21. Februar 2016

Total Recall

I feel like I was meant for something more than this.

Tag aus, Tag ein immer dasselbe. Man steht auf, geht zur Arbeit, folgt stets derselben Routine. “Without questioning it”, klagt Fabrikarbeiter Doug Quaid (Colin Farrell). Sogar dieselben Plätze nehmen er und Arbeitskollege Harry (Bokeem Woodbine) täglich im Shuttle-Transport zur Arbeit ein. Das kann es nicht gewesen sein, vor allem, als Quaid erfährt, dass eine erhoffte Beförderung ausbleibt. Aus Frust sucht er Rekall auf, eine Firma, die falsche Erinnerungen ins Gehirn transplantiert. Quaid will einen Traum, in dem er mit einer mysteriösen Frau (Jessica Biel) als Geheimagent arbeitet, vertiefen. Nur scheint der Traum weniger Traum als subtile Erinnerung zu sein.

Wer alt genug ist, mag sich daran erinnern, dass diese Geschichte bereits erzählt wurde. Paul Verhoeven adaptierte 1990 Total Recall aus Philip K. Dicks Kurzgeschichte “We Remember It For You Wholesale”. Darin spielte Arnold Schwarzenegger den Bauarbeiter Doug Quaid, der von einer Mars-Reise träumte – ehe Mitarbeiter von Rekall feststellten, dass er diese bereits getätigt hatte. Als Spielball zwischen dem Mars-Gouverneur Cohaagen und dem subversiven Widerstand erlebt Quaid ein wildes Abenteuer auf einem fremden Planeten – oder womöglich doch nicht. Verhoeven ließ dabei offen, ob sein Film letztlich nicht vielleicht doch bloß ein Rekall-Implantat war.

Derartig verspielt gibt sich das 2012er Remake von Regisseur Len Wiseman keineswegs. Dies fängt bereits mit dem Beginn an. Wo Verhoeven eine simple, kurze Szene auf dem Mars zwischen Quaid und einer unbekannten Frau (Rachel Ticotin) inszenierte, setzt sich Wisemans einleitender Traum visuell nicht wirklich von der Realität ab. Und wirkt somit weitaus weniger als Traum, sondern ziemlich offensichtlich wie eine Erinnerung. Der restliche erste Akt folgt weitestgehend dem Originalfilm, verzichtet lediglich auf die Mars-Komponente und präsentiert dem Zuschauer eine dystopische Zukunft mit zwei Handlungsorten: der United Federation of Britain und der Kolonie.

Zumindest visuell macht die Kolonie – eine Blade-Runner-eske Interpretation einer asiatisch angehauchten Shanty Town – etwas her, nur verlagert sich die Handlung in der zweiten Filmhälfte in das sterilere Groß-Großbritannien. Im Remake ist Rekall weniger seriöse Firma als ein Hinterhof-Esoterik-Schuppen neben Straßen-Tattoo-Shops (hat aber das Budget, große Werbereklamen in der Kolonie zu schalten. Die Rekall-Implantation kommt nicht zu Stande, Quaid wird auf der Flucht zum Mörder und sieht sich Zuhause mit seiner Frau Lori (Kate Beckinsale) einer Agentin von UFB-Kanzler Cohaagen (hier: Bryan Cranston) konfrontiert. Erneut muss Quaid danach die Flucht ergreifen.

Wo Verhoeven nun den Plot auf den Mars verlagert, wo Quaids vorheriges Alter Ego ihn instruiert, Melina, jene mysteriöse Frau, aufzusuchen, um den Kontakt zu Rebellenführer Kuato herzustellen, substrahiert Wiseman den Mutanten-Subplot aus der Gleichung, folgt aber in der Struktur dem Original (wobei Kuato hier zu Matthias, gespielt von Bill Nighy, wird). Lebt die 1990er Version vom futuristischen Mars-Setting inklusive Mutanten, Johnnycab und “I got five kids to feed”-Benny (Mel Johnson, Jr.), verliert sich das Remake in seiner glanzlosen Darstellung einer mehrstöckigen Gebäudewelt. Verhoevens Film atmet durchweg Philip K. Dick, Wiseman äfft eher Minority Report nach.

Zugleich gerät das, was dem Zuschauer präsentiert wird, wenig interessant. Jede Actionszene besteht aus derselben Flucht von Quaid vor Lori (Wiseman verschmilzt in ihr Lori und Michael Ironsides Figur Richter), was sie repetitiv-ermüdend macht. Zudem wird Cohaagen mit einer suspekten Motivation ausgestattet. Zwar schwand gegen Ende meine Aufmerksamkeit, aber es wirkte so, als wolle er die Menschen in der Kolonie ausmerzen, und sie durch seine UFB-Dronen ersetzen. Aber die könnten an sich ja auch in Afrika oder Nordamerika hausen (?). Im Gegenzug präsentierte Verhoeven eine weitaus simplere Action und Handlung, die jedoch sehr viel spannender gerieten.

Wisemans Inszenierung ist trotz aller futuristischen Spielerei eine reichlich lieblos-sterile Angelegenheit. Weitaus ärgerlicher als die belanglose Action ist dabei sein ausuferndes Faible für Lens Flares. Die brechen in fast jeder Szene über einen herein, reißen dabei immer wieder aus dem Geschehen heraus und scheinen nahezu ein Eigenleben zu entwickeln. Total Recall vereint so viele Lens Flares in sich wie drei J.J. Abrams’ Filme – und das will etwas heißen. Was Remake und Original aber noch mehr unterscheidet, ist der Ton. Hier und da versucht Wiseman den süffisanten Humor der 1990er Version zu übernehmen (“It’s safe to say we’re separated”) – und scheitert.

Bei Verhoeven und Dick ging es um Dougs Identitätskrise und dem Wunsch nach mehr (“I want to do something with my life”). Rekall versprach hier “a vacation from yourself” – nur war der vermeintliche Kunde nicht die Person, die er zu sein schien. Der doppelte Boden des Rekall-Implantants fehlt im Remake gänzlich. “People are trying to kill you left and right, you meet this beautiful exotic woman (…) I don’t want to spoil it for you, but rest assured: by the time the trip is over you get the girl, kill the bad guys and save the entire planet”, nimmt im Original Rekall-Chef Bob McClane (Ray Baker) den Filmverlauf vorweg. Entsprechend offen lässt Verhoeven diesen enden.

Sein Total Recall ging auch um Vertrauen – oder dessen Mangel. Cohaagen traute der außerirdischen Technologie nicht. Melina vertraut Quaid, vormals Hauser, auch nachdem dieser als Schläfer enttarnt wird. Und Quaid vertraut letztlich seiner neuen Identität gegenüber seiner alten. Die 1990er Version überzeugt in allen Belangen, ist Actionreich und gewaltvoll, aber in kleinen Dosen. Dabei bleibt der Humor nicht auf der Strecke und sowohl visuell (Effekte, Make-up) als auch auditiv (Jerry Goldsmiths Musik) und mit seinem Ensemble (Sharon Stone vor ihrem Durchbruch in Verhoevens Basic Instinct zwei Jahre später) weiß Total Recall auf ganzer Linie zu überzeugen.

Was sich vom Remake nicht sagen lässt. Der talentfreie Handlanger Wiseman gibt sich besonders schlau (Farrell liest auf dem Weg zur Arbeit Ian Flemings The Spy Who Loved Me), zitiert fleißig das Original, hat dieses aber wie so viele Remake-Marionetten (siehe auch RoboCop) schlicht nicht verstanden. Es erstaunt immer wieder, dass Leute wie Wiseman, Brett Ratner oder McG weiterhin Jobs in Hollywood kriegen. Der Vorteil dieses Total Recall-Remakes ist, dass man es bereits beim Sehen vergisst, während man an die Klasse des Originals denkt. “Best memories I have”, lässt sich zum Verhoeven-Film ein Zitat des Remakes ummünzen. “A whole lot better than this shit.”

2.5/10

4 Kommentare:

  1. Da kann ich nun nicht mal widersprechen, auch wenn ich ein paar Pünktchen mehr gegeben habe und die Optik des Films mehr mochte als du.

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  2. Zustimmung insbesondere was die Beschäftigung besagter Regisseure angeht. Jonathan Liebesman gehört da definitiv auch noch zu.

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    1. Ja, der ist auch so ein Regisseur von der Stange, das stimmt. Von denen gibt es sowieso leider viel zu viele.

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