5. Oktober 2018

Bad Times at the El Royale

We might need to work on your sales pitch.

In seinem Gedicht “Faith” glaubte Edgar Guest, “that strangers are friends that we some day may meet”. Allerdings hatte Guest nie die Gelegenheit, im einst renommierten und inzwischen verblassten El Royale zu nächtigen. Das Hotel mitten auf der Staatsgrenze zwischen Kalifornien und Nevada beherbergte einst das Rat Pack und andere illustre Gestalten. Solche, wenn auch weniger namhaft, finden sich auch zu Beginn von Drew Goddards Bad Times at the El Royale in dem Etablissement ein. Vom katholischen Priester Flynn (Jeff Bridges) über die Soul-Sängerin Darlene Sweet (Cynthia Erivo) hin zum Staubsauger-Vertreter Laramie Sullivan (Jon Hamm). Doch im El Royale ist dieses Mal nichts, wie es scheint – einschließlich seiner Gäste.

Die meisten von ihnen führen nicht nur buchstäbliches Gepäck mit sich, darunter auch Emily (Dakota Johnson), die mit einer Geisel (Cailee Spaeny) anreist. Wer die Figuren sind und welche Vorgeschichte sie mit sich bringen, dröselt Goddard nach einer ersten Einführung in einzelnen Segmenten auf. Welche Rolle sie spielen oder jene ominöse Tasche, die Nick Offerman in der Eröffnungsszene unter einem der Hotelzimmer vergräbt, bleibt lange offen. Und wird im Nachhinein auch nur halbherzig von Goddard erklärt. Sein Bad Times at the El Royale ist ein Kuddelmuddel aus Genre-Versatzstücken, in dem sich unter anderem Elemente aus James Mangolds Identity, Quentin Tarantinos The Hateful Eight oder Michael Bays The Rock treffen.

Goddard reißt narrativ viel an, ohne wirklich Interesse an dem zu haben, was er im Moment erzählt. Seine Geschichte ist mal Thriller, dann kurz Heist-Film, bisweilen Krimi, aber selten etwas davon lange genug, um eine Spur von Dynamik zu entwickeln. Dabei hat das Grundkonzept der Fremden, die sich in einer abgelegenen Lokalität mit unterschiedlichen, gegensätzlichen Agenden wiederfinden, prinzipiell Potential. Einschließlich solcher Figuren wie Emily als Femme fatale, dem verschüchterten Concierge Miles (Lewis Pullman) oder Flynn und Sullivan, die vorgeben, jemand zu sein, der sie nicht sind. Wie das Setting selbst weiß Goddard jedoch nicht so recht, wie er dieses mit den Charakteren und ihren Backstories zusammenbringen soll.

So macht der Film eingangs viel Aufhebens um die Tatsache, dass das El Royale auf der Staatslinie zwischen Kalifornien und Nevada gebaut ist. Was mit sich bringt, dass sich die Zimmerpreise unterscheiden oder nur auf einer Seite der Anlage Alkohol ausgeschenkt werden darf. Ein Umstand, der für die Geschichte in der Folge aber keine Bedeutung hat, wo man zuvor noch mutmaßen würde, es könnte im Verlauf zu Verwicklungen in möglichen Gerichtsbarkeiten kommen, wie sie das Bundesstaaten-System der USA möglich macht. Wie einige andere Entwicklungen im Film verfolgt Goddard dies allerdings nicht weiter, auch deswegen, da er in der zweiten Hälfte sein Interesse verstärkt einem weiteren unausgegorenen Subplot widmet.

Wie im Trailer mehr als prominent zu sehen, betritt irgendwann Chris Hemsworth als Charles-Manson-Verschnitt Billy Lee die Bühne, basierend auf einer Vorgeschichte mit einer der Figuren. Mit seinem Erscheinen bricht Hemsworth Bad Times at the El Royale vollends das Genick: Einerseits, weil die Geschichte um ihn und seine Sekte wie die Figuren zuvor keine wirkliche Exposition erfährt und eher irritiert als fasziniert. Andererseits, weil Goddard seinen Kumpel aus The Cabin in the Woods mal wieder herumblödeln lässt, was diesem (s. Ghostbusters) ohnehin selten gut zu Gesicht steht. Zumal Billy Lee eher wirkt, als hätte er eine Performance à la Michael Madsen verdient, anstatt ein soziopathischer Hippie-Clown mit Sixpack zu sein.

Dass Goddard dieses Konzept eines 90-Minüters auch noch über zweieinhalb Stunden (gefühlt: drei) laufen lässt, setzt dem Ganzen schlussendlich die Krone auf. Zumindest schauspielerisch gibt sich das Ensemble – mit Hemsworth und Abstrichen auch Johnson als Ausnahme – keine Blöße. Speziell Erivo und Pullman bleiben im Gedächtnis. Bad Times at the El Royale ist kein Totalausfall, fällt aber deutlich in die Kategorie solcher Werke wie Smokin’ Aces, die merklich auf Kultfilm getrimmt sind. In gewisser Weise will er also selbst ein Freund sein, den der Zuschauer als Fremder trifft. Manchmal bleibt einem aber ein Fremder eben auch fremd. Insofern ist der Titel von Bad Times at the El Royale gar nicht einmal so falsch gewählt.

5/10

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