26. Juli 2012

Young Adult

Sometimes in order to heal a few people have to get hurt.

Das Manchild ist ein bekanntes Phänomen im Komödienfach. Adam Sandler hält das Patent auf das erwachsene Kind, aber auch Kollegen wie Zach Galifianakis in den Hangover-Filmen verstehen Humor zu generieren, indem sich erwachsene Männer wie kleine Kinder aufführen. “Boys will be boys“, urteilte Richter Snyder in der Simpsons-Episode The Parent Rap. Eine derartige Unreife inszeniert Hollywood eher selten mit weiblichen Figuren, weswegen Jason Reitmans vierter Spielfilm Young Adult, nach einem Drehbuch von seiner Juno-Kollegin und Oscarpreisträgerin Diablo Cody, etwas heraus sticht. Darin flüchtet sich Charlize Theron mal wieder in eine ihrer „hässlichen“ Rollen und trumpft schauspielerisch groß auf.

Theron gibt in gewisser Hinsicht als Alter Ego von Cody selbst die 37-jährige Jugendbuchautorin Mavis Gary, die versucht ihren Highschool-Freund zurückzugewinnen als sie erfährt, dass er Vater geworden ist. “It’s like he’s a hostage“, interpretiert sie die Situation gegenüber einer Freundin und sieht das Neugeborene ohnehin weniger als Problem an. “I got baggage too“, argumentiert sie später in ihrem Heimatstädtchen Mercury gegenüber einem alten Schulkameraden. Jener Schulkamerad ist Matt Freehauf (Patton Oswalt), in Mercury vielleicht besser bekannt als “that hate crime guy“, nachdem ihn einst einige Schulsportler wegen des Verdachts er sei homosexuell zusammengeschlagen haben.

Beide führt der Zufall zusammen, andere würden es vielleicht Schicksal nennen. Denn es wird zumindest angedeutet, dass Mavis indirekt für die Attacke auf Matt verantwortlich war (sie nannte ihn während der Schulzeit “theatre fag“), die ihn zum halben Krüppel machte. Für Reitman ist Young Adult wiederum eine Romanze, “a love that cannot be“. Auf der einen Seite haben wir Mavis (“broken on the inside“), auf der anderen Seite Matt (“broken on the outside“). Zwei miserable Figuren, die sich von ihrer Umwelt ungeliebt fühlen. Während sich Matt in seine Welt von Actionfiguren und Garagendestillerie zurückzieht, umgibt sich Mavis mit einem Milieu aus Reality-TV, Alkohol und Erinnerungen an eine verblichene Schulliebe.

“The movie’s meant to make you feel uncomfortable”, erläutert Reitman im Audiokommentar und erreicht wird dies durch einen gewissen Fremdschämfaktor. Der kommt natürlich besonders zum tragen, wenn Mavis schließlich auf ihren Ex-Freund Buddy (Patrick Wilson) und seine Frau Beth (Elizabeth Reaser) trifft. Während sie Ersteren umgarnt und versucht, in ihr Nostalgieboot zu zerren, soll Letztere zu der Außenstehenden degradiert werden, die eigentlich von Mavis dargestellt wird. Das Szenario wird dadurch nicht erleichtert, dass sowohl Buddy als auch Beth ungemein lockere und sympathische Figuren sind, ohne eine Unze Böswilligkeit. Mavis’ Mission wird so zum Ding der Unmöglichkeit.

Zugleich zeigt sich hier auch die Tragik in Therons Figur. Das Familienleben, das sie zu torpedieren versucht, ist jenes, das sie sich für sich selbst wünscht. Wo genau das Trauma der Figur liegt, bleibt dabei unklar (auch wenn eine dramatische Szene im dritten Akt eine Ursache finden will). Mavis ist Autorin einer Jugendbuchserie, die zu einem Zeitpunkt erfolgreich gelaufen ist (im Film selbst wird sie aktuell eingestellt) und, bedingt durch Theron, eine überdurchschnittlich attraktive Frau. Wieso es der Figur an Liebe mangelt beziehungsweise sie in ihrer charakterlichen Entwicklung stagnierte, ist daher offen. Ihr aktuelles Leben wirkt nicht großartig schlimmer als das ihres 17-jährigen Schulpendants.

Wohingegen Mavis folglich eine verblichene Zeit zurück haben will und in die Vergangenheit zurückblickt, trauert der körperlich beeinträchtigte Matt jenem Leben nach, das er durch seine Behinderung nie leben konnte. Im Zusammenspiel mit Oswalt zeigt sich Therons ganzes schauspielerisches Talent, was der Tatsache geschuldet ist, dass seine Figur Mavis weitaus mehr aus der Reserve lockt und fordert als die des übrigen Ensembles. Und was Young Adult auszeichnet, ist eindeutig die schauspielerische Leistung, insbesondere von Theron, aber auch der übrigen Besetzung. Selbst Collette Wolfe, als Matts Schwester mit der er sich das gemeinsame Elternhaus teilt, bleibt mit ihrer kleinen Rolle im Gedächtnis hängen.

Auch sie ist eine in ihrer Vergangenheit verankerte Figur, wie wir sie in diesem Film mehrfach antreffen (Mavis’ Eltern haben noch das Hochzeitsfoto von ihrer gescheiterten Ehe an der Wand hängen). In gewisser Weise ist Young Adult ein einziges Schwelgen in zurückliegenden Dingen (so referieren die Figuren Mavis’ neue Heimat Minneapolis als “Mini Apple“, um von ihr belehrt zu werden: “nobody calls it that anymore“). Dadurch wird an sich auch die eigentliche Handlung ins Rollen gebracht, befindet sich Mavis doch noch in jenem Emailverteiler, an den Buddy und Beth das Foto ihres neugeborenen Kindes schicken, was Mavis auf ihre Reise in die gemeinsame Vergangenheit mit Buddy nach Mercury führt.

Wie auch schon in seinen vorherigen Filmen inszeniert Reitman erneut seine Drama-Komödie mit Anflügen von dunklem Humor. Dieser ist zwar weniger zynisch wie in Thank You For Smoking, aber dafür homogener und angemessener. Die Kombination mit Cody passt hier weitaus besser, ebenso Reitmans Gespür für seine Hauptfigur (im Vergleich zu Up in the Air). Insofern ist Young Adult, dessen musikalische Untermalung durch Rolfe Kent Evokationen an seine Komposition zu Sideways hervorruft (ebenfalls eine Geschichte über zwei gebrochene Figuren auf der Suche nach Liebe), der bislang reifste und gelungenste Film des Jungregisseurs. In gewisser Weise ist Reitman also selbst...erwachsen geworden.

6.5/10

Blu-Ray
Der HD-Transfer überzeugt durch ein scharfes und meist makelloses Bild. Die Tonspur kann sich aufgrund des Filmgeschehens selten auszeichnen, die Dialoge sind aber ebenso gut verständlich wie das Hintergrundgeschehen Atmosphäre verleiht. Zu den Features zählt ein informativer und unterhaltsamer Audiokommentar von Jason Reitman mit seinen sehr schweigsamen DP und AD. Zugleich macht der Kommentar weitere Extras wie ein Making Of und ein Q&A mit Reitman überflüssig, da sich der Inhalt doppelt, während die geschnittenen Szenen relativ vergessenswert sind.

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