What are we if we don’t try to help others?
Ein älterer Mann werkelt in einem Raum. Schneidet Holz, sägt es aus, bohrt Nägel hinein. „I always loved using tools“, erzählt Henry Marsh. Oder besser gesagt: Dr. Henry Marsh. Das Bild von Marsh mit dem Akkubohrer sollte man im Gedächtnis behalten, wird es doch später noch von Bedeutung sein. Marsh ist ein englischer Neurochirurg, der bei der Arbeit seine Krankenschwestern gerne darauf hinweist, dass sie die OP-Materialien nicht wegschmeißen sollen nach Gebrauch. Diese benötige Marsh noch, für seinen Freund Igor. Seit 1992 sind Marsh und sein ukrainischer Kollege Dr. Igor Kurilets aus Kiew befreundet. Marsh sei wie ein älterer Bruder für ihn, erklärt der Ukrainer. Hin und wieder fliegt Marsh nach Kiew, um dort seinem Kollegen und „jüngeren Bruder“ bei Operationen zu unterstützen und scheinbar antiquiertes OP-Material zu übersenden. Beispielsweise Bohraufsätze, die in Großbritannien nach der ersten Benutzung entsorgt werden müssen, aber nach Meinung von Marsh problemlos noch zwölf Mal verwendet werden können.
Die Unterschiede zwischen westlichem Wohlstand und östlicher Armut verdeutlicht der Film sehr gut ohne jedoch neu oder überraschend zu wirken. Die Schuld wird abgewälzt auf die sowjetische Herrschaft von einst, die nun verhindert, dass man die nötige Ausstattung hat oder die Kapazitäten. Einmal fährt Kurilets mit Marsh raus, zu einem vereisten Fluss und erklärt, hier wolle er seine Neuroklinik aufbauen. Die erste ihrer Art in der Ukraine. Mit welchem Geld wird nicht klar, denn wer sich selbst Bohraufsätze, OP-Stühle und anderes aus zweiter Hand von einem Kollegen aus England schicken lassen muss, dürfte ein solches Unterfangen kaum finanziell stemmen können. Denn seine eigenen OP-Materialien kauft Kurilets auch nicht von medizinischen Herstellern, sondern auf Straßenbaumärkten, über die er Marsh führt. Später werden beide eine Operation mit einem Bosch PSR 960 Akkubohrer durchführen, den man im Handel für 40 Euro erstehen kann. Jetzt mag man sich sagen: was für Zustände da drüben! Oder man kann sagen: schau einer her, mit einem 40-Euro-Bohrer geht so etwas auch. Erinnerungen an Dr. Nick aus The Simpsons drängen sich auf.
In Geoffrey Smiths The English Surgeon geht es nun primär um eine Aktion: die Operation an Marian Dolishny. Dolishny hat einen Gehirntumor und gehört zu den Patienten, für die Marsh die letzte Option ist. „It’s a bit like Russian Roulette with two revolvers“, resümiert Marsh. Egal ob er den Patienten behandelt oder nicht behandelt, die Chancen, dass er stirbt, bleiben gleich. Problematisch sind wohl insbesondere die späten Diagnosen. Smith präsentiert gleich zwei Patientinnen, bei denen Marshs Urteil zu spät kommt. Bedröppelt schaut der Engländer auf den Boden, meidet den Blick zum Patienten, während Kurilets Marshs Diagnose, dass eine junge Patientin innerhalb von drei Jahren erblinden wird bevor sie stirbt oder ein kleines Mädchen weniger als zwölf Monate übrig hat, übersetzt. Immer wieder wird dann die Erinnerung an Tania beschworen, einem anderen kleinen Mädchen, das Marsh vor einigen Jahren behandelt und mit seinen Operationen schließlich umgebracht hat. Etwas, das ihn bis heute belastet, gesteht er mehrfach. Russisches Roulette mit zwei Revolvern eben. Wie man’s macht, ist’s falsch.
Als Gegenbeispiel muss/darf/soll nun Dolishny herhalten. Vom Lande kommt er, die Operation wird wohl von Smiths Fernsehteam bezahlt und der Patient ist durch seine Stilisierung zum Dokumentationsthema ohnehin schon „geheilt“. Da schluchzt Mutter Dolishny trotzdem beim Abschied in die Kamera und wenn Kurilets dann Marshs Pläne übersetzt, bleibt Dolishny ohnehin nicht viel übrig, als alles brav abzunicken. Ohne Anästhesie wird er am Gehirn operiert, damit überprüft werden kann, ob seine motorischen Fähigkeiten gefährdet werden. Да, да. Marsh beschwichtigt, die Operation an der Schädeldecke und dem Gehirn – beides schmerzunempfindlich – sei „not different from going to the dentist.“ Vielleicht eine problematische Analogie, betrachtet man Dolishnys Gebiss, in dem die Zähne, die nicht schon fehlen, schief gewachsen sind. Doch die Operation geht gut, auch wenn während des Vorgangs sich scheinbar ein epileptischer Anfall des Patienten einstellt, der dann aber doch keiner ist bzw. wieder verebbt.
„Life can be very cruel“, meint Marsh, als er eine der Todesnachrichten überbringt und den Blick abwendet. Immer wieder schneidet Smith dann „Archivmaterial“ von Tanias Behandlung rein, das schließlich zur finalen Begegnung zwischen Marsh, Kurilets und Tanias Mutter hinführt. Zwar weiß niemand der Beteiligten, was sie sagen sollen, aber wohl nur so kann das Ende dieser Doku aussehen, wenn Marsh dann noch zum Friedhof geht und Blumen für Tania niederlegt. Ein Zugang zu Marsh bzw. diesen Szenen wäre wohl leichter, wenn Smith expliziter in den Vordergrund gerückt hätte, dass Marshs eigenes Kind einst an einem Gehirntumor litt. Einiges wirkt daher in The Englisch Surgeon inszeniert oder um der Wirkung willen platziert. Kurilets, der auf Fortschritt drängt und die ukrainische Elite bittet, im Land zu bleiben, damit es sich entwickeln kann, erhält wegen seiner Bemühungen Morddrohungen. Das wird mal eben erwähnt und dann wieder fallen gelassen. Genauso wie die Pläne für die Neuroklinik angesprochen werden, ohne zu klären, wie sich diese überhaupt verwirklichen lassen soll.
Sieht man nun davon ab, dass Smiths Film gerade zum Schluss reichlich pathetisch ausgefallen ist, so weiß besonders die Operation an Dolishny wegen ihres medizinischen Elements zu gefallen. Smith begleitet die Operation am Gehirn sowohl am Mikroskop, wie auch am Patienten selbst. Da wird das Gehirn aufgeschnitten und der Tumor rausgesaugt, während Dolishny unentwegt seinen Arm hebt, um zu zeigen, dass er dazu noch im Stande ist. Zudem ist Marsh fraglos ein sympathischer Charakter, wenn er mit seiner Brille einer alten Eule gleich alles in seinem Krankenhaus einpackt, was sonst weggeschmissen würde und sich echauffiert, wenn er am Computer seinen Wochenplan nicht eintragen kann. Würde Smith seinen englischen Chirurgen nun nicht so sehr als Halbgott in Weiß inszenieren und das melodramatische Element etwas seriöser präsentieren, hätte The English Surgeon auch ansprechender sein können. Nun ist hier wenig „deeply moving/touching“ wie einige englischsprachige Medien berichten, wobei dies wohl auch nur deshalb so aufgenommen wird, weil vielen Westlern wohl die Zustände in Osteuropa nicht unbedingt klar sind. Gelungen ist Smiths Portrait dennoch allemal.
8/10
Ein älterer Mann werkelt in einem Raum. Schneidet Holz, sägt es aus, bohrt Nägel hinein. „I always loved using tools“, erzählt Henry Marsh. Oder besser gesagt: Dr. Henry Marsh. Das Bild von Marsh mit dem Akkubohrer sollte man im Gedächtnis behalten, wird es doch später noch von Bedeutung sein. Marsh ist ein englischer Neurochirurg, der bei der Arbeit seine Krankenschwestern gerne darauf hinweist, dass sie die OP-Materialien nicht wegschmeißen sollen nach Gebrauch. Diese benötige Marsh noch, für seinen Freund Igor. Seit 1992 sind Marsh und sein ukrainischer Kollege Dr. Igor Kurilets aus Kiew befreundet. Marsh sei wie ein älterer Bruder für ihn, erklärt der Ukrainer. Hin und wieder fliegt Marsh nach Kiew, um dort seinem Kollegen und „jüngeren Bruder“ bei Operationen zu unterstützen und scheinbar antiquiertes OP-Material zu übersenden. Beispielsweise Bohraufsätze, die in Großbritannien nach der ersten Benutzung entsorgt werden müssen, aber nach Meinung von Marsh problemlos noch zwölf Mal verwendet werden können.
Die Unterschiede zwischen westlichem Wohlstand und östlicher Armut verdeutlicht der Film sehr gut ohne jedoch neu oder überraschend zu wirken. Die Schuld wird abgewälzt auf die sowjetische Herrschaft von einst, die nun verhindert, dass man die nötige Ausstattung hat oder die Kapazitäten. Einmal fährt Kurilets mit Marsh raus, zu einem vereisten Fluss und erklärt, hier wolle er seine Neuroklinik aufbauen. Die erste ihrer Art in der Ukraine. Mit welchem Geld wird nicht klar, denn wer sich selbst Bohraufsätze, OP-Stühle und anderes aus zweiter Hand von einem Kollegen aus England schicken lassen muss, dürfte ein solches Unterfangen kaum finanziell stemmen können. Denn seine eigenen OP-Materialien kauft Kurilets auch nicht von medizinischen Herstellern, sondern auf Straßenbaumärkten, über die er Marsh führt. Später werden beide eine Operation mit einem Bosch PSR 960 Akkubohrer durchführen, den man im Handel für 40 Euro erstehen kann. Jetzt mag man sich sagen: was für Zustände da drüben! Oder man kann sagen: schau einer her, mit einem 40-Euro-Bohrer geht so etwas auch. Erinnerungen an Dr. Nick aus The Simpsons drängen sich auf.
In Geoffrey Smiths The English Surgeon geht es nun primär um eine Aktion: die Operation an Marian Dolishny. Dolishny hat einen Gehirntumor und gehört zu den Patienten, für die Marsh die letzte Option ist. „It’s a bit like Russian Roulette with two revolvers“, resümiert Marsh. Egal ob er den Patienten behandelt oder nicht behandelt, die Chancen, dass er stirbt, bleiben gleich. Problematisch sind wohl insbesondere die späten Diagnosen. Smith präsentiert gleich zwei Patientinnen, bei denen Marshs Urteil zu spät kommt. Bedröppelt schaut der Engländer auf den Boden, meidet den Blick zum Patienten, während Kurilets Marshs Diagnose, dass eine junge Patientin innerhalb von drei Jahren erblinden wird bevor sie stirbt oder ein kleines Mädchen weniger als zwölf Monate übrig hat, übersetzt. Immer wieder wird dann die Erinnerung an Tania beschworen, einem anderen kleinen Mädchen, das Marsh vor einigen Jahren behandelt und mit seinen Operationen schließlich umgebracht hat. Etwas, das ihn bis heute belastet, gesteht er mehrfach. Russisches Roulette mit zwei Revolvern eben. Wie man’s macht, ist’s falsch.
Als Gegenbeispiel muss/darf/soll nun Dolishny herhalten. Vom Lande kommt er, die Operation wird wohl von Smiths Fernsehteam bezahlt und der Patient ist durch seine Stilisierung zum Dokumentationsthema ohnehin schon „geheilt“. Da schluchzt Mutter Dolishny trotzdem beim Abschied in die Kamera und wenn Kurilets dann Marshs Pläne übersetzt, bleibt Dolishny ohnehin nicht viel übrig, als alles brav abzunicken. Ohne Anästhesie wird er am Gehirn operiert, damit überprüft werden kann, ob seine motorischen Fähigkeiten gefährdet werden. Да, да. Marsh beschwichtigt, die Operation an der Schädeldecke und dem Gehirn – beides schmerzunempfindlich – sei „not different from going to the dentist.“ Vielleicht eine problematische Analogie, betrachtet man Dolishnys Gebiss, in dem die Zähne, die nicht schon fehlen, schief gewachsen sind. Doch die Operation geht gut, auch wenn während des Vorgangs sich scheinbar ein epileptischer Anfall des Patienten einstellt, der dann aber doch keiner ist bzw. wieder verebbt.
„Life can be very cruel“, meint Marsh, als er eine der Todesnachrichten überbringt und den Blick abwendet. Immer wieder schneidet Smith dann „Archivmaterial“ von Tanias Behandlung rein, das schließlich zur finalen Begegnung zwischen Marsh, Kurilets und Tanias Mutter hinführt. Zwar weiß niemand der Beteiligten, was sie sagen sollen, aber wohl nur so kann das Ende dieser Doku aussehen, wenn Marsh dann noch zum Friedhof geht und Blumen für Tania niederlegt. Ein Zugang zu Marsh bzw. diesen Szenen wäre wohl leichter, wenn Smith expliziter in den Vordergrund gerückt hätte, dass Marshs eigenes Kind einst an einem Gehirntumor litt. Einiges wirkt daher in The Englisch Surgeon inszeniert oder um der Wirkung willen platziert. Kurilets, der auf Fortschritt drängt und die ukrainische Elite bittet, im Land zu bleiben, damit es sich entwickeln kann, erhält wegen seiner Bemühungen Morddrohungen. Das wird mal eben erwähnt und dann wieder fallen gelassen. Genauso wie die Pläne für die Neuroklinik angesprochen werden, ohne zu klären, wie sich diese überhaupt verwirklichen lassen soll.
Sieht man nun davon ab, dass Smiths Film gerade zum Schluss reichlich pathetisch ausgefallen ist, so weiß besonders die Operation an Dolishny wegen ihres medizinischen Elements zu gefallen. Smith begleitet die Operation am Gehirn sowohl am Mikroskop, wie auch am Patienten selbst. Da wird das Gehirn aufgeschnitten und der Tumor rausgesaugt, während Dolishny unentwegt seinen Arm hebt, um zu zeigen, dass er dazu noch im Stande ist. Zudem ist Marsh fraglos ein sympathischer Charakter, wenn er mit seiner Brille einer alten Eule gleich alles in seinem Krankenhaus einpackt, was sonst weggeschmissen würde und sich echauffiert, wenn er am Computer seinen Wochenplan nicht eintragen kann. Würde Smith seinen englischen Chirurgen nun nicht so sehr als Halbgott in Weiß inszenieren und das melodramatische Element etwas seriöser präsentieren, hätte The English Surgeon auch ansprechender sein können. Nun ist hier wenig „deeply moving/touching“ wie einige englischsprachige Medien berichten, wobei dies wohl auch nur deshalb so aufgenommen wird, weil vielen Westlern wohl die Zustände in Osteuropa nicht unbedingt klar sind. Gelungen ist Smiths Portrait dennoch allemal.
8/10
Diese Kritik ist voll von Fehlern und Fehlinterpretationen (so ist zum Beispiel nichts im Film gestellt). Desweiteren wird agressiv kritisiert, nur um zu kritisieren. Dementsprechend sinnlos, albern oder ärgerlich sind dann auch die Kritikpunkte. Außerdem ist der Rezensent vollkommen unfähig, das Ziel des Films zu verstehen, nämlich Henry Marsh zu porträtieren und seinen Humanismus zu feiern.
AntwortenLöschenDieser Artikel ist selbstherrlich, wichtigtuerisch und dumm und voller überflüssiger Sätze wie z.B. der Aussage bezüglich des Bohrers.