11. Mai 2007

Tenkū no Shiro Rapyuta [Das Schloss im Himmel]

The earth speaks to all of us, and if we listen, we can understand.

Seine Vorstellungskraft und Bildgewaltigkeit kennt kaum Grenzen. Miyazaki Hayao ist fraglos Walt Disneys einzig wahrer Erbe als Vater des berührenden Zeichentrickfilms und dem Status seines Animationsstudios Ghibli als Meisterwerksschmiede macht nur Pixar Konkurrenz. Wen wundert es also, dass auch Tenkū no Shiro Rapyuta (aka Das Schloss im Himmel) als erster offizieller Ghibli ein kleines Meisterwerk ist. Eins, das bei uns erst spät in den Kinos lief. Nicht unähnlich wie ein Lied des hawaiianischen Künstlers Israel Kamakawiwo’ole, das 17 Jahre nach seiner Aufzeichnung – und 13 Jahre nach dem Tod des Künstlers – in Deutschland die Single-Charts stürmte.

Einen ähnlichen Triumphzug vermochte Tenkū no Shiro Rapyuta im Jahr 2006 allerdings nicht anzutreten, als der erste Film des Studio Ghibli fast genau 20 Jahre nach seiner Premiere in unseren Kinos startete. Mit seinem ersten Werk unter dem Banner des neu gründeten Studio Ghibli knüpfte Miyazaki-san im Jahr 1986 daran an, was ihn zwei Jahre zuvor mit Kaze no tani no Naushika so erfolgreich gemacht hat. Bildgewaltige Szenerien, sympathische Charaktere, ein ökologischer Subtext sowie ein pompöses Amalgam aus Kinder- und Actionfilm. Und was besonders beeindruckt: Tenkū no Shiro Rapyuta sieht nicht aus, als wäre er bereits zwei Jahrzehnte alt.

Das liegt zwar mit an der durchgängig-zeitlosen Animation von Ghibli, ist aber zugleich auch ein Qualitätsmerkmal. Ausgesprochen detailliert gerät dieser kindliche Abenteuerfilm, der mehrmals in mehrfacher Hinsicht schweres Geschütz auffährt. Wie so oft in Miyazakis Werken verschmelzen die verschiedenen Zeitepochen, wird Gegenwart und Vergangenheit oder Vergangenheit und Zukunft miteinander kontrastiert. Die Welt in Tenkū no Shiro Rapyuta erinnert an das viktorianische Zeitalter, wird jedoch gepaart mit einer Prise Fantasy-Futurismus und Steampunk. Hier treffen Loks auf fliegenden Scooter und Revolver auf unzerstörbare Roboter.

Grundsätzlich erinnert die Szenerie dabei an Großbritannien, wo Miyazaki und seine Zeichner Inspiration aus der walisischen Landschaft zogen. Das mag zwar für uns Abendländer weniger exotisch sein, dafür für die Japaner umso mehr. Aber auch bei uns hinterlassen die an Berghängen gegründeten Städte und die weite Peripherie Eindruck, selbst wenn sich ein Großteil der Handlung weniger zu Land denn in der Luft abspielt. Hier nimmt der Film nach einem bereits turbulenten ersten Akt anschließend richtig Fahrt auf. Im sprichwörtlichen Sinn. Denn Tenkū no Shiro Rapyuta ist ein Kinderfilm, wie man ihn nicht alle Tage – und schon gar nicht von Disney – erlebt.

Hier flirten mehrere Männer ungeniert mit kleinen Mädchen und Erwachsene scheuen sich nicht davor, wiederholt auf Kinder zu schießen. Was undenkbar in der naiv-harmonischen Welt von US-Animationsfilmen ist, trägt bei Miyazaki dazu bei, dass dieser ein spannendes Abenteuer für die Kleinen parat hält und sich für die Großen erwachsener gibt als Genrekollegen. Nicht vergessen werden dabei die Charaktere, von denen besonders die an die Fratellis aus The Goonies erinnernden Luftpiraten rund um Matriarchin Dora sich im Verlauf von den Bösen zu den Guten wandeln und somit jene humane Dualität repräsentieren, die den Werken Miyazakis stets innewohnt.

Getragen wird die Geschichte dabei von der unschuldigen Freundschaft und suggerierten Liebe zweier Kinder, deren Moral und Ethik so rein ist wie ihre Loyalität zueinander. So ist Tenkū no Shiro Rapyuta gerade für sein Produktionsjahr ein fast schon bahnbrechendes Werk, was die Integration von Action und Abenteuer in einem animierten Kinderfilm angeht. Selbst die für das Genre ungewöhnlich lange Laufzeit von zwei Stunden erzeugt keine Längen. Zwar ist der Film nicht ganz so stark wie Miyazakis Vorgänger, dennoch als erster Ghibli ein exzellenter Vertreter für die Ideologie und Qualität des Studios. Auch, wenn das die Deutschen erst 2006 mitbekamen.

8.5/10

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