Bereits René Descartes beschäftigte sich im 17. Jahrhundert mit dem Leib-Seele-Problem und ob der Geist ohne Materie separat existieren könne. Ist der Körper nur ein Gefäß für die Seele? Zumindest in The Matrix (1999) entwickelten die beiden Wachowski-Schwestern ein anti-dualistisches Bild ihrer Welt und das Konzept eines materiellen Geistes. “Your body cannot live without the mind”, klärt Morpheus darin Neo auf. Was zwar mehr auf den Körper gemünzt ist, zugleich wird Sein jedoch über die Materie und weniger den Geist definiert. Grundsätzlich ist The Matrix aber an Fragen von Realität und Freiheit interessiert, der die Wachowskis inspirierende Kōkaku Kidōtai, Oshii Mamorus Adaption von Shirow Masamunes Manga aus dem Jahr 1991, dreht sich derweil mehr um die Themen Leben und Existenz.
Shirow konzipierte darin eine Cyberpunk-Geschichte, die im Jahr 2029 spielt. Die Vermischung zwischen Mensch und Maschine ist vorangeschritten, teils so weit, dass an manchen Figuren wie Major Motoko Kusanagi (Tanaka Atsuko) ihr “ghost” – also ihre Seele respektive ihr Bewusstsein – das einzig übriggebliebene Menschliche ist. Genauer gesagt gibt es in Kusanagis Spezieleinheit der Regierung kaum Mitglieder, die nicht über maschinelle Verbesserungen verfügen. Ihr neuer Partner Togusa (Yamadera Kouichi) ist mit seinem e-Brain, sprich: Cyber Net Implantate im Gehirn, praktisch die Ausnahme. Und wurde gerade deshalb vom Major ausgewählt. “A system where all parts react the same way is a system with a fatal flaw”, erklärt sie Togusa. Und derartige Lücken werden gnadenlos ausgenutzt.
Beispielsweise von dem Hacker-Terroristen „Puppetmaster“, einer künstlichen Intelligenz, die zu Beginn des Films auch erstmals Japan unsicher macht. Und damit Kusanagis Team rund um Togusa und Batou (Ohtsuka Akio) auf den Plan ruft. Während der Puppetmaster die Ghosts von etwaigen Bürgern hackt und manipuliert, heften sich Kusanagi und Co. an seine Fersen. Zugleich bemerkt Batou einige Wesensveränderungen bei seiner Vorgesetzten, die vermehrt an ihrer eigenen Menschlichkeit zu zweifeln beginnt. Als sich der Puppetmaster dann in Form eines Gynoiden zu Stellen scheint, werden nach und nach Verstrickungen und Motive deutlich. Und wie sich zeigt, soll Kusanagi hierbei eine ganz besondere Rolle spielen, während Kōkaku Kidōtai sich von der Action zur Philosophie wendet.
Was bedeutet es, am Leben zu sein? Dies ist eine Frage, die sich der Puppetmaster stellt und die er im Folgenden an die übrigen Figuren weitergibt. Er selbst stellt sich Kusanagis Einheit, um Asyl als politisch verfolgtes Lebewesen zu beantragen. Allerdings sprechen ihm seine menschlichen Gegenüber jene Qualifikation ab, schließlich partizipiere er nicht am Sein. “I am able to recognize my own existence”, reklamiert er und rezitiert damit Descartes’ 1. Grundsatz (“cogito ergo sum”/„Ich denke, also bin ich“). Es handele sich bloß um seine selbsterhaltene Maßnahme, wiegeln die Menschen ab – und der Puppetmaster hält ihnen vor, dass dies wiederum auch auf die menschliche DNS zutreffen würde. Was den Mensch zum Individuum mache, sei vielmehr nur seine immaterielle Erinnerung.
“And memory cannot be defined”, fährt die Künstliche Intelligenz fort, “but it defines mankind.” Man fühlt sich an eine Aussage von Batou aus dem ersten Akt erinnert, als er kommentierte: “All data that exists is both reality and fantasy”. Eine Schnittmenge, die auch Erinnerungen mit einschließt. Und was sind Daten letztlich anderes, als programmierte Erinnerungen? Bei den Figuren bleiben die Gedanken des Puppetmaster jedoch nicht hängen, lediglich der Major scheint in ihnen ein stummes Echo jener Selbstzweifel zu erkennen, die sie seit einiger Zeit selbst ergriffen haben. Die Entfremdung ihres Ghosts gegenüber ihrem gynoiden Körper wird dabei gekennzeichnet durch ihre schamlose Entblößung von Letzterem. Was wiederum speziell in ihrem Partner Batou immer wieder menschliche Züge hervorbringt.
Hoffnung wartet lediglich beim Tauchen auf Kusanagi, “as though I could change into something else”. Eine Hoffnung, die sich im Finale in der Symbiose mit dem Puppetmaster bestätigt sieht (und von den Wachowskis in The Matrix Revolutions kopiert wurde). “Maybe there was never a real ‘me’ to begin with”, sinniert der Major. Auch der Puppetmaster kritisiert den menschlichen Hang zur Individualität. “Your desire to remain as you are is what ultimately limits you”, wirft er Kusanagi vor. Während sie sich vollends von ihrem materiellen Dasein verabschiedet und im Kollektiv mit dem Puppetmaster dennoch ihren Ghost behält, gewinnt die KI durch die Assimilation des Majors letztlich jene „körperlichen“ Eigenschaften der Reproduktion und Sterblichkeit, die für sie Existenz repräsentieren.
Allerdings wird das Thema in den nur 80 Minuten Laufzeit von Kōkaku Kidōtai relativ schnell abgefrühstückt, wo Oshii sicher noch eine Viertelstunde an Exposition und Tiefe hätte draufpacken können. Manche Andeutung, darunter auch Togusas übermäßige „Menschlichkeit“ sowie die Figur generell, spielt zugleich im weiteren Verlauf des Films gar keine Rolle mehr. Immerhin verschwendet Oshii nicht zu viel Zeit auf die Action-Szenen und weiß stattdessen mit den Set-Pieces, die er präsentiert, umso mehr zu gefallen. Allen voran das gorige Attentat im Intro, aber auch die Kanal-Verfolgung wie die Auseinandersetzung mit dem Kampfroboter zum Schluss überzeugen. Was man von den CGI-Updates einiger Szenen in der vor einigen Jahren veröffentlichten 2.0-Version allerdings nicht sagen kann.
Bei der Sichtung von Kōkaku Kidōtai – der ein Sequel sowie eine TV-Serie nach sich zog – wird jedoch deutlich, wieso der Film gemeinsam mit Akira als Pfeiler im Anime- sowie Musterbeispiel im Animationsbereich gilt. Die Zeichnungen sind auch nach fast 20 Jahren noch nicht verjährt, die mystisch angehauchte chorale Musik von Kawai Kenji trägt ihren Teil dazu bei. Immerhin schafft es Oshii in seiner kurzen Zeit, einen faszinierenden – und zugleich auch von Blade Runner beeinflussten – Einblick in Shirows Cyberpunk-Welt zu verschaffen. Ohne dass man als Zuschauer hinsichtlich der inhaltlichen Verflechtungen auf der Strecke bleibt. Insofern kann konstatiert werden, dass bei Kōkaku Kidōtai der Geist fast 90 Minuten vorzüglich unterhalten wird. Soviel also zum Leib-Seele-Problem.
Shirow konzipierte darin eine Cyberpunk-Geschichte, die im Jahr 2029 spielt. Die Vermischung zwischen Mensch und Maschine ist vorangeschritten, teils so weit, dass an manchen Figuren wie Major Motoko Kusanagi (Tanaka Atsuko) ihr “ghost” – also ihre Seele respektive ihr Bewusstsein – das einzig übriggebliebene Menschliche ist. Genauer gesagt gibt es in Kusanagis Spezieleinheit der Regierung kaum Mitglieder, die nicht über maschinelle Verbesserungen verfügen. Ihr neuer Partner Togusa (Yamadera Kouichi) ist mit seinem e-Brain, sprich: Cyber Net Implantate im Gehirn, praktisch die Ausnahme. Und wurde gerade deshalb vom Major ausgewählt. “A system where all parts react the same way is a system with a fatal flaw”, erklärt sie Togusa. Und derartige Lücken werden gnadenlos ausgenutzt.
Beispielsweise von dem Hacker-Terroristen „Puppetmaster“, einer künstlichen Intelligenz, die zu Beginn des Films auch erstmals Japan unsicher macht. Und damit Kusanagis Team rund um Togusa und Batou (Ohtsuka Akio) auf den Plan ruft. Während der Puppetmaster die Ghosts von etwaigen Bürgern hackt und manipuliert, heften sich Kusanagi und Co. an seine Fersen. Zugleich bemerkt Batou einige Wesensveränderungen bei seiner Vorgesetzten, die vermehrt an ihrer eigenen Menschlichkeit zu zweifeln beginnt. Als sich der Puppetmaster dann in Form eines Gynoiden zu Stellen scheint, werden nach und nach Verstrickungen und Motive deutlich. Und wie sich zeigt, soll Kusanagi hierbei eine ganz besondere Rolle spielen, während Kōkaku Kidōtai sich von der Action zur Philosophie wendet.
Was bedeutet es, am Leben zu sein? Dies ist eine Frage, die sich der Puppetmaster stellt und die er im Folgenden an die übrigen Figuren weitergibt. Er selbst stellt sich Kusanagis Einheit, um Asyl als politisch verfolgtes Lebewesen zu beantragen. Allerdings sprechen ihm seine menschlichen Gegenüber jene Qualifikation ab, schließlich partizipiere er nicht am Sein. “I am able to recognize my own existence”, reklamiert er und rezitiert damit Descartes’ 1. Grundsatz (“cogito ergo sum”/„Ich denke, also bin ich“). Es handele sich bloß um seine selbsterhaltene Maßnahme, wiegeln die Menschen ab – und der Puppetmaster hält ihnen vor, dass dies wiederum auch auf die menschliche DNS zutreffen würde. Was den Mensch zum Individuum mache, sei vielmehr nur seine immaterielle Erinnerung.
“And memory cannot be defined”, fährt die Künstliche Intelligenz fort, “but it defines mankind.” Man fühlt sich an eine Aussage von Batou aus dem ersten Akt erinnert, als er kommentierte: “All data that exists is both reality and fantasy”. Eine Schnittmenge, die auch Erinnerungen mit einschließt. Und was sind Daten letztlich anderes, als programmierte Erinnerungen? Bei den Figuren bleiben die Gedanken des Puppetmaster jedoch nicht hängen, lediglich der Major scheint in ihnen ein stummes Echo jener Selbstzweifel zu erkennen, die sie seit einiger Zeit selbst ergriffen haben. Die Entfremdung ihres Ghosts gegenüber ihrem gynoiden Körper wird dabei gekennzeichnet durch ihre schamlose Entblößung von Letzterem. Was wiederum speziell in ihrem Partner Batou immer wieder menschliche Züge hervorbringt.
Hoffnung wartet lediglich beim Tauchen auf Kusanagi, “as though I could change into something else”. Eine Hoffnung, die sich im Finale in der Symbiose mit dem Puppetmaster bestätigt sieht (und von den Wachowskis in The Matrix Revolutions kopiert wurde). “Maybe there was never a real ‘me’ to begin with”, sinniert der Major. Auch der Puppetmaster kritisiert den menschlichen Hang zur Individualität. “Your desire to remain as you are is what ultimately limits you”, wirft er Kusanagi vor. Während sie sich vollends von ihrem materiellen Dasein verabschiedet und im Kollektiv mit dem Puppetmaster dennoch ihren Ghost behält, gewinnt die KI durch die Assimilation des Majors letztlich jene „körperlichen“ Eigenschaften der Reproduktion und Sterblichkeit, die für sie Existenz repräsentieren.
Allerdings wird das Thema in den nur 80 Minuten Laufzeit von Kōkaku Kidōtai relativ schnell abgefrühstückt, wo Oshii sicher noch eine Viertelstunde an Exposition und Tiefe hätte draufpacken können. Manche Andeutung, darunter auch Togusas übermäßige „Menschlichkeit“ sowie die Figur generell, spielt zugleich im weiteren Verlauf des Films gar keine Rolle mehr. Immerhin verschwendet Oshii nicht zu viel Zeit auf die Action-Szenen und weiß stattdessen mit den Set-Pieces, die er präsentiert, umso mehr zu gefallen. Allen voran das gorige Attentat im Intro, aber auch die Kanal-Verfolgung wie die Auseinandersetzung mit dem Kampfroboter zum Schluss überzeugen. Was man von den CGI-Updates einiger Szenen in der vor einigen Jahren veröffentlichten 2.0-Version allerdings nicht sagen kann.
Bei der Sichtung von Kōkaku Kidōtai – der ein Sequel sowie eine TV-Serie nach sich zog – wird jedoch deutlich, wieso der Film gemeinsam mit Akira als Pfeiler im Anime- sowie Musterbeispiel im Animationsbereich gilt. Die Zeichnungen sind auch nach fast 20 Jahren noch nicht verjährt, die mystisch angehauchte chorale Musik von Kawai Kenji trägt ihren Teil dazu bei. Immerhin schafft es Oshii in seiner kurzen Zeit, einen faszinierenden – und zugleich auch von Blade Runner beeinflussten – Einblick in Shirows Cyberpunk-Welt zu verschaffen. Ohne dass man als Zuschauer hinsichtlich der inhaltlichen Verflechtungen auf der Strecke bleibt. Insofern kann konstatiert werden, dass bei Kōkaku Kidōtai der Geist fast 90 Minuten vorzüglich unterhalten wird. Soviel also zum Leib-Seele-Problem.
8/10
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