22. Juni 2018

Jurassic World: Fallen Kingdom

I say we shut this whole thing down.

Es gibt in Jurassic World eine Szene mit Genetiker Henry Wu (BD Wong), die exemplarisch das Problem des Jurassic Park-Franchises auf den Punkt bringt. “You didn’t ask for reality, you asked for more teeth”, sagt Wu darin in Bezug auf den amoklaufenden Hybrid-Dino Indominus Rex. Versuchte die Filmreihe um rebellierende Riesenechsen zuerst in The Lost World noch, den Erfolgsdruck einer Fortsetzung mit einem Mehr an Kreaturen aufzufangen (mehr Tyrannosaurier, mehr Raptoren), ging Jurassic Park III mit seinem Spinosaurier bereits dazu über, den Fokus eher auf einen neuen, „Supersaurier“ zu legen. Wo Stephen Sommers’ Trilogieabschluss scheiterte, reüssierte Colin Trevorrow 2015 mit Jurassic World – zumindest finanziell.

“Life finds a way”, sinnierte Ian Malcolm (Jeff Goldblum) da im Original – und könnte genauso für jeden Kino-Blockbuster sprechen, der bei ausreichend Erfolg eine Sequel-Lawine lostritt. Bei einem Einspiel von über 1,6 Milliarden Dollar war absehbar, dass Jurassic World zurück auf die Leinwand kehrt. Immerhin bleibt der Park dieses Mal geschlossen – was nicht bedeutet, dass J.A. Bayona, der Trevorrow als Regisseur ersetzt, aber nicht dieselben Fehler wie sein Vorgänger macht. Jurassic World: Fallen Kingdom erzählt so im Grunde zwei Geschichten in einem Film – wobei die erste angelehnt ist an The Lost World und die zweite im Prinzip der Handlung des Vorgängers folgt. Dies aber zumindest in einer neuen und eher ungewöhnlichen Umgebung.

Ein Vulkanausbruch droht, die auf Isla Nublar verbliebenen Dinos auszulöschen. Für die Tiere ein kataklystisches Déjà-vu, welches Milliardär Benjamin Lockwood (James Cromwell), der mit John Hammond (Richard Attenborough) einst das Dino-Klonen anstieß, gemeinsam mit Claire (Bryce Dallas Howard), vormals Park-Leiterin von Jurassic World, verhindern will. Elf Spezies können auf eine andere Insel Lockwoods verlagert werden, klärt Lockwoods Assistent Eli (Rafe Spall) auf. Darunter auch Velociraptor Blue. Nur: Um diese im verwahrlosten Park ausfindig zu machen, müssen Claire, ihr IT-Kollege Franklin (Justice Smith) sowie Ex-Freund und Raptor-Trainer Owen (Chris Pratt) aber erst das Tracking-System des Parks rebooten.

Während Ian Malcolm in einem Cameo vor dem US-Senat eine Intervention der natürlichen Ereignisse ablehnt, veranstaltet der Film ein großes Bohei um eine letzten Endes reduzierte Rettungsaktion. Selbst wenn ein Dutzend Exemplare gerettet werden, bleibt der Großteil doch zur Auslöschung verdammt. Sprich: Um die vorhandenen Tiere geht es weniger als um den Gedanken eines zweiten Aussterbens. Die Szenen auf Isla Nublar ähneln dabei denen aus The Lost World, wenn sich die Dino-Aktivisten einer Schar Söldner um ihren Anführer Wheatley (Ted Levine) gegenübersehen, die sich nicht um das Wohl der Echsen scheren, sondern ihren Gehaltscheck. Der Kommerz steht über allem – sogar über dem Überleben unserer Helden.

Ein Thema, das Colin Trevorrow und Derek Connolly – die beide erneut das Drehbuch schrieben – schon in Jurassic World faszinierte. Obwohl der Dino-Park finanziell ertragreich war, verkam die Genese des Indominus Rex da primär zum Wirtschaftsfaktor. Weshalb es irritieren muss, dass Jurassic World trotz allem auf Isla Nublar gebaut wurde, obwohl dort ein aktiver Vulkan brodelt. Wäre der Park nicht am Ende des letzten Films geschlossen worden, wäre er nun sowieso dahin – und müsste woanders komplett neu gebaut werden. So hätte man vielleicht rückwirkend die Erschaffung des Indominus Rex erklärt – als finanzielle Rechtfertigung für kommende rote Zahlen. Sei es drum, der liebe Schotter bestimmt die zweite Filmhälfte.

Trevorrow, Connolly und Bayona verlagern das Geschehen von draußen nach drinnen, wenn die geretteten Dinosaurier in einer illegalen Auktion an die meistbietenden Oligarchen, Waffenhändler und Co. verscherbelt werden sollen. Reine Geldmacherei, ätzt in einer Szene Claire – kriegt aber von dem Antagonisten des Films postwendend den Spiegel vorgehalten. Jurassic World: Fallen Kingdom folgt hier dem Denkansatz der Privatisierung, die Vincent D’Onofrio im Vorgänger angestoßen hat. Bleibt jedoch vage. Fraglich, was jemand mit einem Stegosaurus mit achtstelligem Preisschild anfangen will. Genauso wie die angedeutete Dino-Kriegsführung nur Sinn ergibt, wenn die Käufer per Gen-Splicing danach selbst zu Dr. Frankenstein mutieren.

Allzu viel hinterfragen sollten Zuschauer ohnehin nicht in Fallen Kingdom. Warum vor Lava fliehende Dinosaurier plötzlich Menschen angreifen, statt ihrem Überlebensinstinkt zu folgen? Wenn es nur um das Retten einiger Dinos geht, anstatt aller Tiere, könnte man es doch bei den Exemplaren auf Isla Sorna belassen? Wieso soll Raptor Blue auf einmal eine Empathie-Prinzessin sein, nachdem sie im letzten Teil genauso rücksichtslos wie ihre Artgenossen mordete? Hinzu kommen verschiedene als Twist verkaufte Offenbarungen in der zweiten Hälfte, die keinerlei wirkliche Relevanz für die Story des Films besitzen. Eher weitere Fragen nach sich ziehen, am Ende aber wie das Gros des Rests ohnehin in der Belanglosigkeit versinken.

Die Handlung des Films ist im Grunde nicht mehr als eine Entschuldigung, ein CGI-Action-Set-Piece an das nächste zu reihen. Teils in einer derartigen Frequenz, dass es nah am Overkill ist, wenn Bayona zwischen zwei dramatische Momente kurzerhand noch einen dritten quetscht. Zur selben Zeit ist der Regisseur immerzu bemüht, visuelle Referenzen zum 1993er Original einzubauen. War dies in Jurassic World bisweilen noch nostalgisch, wirkt es hier mehr und mehr ermüdend. Angefangen vom röhrenden T-Rex in Snapchat-Gedächtnispose – ein Motiv, so ikonisch, dass es Fallen Kingdom gleich vier Mal abspult. Dass Bayona zudem ein enormer Fan der Raptoren-Küche-Szene aus dem Original ist, zeigt er in gleich mehreren Einstellungen.

Trotz alledem gelingt es dem Film, einige überzeugende Momente zu kreieren – selbst inmitten seines Hommage-Wusts. Wenn der T-Rex während eines Angriffs zwischen der Dunkelheit und Scheinwerferlicht wandelt, verstärkt dies nochmals die Bedrohlichkeit der Echsenkönigin. Und auch das Geisterhaus-Stalking des neu erschaffenen Indorapters im Schlussakt inszeniert Bayona bisweilen geschickt im Mondlicht. Beinahe gelingt es dem Film gar, den Zuschauer zu berühren, wenn ein Dino langsam zur Silhouette in einer Lavawolke verkommt. Rar gesäte Einstellungen in einem zwar unterhaltsamen, aber nicht wirklich erinnerungswürdigen Film. Dafür hapert es zu sehr an einer durchdachten Handlung oder sympathischen Figuren.

Diese bleiben größtenteils eindimensionale Karikaturen – einschließlich der Charaktere, die wir bereits aus dem letzten Teil kennen. So zehrt Chris Pratt von seinem natürlichen Charisma, das die klischeebehaftete Macho-Figur aber nicht ausreichend füllt. Völlig frei von Chemie sind dabei all jene Szenen, in denen der Film die romantische Flamme zwischen Owen und Claire wieder entfachen will. Rafe Spall macht wenig aus seinem gelackten Assistenten, Ted Levine ist seinerseits ein lebloser Arschloch-Hybrid aus Vincent D’Onofrios und Pete Postlethwaites Vorgänger-Figuren. Justice Smith mimt den verängstigten Comic-Relief-Nerd und Daniella Pineda gibt eine vorlaute Paläo-Veterinärin, die ursprünglich wohl homosexuell sein durfte.

Wenn einem die Handlung und Figuren schon nichts bieten, dann muss es eben der aus dem Rechner stammende CGI-Bombast tun. So ähnlich mag man sich das bei Universal gedacht haben. Dass dabei für Nahaufnahmen tatsächlich Animatronics eingesetzt wurden, geht im VFX-Wust fast unter. Die Action ist nur leidlich spannend, ihr Ausgang vorhersehbar. Sterben dürfen im Blockbuster-Kino der Gegenwart eh nur noch die Bösen, wieso da Zeit aufgewandt wird, um einen von Lava umströmten, gelähmten Chris Pratt zu zeigen, bleibt offen. Zumal inzwischen Gang und Gäbe ist, Sequels vorab bereits anzukündigen (Trevorrow kommt nach seiner Star Wars-Entlassung wieder selbst zum Zug), und Filme in Gänze in Trailern zu spoilern.

Selbst nach 25 Jahren können sich die meisten Effekte aus Jurassic Park behaupten – auch, weil die Dinos spärlich auftauchten. Wenn in Jurassic World: Fallen Kingdom eine digitale Herde von ihnen vor digitaler Lava flieht, bleibt das Illusion. Selbst wenn Bayona im Finale versteht, dass nicht gleich eine ganze Insel in die Luft fliegen muss, zieht sich die Klimax doch zu sehr. Der Film verkommt zwar nie zum Ärgernis – ungeachtet der Logikfehler und uninteressanten Figuren. Gute Unterhaltung sieht aber anders aus. Am Ende bleibt so Durchschnitt, dessen lebloses Skelett wohl wie hier im Falle des Indominus Rex in der Auftaktszene herhalten wird für ein neues (Film-)Exemplar. Das Franchise scheint noch nicht vom Aussterben bedroht.

5/10

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