Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón
Am 20. November 1975 verstarb Francisco Franco in Madrid und mit ihm ein Stück Geschichte - und zwar keine erfreuliche. Endlich war Spanien frei von seinem faschistischen Herrscher, einem politischen Relikt aus der Zeit von Hitler, Mussolini und Stalin. Der letzte große Diktator Europas. Die neugewonnene Freiheit der Spanier brach Bahnen, speziell auch in kultureller Hinsicht. In Madrid begann die movida madrileña zu der auch Pedro Almodóvar gehörte. Bereits seit einigen Jahren als Super-8-Regisseur aktiv, begann der spanische Auteur 1978 mit den Dreharbeiten zu seinem ersten Spielfilm. Für 500.000 Peseten (heute umgerechnet 3.000 Euro) und über anderthalb Jahre an Wochenenden und Abenden gedreht, kam Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande schließlich 1980 in die spanischen Kinos - und entwickelt sich zum spanischen Kultfilm.
Die 18-jährige Pepi (Carmen Maura) pflanzt ordentlich Cannabis auf ihrem Balkon und plant, ihre Jungfräulichkeit für 60.000 Peseten zu verkaufen. Doch ein gegenüber wohnender Polizist (Félix Rotaeta) macht ihr einen Strich durch die Rechnung, als er sie aus Stillschweigen über das Cannabis vergewaltigt. Pepis Racheversuch schlägt fehl, dafür freundet sie sich mit Luci (Eva Siva), der masochistischen Ehefrau des Polizisten, an. Die erwachsene Frau beginnt kurz darauf eine Beziehung mit Pepis lesbischer 16-jähriger Freundin Bom (Olvido Gara). Als Pepi erfolgreich bei einer Marketingfirma arbeitet, will sie die Abenteuer von sich, Luci und Bom als Grundlage für einen Film nehmen. Doch Bom ist davon wenig erbaut und unterdessen hat sich der Polizist auf die Suche nach seiner abgehauenen Ehefrau Luci gemacht.
Wie auch seine anderen Frühwerke ist Pepi, Luci, Bom von sehr viel Vulgarität durchzogen (so wird Luci von Pepi dazu genötigt, sich von Bom anpinkeln zu lassen). Eine Ausdrucksform der neu gewonnen Freiheit - vulgär sein, weil man nun vulgär sein darf. Wer nicht unter Franco in Spanien leben musste, wird sich daher schwer mit Almodóvars Debütfilm tun. Wie auch in Laberinto de pasiones geht der Auteur sehr fragwürdig mit dem Thema Vergewaltigung um (Luci beneidet Pepi um deren Vergewaltigung), wogegen auch nicht die Tatsache hilft, dass sie eine franquistische Analogie sein soll. Problematisch ist auch die Darstellung dieser neuen Freiheit, bedenkt man, dass Bom Luci im Grunde sogar schlechter behandelt, als ihr franquistischer Ehemann. Unterhaltsamer ist da die fiktive Ponte-Werbung in der Mitte des Filmes und die Ansammlung zahlreicher Musen (Carmen Maura, Cecilia Roth, Julieta Serrano, Kiti Manver), die technischen Mängel dagegen verzeihenswert. Dennoch neben Laberinto der schwächste Film Almodóvars.
Almodóvar erzählt eine außergewöhnliche Liebesgeschichte. Die nymphomane Gynäkologentochter Sexilia (Cecilia Roth) verliebt sich in den schwulen arabischen Prinzen Riza Niro (Imanol Arias), der inkognito in Madrid untergetaucht ist. Auch drei arabische Terroristen (u.a. Antonio Banderas) halten sich in Spaniens Hauptstadt auf, in der Hoffnung Riza als Geisel zu nehmen, um dessen Vater zu erpressen. Währenddessen freundet sich Sexilia mit der jungen Queti (Marta Fernández Muro) an, die jeden zweiten Tag von ihrem Vater vergewaltigt wird, der sie für ihre weggelaufene Mutter hält. Unterdessen versucht Toraya (Helga Liné), Rizas Ex-Stiefmutter, diesen ebenfalls aufzuspüren und zu verführen, damit auch sie mittels königlichen Spermas Forderungen an Rizas Vater, den Kaiser, stellen kann. Kleinere Subplots bleiben unerwähnt.
Dass Laberinto de pasiones unlustig ist, kann man nicht sagen. Der Film regt durchaus dank manch absurder Situation zum Lachen an. Woran der Film scheitert, ist Almodóvars sexuelle Botschaft. Echauffierte sich mancher aufgrund Kevin Smiths Darstellung Homosexueller in Chasing Amy, ist dies nichts im Vergleich zur Liebe auf den ersten Blick zwischen dem schwulen Riza und der nymphomanen Sexilia. Die Ursprünge dieser beiden Entscheidungen verknüpft der Auteur auf lächerlichste Weise in einer Rückblende. „Man soll nicht gegen die Natur leben. Sie weiß mehr als wir“, legt Almodóvar einer Figur in den Mund und hinterfragt somit in zweideutiger Weise vielleicht sogar seine eigene Homosexualität. Den Vogel schießt der Spanier jedoch mit Quetis Schicksal ab, auf deren Geständnis, sie werde jeden zweiten Tag vom eigenen Vater vergewaltigt, Sexilia lapidar anwortet: „Man gewöhnt sich an alles.“ Somit ein durchaus bedenklicher Film, der fraglos Almodóvars schlechtestes Werk darstellt.
Die drogensüchtige Sängerin Yolanda (Cristina Sánchez Pascual) will nach der Überdosis ihres Freundes erst Mal untertauchen. Eine Fluchtmöglichkeit findet sie in dem Kloster von Abadesa Julia (Julieta Serrano), die dort ihrer eigenen Drogensucht und homosexuellen Gelüsten frönt. Auch die übrigen Schwestern haben so ihre Eigenarten, pflegt Schwester Perdida (Carmen Maura) doch einen Tiger im Hinterhof, knallt sich Schwester Estiercol (Marisa Paredes) mit LSD zu und schreibt Schwester Rata de Callejon (Chus Lampreave) insgeheim erfolgreiche Schundromane. Das eigentliche Problem, dass die Marquesa (Mary Carillo) die finanziellen Zuschüsse ans Kloster gestrichen hat und dieses nunmehr vor der Schließung steht, geht da natürlich unter. Ein Handlungs-Mix, der eigentlich den Stempel einer Handlung nicht wirklich verdient.
Die Geschichte, die Almodóvar hier zu erzählen versucht, ist heillos unübersichtlich und nur schwer überhaupt erkennbar. Gegen Ende vermisst man die Motive von Yolanda, deren Integration in den Film unentwegt wie ein Fremdkörper wirkt. Dennoch hat Entre tinieblas durchaus seine Momente, beispielsweise wenn sich Abadesa Julia in Yolandas Zimmer eine Heroinspritze setzt oder auch Yolandas finaler Musikauftritt mit den drei amigas (Perdida, Estiercol, Rata de Callejon) ringt einem ein Schmunzeln ab. Man merkt dem Film jedoch an, dass Almodóvar irgendwann merkte, dass Pascuals Figur aufgrund des mangelnden Talents der Darstellerin keine allzu große Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Sodass die Stärken von Entre tinieblas in den einzelnen Szenen mit der Schwesternschaft liegen, allen voran die liebenswert spielende Lampreave. Sie und die übrigen almodóvar'schen Musen (Maura, Roth, Serrano, Paredes) retten, was zu retten ist.
Im Mittelpunkt steht - wie ab sofort öfters - die Mutter, hier in der Form der Putzkraft Gloria (Carmen Maura). Sie steht repräsentativ für viele von Almodóvars Frauenfiguren. Vom Lande stammend, heiratete sie in Antonio (Ángel de Andrés López) einen Jungen vom Dorf und zog anschließend nach Madrid. Hier fristet sie ein unglückliches Dasein, bestehend aus Putzen, Kochen und Waschen mit den einzigen Fluchtmöglichkeiten im Schnüffeln von Putzmittel oder anderen Haushaltsutensilien. Antonio ist ganz der franquistische Macho, besseren Zeiten als Fahrer der ehemaligen deutschen Nazi-Sängerin Ingrid Müller nachhängend. Der älteste Sohn Toni verkauft Drogen, der Jüngste, Miguel, prostituiert sich für ältere Männer. Auch die in der Wohnung lebende Stiefmutter (Chus Lampreave) erleichtert mit ihrem Wunsch, zurück in ihr Dorf zu ziehen, Glorias Leben nicht wirklich.
Trotz seiner Ernsthaftigkeit mangelt es ¿Qué he hoche yo merecer esto!! nicht an humoristischer Auflockerung. So ist zum einen Lampreaves (an Almodóvars eigener Mutter angelehnte) Figur eine Art comic relief, aber auch die nebenan wohnende Prostituierte Crystal (Verónica Forqué). Sie zählt neben einem Schrifsteller-Ehepaar und der Mutter einer übersinnlichen Tochter (eine kleine Carrie-Hommage) zu den typischen almodóvar'schen Nebenfiguren, die in gewissem Sinne ihr eigenes Dasein neben dem Hauptplot fristen, ohne wirklich in diesen sinnvoll integriert zu sein. Aus Karrieresicht ist ¿Qué he hoche yo merecer esto!! ein großer Schritt für Almodóvar, integrierte er hier viele Elemente, die seine kommenden Filme durchziehen (Mutter als Zentrum) oder erneut Referenz (Putzfrau tötet Ehemann, siehe Volver) finden sollten.
Der Film beginnt dabei typisch almodóvaresk: Ein Mann (Nacho Martìnez) betrachtet masturbierend Filme mit extremer Gewalt. Es ist der ehemalige Matador Diego, der nach einer schweren Verletzung eine Matadorschule leitet. Zu dieser gehört auch der verklemmte Homosexuelle Ángel (Antonio Banderas). Um sich und somit seinem Mentor Diego seine Männlichkeit zu beweisen, versucht er seine Nachbarin Eva (Eva Cobo), zugleich Diegos Freundin, zu vergewaltigen. Als er sich wegen der Tat stellt, von Eva jedoch entlastet wird, gesteht er freimütig vier offene Mordfälle. Die wahre Täterin eines Teils dieser Morde, Anwältin María (Assumpta Serna), übernimmt Ángels Verteidigung und zieht damit die Aufmerksamkeit von Diego auf sich. Während Diego und María sich sexuell immer anziehender finden und auf gegenseitige Geheimnisse stoßen, versucht der homosexuelle Polizeiermittler (Eusebio Poncela) mit Hilfe der Psychologin Julia (Carmen Maura) im Gegenzug Ángel zu entlasten.
Almodóvar, der wie sein produzierender Bruder Augustín eine amüsante Nebenrolle übernimmt, kommentierte in Matador ziemlich offensichtlich Kulturwerte des „alten“ Spaniens als kriminalistisch und psychotisch. Die vom Stierkampf getriebenen Diego und María kommen nicht umhin, weiter zu morden und ihre Leidenschaft aus diesen Morden zu beziehen. Zugleich zwängt Almodóvar die hässliche Fratze von Francos Spanien in Julieta Serrano als biedere Mutter von Ángel, während Chus Lampreave das moderne Spanien verkörpern darf, als freimütige Mutter von Eva. Matador ist wie nahezu jeder Film Almodóvars in den richtigen Momenten humorvoll und damit auflockernd, verliert sich jedoch in seinem dritten Akt etwas in der hereinbrechenden Mystik rund um Ángels Figur und die perverse Beziehung von Diego und María. Qualitativ somit ein kleiner Rückschritt zum Vorgänger, aber Almodóvars Fortschritte sind sichtbar.
Der spanische Regisseur Pablo (Eusebio Poncela) ist erfolgreich und geliebt - nur nicht von seinem Darsteller und Objekt der Begierde, Juan (Miguel Molina). Als dieser im Sommer in sein Dorf zurückkehrt, beginnt Miguel eine Affäre mit Antonio (Antonio Banderas), einem seiner Fans. Für Miguel jedoch lediglich eine Ablenkung für die Sehnsucht nach Juan. Derweil plant er eine Bühnenadaption und ein neues Filmprojekt, in welchen seine Schwester Tina (Carmen Maura), eigentlich sein zur Frau umoperierter Bruder, die Hauptrolle übernehmen soll. Tina wiederum hängt immer noch der negierten Liebe ihrer einzigen beiden Männer im Leben nach: Zum einen ihrem inzestuösen Vater und zum anderen ihrem pädophilen ehemaligen Priester. Während Tina sich ganz in die neuen Projekte ihres Bruders stürzt, gerät dieser in ein mörderisches Beziehungsdrama mit Juan und Antonio.
Auch in La ley del deseo finden sich viele bekannte Merkmale des Regisseurs wieder. Das Krankenhaus als Handlungsort taucht ebenso auf, wie die Themen des Transsexualismus (Todo sobre mi madre/La mala educación) oder des Inzests (Laberinto de pasiones/Volver). Auch die Liebesbezeugung durch Gewaltandrohung wird Almodóvar in ¡Átame! und Carne trémula nochmals aufgreifen. In der Nebenfigur von Tina, die erst so viel Gewichtung erfuhr, als Almodóvar mit Poncela unzufriedener wurde, verarbeitete der Spanier zum ersten Mal seine beiden Prosageschichten Anfang der Siebziger (La visita würde später ausführlicher in La mala educación aufgegriffen werden). Es ist die etwas unausgegorene Geschichte von Tina, die dem Film etwas schadet, ihre Involvierung in den Film wirkt oft gezwungen und scheint es ja aufgrund der Probleme mit Poncela auch gewesen zu sein. Man merkt dem Auteur aber an, dass er sich gesteigert hat.
Seine Affäre mit der Kollegin Pepa (Carmen Maura) wird zu Gunsten einer anderen Frau beendet. Was Pepa nicht auf sich sitzen lassen und deshalb Iván konfrontieren will. Nur ist der inzwischen untergetaucht. Wie auch Candela (María Barranco), Pepas Freundin, die sich naiver Weise mit einem schiitischen Terroristen eingelassen hat, der mit seinen Glaubensbrüdern einen Anschlag in Madrid verüben wollte. Irgendwo dazwischen rutschen auch noch Iváns Sohn Carlos (Antonio Banderas) und seine Verlobte Marisa (Rossy de Palma) in das Bild hinein. Die Szenerie kulminiert dann in Pepas Penthouse, wo sich die Mehrzahl der Protagonisten letztlich in einer urkomischen Einstellung gegenübersteht. Das Ganze wird hierbei vom humorvollen Spiel Barrancos, sowie dem intensiven Engagement von Maura getragen, die Beide zu Recht einen Goya erhielten.
Neben Almodóvars damaligen Musen Maura und, wenn man ihn so bezeichnen will, Banderas, findet sich auch in de Palma ein bekanntes Gesicht aus seiner Filmographie. Mujeres al borde de un ataque de nervios besticht durch Almodóvars herzhaften Humor und seine pointierten emanzipatorischen Spitzen. „Vertrau keinem Mann“, rät da der Priester der Braut in einem Film im Film und Pepa selbst gibt später ihrer Nachbarin den Tipp: „Motorräder kann man verstehen. Männer nicht“. Das Finale fällt zwar etwas aus der Rolle - oder wirkt sehr over the top, insofern man das in Anbetracht der restlichen Geschichte sagen kann -, vielleicht gerade weil es den sicheren Raum von Pepas Wohnung verlässt. Nichtsdestotrotz ist Mujeres al borde de un ataque de nervios eine ungemein unterhaltsame Komödie, die speziell von ihrem toll aufspielenden Ensemble lebt.
„For me the film is totally romantic - it’s a love story and a fairy tale“, umschrieb Almodóvar seinen eigenen Film. Eine Meinung, die man in der Zensurbehörde Amerikas wohl nicht ganz so teilte, ist der Film auf gewisse Weise doch ausgesprochen europäisch. Gerade die Prämisse der Geschichte stieß in den spießigen USA auf Anstoß. ¡Átame! erzählt von dem 23-jährigen Ricky (Antonio Banderas), der, aus einer Anstalt entlassen, beginnt der Porno-Darstellerin Marina (Victoria Abril) nachzustellen. Er überfällt sie Daheim und bindet sie ans Bett. Er wolle ihr Mann und Vater ihrer Kinder werden, erklärt Ricky, während Marina glaubt, nach einer schnellen Vergewaltigung wäre sie den Eindringling wieder los. Drogenabhängig wegen Zahnschmerzen muss Ricky für Marina dann mehrfach in die Madrider Nacht, um seinem Entführungsopfer die entsprechenden Tabletten zu besorgen.
Ähnlich wie in Los abrazos rotos beinhaltet auch ¡Átame! einen Film im Film. „Das ist kein Horrorfilm, eher eine Liebesgeschichte“, befindet man über Marinas eigenen Film, während sich gefragt wird, wo diese eigentlich steckt. Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte, ja, allerdings nicht so romantisch, wie Almodóvar es selbst sieht. Verständlich, dass man in Amerika ob Rickys „liebevoller“ Gewalt gegenüber Marina sehr bedeckt reagierte. Wobei auch die Nackt- und Sexszenen mit Abril wenig in den prüden USA beigetragen haben dürften. Die Wende im Film wirkt fraglos etwas spontan, zudem suggeriert die letzte Szene, das vielleicht nicht alles so ist, wie man zu denken glaubt. Dennoch ist ¡Átame! ein von Banderas und Abril gut gespielter, humorvoller Liebes-Thriller, in dem Morricones Musik allerdings bisweilen deplatziert wirkt.
Es sind erneut die Frauen, die unter den Männern zu Leiden haben, denen sich der Spanier hier widmet. Speziell natürlich in Gestalt von Rebeca, deren Beziehung zu ihrer Mutter mitunter relativ wenig greifbar ist. Speziell der Sprung vom Prolog in die eigentliche Handlung wirkt dürftig, wird doch nicht klar, wie lange sich die beiden Frauen nicht mehr gesehen haben (tatsächlich über ein Jahrzehnt?). Hinzu kommt, dass die finale Wendung dann relativ früh absehbar ist, was generell wenig problematisch wäre, würde Almodóvar sie nicht von Anfang an sehr plakativ bereits andeuten. Genauso wie er einen wirklichen Zugang zur zentralen Figur von Rebeca verwehrt, über deren Innenleben man nur bedingt in ein paar Szenen leichte Einblicke erhält. Als Melodram funktioniert Tacones lejanos somit nicht ganz so gut, wie als ein etwas unernster Thriller.
Immerhin gelingt Abril eine schöne Wandlung von ihrer Figur aus ¡Átame!. Es ist durch und durch ihr Film, woran selbst Paredes nichts ändern kann. Almodóvars Humor ist hier etwas rarer gesät, aber sehr schön erkennbar in Rebecas Geständnis vor laufender Kamera und der Reaktion ihrer Gebärdensprachdolmetscherin. Nett gerät zudem der Kurzauftritt von Javier Bardem, der in Carne trémula eine größere Rolle erhalten sollte. Auch Almodóvars selbstreferentielles Zitat im Film („Du musst endlich lernen, deine Probleme mit Männern auf eine andere Art zu lösen“) weiß dem Zuschauer ein Schmunzeln abzuringen. All dies lenkt jedoch nicht davon ab, dass Tacones lejanos nicht zu den stärkeren Filmen des spanischen Auteurs zählt. Zu sehr verlässt er hier seine eigentliche Narration (insbesondere durch die Integration von Paula), was ihm letztlich nur schadet.
Kika (Verónica Forqué) ist eine jung gebliebene Kosmetikerin Mitte Dreißig, die sich in den Photographen Ramón (Àlex Casanovas) verliebt, nachdem sie zuvor eine Affäre mit dessen Stiefvater, dem Schriftsteller Nicholas (Peter Coyote), hatte. Die beiden Männer können sich nicht ausstehen, was auch am vermeintlichen Suizid von Ramóns Mutter und Nicholas Frau liegt, die sich drei Jahre zuvor erschossen haben soll. Als Nicholas nach einem Südamerikaabstecher wieder nach Spanien kommt, ist Ramón höflich genug, ihm nicht nur Geld zu leihen, sondern auch eine Unterkunft zu bieten. Auch die Fernsehmoderatorin Andrea (Victoria Abril) teilt ihre Vergangenheit mit dem Vater-Sohn-Gespann und nimmt im Verlaufe des Filmes entscheidenden Einfluss auf Kikas Leben, als sie in ihrer Sensations-Sendung eine Vergewaltigung von Kika durch Paul, den Bruder von Kikas Hausmädchen Juana (Rossy de Palma), ausschlachtet.
Wieder eine Vergewaltigung und wieder wird das Problemthema zu humoristischen Zwecken genutzt. Als Kika Ramón die Vergewaltigung später gesteht, erklärt sie lapidar: „These things happen every day. Today was my turn“. Betrachtet man Almodóvars Filme, könnte man meinen, eine Vergewaltigung sei nicht schlimmer als vom Freund verlassen zu werden. Aber nicht deswegen ist Kika ein mühseliger Film, eher weil er sich in der Tat nicht für seine Charaktere interessiert. Figuren tauchen auf und verschwinden, speziell Paul und Juana, die letztlich ebenso vergänglich sind, wie das Sperma, das in einer Szene auf Andreas Gesicht tropft. Die finale Konfrontation hat man so in etwa bereits in Matador gesehen, wie später auch in Carne trémula. Insofern ist Kika nur leidlich unterhaltsam, was auch die opulente Ausstattung mit Kostümen von Jean Paul Gaultier nicht zu kaschieren vermag. Wieso Haas hier einen „der wichtigsten europäischen Filme der Neunziger“ ausmacht, wäre wohl interessanter gewesen, als der Film am Ende selbst ist.
Leo (Marisa Paredes) tritt unter einem Pseudonym als Schriftstellerin romantischer Schundromane auf und ist ein seelisches Wrack, seit ihr Ehemann Paco (Imanol Arias) sich als Soldat der NATO anschloss und in Brüssel lebt. Sie ertränkt ihren Kummer in Alkohol und erreicht einen Punkt, an dem sie nichts mehr mit jenen Schundromanen zu tun haben möchte. Weder für ihre Verleger, noch Ángel (Juan Enchanove), Chefredakteur der Zeitung El Pais, der sie unwissentlich bittet, eine Buchrezension zu einem ihrer eigenen Romane zu verfassen und sie zugleich romantisch umgarnt. Hinzu kommen die Sorgen um ihre Mutter (Chus Lampreave), die bei Leos Schwester (Rossy de Palma) lebt, jedoch vehement um ihre Rückkehr ins dörfliche La Mancha bittet. Als Paco dann für wenige Stunden nach Hause kommt und sich herausstellt, dass er eine Affäre mit Leos Freundin Betty (Carme Elías) hatte, bricht die Welt der Schriftstellerin vollends zusammen.
La flor de mi secreto war Almodóvars Abkehr von seinen vorherigen Studioproduktionen, vor Ort gedreht und von seinen Biographen speziell wegen den Kameraeinstellungen während Pacos Rückkehr gelobt (die Beziehung der Figuren wird durch ihre aufgebroche Darstellung gezeigt). Wie es sich für einen Almodóvar-Film gehört, ordnet sich auch hier die Farbkombination der Bilder dem Stil des Regisseurs unter. In der Vermischung von Drama und Humor ist der Spanier nach 15 Jahren inzwischen ein Meister, weshalb die dramatischen Momente um Leos Liebesleben sehr schön durch die grandiosen Szenen mit de Palma und Lampreave aufgelockert werden. Natürlich spielt auch das Singen eine große Rolle, in diesem Fall ufert sie jedoch aus, wenn sie quasi den gesamten dritten Akt durchzieht. Dennoch ist der Film ausgesprochen gelungen, nicht zuletzt dank Paredes, die ihre beste Leistung unter dem Mann aus La Mancha abruft.
Almodóvar erzählt vom Twen Victor (Liberto Rabal), der nach einer kurzweiligen Bekanntschaft mit der Drogensüchtigen Elena (Francesca Neri) dieser Daheim nachstellt. Die Situation eskaliert, als Elena eine Pistole zückt und die beiden Polizisten Sancho (José Sancho) und David (Javier Bardem) auf der Bildfläche erscheinen. Ein Schuss löst sich, David wird querschnittsgelähmt und Victor landet für die nächsten Jahre im Gefängnis. Als er aus diesem schließlich entlassen wird, ist seine Mutter (Penélope Cruz) an Krebs gestorben undDavid ein gefeierter Paralympic-Basketballer, zudem mit Elena verheiratet. Selbst im Unglück widerfahre ihm noch Glück, schmettert Victor diesem in einer späteren Szene entgegen, während er selbst sich mit Sanchos vernachlässigter Frau Clara (Ángela Molina) einlässt und im Kindergarten von Elena eine Praktikantenstelle übernimmt.
Ein- und Ausleitung des Filmes sind auf subtiler Ebene erstaunlich ernst geraten, verweist Almodóvar doch auf den Zustand Madrids unter Francos Regime. Ansonsten weiß der Spanier jedoch wie immer mit einer gewissen humorvollen Note an seine Liebesdramen heranzugehen, wenn Davids und Victors Konfrontation durch einen spontanen Torjubel für Atlético Madrid unterbrochen wird. Carne trémula weist einige Ähnlichkeiten zu ¡Átame! auf, ähneln sich doch Ricky und Victor in ihrer „aufgezwungenen“ Liebe und Marina und Elena in ihrer plötzlichen Erwiderung dieser Gefühle. Auch durch die Sexszene und sein harmonisches Ende erinnert der Film an seinen sieben Jahre jüngeren Vorgänger. Von diesen Schwächen abgesehen kann Almodóvars Affäre zu Viert jedoch die meiste Zeit überzeugen und dies sogar so ganz ohne eine seiner Musen.
Die Krankenschwester Manuela (Cecilia Roth) besucht gemeinsam mit ihrem Sohn Esteban an dessem Geburtstag eine Theateraufführung von A Streetcar Named Desire. Als der designierte Schriftsteller ein Autogramm der Hauptdarstellerin Huma Rojo (Marisa Paredes) ergattern will, wird er von einem Wagen überfahren. Manuela macht sich auf nach Barcelona, wo sie Estebans Vater, den Transvestiten Lola, ausfindig machen will, um ihn vom Verlust seines Sohnes, den er nie kennenlernte, zu unterrichten. Doch Lola ist abgehauen und hat die Nonne Rosa (Penélope Cruz) HIV-infiziert und schwanger zurückgelassen. Manuela nimmt sich der leidgeprüften Schwester an und kommt über Umwegen zu einem Assistentenjob bei Huma Rojo. Diese hat unter der Drogensucht ihrer Kollegin und Geliebten zu leiden. Die Frauen beginnen sich anzufreunden.
Es hat schon etwas Besonderes, wenn Almodóvar eine Szene kreiert, die mit Roth, Paredes und Cruz gleich drei seiner größten Musen beinhaltet. Es ist in der Tat ein Film über weibliche Solidarität, müssen doch alle Frauenfiguren - natürlich auch die Transvestiten - wie so oft beim spanischen Auteur unter den Handlungen ihrer männlichen Artgenossen leiden. Wie gekonnt dezent und insbesondere selbstverständlich Almodóvar hier soziale Problemthemen wie Transvestitismus, HIV und Kindesverlust nicht nur anspricht, sondern zu einer kohärenten Geschichte verwebt, ist Merkmal für das über die Jahre gereifte Talent des spanischen Ausnahmeregisseurs. Speziell das Ende des Filmes, wenn sich Lola und Manuela schließlich wieder begegnen, rührt zu Tränen. Todo sobre mi madre ist ein ganz großer Almodóvar. Und ein ganz großes Melodram.
Der Film erzählt die Geschichte des Krankenpfleger Benigno (Javier Cámara) und des Journalisten Marco (Darío Grandinetti), sowie ihrer Liebesbeziehungen zu zwei Frauen, die beide durch tragische Unfälle im Koma landen. Während Marco es vergönnt war, zumindest einige Monate mit der Matadora Lydia (Rosario Flores) zu verbringen, ehe die bei einem Stierkampf einen Hirntod erlitt, besteht die Beziehung von Benigno und der Tänzerin Alicia (Leonor Watling) lediglich aus der Körperpflege Letzterer durch Ersteren. Aufgrund des gemeinsamen Schicksals, von der Geliebten durch deren komatösen Zustand getrennt zu sein, freunden sich Benigno und Marco im Laufe der Wochen allmählich an. In Rückblenden präsentiert Almodóvar die Vorgeschichten der beiden Paare, während Benignos Liebe zu Alicia beginnt, immer stärkere Ausmaße einzunehmen.
In seinem vierzehnten Film räumt der Auteur seinem üblichen Humor wenig Platz ein. Lediglich sein Film im Film, El amante menguante, als reflexorisches Element für Benignos Gefühle, lässt ein paar Schmunzler zu, steht jedoch auch repräsentativ für die darauffolgende Vergewaltigung. Erfreulicherweise ist Almodóvar in den letzten zwei Jahrzehnten reifer geworden, weshalb er nunmehr mit Vergewaltigungen sicherer umgeht, anstatt sie in zweideutiger Weise als Verweis auf den Franquismus zu missbrauchen. Hable con ella ist ein Film über vier Figuren, der wenig über diese Figuren verrät. Das Innenleben von Benigno, Marco, Lydia und Alicia bleibt dem Publikum leider oft verwehrt. „Wer liebt, der spricht“, fasst Almodóvar die Prämisse des Filmes im Audiokommentar zusammen. Leider spricht Hable con ella nicht ganz so gut zum Zuschauer, wie es bei seinem Vorgänger der Fall gewesen ist.
Der junge Regisseur Enrique (Fele Martínez) erhält Besuch von seinem ehemaligen Schulkameraden und ersten Liebe, Ignacio (Gael García Bernal). Dieser ist ein aufstrebender Schauspieler, der Enrique ein Drehbuch über die Kindheit der Beiden im katholischen Internat, betitelt La visita, überreicht. Geschildert werden darin die Liebe der beiden Knaben, sowie die sexuellen Übergriffe des Literaturlehrers Padre Manolo (Daniel Giménez Cacho) auf Ignacio. In Rückblenden erfährt der Zuschauer, wie Ignacio, als Transvestit Zahara verkleidet, Jahre später Padre Manolo konfrontiert. Äußerst skeptisch lässt sich Enrique sowohl in beruflicher als auch in sexueller Hinsicht auf Ignacio ein, während der Film selbst peu a peu neben Ignacios und Enriques Geschichte auch Zaharas Erlebnisse und die des jungen Ignacio aufzuschlüsseln beginnt.
Der Einzug des Medium „Film“ in die Werke von Almodóvar ist ein beliebtes Merkmal des Regisseurs (s. Mujeres (…), ¡Átame! oder Los abrazos rotos), hier als mise en abyme perfektioniert, wenn La mala educación beginnt mit dem Film-im-Film La visita und dessen zu Grunde liegenden Erzählung La visita zu verschmelzen. Allerdings beginnt sich der Spanier im Laufe des dritten Akts mehr und mehr in seiner - wie so oft - komplexen Handlung zu verlieren, wenn Ángel, Zahara, Ignacio und dessen Bruder Juan zu verschmelzen beginnen und mit ihnen auch ihre Handlungsstränge. Wenn dann auch noch Lluís Homar als echter Padre Manolo beziehungsweise Señor Berenguer die Bühne betritt, hat sich La mala educación selbst inzwischen etwas aus der Bahn geworfen. Am Ende will Almodóvar zu viel und verbaut seinem Film einen besseren Eindruck.
Raimunda (Penélope Cruz) hat es nicht leicht, muss sie allein als Putzkraft ihre Familie ernähren, während ihr arbeitsloser Mann Paco (Antonio de la Torre) zu Hause rumlümmelt. Dort weckt Raimundas Tochter Paula (Yohana Cobo) sexuelle Begehrlichkeiten bei ihm - eine Leidenschaft, die ihn sein Leben kosten wird. Um ihre Tochter zu schützen, lässt Raimunda die Leiche in der Tiefkühltruhe des zum Verkauf stehenden Restaurants eines Nachbarn verschwinden. Als sie dort von einem Filmteam die Anfrage erhält, das Catering zu übernehmen, packt die robuste Mutter die Gelegenheit beim Schopfe. Unterdessen ist Raimundas Schwester Sole (Lola Dueñas) damit beschäftigt, die tot geglaubte Mutter Irene (Carmen Maura) in ihrer Wohnung zu verstecken. Es ist der Tod der geliebten Tante Paula (Chus Lampreave), der alle Frauenfiguren zurück ins heimatliche Dorf und damit zu ihren Geheimnissen und Emotionen treiben wird.
Grundsätzlich verfügt Volver über alles, was einen Almodóvar-Film ausmacht. Den bunten rötlich-gelben Farbton, eine schrullige Mutterfigur, starke Frauen, die keinen Platz für Männer lassen, die obligatorische Autoszene und Querverweise zu anderen Werken aus der Vita. Dennoch wirkt die Handlung des Filmes, ebenfalls sehr almodóvaresk, überladen, speziell durch Blanca Portillos zwar gut gespielte, aber letztlich irrelevante Nachbarin Agustina. Auch Carmen Mauras Rückkehr (volver) zu Almodóvar nach 18 Jahren will nicht so recht den Funken alter Tage wieder zum Glühen bringen. Schade auch, dass der spanische Auteur hier erneut sexuellen Missbrauch lediglich als Charaktermerkmal einbaut, ohne das seine Vita durchziehende Thema jemals mit der nötigen Ernsthaftigkeit und der gebührenden Aufmerksamkeit anzusprechen. Es ist abseits davon natürlich die hervorragend aufspielende Cruz, die das Herz des Filmes darstellt und ihn mühelos alleine zu Tragen versteht. Schade nur, dass hier noch mehr drin gewesen wäre.
Erzählt wird vom blinden Drehbuchautor Harry Caine (Lluís Homar), dessen Wirken als Filmregisseur per Rückblende aufgeschlüsselt wird, als mit dem jungen Regisseur Ray X (Rubén Ochandiano) eine Figur aus seiner Vergangenheit die Bühne betritt. Vor vierzehn Jahren hatte sich Harry, der damals noch seinen Geburtsnamen Mateo Blanco verwendete, in Magdalena (Penélope Cruz) verliebt, die Hauptdarstellerin seines neuesten Filmes Chicas y maletas. Doch Lena war damals mit dem Industriellen Ernesto Martel (José Luis Gómez) liiert, mehr aus Dankbarkeit denn Liebe, da Martel einst Lenas Vater eine lebensverlängernde Operation finanziert hat. Der eifersüchtige und alte Martel beäugt die Dreharbeiten kritisch und setzt seinen homosexuellen Sohn Ernesto Jr. (Rubén Ochandiano) darauf an, eine Dokumentation zu drehen, die Martel dann von einer Lippenleserin übersetzen lässt. Die Affäre wird schließlich aufgedeckt, mit fatalen Folgen.
Die 18-jährige Pepi (Carmen Maura) pflanzt ordentlich Cannabis auf ihrem Balkon und plant, ihre Jungfräulichkeit für 60.000 Peseten zu verkaufen. Doch ein gegenüber wohnender Polizist (Félix Rotaeta) macht ihr einen Strich durch die Rechnung, als er sie aus Stillschweigen über das Cannabis vergewaltigt. Pepis Racheversuch schlägt fehl, dafür freundet sie sich mit Luci (Eva Siva), der masochistischen Ehefrau des Polizisten, an. Die erwachsene Frau beginnt kurz darauf eine Beziehung mit Pepis lesbischer 16-jähriger Freundin Bom (Olvido Gara). Als Pepi erfolgreich bei einer Marketingfirma arbeitet, will sie die Abenteuer von sich, Luci und Bom als Grundlage für einen Film nehmen. Doch Bom ist davon wenig erbaut und unterdessen hat sich der Polizist auf die Suche nach seiner abgehauenen Ehefrau Luci gemacht.
Wie auch seine anderen Frühwerke ist Pepi, Luci, Bom von sehr viel Vulgarität durchzogen (so wird Luci von Pepi dazu genötigt, sich von Bom anpinkeln zu lassen). Eine Ausdrucksform der neu gewonnen Freiheit - vulgär sein, weil man nun vulgär sein darf. Wer nicht unter Franco in Spanien leben musste, wird sich daher schwer mit Almodóvars Debütfilm tun. Wie auch in Laberinto de pasiones geht der Auteur sehr fragwürdig mit dem Thema Vergewaltigung um (Luci beneidet Pepi um deren Vergewaltigung), wogegen auch nicht die Tatsache hilft, dass sie eine franquistische Analogie sein soll. Problematisch ist auch die Darstellung dieser neuen Freiheit, bedenkt man, dass Bom Luci im Grunde sogar schlechter behandelt, als ihr franquistischer Ehemann. Unterhaltsamer ist da die fiktive Ponte-Werbung in der Mitte des Filmes und die Ansammlung zahlreicher Musen (Carmen Maura, Cecilia Roth, Julieta Serrano, Kiti Manver), die technischen Mängel dagegen verzeihenswert. Dennoch neben Laberinto der schwächste Film Almodóvars.
Laberinto de pasiones
Wie die Spanier unter Francos Regime gelitten haben, mag man als Außenstehender nur erahnen, aber nicht nachempfinden können. Pedro Almodóvar gibt in seinen Filmen (zum Beispiel Carne trémula) immerhin Anzeichen, was die wiedergefundene Freiheit speziell für die Madrilenen bedeutet hat. So erklärt sich auch des Spaniers zweiter Spielfilm Labyrinth der Leidenschaften, der in der golden Ära der Madrider Bewegung entstand, und das ist, was der Auteur immer so gerne als „Pop“ bezeichnet. Eine komplexe Handlung, an hauchdünnen Fäden miteinander in Verbindung gesetzt und bevölkert von bunten, schrillen Figuren. Gerade zu Beginn, siehe auch Entre tinieblas unten, wirken die Werke Almodóvars im Vergleich zu seinen Filmen der letzten zehn Jahre reichlich unbeholfen und pubertär. Aber auch Regisseure haben eben mal klein angefangen.Almodóvar erzählt eine außergewöhnliche Liebesgeschichte. Die nymphomane Gynäkologentochter Sexilia (Cecilia Roth) verliebt sich in den schwulen arabischen Prinzen Riza Niro (Imanol Arias), der inkognito in Madrid untergetaucht ist. Auch drei arabische Terroristen (u.a. Antonio Banderas) halten sich in Spaniens Hauptstadt auf, in der Hoffnung Riza als Geisel zu nehmen, um dessen Vater zu erpressen. Währenddessen freundet sich Sexilia mit der jungen Queti (Marta Fernández Muro) an, die jeden zweiten Tag von ihrem Vater vergewaltigt wird, der sie für ihre weggelaufene Mutter hält. Unterdessen versucht Toraya (Helga Liné), Rizas Ex-Stiefmutter, diesen ebenfalls aufzuspüren und zu verführen, damit auch sie mittels königlichen Spermas Forderungen an Rizas Vater, den Kaiser, stellen kann. Kleinere Subplots bleiben unerwähnt.
Dass Laberinto de pasiones unlustig ist, kann man nicht sagen. Der Film regt durchaus dank manch absurder Situation zum Lachen an. Woran der Film scheitert, ist Almodóvars sexuelle Botschaft. Echauffierte sich mancher aufgrund Kevin Smiths Darstellung Homosexueller in Chasing Amy, ist dies nichts im Vergleich zur Liebe auf den ersten Blick zwischen dem schwulen Riza und der nymphomanen Sexilia. Die Ursprünge dieser beiden Entscheidungen verknüpft der Auteur auf lächerlichste Weise in einer Rückblende. „Man soll nicht gegen die Natur leben. Sie weiß mehr als wir“, legt Almodóvar einer Figur in den Mund und hinterfragt somit in zweideutiger Weise vielleicht sogar seine eigene Homosexualität. Den Vogel schießt der Spanier jedoch mit Quetis Schicksal ab, auf deren Geständnis, sie werde jeden zweiten Tag vom eigenen Vater vergewaltigt, Sexilia lapidar anwortet: „Man gewöhnt sich an alles.“ Somit ein durchaus bedenklicher Film, der fraglos Almodóvars schlechtestes Werk darstellt.
Entre tinieblas
Irgendwann verkauft sich jeder an die Studios. Sei es David Lynch mit Dune, Kevin Smith mit Cop Out oder Pedro Almodóvar mit Das Kloster zum heiligen Wahnsinn. Sein dritter Spielfilm war seine erste richtige Produktion, von der sich der Spanier heute jedoch entfernt, da er findet, er habe sich dem kommerziellen Druck zu sehr beugen müssen. Das Geld für Entre tinieblas stammte vom Multimillionär Hervé Hachuel, der im Gegenzug Almodóvar darum bat, seiner damaligen Freundin Cristina Sánchez Pascual die Hauptrolle zu geben. Was der Auteur auch tat, um dann jedoch festzustellen, dass Pascual - die bereits in Pepi, Luci, Bom eine Nebenrolle erhielt - nur bedingt mit Talent bestückt war. Weshalb schließlich die Nebenrollen mehr und mehr ins Zentrum gerückt wurden. Und wenn man sich schon die Produzenten-Tusse anschwatzen lässt, kann man auch die übrigen Rollen mit seinen eigenen Musen bestücken.Die drogensüchtige Sängerin Yolanda (Cristina Sánchez Pascual) will nach der Überdosis ihres Freundes erst Mal untertauchen. Eine Fluchtmöglichkeit findet sie in dem Kloster von Abadesa Julia (Julieta Serrano), die dort ihrer eigenen Drogensucht und homosexuellen Gelüsten frönt. Auch die übrigen Schwestern haben so ihre Eigenarten, pflegt Schwester Perdida (Carmen Maura) doch einen Tiger im Hinterhof, knallt sich Schwester Estiercol (Marisa Paredes) mit LSD zu und schreibt Schwester Rata de Callejon (Chus Lampreave) insgeheim erfolgreiche Schundromane. Das eigentliche Problem, dass die Marquesa (Mary Carillo) die finanziellen Zuschüsse ans Kloster gestrichen hat und dieses nunmehr vor der Schließung steht, geht da natürlich unter. Ein Handlungs-Mix, der eigentlich den Stempel einer Handlung nicht wirklich verdient.
Die Geschichte, die Almodóvar hier zu erzählen versucht, ist heillos unübersichtlich und nur schwer überhaupt erkennbar. Gegen Ende vermisst man die Motive von Yolanda, deren Integration in den Film unentwegt wie ein Fremdkörper wirkt. Dennoch hat Entre tinieblas durchaus seine Momente, beispielsweise wenn sich Abadesa Julia in Yolandas Zimmer eine Heroinspritze setzt oder auch Yolandas finaler Musikauftritt mit den drei amigas (Perdida, Estiercol, Rata de Callejon) ringt einem ein Schmunzeln ab. Man merkt dem Film jedoch an, dass Almodóvar irgendwann merkte, dass Pascuals Figur aufgrund des mangelnden Talents der Darstellerin keine allzu große Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Sodass die Stärken von Entre tinieblas in den einzelnen Szenen mit der Schwesternschaft liegen, allen voran die liebenswert spielende Lampreave. Sie und die übrigen almodóvar'schen Musen (Maura, Roth, Serrano, Paredes) retten, was zu retten ist.
¿Qué he hoche yo merecer esto!!
Mit seinem vierten Film Womit hab’ ich das verdient?, den Almodóvar zugleich als seinen „most social film“ beschreibt, begann der Wahl-Madrilene sich etwas von seinen vulgären Frühwerken zu entfernen. Der Spanier schien erkannt zu haben, dass trotz der wieder gewonnenen Freiheit, die Demokratie in Spanien versagt zu haben scheint, konnten doch weder die Demokratie noch die regierende PSEO allen Familien Wohlstand bringen. Im Gegenteil, führt die neue demokratische Lebensform - die bei Almodóvar zuvor eher Ausgangspunkt für Tabubrüche denn Freiheitsverständnis war - zur wirtschaftlichen und sozialen Krise. Auch fehlen ¿Qué he hoche yo merecer esto!! die bunten und verspielten Farben anderer Almodóvar-Filme, die entsprechend blassen und kalten Bildern weichen müssen.Im Mittelpunkt steht - wie ab sofort öfters - die Mutter, hier in der Form der Putzkraft Gloria (Carmen Maura). Sie steht repräsentativ für viele von Almodóvars Frauenfiguren. Vom Lande stammend, heiratete sie in Antonio (Ángel de Andrés López) einen Jungen vom Dorf und zog anschließend nach Madrid. Hier fristet sie ein unglückliches Dasein, bestehend aus Putzen, Kochen und Waschen mit den einzigen Fluchtmöglichkeiten im Schnüffeln von Putzmittel oder anderen Haushaltsutensilien. Antonio ist ganz der franquistische Macho, besseren Zeiten als Fahrer der ehemaligen deutschen Nazi-Sängerin Ingrid Müller nachhängend. Der älteste Sohn Toni verkauft Drogen, der Jüngste, Miguel, prostituiert sich für ältere Männer. Auch die in der Wohnung lebende Stiefmutter (Chus Lampreave) erleichtert mit ihrem Wunsch, zurück in ihr Dorf zu ziehen, Glorias Leben nicht wirklich.
Trotz seiner Ernsthaftigkeit mangelt es ¿Qué he hoche yo merecer esto!! nicht an humoristischer Auflockerung. So ist zum einen Lampreaves (an Almodóvars eigener Mutter angelehnte) Figur eine Art comic relief, aber auch die nebenan wohnende Prostituierte Crystal (Verónica Forqué). Sie zählt neben einem Schrifsteller-Ehepaar und der Mutter einer übersinnlichen Tochter (eine kleine Carrie-Hommage) zu den typischen almodóvar'schen Nebenfiguren, die in gewissem Sinne ihr eigenes Dasein neben dem Hauptplot fristen, ohne wirklich in diesen sinnvoll integriert zu sein. Aus Karrieresicht ist ¿Qué he hoche yo merecer esto!! ein großer Schritt für Almodóvar, integrierte er hier viele Elemente, die seine kommenden Filme durchziehen (Mutter als Zentrum) oder erneut Referenz (Putzfrau tötet Ehemann, siehe Volver) finden sollten.
Matador
Seit jeher gilt Pedro Almodóvar als Frauenregisseur. Seine weiblichen Musen alle aufzuzählen, wäre müßig und ausufernd. Einfacher fällt dies bei seiner männlichen Muse: Antonio Banderas. Diesem verhalf Almodóvar bereits mit Laberinto de pasiones zum Filmdebüt. In seinem fünften Film Matador, der 1986 zum dritterfolgreichsten Film des Jahres in Spanien avancierte, fiel Banderas eine gewichtigere Rolle zu, die zugleich das Mittelstück seiner „Schwulen-Trilogie“ für seinen Regisseur darstellte. Almodóvar selbst bezeichnete Matador als seinen „seltsamsten“ und „abstraktesten“ Film, in dem er allegorisch - wie so oft - Haltung zur spanischen Geschichte einnehmen sollte. Und natürlich wäre Almodóvar nicht Almodóvar, wenn es nicht auch hier zu einem Tabubruch kommen würde - indem er die perverse Leidenschaft des Nationalsports Stierkampf nicht nur offen zur Sprache bringt, sondern seinen Film um diese aufbaut.Der Film beginnt dabei typisch almodóvaresk: Ein Mann (Nacho Martìnez) betrachtet masturbierend Filme mit extremer Gewalt. Es ist der ehemalige Matador Diego, der nach einer schweren Verletzung eine Matadorschule leitet. Zu dieser gehört auch der verklemmte Homosexuelle Ángel (Antonio Banderas). Um sich und somit seinem Mentor Diego seine Männlichkeit zu beweisen, versucht er seine Nachbarin Eva (Eva Cobo), zugleich Diegos Freundin, zu vergewaltigen. Als er sich wegen der Tat stellt, von Eva jedoch entlastet wird, gesteht er freimütig vier offene Mordfälle. Die wahre Täterin eines Teils dieser Morde, Anwältin María (Assumpta Serna), übernimmt Ángels Verteidigung und zieht damit die Aufmerksamkeit von Diego auf sich. Während Diego und María sich sexuell immer anziehender finden und auf gegenseitige Geheimnisse stoßen, versucht der homosexuelle Polizeiermittler (Eusebio Poncela) mit Hilfe der Psychologin Julia (Carmen Maura) im Gegenzug Ángel zu entlasten.
Almodóvar, der wie sein produzierender Bruder Augustín eine amüsante Nebenrolle übernimmt, kommentierte in Matador ziemlich offensichtlich Kulturwerte des „alten“ Spaniens als kriminalistisch und psychotisch. Die vom Stierkampf getriebenen Diego und María kommen nicht umhin, weiter zu morden und ihre Leidenschaft aus diesen Morden zu beziehen. Zugleich zwängt Almodóvar die hässliche Fratze von Francos Spanien in Julieta Serrano als biedere Mutter von Ángel, während Chus Lampreave das moderne Spanien verkörpern darf, als freimütige Mutter von Eva. Matador ist wie nahezu jeder Film Almodóvars in den richtigen Momenten humorvoll und damit auflockernd, verliert sich jedoch in seinem dritten Akt etwas in der hereinbrechenden Mystik rund um Ángels Figur und die perverse Beziehung von Diego und María. Qualitativ somit ein kleiner Rückschritt zum Vorgänger, aber Almodóvars Fortschritte sind sichtbar.
La ley del deseo
Der Mann aus La Mancha beschreibt Das Gesetz der Begierde selbst als „the key film of my career“. Von seiner Struktur unterscheidet sich der Film durchaus von anderen Filmen Pedro Almodóvars, verzichtete er doch auf die sonst ausufernden Nebenfiguren und kommt weitaus stringenter daher. Für den Almodóvar-Biographen Ernesto Acevedo-Muñoz ist La ley del deseo „a landmark of queer cinema“. Beschränkte sich der spanische Auteur in seinen Frühwerken noch darauf, Obszönitäten zu portraitieren, weil dies in der neugewonnenen Demokratie nun möglich war, fokussiert er sich nunmehr weitaus stärker auf die wirkliche Bedeutung dieser Freiheit. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier eine homosexuelle Dreiecks-Geschichte erzählt wird, ist zwei Jahrzehnte vor Brokeback Mountain beachtlich und umso interessanter, weil Spanien seiner Zeit La ley del deseo am häufigsten als den Film auswählte, der die Nation auf Festivals vertreten sollte.Der spanische Regisseur Pablo (Eusebio Poncela) ist erfolgreich und geliebt - nur nicht von seinem Darsteller und Objekt der Begierde, Juan (Miguel Molina). Als dieser im Sommer in sein Dorf zurückkehrt, beginnt Miguel eine Affäre mit Antonio (Antonio Banderas), einem seiner Fans. Für Miguel jedoch lediglich eine Ablenkung für die Sehnsucht nach Juan. Derweil plant er eine Bühnenadaption und ein neues Filmprojekt, in welchen seine Schwester Tina (Carmen Maura), eigentlich sein zur Frau umoperierter Bruder, die Hauptrolle übernehmen soll. Tina wiederum hängt immer noch der negierten Liebe ihrer einzigen beiden Männer im Leben nach: Zum einen ihrem inzestuösen Vater und zum anderen ihrem pädophilen ehemaligen Priester. Während Tina sich ganz in die neuen Projekte ihres Bruders stürzt, gerät dieser in ein mörderisches Beziehungsdrama mit Juan und Antonio.
Auch in La ley del deseo finden sich viele bekannte Merkmale des Regisseurs wieder. Das Krankenhaus als Handlungsort taucht ebenso auf, wie die Themen des Transsexualismus (Todo sobre mi madre/La mala educación) oder des Inzests (Laberinto de pasiones/Volver). Auch die Liebesbezeugung durch Gewaltandrohung wird Almodóvar in ¡Átame! und Carne trémula nochmals aufgreifen. In der Nebenfigur von Tina, die erst so viel Gewichtung erfuhr, als Almodóvar mit Poncela unzufriedener wurde, verarbeitete der Spanier zum ersten Mal seine beiden Prosageschichten Anfang der Siebziger (La visita würde später ausführlicher in La mala educación aufgegriffen werden). Es ist die etwas unausgegorene Geschichte von Tina, die dem Film etwas schadet, ihre Involvierung in den Film wirkt oft gezwungen und scheint es ja aufgrund der Probleme mit Poncela auch gewesen zu sein. Man merkt dem Auteur aber an, dass er sich gesteigert hat.
Mujeres al borde de un ataque de nervios
Über Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs wurde zuletzt erst in Bezug auf Los abrazos rotos gesprochen, da es sich Pedro Almodóvar nicht nehmen ließ, seinem Durchbruchsfilm von 1988 eine Hommage zu schenken. Der Film wurde nicht nur in 16 Kategorien des spanischen Filmpreises Goya nominiert, sondern auch als bester fremdsprachiger Film sowohl für einen Golden Globe als auch für einen Academy Award. Spätestens jetzt hatte sich Almodóvar international einen Namen gemacht und in Spanien, auch dank seinem ersten Goya für sein Drehbuch, ohnehin bereits. Der Spanier verarbeitet wie so oft in seinen Werken die Leidensgeschichte der Frau beziehungsweise das quälende Verhalten der Männer. Hier ist es das Liebesleben des Synchronsprechers Iván (Fernando Guillén), welches die eigentliche Geschichte ins Leben ruft.Seine Affäre mit der Kollegin Pepa (Carmen Maura) wird zu Gunsten einer anderen Frau beendet. Was Pepa nicht auf sich sitzen lassen und deshalb Iván konfrontieren will. Nur ist der inzwischen untergetaucht. Wie auch Candela (María Barranco), Pepas Freundin, die sich naiver Weise mit einem schiitischen Terroristen eingelassen hat, der mit seinen Glaubensbrüdern einen Anschlag in Madrid verüben wollte. Irgendwo dazwischen rutschen auch noch Iváns Sohn Carlos (Antonio Banderas) und seine Verlobte Marisa (Rossy de Palma) in das Bild hinein. Die Szenerie kulminiert dann in Pepas Penthouse, wo sich die Mehrzahl der Protagonisten letztlich in einer urkomischen Einstellung gegenübersteht. Das Ganze wird hierbei vom humorvollen Spiel Barrancos, sowie dem intensiven Engagement von Maura getragen, die Beide zu Recht einen Goya erhielten.
Neben Almodóvars damaligen Musen Maura und, wenn man ihn so bezeichnen will, Banderas, findet sich auch in de Palma ein bekanntes Gesicht aus seiner Filmographie. Mujeres al borde de un ataque de nervios besticht durch Almodóvars herzhaften Humor und seine pointierten emanzipatorischen Spitzen. „Vertrau keinem Mann“, rät da der Priester der Braut in einem Film im Film und Pepa selbst gibt später ihrer Nachbarin den Tipp: „Motorräder kann man verstehen. Männer nicht“. Das Finale fällt zwar etwas aus der Rolle - oder wirkt sehr over the top, insofern man das in Anbetracht der restlichen Geschichte sagen kann -, vielleicht gerade weil es den sicheren Raum von Pepas Wohnung verlässt. Nichtsdestotrotz ist Mujeres al borde de un ataque de nervios eine ungemein unterhaltsame Komödie, die speziell von ihrem toll aufspielenden Ensemble lebt.
¡Átame!
Selten trifft man wirklich pointierte Untertitel, die auch noch den betreffenden Film wiedergeben. Im Falle von Fessle mich! ist dies mit „A love story…with strings attached!“ ausgesprochen geglückt. Pedro Almodóvars achter Film ist besonders in vielerlei Hinsicht. Die Musik stammt vom legendären Ennio Morricone, Victoria Abril verkam zur neuen Muse des Spaniers für die nächsten zwei Jahre - nachdem sie zuvor Barrancos Rolle in Mujeres (…) abgelehnt hatte -, die Amerikaner führten unter anderem für diesen Film ihre „NC-17“-Altersfreigabe ein und nach acht Jahren und fünf gemeinsamen Projekten sollten Almodóvar und seine männliche Muse Antonio Banderas in ¡Átame! (vorerst) zum letzten Mal miteinander arbeiten. „The end of an era“, nannte es Banderas selbst, dessen Karriere sich anschließend gen Hollywood orientieren sollte.„For me the film is totally romantic - it’s a love story and a fairy tale“, umschrieb Almodóvar seinen eigenen Film. Eine Meinung, die man in der Zensurbehörde Amerikas wohl nicht ganz so teilte, ist der Film auf gewisse Weise doch ausgesprochen europäisch. Gerade die Prämisse der Geschichte stieß in den spießigen USA auf Anstoß. ¡Átame! erzählt von dem 23-jährigen Ricky (Antonio Banderas), der, aus einer Anstalt entlassen, beginnt der Porno-Darstellerin Marina (Victoria Abril) nachzustellen. Er überfällt sie Daheim und bindet sie ans Bett. Er wolle ihr Mann und Vater ihrer Kinder werden, erklärt Ricky, während Marina glaubt, nach einer schnellen Vergewaltigung wäre sie den Eindringling wieder los. Drogenabhängig wegen Zahnschmerzen muss Ricky für Marina dann mehrfach in die Madrider Nacht, um seinem Entführungsopfer die entsprechenden Tabletten zu besorgen.
Ähnlich wie in Los abrazos rotos beinhaltet auch ¡Átame! einen Film im Film. „Das ist kein Horrorfilm, eher eine Liebesgeschichte“, befindet man über Marinas eigenen Film, während sich gefragt wird, wo diese eigentlich steckt. Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte, ja, allerdings nicht so romantisch, wie Almodóvar es selbst sieht. Verständlich, dass man in Amerika ob Rickys „liebevoller“ Gewalt gegenüber Marina sehr bedeckt reagierte. Wobei auch die Nackt- und Sexszenen mit Abril wenig in den prüden USA beigetragen haben dürften. Die Wende im Film wirkt fraglos etwas spontan, zudem suggeriert die letzte Szene, das vielleicht nicht alles so ist, wie man zu denken glaubt. Dennoch ist ¡Átame! ein von Banderas und Abril gut gespielter, humorvoller Liebes-Thriller, in dem Morricones Musik allerdings bisweilen deplatziert wirkt.
Tacones lejanos
Die Idee zu High Heels hatte Pedro Almodóvar bereits Ende der Achtziger, damals jedoch in völlig anderem Kontext. Stattdessen nun eine Art Melodram, in der Victoria Abril zum zweiten Mal die Hauptrolle für den Auteur übernahm. Ein Film, der in seiner Prämisse an Douglas Sirks Imitation of Life erinnert, behandelt Tacones lejanos doch ein kompliziertes Mutter-Tochter-Verhältnis, in welchem das Kind im Schatten des Elternteils steht. Abril gibt die Nachrichten-Moderatorin Rebeca, die sich nach der Liebe und Anerkennung ihrer berühmten Mutter, der Sängerin und Schauspielerin Becky del Páramo (Marisa Paredes), sehnt. Das Ganze geht so weit, dass Rebeca eine Ehe mit einem ehemaligen Geliebten ihrer Mutter eingeht. Als dieser tot aufgefunden wird, verdächtigt Richter Domínguez (Miguel Bosé) dementsprechend beide Frauen.Es sind erneut die Frauen, die unter den Männern zu Leiden haben, denen sich der Spanier hier widmet. Speziell natürlich in Gestalt von Rebeca, deren Beziehung zu ihrer Mutter mitunter relativ wenig greifbar ist. Speziell der Sprung vom Prolog in die eigentliche Handlung wirkt dürftig, wird doch nicht klar, wie lange sich die beiden Frauen nicht mehr gesehen haben (tatsächlich über ein Jahrzehnt?). Hinzu kommt, dass die finale Wendung dann relativ früh absehbar ist, was generell wenig problematisch wäre, würde Almodóvar sie nicht von Anfang an sehr plakativ bereits andeuten. Genauso wie er einen wirklichen Zugang zur zentralen Figur von Rebeca verwehrt, über deren Innenleben man nur bedingt in ein paar Szenen leichte Einblicke erhält. Als Melodram funktioniert Tacones lejanos somit nicht ganz so gut, wie als ein etwas unernster Thriller.
Immerhin gelingt Abril eine schöne Wandlung von ihrer Figur aus ¡Átame!. Es ist durch und durch ihr Film, woran selbst Paredes nichts ändern kann. Almodóvars Humor ist hier etwas rarer gesät, aber sehr schön erkennbar in Rebecas Geständnis vor laufender Kamera und der Reaktion ihrer Gebärdensprachdolmetscherin. Nett gerät zudem der Kurzauftritt von Javier Bardem, der in Carne trémula eine größere Rolle erhalten sollte. Auch Almodóvars selbstreferentielles Zitat im Film („Du musst endlich lernen, deine Probleme mit Männern auf eine andere Art zu lösen“) weiß dem Zuschauer ein Schmunzeln abzuringen. All dies lenkt jedoch nicht davon ab, dass Tacones lejanos nicht zu den stärkeren Filmen des spanischen Auteurs zählt. Zu sehr verlässt er hier seine eigentliche Narration (insbesondere durch die Integration von Paula), was ihm letztlich nur schadet.
Kika
Die Filme Pedro Almodóvars haben etwas von Klassentreffen. Auch wenn nicht immer alle kommen können, trifft man jedes Mal genug bekannte Gesichter. In Kika sind es Bibí Andersen, Victoria Abril, Rossy de Palma und Verónica Forqué, unterstützt von Mónica Bardem in einer Nebenrolle, die zu Almodóvars „Bardem“-Hattrick zählt (er hatte zuvor bereits mit ihrem Bruder Javier gedreht, während ihre Mutter Pilar in Carne trémula mitwirkt). Nach Aussage des Mannes aus La Mancha setzte sich Kika mehr mit Ideen denn Charakteren auseinander. Das Resultat war ein Film, der sowohl in Spanien wie im Ausland verhalten aufgenommen wurde, auch wenn Christoph Haas, einer von Almodóvars Filmbiographen, in ihm „zweifellos ein Meisterwerk“ und einen „der wichtigsten europäischen Filme der Neunziger“ sieht. Was man so stehen lassen muss, da Haas anschließend nicht ausführt, warum dem so sei.Kika (Verónica Forqué) ist eine jung gebliebene Kosmetikerin Mitte Dreißig, die sich in den Photographen Ramón (Àlex Casanovas) verliebt, nachdem sie zuvor eine Affäre mit dessen Stiefvater, dem Schriftsteller Nicholas (Peter Coyote), hatte. Die beiden Männer können sich nicht ausstehen, was auch am vermeintlichen Suizid von Ramóns Mutter und Nicholas Frau liegt, die sich drei Jahre zuvor erschossen haben soll. Als Nicholas nach einem Südamerikaabstecher wieder nach Spanien kommt, ist Ramón höflich genug, ihm nicht nur Geld zu leihen, sondern auch eine Unterkunft zu bieten. Auch die Fernsehmoderatorin Andrea (Victoria Abril) teilt ihre Vergangenheit mit dem Vater-Sohn-Gespann und nimmt im Verlaufe des Filmes entscheidenden Einfluss auf Kikas Leben, als sie in ihrer Sensations-Sendung eine Vergewaltigung von Kika durch Paul, den Bruder von Kikas Hausmädchen Juana (Rossy de Palma), ausschlachtet.
Wieder eine Vergewaltigung und wieder wird das Problemthema zu humoristischen Zwecken genutzt. Als Kika Ramón die Vergewaltigung später gesteht, erklärt sie lapidar: „These things happen every day. Today was my turn“. Betrachtet man Almodóvars Filme, könnte man meinen, eine Vergewaltigung sei nicht schlimmer als vom Freund verlassen zu werden. Aber nicht deswegen ist Kika ein mühseliger Film, eher weil er sich in der Tat nicht für seine Charaktere interessiert. Figuren tauchen auf und verschwinden, speziell Paul und Juana, die letztlich ebenso vergänglich sind, wie das Sperma, das in einer Szene auf Andreas Gesicht tropft. Die finale Konfrontation hat man so in etwa bereits in Matador gesehen, wie später auch in Carne trémula. Insofern ist Kika nur leidlich unterhaltsam, was auch die opulente Ausstattung mit Kostümen von Jean Paul Gaultier nicht zu kaschieren vermag. Wieso Haas hier einen „der wichtigsten europäischen Filme der Neunziger“ ausmacht, wäre wohl interessanter gewesen, als der Film am Ende selbst ist.
La flor de mi secreto
Interreferenz tritt beim spanischen Meister nicht selten auf. Viele seiner Filme verbeugen sich vor filmischen Klassikern (Matador beispielsweise referiert Duel in the Sun), oft aber installiert Pedro Almodóvar Referenzen zu seinen eigenen Werken - meist vorausgreifend. So finden sich in Mein blühendes Geheimnis sowohl Elemente, die der Auteur vier Jahre später in seinem Meisterwerk Todo sobre mi madre aufgreifen würde (die filmische Ärzteschulung für Todesnachrichten und Organspendeanfrage), als auch eine Handlungsidee für den zehn Jahre später gedrehten Volver (Tochter tötet Vater und Muter versteckt ihn in Kühltruhe). Es zeugt vom Ideenreichtum des Spaniers, dass er kleine Details vergangener Filme aufgreift und ihnen eine eigene Geschichte oder zumindest Szene verleiht. Und zugleich ist La flor de mi secreto das für Hauptdarstellerin Marisa Paredes, was ¡Átame! fünf Jahre zuvor für Antonio Banderas und Todo sobre mi madre vier Jahre später für Cecilia Roth sein sollte - das schauspielerische Glanzstück unter Almodóvar.Leo (Marisa Paredes) tritt unter einem Pseudonym als Schriftstellerin romantischer Schundromane auf und ist ein seelisches Wrack, seit ihr Ehemann Paco (Imanol Arias) sich als Soldat der NATO anschloss und in Brüssel lebt. Sie ertränkt ihren Kummer in Alkohol und erreicht einen Punkt, an dem sie nichts mehr mit jenen Schundromanen zu tun haben möchte. Weder für ihre Verleger, noch Ángel (Juan Enchanove), Chefredakteur der Zeitung El Pais, der sie unwissentlich bittet, eine Buchrezension zu einem ihrer eigenen Romane zu verfassen und sie zugleich romantisch umgarnt. Hinzu kommen die Sorgen um ihre Mutter (Chus Lampreave), die bei Leos Schwester (Rossy de Palma) lebt, jedoch vehement um ihre Rückkehr ins dörfliche La Mancha bittet. Als Paco dann für wenige Stunden nach Hause kommt und sich herausstellt, dass er eine Affäre mit Leos Freundin Betty (Carme Elías) hatte, bricht die Welt der Schriftstellerin vollends zusammen.
La flor de mi secreto war Almodóvars Abkehr von seinen vorherigen Studioproduktionen, vor Ort gedreht und von seinen Biographen speziell wegen den Kameraeinstellungen während Pacos Rückkehr gelobt (die Beziehung der Figuren wird durch ihre aufgebroche Darstellung gezeigt). Wie es sich für einen Almodóvar-Film gehört, ordnet sich auch hier die Farbkombination der Bilder dem Stil des Regisseurs unter. In der Vermischung von Drama und Humor ist der Spanier nach 15 Jahren inzwischen ein Meister, weshalb die dramatischen Momente um Leos Liebesleben sehr schön durch die grandiosen Szenen mit de Palma und Lampreave aufgelockert werden. Natürlich spielt auch das Singen eine große Rolle, in diesem Fall ufert sie jedoch aus, wenn sie quasi den gesamten dritten Akt durchzieht. Dennoch ist der Film ausgesprochen gelungen, nicht zuletzt dank Paredes, die ihre beste Leistung unter dem Mann aus La Mancha abruft.
Carne trémula
Hiermit fing es also an. Die Arbeitsbeziehung von Pedro Almodóvar und Penélope Cruz, die in Live Flesh - Mit Haut und Haar allerdings nur im Prolog auftaucht. Noch war sie also nicht seine Muse, von der es im Film dieses Mal eigentlich gar keine gibt. Erst Ende des letzten Jahrzehnts würde Cruz vollends auf ein Treppchen neben Carmen Maura und Marisa Peredes gestellt werden. Bei Carne trémula handelt es sich um einen Film, von dem der Auteur meint, er hätte seine Farbpalette geändert und sich vom Pop entfernt. Was man als Zuschauer auf den ersten Blick nicht einmal merkt, selbst wenn es offensichtlich ein anderer Film ist als Mujeres al borde de un ataque de nervios. Es ist ein Film über Schicksal, an welches der Spanier eigentlich gar nicht glaubt. Eine verstrickte Liebesgeschichte, die alle beteiligten Parteien gleichsam zu vereinnahmen scheint.Almodóvar erzählt vom Twen Victor (Liberto Rabal), der nach einer kurzweiligen Bekanntschaft mit der Drogensüchtigen Elena (Francesca Neri) dieser Daheim nachstellt. Die Situation eskaliert, als Elena eine Pistole zückt und die beiden Polizisten Sancho (José Sancho) und David (Javier Bardem) auf der Bildfläche erscheinen. Ein Schuss löst sich, David wird querschnittsgelähmt und Victor landet für die nächsten Jahre im Gefängnis. Als er aus diesem schließlich entlassen wird, ist seine Mutter (Penélope Cruz) an Krebs gestorben undDavid ein gefeierter Paralympic-Basketballer, zudem mit Elena verheiratet. Selbst im Unglück widerfahre ihm noch Glück, schmettert Victor diesem in einer späteren Szene entgegen, während er selbst sich mit Sanchos vernachlässigter Frau Clara (Ángela Molina) einlässt und im Kindergarten von Elena eine Praktikantenstelle übernimmt.
Ein- und Ausleitung des Filmes sind auf subtiler Ebene erstaunlich ernst geraten, verweist Almodóvar doch auf den Zustand Madrids unter Francos Regime. Ansonsten weiß der Spanier jedoch wie immer mit einer gewissen humorvollen Note an seine Liebesdramen heranzugehen, wenn Davids und Victors Konfrontation durch einen spontanen Torjubel für Atlético Madrid unterbrochen wird. Carne trémula weist einige Ähnlichkeiten zu ¡Átame! auf, ähneln sich doch Ricky und Victor in ihrer „aufgezwungenen“ Liebe und Marina und Elena in ihrer plötzlichen Erwiderung dieser Gefühle. Auch durch die Sexszene und sein harmonisches Ende erinnert der Film an seinen sieben Jahre jüngeren Vorgänger. Von diesen Schwächen abgesehen kann Almodóvars Affäre zu Viert jedoch die meiste Zeit überzeugen und dies sogar so ganz ohne eine seiner Musen.
Todo sobre mi madre
„Frauen tun alles, nur um nicht allein zu sein“, lautet vielleicht der einprägsamste Satz, den Spaniens Frauenflüsterer Numero Uno, Pedro Almodóvar, seiner Protagonistin in den Mund legt. Alles über meine Mutter ist, wie der Auteur selbst sagt, ein Film über „natürliche, weibliche Solidarität“. Und vermutlich auch Almodóvars vollständiger internationaler Durchbruch. Der Film gewann den Academy Award als bester fremdsprachiger Film und bereitete seinem Schöpfer somit eine Bühne, die dieser wenig später mit Hable con ella selbst betreten sollte. Dabei ist Todo sobre mi madre ein außergewöhnlicher Film in vielerlei Hinsicht. Allen voran sicherlich, weil er zum ersten Mal nach fünfzehn Jahren und seit ¿Qué he hecho yo para merecer esto!! wieder Almodóvar und Cecilia Roth, eine seiner Ursprungsdarstellerinnen, miteinander vereinte.Die Krankenschwester Manuela (Cecilia Roth) besucht gemeinsam mit ihrem Sohn Esteban an dessem Geburtstag eine Theateraufführung von A Streetcar Named Desire. Als der designierte Schriftsteller ein Autogramm der Hauptdarstellerin Huma Rojo (Marisa Paredes) ergattern will, wird er von einem Wagen überfahren. Manuela macht sich auf nach Barcelona, wo sie Estebans Vater, den Transvestiten Lola, ausfindig machen will, um ihn vom Verlust seines Sohnes, den er nie kennenlernte, zu unterrichten. Doch Lola ist abgehauen und hat die Nonne Rosa (Penélope Cruz) HIV-infiziert und schwanger zurückgelassen. Manuela nimmt sich der leidgeprüften Schwester an und kommt über Umwegen zu einem Assistentenjob bei Huma Rojo. Diese hat unter der Drogensucht ihrer Kollegin und Geliebten zu leiden. Die Frauen beginnen sich anzufreunden.
Es hat schon etwas Besonderes, wenn Almodóvar eine Szene kreiert, die mit Roth, Paredes und Cruz gleich drei seiner größten Musen beinhaltet. Es ist in der Tat ein Film über weibliche Solidarität, müssen doch alle Frauenfiguren - natürlich auch die Transvestiten - wie so oft beim spanischen Auteur unter den Handlungen ihrer männlichen Artgenossen leiden. Wie gekonnt dezent und insbesondere selbstverständlich Almodóvar hier soziale Problemthemen wie Transvestitismus, HIV und Kindesverlust nicht nur anspricht, sondern zu einer kohärenten Geschichte verwebt, ist Merkmal für das über die Jahre gereifte Talent des spanischen Ausnahmeregisseurs. Speziell das Ende des Filmes, wenn sich Lola und Manuela schließlich wieder begegnen, rührt zu Tränen. Todo sobre mi madre ist ein ganz großer Almodóvar. Und ein ganz großes Melodram.
Hable con ella
Um die Jahrtausendwende sollte Pedro Almodóvars Schaffen und zugleich sein Ruhm seinen Höhepunkt erreichen. Erhielt sein letzter Film, Todo sobre mi madre, zuvor den Academy Award als bester fremdsprachiger Film, gewann Almodóvar für Sprich mit ihr drei Jahre später den Preis für sein Drehbuch und war zudem auch noch als Regisseur nominiert. Beide Filme zusammen spielten weltweit über 110 Millionen Dollar ein, der Wahl-Madrilene war nunmehr in den Regie-Olymp aufgestiegen. Denkt man heutzutage an den Auteur, denkt man zuerst an diese beiden Filme von 1999 und 2002. Ein Segen und - wenn auch nur bedingt - zugleich an Fluch, wollten seine anschließenden drei Filme nicht mehr ganz diese Bildgewalt erreichen und beschränkten sich stattdessen darauf, einen persönlichen Ausflug des Regisseurs in seine eigene Vita darzustellen.Der Film erzählt die Geschichte des Krankenpfleger Benigno (Javier Cámara) und des Journalisten Marco (Darío Grandinetti), sowie ihrer Liebesbeziehungen zu zwei Frauen, die beide durch tragische Unfälle im Koma landen. Während Marco es vergönnt war, zumindest einige Monate mit der Matadora Lydia (Rosario Flores) zu verbringen, ehe die bei einem Stierkampf einen Hirntod erlitt, besteht die Beziehung von Benigno und der Tänzerin Alicia (Leonor Watling) lediglich aus der Körperpflege Letzterer durch Ersteren. Aufgrund des gemeinsamen Schicksals, von der Geliebten durch deren komatösen Zustand getrennt zu sein, freunden sich Benigno und Marco im Laufe der Wochen allmählich an. In Rückblenden präsentiert Almodóvar die Vorgeschichten der beiden Paare, während Benignos Liebe zu Alicia beginnt, immer stärkere Ausmaße einzunehmen.
In seinem vierzehnten Film räumt der Auteur seinem üblichen Humor wenig Platz ein. Lediglich sein Film im Film, El amante menguante, als reflexorisches Element für Benignos Gefühle, lässt ein paar Schmunzler zu, steht jedoch auch repräsentativ für die darauffolgende Vergewaltigung. Erfreulicherweise ist Almodóvar in den letzten zwei Jahrzehnten reifer geworden, weshalb er nunmehr mit Vergewaltigungen sicherer umgeht, anstatt sie in zweideutiger Weise als Verweis auf den Franquismus zu missbrauchen. Hable con ella ist ein Film über vier Figuren, der wenig über diese Figuren verrät. Das Innenleben von Benigno, Marco, Lydia und Alicia bleibt dem Publikum leider oft verwehrt. „Wer liebt, der spricht“, fasst Almodóvar die Prämisse des Filmes im Audiokommentar zusammen. Leider spricht Hable con ella nicht ganz so gut zum Zuschauer, wie es bei seinem Vorgänger der Fall gewesen ist.
La mala educación
Mit La mala educación - Schlechte Erziehung begab sich der Auteur erneut auf eine Reise in die Vergangenheit, griff er hier schließlich ausführlicher als in La ley del deseo seine eigene, in den siebziger Jahren verfasste, Geschichte La visita wieder auf. Bereits 1993 begann er mit der Arbeit am Drehbuch, dem somit gut ein Jahrzehnt Vorbereitung zu Grunde lag. Sein Film behandelt dabei beliebte Themen des Spaniers, allen voran Transvestitismus und sexueller Missbrauch. Gerade Letzterer sollte auch im kommenden Film von inhaltlicher Bedeutung sein und beide Filme zusammen veranschaulichen sehr gut, wie gewachsen Almodóvar seit dem grausigen Umgang in Laberinto de pasiones mit dem delikaten Thema umgeht. Und auch, dass er hiermit seine mise en abyme perfektioniert hat.Der junge Regisseur Enrique (Fele Martínez) erhält Besuch von seinem ehemaligen Schulkameraden und ersten Liebe, Ignacio (Gael García Bernal). Dieser ist ein aufstrebender Schauspieler, der Enrique ein Drehbuch über die Kindheit der Beiden im katholischen Internat, betitelt La visita, überreicht. Geschildert werden darin die Liebe der beiden Knaben, sowie die sexuellen Übergriffe des Literaturlehrers Padre Manolo (Daniel Giménez Cacho) auf Ignacio. In Rückblenden erfährt der Zuschauer, wie Ignacio, als Transvestit Zahara verkleidet, Jahre später Padre Manolo konfrontiert. Äußerst skeptisch lässt sich Enrique sowohl in beruflicher als auch in sexueller Hinsicht auf Ignacio ein, während der Film selbst peu a peu neben Ignacios und Enriques Geschichte auch Zaharas Erlebnisse und die des jungen Ignacio aufzuschlüsseln beginnt.
Der Einzug des Medium „Film“ in die Werke von Almodóvar ist ein beliebtes Merkmal des Regisseurs (s. Mujeres (…), ¡Átame! oder Los abrazos rotos), hier als mise en abyme perfektioniert, wenn La mala educación beginnt mit dem Film-im-Film La visita und dessen zu Grunde liegenden Erzählung La visita zu verschmelzen. Allerdings beginnt sich der Spanier im Laufe des dritten Akts mehr und mehr in seiner - wie so oft - komplexen Handlung zu verlieren, wenn Ángel, Zahara, Ignacio und dessen Bruder Juan zu verschmelzen beginnen und mit ihnen auch ihre Handlungsstränge. Wenn dann auch noch Lluís Homar als echter Padre Manolo beziehungsweise Señor Berenguer die Bühne betritt, hat sich La mala educación selbst inzwischen etwas aus der Bahn geworfen. Am Ende will Almodóvar zu viel und verbaut seinem Film einen besseren Eindruck.
Volver
Die Filme in denen sich Pedro Almodóvar primär Männern widmet, lassen sich an einer Hand abzählen. Er ist eben doch ein Auteur, der sich speziell für „natürliche, weibliche Solidarität“ begeistert. So auch in Volver - Zurückkehren, seinem einzigen Film, dessen Titel im englischsprachigen Ausland nicht übersetzt wurde. Er basiert wie weiter oben angedeutet auf einem Detail von La flor de mi secreto, mit dem er, wie auch mit ¿Qué he hoche yo merecer esto!! die Thematik der Rückkehr ins Dorf teilt. Auch Tacones lejanos erfährt hier ein Echo, wie sich Volver ohnehin vollauf in der Tradition des Spaniers sieht. Es ist ein Film über Frauen und Mütter und damit auch über Almodóvars Lieblingsthema: Die Familie. „In Volver family is made of women“, fasst Ernesto Acevedo-Muñoz zusammen. Mit einem Einspiel von fast 13 Millionen Dollarn in den USA und weltweit noch mal mehr als das Fünffache ist Volver der finanziell erfolgreichste Film von Almodóvar. Allerdings deswegen nicht unbedingt sein gelungenster.Raimunda (Penélope Cruz) hat es nicht leicht, muss sie allein als Putzkraft ihre Familie ernähren, während ihr arbeitsloser Mann Paco (Antonio de la Torre) zu Hause rumlümmelt. Dort weckt Raimundas Tochter Paula (Yohana Cobo) sexuelle Begehrlichkeiten bei ihm - eine Leidenschaft, die ihn sein Leben kosten wird. Um ihre Tochter zu schützen, lässt Raimunda die Leiche in der Tiefkühltruhe des zum Verkauf stehenden Restaurants eines Nachbarn verschwinden. Als sie dort von einem Filmteam die Anfrage erhält, das Catering zu übernehmen, packt die robuste Mutter die Gelegenheit beim Schopfe. Unterdessen ist Raimundas Schwester Sole (Lola Dueñas) damit beschäftigt, die tot geglaubte Mutter Irene (Carmen Maura) in ihrer Wohnung zu verstecken. Es ist der Tod der geliebten Tante Paula (Chus Lampreave), der alle Frauenfiguren zurück ins heimatliche Dorf und damit zu ihren Geheimnissen und Emotionen treiben wird.
Grundsätzlich verfügt Volver über alles, was einen Almodóvar-Film ausmacht. Den bunten rötlich-gelben Farbton, eine schrullige Mutterfigur, starke Frauen, die keinen Platz für Männer lassen, die obligatorische Autoszene und Querverweise zu anderen Werken aus der Vita. Dennoch wirkt die Handlung des Filmes, ebenfalls sehr almodóvaresk, überladen, speziell durch Blanca Portillos zwar gut gespielte, aber letztlich irrelevante Nachbarin Agustina. Auch Carmen Mauras Rückkehr (volver) zu Almodóvar nach 18 Jahren will nicht so recht den Funken alter Tage wieder zum Glühen bringen. Schade auch, dass der spanische Auteur hier erneut sexuellen Missbrauch lediglich als Charaktermerkmal einbaut, ohne das seine Vita durchziehende Thema jemals mit der nötigen Ernsthaftigkeit und der gebührenden Aufmerksamkeit anzusprechen. Es ist abseits davon natürlich die hervorragend aufspielende Cruz, die das Herz des Filmes darstellt und ihn mühelos alleine zu Tragen versteht. Schade nur, dass hier noch mehr drin gewesen wäre.
Los abrazos rotos
Fast dreißig Jahre liegen zwischen Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón und Pedro Almodóvars jüngstem Film Zerrissene Umarmungen. Und viel geändert hat sich nicht in der Handschrift des Auteurs. Es geht um starke Frauen - mal mehr, mal weniger. Eine Krankenhausszene darf nicht fehlen, eine Einstellung der Protagonisten im Auto eigentlich auch nicht. Und Referenz erweisen sollte man ebenfalls. Entweder den anderen, sich selbst oder beides. Am prominentesten geschieht dies vielleicht noch in Los abrazos rotos, in dem eine ausgiebige Hommage an Mujeres al borde de un ataque de nervios in Form einer erneuten mise en abyme vorhanden ist. Und das auch hier wieder bekannte Gesichter wie Rossy de Palma, Chus Lampreave, Lluís Homar, Blanca Portillo und Lola Dueñas mit von der Partie sind, sollte eigentlich auch niemanden mehr überraschen. Kommerziell war Los abrazos rotos allerdings ein Rückschritt, spielte der Film lediglich ein Drittel von Volver ein und wurde sein Titel zudem - im Gegensatz zum Vorgänger - wieder übersetzt.Erzählt wird vom blinden Drehbuchautor Harry Caine (Lluís Homar), dessen Wirken als Filmregisseur per Rückblende aufgeschlüsselt wird, als mit dem jungen Regisseur Ray X (Rubén Ochandiano) eine Figur aus seiner Vergangenheit die Bühne betritt. Vor vierzehn Jahren hatte sich Harry, der damals noch seinen Geburtsnamen Mateo Blanco verwendete, in Magdalena (Penélope Cruz) verliebt, die Hauptdarstellerin seines neuesten Filmes Chicas y maletas. Doch Lena war damals mit dem Industriellen Ernesto Martel (José Luis Gómez) liiert, mehr aus Dankbarkeit denn Liebe, da Martel einst Lenas Vater eine lebensverlängernde Operation finanziert hat. Der eifersüchtige und alte Martel beäugt die Dreharbeiten kritisch und setzt seinen homosexuellen Sohn Ernesto Jr. (Rubén Ochandiano) darauf an, eine Dokumentation zu drehen, die Martel dann von einer Lippenleserin übersetzen lässt. Die Affäre wird schließlich aufgedeckt, mit fatalen Folgen.
Auch seine Vita bastelt der Mann aus La Mancha wieder in seinen Film. So ist „Harry Caine“ das Pseudonym, unter dem Almodóvar selbst gerne einige Filme veröffentlicht hätte (um diesen die Bürde seines Namens zu nehmen). Und der junge homosexuelle Ernesto Jr. ist auch irgendwie ein kleiner augenzwinkernder Verweis auf sich selbst. Was Los abrazos rotos im Vergleich zum Œuvre des Auteurs ein wenig abgeht, ist der Humor. Abseits von Chicas y maletas (dessen köstlichste Szene sogar der Schere zum Opfer fiel) ist Almodóvars jüngster Film erstaunlich trocken und ernst. Grundsätzlich bleiben die Mängel aus der Erstsichtung bestehen, der narrative Aufbau hapert etwas (obschon die Handlung für almodóvar’sche Verhältnisse erstaunlich stringent den Hauptfiguren folgt) und Ochandianos Figur ist gänzlich überflüssig. Muse Penélope Cruz kann leider nicht an ihre Leistung aus Volver heranreichen, sodass ihr mehr und mehr Portillo die Schau stiehlt (verkehrte Welt also). Dennoch zeugt Los abrazos rotos wie die anderen Filme der letzten 15 Jahre von seiner Reife und Klasse.
Uni-Radio-Feature "Pedro Almodóvar – Der Frauenregisseur wird 60" (Flo Lieb; 2009)
Uni-Radio-Feature "Pedro Almodóvar – Der Frauenregisseur wird 60" (Flo Lieb; 2009)
Was geht'n hier?
AntwortenLöschenWie kommst du auf Aldmodovar?
Und warum gleich so kompakt?
Und wieso findest du teils fürchterliche Frühwerke wie "La ley del deseo" super, aber Meisterwerke wie "Hable con ella" nicht?
Lustig auch, dass ich 'ne De-Palma-Werkschau mache und du eine von Aldomodovar - der Schwule bearbeitet die Hete-Rakete, die Hete den Schwulengott. :D
Ich mag Almodóvar und hab mich eben mal all seinen Werken gewidmet, nach dem Motto "Wenn schon, denn schon". Und ich finde "Hable con ella" doch nicht nicht-super, sondern sehr gut, nur schwächer als "Todo sobre mi madre", aber dennoch besser als "La ley del deseo". Letzteren habe ich ja auch nicht außerordentlich gelobt, lediglich seine Stellung hervorgehoben.
AntwortenLöschenKomme nicht auf den Gedanken klar, dass du Almodovar magst. :P
AntwortenLöschenSo, endlich die Zeit gefunden den Text zu Ende zu lesen. Was für eine Mühe hast du dir mal wieder gemacht. Jedenfalls ist bei mir das Ziel erreicht: Der Text hat mich darin bestärkt nun auch die anderen Filme Almodovar sehen zu wollen, und nicht nur seine beiden letzten. Allerdings solltest du mehr an deine Leser denken, und hinter die spanischen Filmtitel in Klammern die Deutschen setzten. Da blickt ja keiner mehr durch. ;-)
AntwortenLöschenDie Filme Pedro Almodóvars haben etwas von Klassentreffen. Auch wenn nicht immer alle kommen können, trifft man jedes Mal genug bekannte Gesichter.
Schöne Formulierung! :)
@C.H.: So viel Spanisch hatte ich vorausgesetzt ;) Aber habe mich dem "Denken an meine Leser" gebeugt und die deutschen Titel beigefügt, wo die Filme nicht im Originaltitel liefen.
AntwortenLöschenSelbst ich, der den Großteil seines Werkes kennt, hatte Probleme mit den Titeln. :P
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