17. Juni 2013

Man of Steel

A good death is its own reward.

Christopher Nolan ist vermutlich jemand, der zum Lachen in den Keller geht. Zumindest gibt sich der Brite in seinen Comic-Geschichten derart bierernst, dass man den armen Mann fast bemitleidet und ihn umarmen möchte. Umso paradoxer also, dass gerade der Einstieg in sein Superman-Reboot Man of Steel lächerlicher kaum sein könnte. Das beginnt auf Krypton, das hier keine Eiswelt mit Swarovski-Innendesign mehr ist, sondern eine technologisierte Dschungel-Landschaft voller Vulkane. Russell Crowe gibt einen bärigen Jor-El, der Befehle in einen Flugsensor im Pin-Art-Look schnauzt, während er auf einem Flugdrachen vor Raumschiffen flieht. Wüsste man es nicht besser, würde man sich in einem feuchten Traum von Wolfgang Hohlbein wähnen. 

Superman, das ist nicht dabei nicht nur der allererste, sondern auch populärste Comic-Held der Amerikaner. Und trotz seines Alters von 75 Jahren und fünf Kinofilmen gibt es nun von Warner Bros. wie bereits für Batman einen Relaunch der Figur. Inklusive Origin-Story versteht sich. Ähnlich wie zuvor in Richard Donners Superman frisst der allseits bekannte Hintergrund zur Figur fast die Hälfte der Laufzeit, ehe Clark Kent alias Kal-El endlich das blaue Spandex mit dem roten Cape überstreifen darf. Der sehenswerte und gemeinhin unterschätze Superman Returns soll vergessen gemacht werden, so der Auftrag des The Dark Knight-Triumvirats um Warner, Christopher Nolan und David S. Goyer an Krachbumm-Regisseur Zack Snyder.

Verfügten die Filme von Donner und Singer zusammen über rund fünf Action-Setpieces, kommt auf die Zuschauer in Man of Steel nun ein Action-Setpiece alle fünf Minuten zu. Angefangen auf Krypton, wo ein in Knochenrüstung gekleideter Jor-El im Angesicht der bevorstehenden Apokalypse nicht nur seinen neugeborenen Sohn in eine sichere Zukunft schicken will, sondern auch den meuterischen General Zod aufhalten muss. Ausgestattet mit dem Gen-Material seiner gesamten Rasse – schick in Form eines alten Yorick-Schädels – wird Kal-El zur Erde entsandt. Zod, obschon nunmehr verhaftet und ins Exil verbannt, will dies nicht auf sich sitzen lassen. Finden wird er Kal-El, schreit er daher wieder und wieder.

Dann heißt es erstmal durchatmen. Auf der Erde sehen wir nun Clark als bärtigen einsamen Wanderer à la Bruce Wayne. Mal hier, mal da – auf der Suche nach seiner Bestimmung. Seine Kindheit wird in Rückblenden aufgedröselt, erste Kraftmanifestierungen im Klassenzimmer oder eine Schulbusrettung aus dem Fluss. Irgendwann hört Clark dann zwei Militärs von einer Entdeckung im Eis reden. Nicht nur er. Auch Starreporterin Lois Lane erfährt von dem mysteriösen Fund und wird daraufhin – weitaus mysteriöser – vom US-Militär exklusiv zur Berichterstattung eingeflogen. Der Fund entpuppt sich wiederum als ein 18.000 Jahre altes kryptonisches Raumschiff, das Clark mittels einer Art kryptonischen USB-Stick rebooted.

Dies ruft einige Situationen auf den Plan, mit denen Clarks Ziehvater Jonathan Kent (Kevin Costner) nicht sonderlich zufrieden wäre. So taucht kurz darauf Zod mit seiner Schergentruppe auf und fordert die Übergabe seines Landsmanns. Jetzt muss Clark/Kal-El also zum Superman werden, den passenden Anzug hierfür hat er praktischerweise in dem 18.000 Jahre alten UFO gefunden. Das fungiert in diesem neuen Superman-Franchise als der Ersatz für Kal-Els Fortress of Solitude, ist jedoch auch weit mehr als das. Schließlich geht es im Gegensatz zu Richard Lesters Superman II nicht ausschließlich um Zods Rache am Sohn von Jor-El, sondern um weitaus existentiellere Fragen. The survival of the fittest – wenn man so will.

Krypton wird nämlich als eugenische Gesellschaft dargestellt, bevölkert von Retortenbabys nach dem Vorbild des platonischen Staates. Somit wird jeder Kryptonier zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks geboren. Im Falle von Zod ist es die Sicherstellung des Überlebens aller Kryptonier. Kal-El dagegen wurde „herkömmlich“ geboren, um einen freien Willen und die Wahl seines Schicksals zu besitzen. Eine Begebenheit, die Zod zur tragischen Figur macht, da er weniger zum klassischen Bösewicht wird – der intendierte Massenmord an der Menschheit hin oder her. Schade jedoch, dass sich Nolan und Co. für diesen Umstand nicht sonderlich interessieren. Stattdessen aber dafür, Superman und die Kryptonier sich nonstop kloppen zu lassen.

Mit Schmackes zimmern sie sich erst in Smallville, später auch nochmals in Metropolis von einem Gebäude durch ein Gebäude zum nächsten Gebäude – und wieder zurück. Das weckt gerade im Finale dann böse Erinnerungen an The Matrix Revolutions, nicht nur, weil hier Harry Lennix erneut eine Rolle übernimmt. Bisweilen wähnt man sich aber auch in einer Kinoversion von NetherRealms zuletzt veröffentlichtem Beat-’em-up-Spiel Injustice: Gods Amongst Us, wo man Szenenwechsel dadurch schafft, indem man seine Gegner durch ein Gebäude prügelt. Dumm nur, dass eine Action-Szene in Man of Steel mit der nächsten so identisch ist wie mit der vorherigen. Und sonderlich spannend sind sie dabei – oder eher: dadurch – ohnehin nicht.

Denn wenn sich unverletzbare Supermenschen durch die Innenstadt kloppen – einmal geht es sogar in den Orbit, wo auf einem Satelliten weitergeprügelt wird, ehe man das Ganze wieder zurück auf die Erde verlagert –, fiebert man ebenso mit wie bei Transformers. Dass sie sich keinen Schaden zufügen, geht zumindest an den Figuren vorbei. So entleert auch ein von Christopher Meloni gespielter Militär erfolglos ein Maschinenpistolenmagazin auf Antje Traues Kryptonierin Faora, ehe Meloni zur Handwaffe greift und als diese leer ist, ein Messer zückt. Sinn ergibt in Nolans Welt ohnehin wenig, angefangen vom der Erde 100.000 Jahre (!) voraus seiendem und daher auf Drachen reitenden (!) Krypton bis zur Darstellung von Supermans Kräften.

Der kann weder hören, wenn auf einem Fischerkutter über seinem Kopf ein Krabbenkäfig auf ihn stürzt, noch wenn ihm Lois Lane mit 20 Metern Abstand in sein Raumschiff folgt. Warum in diesem ein Superman-Anzug – der nicht wie Jor-Els aus Knochen, sondern Spandex ist – wartet oder wieso Zod später eine Terraforming-Maschine namens „Genesis“ in Aktion bringt (auf Krypton liest man wohl die Bibel oder lernt Griechisch), hinterfragt man besser ebenfalls nicht. Genauso wenig den vorgeschrieben Tod von Papa Kent, der hier auf selten dümmliche Weise geschieht, sich aber letztlich exzellent in das Gesamtbild des Films einfügt. Bei Nolan muss, so hat es den Anschein, eben alles eine Nummer größer sein. Komme, was wolle.

Den Vogel schießt allerdings die christliche Metaphorik ab. So wandert Clark 33 Jahre lang über die Erde und verbringt hier und da seine Wunder – er interveniert zum Beispiel bei einem Bohrinselbrand –, ehe er sich als nicht von dieser Welt zu erkennen gibt, um sich nach einem Zwiegespräch mit einem Priester in dessen Kirche dazu zu entschließen, sich für die Menschheit als Martyrer zu opfern, als Zod danach verlangt. Nebst der redundanten Action, der komplex eingeführten Geschichte Kryptons, die dann bis auf ihren Gimmick-Wert außer Acht gelassen wird, und dem Versuch, Spannung und Dramatik in Szenen zu entwickeln, die aufgrund der Gegebenheiten weder spannend noch dramatisch sind, ärgert das am meisten.

In seiner Summe ist Man of Steel weniger klassischer Superhelden- als ein Alien-Invasion-Film und Science-Fiction-Actioner. Voll mit Raumschiffen, Gigant-Subwoofern und ordentlich Krawall und Remmidemmi. Bruce Wayne dürfte sich in Florenz an seinem Espresso verschlucken, angesichts der Bilder aus Metropolis, die über den Bildschirm flackern. Vom Charme des 1978er oder 2006er Films ist hier jedenfalls nichts mehr geblieben. Snyder präsentiert einen superernsten – und wohl gerade deswegen ziemlich lächerlichen – Action-Marathon, bei dem vielleicht nicht unbedingt weniger mehr gewesen wäre, aber zumindest mehr anderes anstatt immer dasselbe. Für das angekündigte Sequel schwant einem da also schon Böses.

4/10

4 Kommentare:

  1. Gestern gesehen. Zwar nerven die teilweise ausgedehnten CGI-Schlachten (insbesondere zu Beginn) und Hansi Hinterzimmers Score ist auch nicht das Nonplusultra, aber "Man of Steel" ist immerhin nicht so eine Schlaftablette wie der Singerheuler.

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    1. Wie süß, bald 10 Jahre rum und immer noch scheint zumindest in Berlin das Bashing eines gemeinhin bekannt-unterschätzten Films nicht aus der Mode :)

      Ich streite es nicht ab, wer Action will, wird hier natürlich besser bedient. Wer sich für Charaktere interessiert, beim "Singerheuler". Der ist natürlich alles andere als eine Schlaftablette, aber im Vergleich zu dem hier kann ich verstehen, dass er so wahrgenommen wird.

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  2. Auch nach 10 Jahren ist ein schlechter Film immer noch ein schlechter Film bzw. noch immer langweilig. Da hilft es auch nicht, das Werk als "gemeinhin" (welch bedeutende Autoritäten sich auch immer dahinter verbergen mögen!) unterschätzt zu erklären.

    Der neue Superman ist ja nun auch keine Granate, aber dann eben doch insgesamt packender.

    Vielleicht eignet sich die Figur heutzutage einfach nicht mehr für ein Kino, dass an einer Superhelden- und Comicadaptionsadipositas leidet :)

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    1. Ich bin immerhin dankbar für ein derartiges Blockbuster-"Nischenkino", wie es del Toros HELLBOY, Lees HULK oder Singers SUPERMAN darstellen. Dass das nicht jedem gefällt, liegt in der Natur der Sache.

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