus von Tom und Gerri voller Glück, Wärme und Leben ist, in das Sohn Joe und Freunde gerne einkehren, ist Ronnies Haus kalt und karg, die Beziehung zu seinem einzigen Sohn Carl (Martin Savage) eklatant gestört.
Stets kontrastiert Mike Leigh die perfekte Ehe mit der tristen Einsamkeit ihrer Umgebung. “Life’s not always kind, is it?”, resümiert Mary in einer Szene etwas betrübt. Letztlich verlangt es sie nur nach jemandem, mit dem sie reden kann. Ein Wunsch, dem besonders Gerri in der ersten Hälfte des Films noch bereitwillig Folge leistet. Mary ist eine bemitleidenswerte Figur, und das nicht nur im negativen Sinne. Ihr tragisches Leben berührt, wenngleich ihr bisweilen peinliches Benehmen zugleich dazu führt, dass sich selbst der Zuschauer für sie geniert. Höhepunkt ist ein überraschender Besuch von Joe und seiner neuen Freundin (Karina Fernandez), deren Anwesenheit die Eifersucht Marys auf ihre Umgebung eskalieren lässt.
Eingebettet wird der Film in vier Jahreszeiten, die kommen und gehen und somit das Titelgebende weitere Jahr (engl. another year) bilden. Mike Leigh folgt hierbei keiner konkreten Geschichte, die Handlung setzt scheinbar in einem beliebigen Jahr im Leben der Hauptpersonen ein. Sein Film lebt anschließend auch weniger von der weitestgehend ruhigen Handlung, sondern von den überzeugenden Figuren. Wo manche Charaktere aus Hollywood nie über den Status eindimensionaler Karikaturen hinauskommen, wirken Leighs Geschöpfe wie authentische Menschen, die leben, atmen und fühlen. Was man über sie wissen muss, erfährt das Publikum meist in einer einzigen Einstellung. Eine Seltenheit in der heutigen Kinolandschaft.
Tom und Gerri sind hierbei lediglich das Kontrastmittel – das Idealbild des perfekten Lebensglücks, nach dem die Marys, Kens, Ronnies und Carls wie nach Platons Idee nur streben können. In ihrem Schmerz liegt die Stärke des Films, sei es David Bradleys ausdrucksloses Gesicht oder Peter Wights bemühte und doch zum Scheitern verurteilte romantische Avancen. Eigentlicher Star ist jedoch Lesley Manville, der es gelingt, eine Person zu verkörpern, der man zwar einerseits helfen will, die man andererseits aber wohl nicht in der eigenen Küche haben wollte. Leigh inszeniert hier mit Another Year wahres und buchstäbliches Charakterkino, dessen Geschichte letztlich da endet, wo sie begonnen hat: in einem Jahr von vielen.
8/10
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