14. Juli 2017

Bates Motel – Season One

Did you just “whatever” me?

Es ist eine Eigenart der jüngeren Zeit, aus Ideenmangel (oder simpler Faulheit) den Weg der Prequels zu beschreiten – insbesondere im Fernsehen. So erzählt Better Call Saul die Vorgeschichte einer Nebenfigur aus Breaking Bad, Hannibal von den Ereignissen, die Robert Harris’ Manhunter vorausgingen, Gotham lässt die gesamten Batman-Bösewichter in dessen Kindheit von der Leine und Wet Hot American Summer: First Day of Camp machte sich einen Spaß daraus, mit seinem gealterten Ensemble ein narratives Quasi-Remake des Original-Films zu inszenieren. Da passt Bates Motel gut ins Bild, jene Serie des Senders A&E, die ab dem Jahr 2012 die Hintergründe vor den Geschehnissen aus Alfred Hitchcocks Psycho aufgreift.

Nach dem Tod seines Vaters zieht da eingangs der 17-jährige Norman Bates (Freddie Highmore) mit seiner Mutter Norma (Vera Farmiga) in das beschauliche Küstenstädtchen White Pine Bay. Dort planen sie, ein altes Motel aufzumöbeln und einen Neuanfang zu wagen. Dumm nur, dass der Motel-Vorbesitzer gleich am ersten Abend aus Wut über die Enteignung über Norma herfällt. Kurz darauf ist der Angreifer tot und das Mutter-Sohn-Gespann muss die Leiche entsorgen. Wirklich zur Ruhe will ihr Leben danach aber nicht kommen, da nicht nur in Dylan (Max Thieriot) der entfremdete älteste Sohn Normas auf der Bildfläche erscheint, sondern Orts-Sheriff Romero (Nestor Carbonell) auch dem Bates-Verbrechen auf der Spur ist.

Im Fall von Bates Motel lässt sich wie bei fast jedem Prequel direkt über Sinn und Unsinn seines Daseins streiten. Wie wichtig ist es zu erzählen, wie die Rebellen vor Star Wars an die Pläne des Todessterns kamen? Wie Saul Goodman in Breaking Bad zu Saul Goodman wurde oder eben hier Norman Bates zu dem schizophrenen Mörder, der er war? Nur weil es von Interesse ist, was eine Figur macht, heißt das nicht, dass ausbuchstabiert werden muss, wie sie dazu kam, das zu tun, was sie tut. Carlton Cuse (Lost) und Kerry Ehrin (Friday Night Lights) gaben an, mit Bates Motel quasi David Lynchs Twin Peaks weitererzählen zu wollen. Dahingehend, dass die Geschichte in einer mysteriösen Stadt spielt mit abstrusen Vorkommnissen.

So präsentiert die Serie in ihren Auftaktfolgen gleich zwei Mal eine in Brand gesteckte Person, unter anderem öffentlich im belebten Ortskern, und Dylan verdingt sich wenig später als Handlanger einer lokalen Marihuana-Plantage. Die stellt die offiziell-inoffizielle Haupteinnahmequelle des Örtchens dar, gehört mehreren Familien der Stadt, die in Millionen-Dollar-Häusern leben und europäische Wagen fahren. “The people in this town deal with things in a different way”, verrät der ihr wohlgesonnene Deputy Shelby (Mike Vogel) da Norma in der zweiten Folge Nice Town You Picked, Norma... Ihr Sohn forscht zeitgleich mit seiner an Mukoviszidose erkrankten Mitschülerin Emma (Olivia Cooke) nach einem geheimen Ring von chinesischen Sex-Sklavinnen.

Bates Motel ist direkt vom Fleck weg ein seltsames Gebilde, zwischen verschiedenen Tönen schwankend, ohne sich für einen entscheiden zu können. Kaum in der Stadt wird Norman direkt von allen Frauen-Figuren belagert, neben Emma zählt da auch Bradley (Nicola Peltz), das populärste Mädchen der Schule, dazu – genauso wie Normans Klassenlehrerin. Übertroffen wird dies nur noch davon, dass die Serie hierbei Freddie Highmore stets in Hemden und bunte Sweater steckt, die so altbacken wirken wie es Psycho mit seinem 1960er-Jahrgang ist. Nur, dass die Show in der Gegenwart spielt, inklusive MP3-Player und WhatsApp. Die Frage stellt sich mehrfach: Was ist hier Hommage, was nahe an der Persiflage?

Im Zentrum steht neben den kriminellen Geschehnissen an allen Fronten die ungesunde Beziehung zwischen Norma und Norman. Sie, die geborene Helikopter-Mutter. Er, das anerzogene Muttersöhnchen. Der für die Serie dazu erfundene Halbbruder Dylan dient als lautstarkes Sprachrohr dieses fast schon inzestuösen Verhältnisses. Da passt es ins Bild, dass Norma gegenüber dem jüngsten Sohn kein Blatt vor dem Mund nimmt, wenn es um ihre eigene Vergewaltigung auf dem Küchentisch geht, ihre vorbelastete Kindheit oder Normans eigene sexuellen Erlebnisse. Dies alles zelebriert Bates Motel gerne eine Oktave schriller als nötig, wenn sich speziell zum Ende der ersten Staffel hin Mutter und Sohn in Wutanfällen überbieten.

Gerade in diesen Szenen ist Bates Motel stets übertrieben affektiert – übertrieben zumindest im Verhältnis zu den Handlungssträngen, welche die Show dem Publikum sonst anbietet. Mit Vergewaltigungen, Sexsklaverei, organisiertem Drogenhandel, mehreren Todesfällen und Verbrennungen in gewisser Weise harter Tobak. Das wird dann gewürzt mit “teen angst”, Coming of Age, erdrückender Erziehung und der ersten Liebe. Immer wieder rutscht die Präsentation aber fast ins Kitschige, kontrastiert mit dem ausdruckslosen Spiel Carbonells und dem gutherzigen von Cooke einerseits sowie den oft theatralischen Darbietungen von Farmiga und Highmore. Letztere spielen dies durchaus gewollt, was mitunter zu Misstönen führt.

Bates Motel ist keine gute Serie, eher eine schlechte, jedoch oft auch kurz davor, bewusst so schlecht zu sein, dass es schon wieder gut ist. Viele Dialoge und Szenarien, genauso wie das Spiel von Farmiga im Speziellen gehen oft ins Überpointierte, nur bewegt sich die Serie selbst nicht immer als Ganzes in denselben Sphären. Schön und gut, wenn White Pine Bay ein verschrobener Ort ist, der sich mit Marihuana finanziert und Leute in Brand steckt, aber dann bitte durchweg und nicht nur zum Auftakt. Es irritiert, wenn Norma später Hotel-Flyer in einem lokalen Restaurant ausstellen will, aber die Betreiberin dies aufgrund der Ereignisse auf Normas Grundstück ablehnt. Als wären die so viel anders als das, was sonst im Ort passiert.

Ein Kernproblem der ersten Staffel ist auch, dass sie zu viel zu schnell erzählen will. Aus dem Nichts kommt da buchstäblich die Vergewaltigung in der Pilotfolge, für die nur die minimalste Exposition geliefert wird. Anstatt, dass der Konflikt mit dem Vorbesitzer etwas anschwellt über zwei, drei Episoden, ehe man ihn zur Staffelmitte in Ocean View eskalieren lässt. Ähnlich ließe sich im Fall des Sexsklaverei-Subplots argumentieren, der nach ein paar Folgen scheinbar aufgelöst wird, ehe er doch noch etwas in einem Subplot des Subplots vor sich hindümpelt. Dass Bates Motel in seinen zehn Folgen über gut sechs Stunden gleich drei Antagonisten mit der Bates-Familie konfrontiert, passt hier ebenso ins Bild der überladenen Geschichte.

All dies hat natürlich mit den Ereignissen in Psycho nichts zu tun, sodass die Charaktere aus Hitchcocks Film im Grunde lediglich Aufhänger für eine entlehnte Ausrede sind. Zwar sehen wir bereits früh Norman mit „Mutter“ reden und erhalten Informationen, dass er ein unzuverlässiger Erzähler seiner Erlebnisse ist, genauso wie die Figur durch Emmas Vater ihre Vorliebe zur Tierpräparation erhält, doch ist dies eher Fanservice als eine wirkliche psychologische Analyse der Hauptfigur. Anfangs noch (überraschend) als das Darling der Frauenwelt inszeniert, wird Norman da kurz darauf gegenüber Norma von der Schulaufsicht zum sozialen Außenseiter erklärt, anstatt dass Bates Motel dies seinen Zuschauern mit Bildern und Szenen erzählt.

Ein gewisser Unterhaltungsfaktor kann dennoch nicht abgesprochen werden, die Darsteller – ausgenommen vielleicht Peltz und Thieriot – überzeugen und die affektierten Anfälle von Farmiga und Highmore sind narrativ zwar überkandidelt, aber zugleich amüsant. Wäre die Serie durchweg skurril, wie es Twin Peaks zumeist war, wäre das vertretbar. Oder sie müsste ein aufrichtiges, ernstes Interesse an der Dekonstruktion ihrer zwei Hauptfiguren an den Tag legen – jedoch ohne immer wieder ins Theatralische abzugleiten. Das Potential hätte Bates Motel durchaus, Prequel-Sinnhaftigkeit hin oder her. Etwas mehr atmosphärische Kohärenz bei gleichzeitiger reduzierter Narration hätte der ersten Staffel da deutlich besser zu Gesicht gestanden.

So bleibt nach der ersten Staffel, die in ihrer zweiten Hälfte verstärkt abbaut, zumindest die Hoffnung, dass Bates Motel noch ein gewisses Gleichgewicht seiner Tonalitäten oder alternativ eine klare Richtung findet (auch wenn die Auftaktfolge der zweiten Staffel da weitermacht, wo Cuse und Ehrin im ersten Jahr aufgehört haben). Immerhin darf man gespannt sein, welche spinnerten Ideen die Autoren für Norma und Norman bereithalten, Leichen dürften sicher wieder den Weg der Protagonisten pflastern. Und die Oktaven der Dialoge ins Hysterische abgleiten. Es ist ja in der Tat auch irgendwie zum Schreien, dieser Prequel-Wahn. Oder wie es Anthony Perkins in Hitchcocks Psycho formulierte: “We all go a little mad sometimes. Haven’t you?”

5.5/10

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