24. September 2010

Four Lions

I think I’m confused, but I’m not sure.

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass es zu Selbstmordattentaten von muslimischen Fundamentalisten kommt. Die Opfer sind dabei nicht selten auch Muslime selbst, wie zuletzt im pakistanischen Quetta. Währenddessen werden in der Schweiz Minarette verboten und in New York gegen einen Moschee-Bau zwei Straßen von Ground Zero demonstriert. Eine wachsende Islamophobie macht sich breit, während Comedians wie Jeff Dunham die Angst vor Terrorismus durch Sketche mit Achmed, dem toten Terroristen, aufzulockern versuchen. Mit Four Lions wagte sich nun das britische Enfant terrible Chris Morris an das Thema – und scheitert grandios. Erzählt wird von Omar (Riz Ahmed), einem Pakistani aus der britischen Stadt Sheffield.

Omar ist glücklich verheiratet mit seiner schönen Frau Sophia, fürsorglicher Familienvater und bestens eingegliedert in die Gesellschaft. Er hat ein nettes Haus, eine moderate Inneneinrichtung und einen Job als Sicherheitsmann der Sheffielder U-Bahn. Im Vergleich zu seinem Bruder kann Sophias Stellung in Omars Leben fraglos als emanzipiert gesehen werden, auch wenn sie ihrem Glauben insofern folgt, da sie für ihre Arbeit im Krankenhaus ein Kopftuch trägt. Eine gelungene Integration sollte man meinen, wäre da nicht der Aspekt, dass Omar sich selbst und einige Kuffar (Ungläubige), in die Luft jagen will. Unterstützt von Kind und Kegel – lediglich der strenggläubige Bruder sieht im militärischen Jihad gegen die Kuffar keine Lösung.

Und hier beginnt das Desaster. Das Problem der Selbstmordattentate und des militärischen Jihads wird nicht aufgearbeitet, sondern dient nur als Prämisse, um sich über eine Gruppe Selbstmordattentäter zu belustigen. Weder Omar noch seine Mitstreiter Waj (Kayvan Novak), Barry (Nigel Lindsay), Hassan (Arsher Ali) und Faisal (Adeel Akhtar) erhalten eine Motivation jenseits ihrer Religionszugehörigkeit. Wieso sich ein bestens integrierter Muslim wie Omar in einer christlichen Gesellschaft wie Engalnd für den Jihad entscheidet, bleibt außen vor. Auch wieso Frau und Kind dem Ereignis entgegenfiebern wie sonst was. Figuren wie Waj, Faisal und Hassan erhalten nicht einmal ein derartiges Profil, bleiben eindimensionale Idioten.

Es gibt also keine Auseinandersetzung mit dem militärischen Jihad und den Selbstmordattentaten, keine Aufarbeitung, kein Blick in die Psyche der Täter, wie sie Hany Abu-Assad mit Paradise Now geliefert hat. Alles was bleibt, sind fünf mehr oder weniger dümmliche Muslime, die Hühner nicht von Hasen unterscheiden, Bazookas richtig herum abfeuern oder selbst Krähen kompetent in die Luft jagen können. Four Lions fehlt in gänzlicher Hinsicht ein reflektierendes Element, eine Katharsis für wenigstens eine der fünf Figuren. Die Chance auf die Dekonstruktion des Irrsinns des militärischen Jihads lässt Morris ein ums andere Mal verstreichen. Selbst als Waj plötzlich Zweifel hegt, werden diese so schnell vertrieben, wie sie implantiert wurden.

Der verstärkten Islamophobie und den Selbstmordattentaten im Namen des Jihad spielt Morris dabei blendend in die Karten. Statt zu konfrontieren, analysieren und demaskieren, beschränkt sich der Film aufs Blamieren. Indem man jedoch den Schulschläger auf dem Pausenhof bloßstellt und als dumm karikiert, wird man sein Verhalten aber nicht ändern. Dabei wären Ansätze vorhanden, Widersprüche im Wahn zahlreicher Fundamentalisten aufzudecken – auch auf satirische Weise, wie Morris es pflegt. Dunham hat solche Ansätze gezeigt, auch Trey Parker und Matt Stone in ihren South Park-Folgen. Stattdessen verliert sich Morris in seinem Kuddelmuddel aus Beleidigungen in Urdu und einem nie abebbenden “bro”-Stakkato.

Die fehlgeleitete Herangehensweise bricht Four Lions letztlich das Genick, wobei nicht abgestritten werden soll, dass der Film über positive Aspekte verfügt. Angefangen mit dem Ensemble, das überzeugt und das Beste aus den eindimensionalen Karikaturen macht. Besonders Kayvan Novak sticht heraus, der bisweilen glaubt, verwirrt zu sein, sich aber erst sicher ist, wenn er ein Handy-Foto von sich selbst sieht. Hinzu kommen eine Handvoll Szenen, die in der Tat lustig sind, wenn zum Beispiel Omar es sich mit den anderen verscherzt und diese ihn anschließend auch in ihrer Chat-Plattform im Internet meiden. Es sind Szenen, die unabhängig vom Film gesehen werden und rare Momente in einem ansonsten fehlgeleiteten Film.

4.5/10

1 Kommentar:

  1. Hm, grade heute wurde mir der Film erst empfohlen, und dann lese ich deinen "Verriss"... muss ich mir wohl selber ein Bild machen.

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