24. August 2015

Queen of the Desert [Königin der Wüste]

See the desert on a fine morning and die – if you can.
(Gertrude Bell, “Syria, The Desert and the Sown”, p. 64)

In der Regel scheint Werner Herzog eher dem Wahnsinn zugewandt. Egal ob er einen von der Leine losgelassenen Nicolas Cage in Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans agieren lässt, eine Dokumentation wie Grizzly Man über fanatische Bärenschützer erstellt oder sich mir Enfant terrible Klaus Kinski auseinandersetzte. Umso ungewöhnlicher ist es, dass Herzog nun mit Queen of the Desert der cineastischen Romantik verfällt. Und eine historische Biografie drehte, die klassischer kaum sein könnte. Als Thema wählte er dabei Gertrude Bell, eine Historikerin und Archäologin, die mit T. E. Lawrence mithalf, den Nahen Osten im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts politisch neu zu ordnen. Darunter fällt auch die Gründung des heutigen Irak.

Ende des 19. Jahrhunderts ist Gertrude Bell (Nicole Kidman) ihres Lebens auf dem Landgut ihres Vaters überdrüssig. Der sendet sie zum Schwager seiner Gattin nach Teheran, wo er als britischer Botschafter tätig ist. Hier lernt Bell den Botschaftssekretär Henry Cadogan (James Franco) kennen und lieben. Genauso wie ihre Passion für den nahen Osten. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wird sie das Land und seine Leute näher erkunden, allen voran die Beduinenvölker. Dabei macht sie die Bekanntschaft eines jungen T. E. Lawrence (Robert Pattinson) und die des Konsuls des osmanischen Mersins, Charles Doughty-Wylie (Damian Lewis). Ihre Kenntnisse der Region machen Bell dabei zur respektierten politischen Beraterin des britischen Empires.

Ein mannigfaltiges Leben, welches natürlich in einem zweistündigen Kinofilm nicht vollends Platz zur Würdigung findet. So streift auch Herzog in Queen of the Desert lediglich Auszüge aus dem Leben Bells – und lässt vieles unerwähnt. Beispielsweise ihre Passion als Alpinistin und zahlreichen Bergbesteigungen, auch ihre vielen Reisen nach Deutschland oder Japan tauchen im Film nicht auf. Der will lieber von einer dreifachen Liebe Gertrude Bells erzählen, zu den Männern Henry Cadogan und Charles Doughty-Wylie sowie zur arabisch-persischen Region. Immer wieder zieht es Bell und ihre Begleiter rund um den treuen Fattouh (Jay Abdo) hinaus in die Wüste, zu verschiedenen Scheichs und Stammesführern sowie in die Oasenstadt Ha’il.

Viele Reisen, noch mehr Bekanntschaften und ein immer verstärkter mitschwingender politischer Kontext. Es dürfte für Herzog kein leichtes Unterfangen gewesen sein, das komplexe Leben von Gertrude Bell in seinem Drehbuch zu fassen zu kriegen. Und vollends gelingen vermag es ihm verständlicherweise nicht. Die Bedeutung von Land und Leute für Bell will bis zum Ende des Films nicht wirklich greifbar werden. Genauso wenig die Rolle, die Bell und T. E. Lawrence zu der damaligen Zeit gespielt haben. Queen of the Desert wirkt wie ein Durchblättern einer Enzyklopädie, die mit einigen romantischen Bekanntschaften angereichert ist, die natürlich ebenfalls nicht genauer ergründet werden. Herzog bewegt sich stets an der Oberfläche.

Das ist auf der einen Seite zwar bedauerlich, aber vermutlich zugleich unumgänglich, will man sich der Person Gertrude Bell nicht in einer Mini-Serie nähern. Die meiste Zeit funktioniert Herzogs zurückgenommene Regie dennoch erstaunlich gut, nicht zuletzt dank der gefälligen Bilder von Kameramann Peter Zeitlinger. Die Darsteller selbst spielen solide, auch wenn es gerade zu Beginn etwas befremdlich ist, Nicole Kidman eine 24-jährige Gertrude Bell spielen zu sehen. Damian Lewis schlägt sich achtbar, die zurückgenommenen James Franco und Robert Pattinson vermögen nur bedingt ihre historischen Persönlichkeiten vor ihre eigene verfrachten zu können. Immerhin gehen beide Charaktere nicht über Nebenrollen hinaus.

Am erstaunlichsten fällt der Ton des Films aus, der an klassische Filme des Genres erinnert, wie sie heutzutage nicht mehr gedreht werden. Sicher auch, weil sie finanziell wenig Ertrag versprechen, sodass Queen of the Desert womöglich bewusst Handlung aussparte, um das Budget nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Nichtsdestotrotz erzählt Herzog eine glaubwürdige Geschichte einer jungen Frau, für die ihre eingeschränkte Welt in England zu klein schien. Und die mithalf, andere Welten neu zu gestalten. Als Ausgangspunkt für eine tiefergehende Beschäftigung mit Gertrude Bell funktioniert der Film somit durchaus. Und dürfte wohl all jene ansprechen, die klassische Werke wie Lawrence of Arabia und Co. zu schätzen wissen.

6.5/10

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