19. April 2013

Meet Joe Black

In this world nothing can be said to be certain, except death and taxes.
(Benjamin Franklin)

Was der Mensch nicht versteht, dem verleiht er gern Gestalt – oft in humanoider Form. So wird die Entstehung aller Dinge einem Gott zugeschrieben, der uns nach seinem Ebenbild erschaffen hat (respektive vice versa). Obschon es in der Bibel heißt „Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen“ (Hiob 1,21) holt der Schöpfergott seine Kreationen beim Ableben dem Verständnis nach nicht selbst ab. Vielmehr ist es der Tod, der entsprechend eine allegorische Darstellung als Sensenmann oder blasse Gestalt in schwarzer Kutte erhält. Unvergessen ist seine Porträtierung durch Bengt Ekerot in Ingmar Bergmans Det sjunde inseglet, auch wenn Gevatter Tod wohl nie so sexy war wie in Meet Joe Black.

Gespielt von Hollywood-Star Brad Pitt, drei Jahre zuvor noch zum Sexiest Man Alive gekürt, macht es sich der Tod als Beau in der High Society bequem. Martin Brests Film basiert dabei auf dem italienischen Stück La morte in vacanza (1924) von Alberto Casella und behandelt im Prinzip dieselbe Thematik. Der Tod nimmt Urlaub von seinen Pflichten, um aus erster Hand zu erfahren, was das eigentlich ist: das Leben. Durch dieses soll ihn der Medienmogul Bill Parrish (Anthony Hopkins) führen, dessen Ableben sich ankündigt, durch das plötzliche Auftauchen des adretten „Joe Black“ (Brad Pitt) jedoch verzögert wird. Fortan probiert Joe alles aus, von Erdnussbutter bis zum Sex mit Parrishs Tochter Susan (Claire Forlani).

Die wiederum hatte mit dem blonden Schönling am Morgen seines Erscheinens noch munter geflirtet, ehe dieser zwecks Inanspruchnahme vom Tod ins Jenseits befördert wurde. Jenes erste Gefühl des Verliebtseins projiziert die gelernte Ärztin fortan auf den so einsilbigen wie naiven Joe – sehr zum Missmut von ihrem Vater sowie dessen rechter Hand und ihrem Freund Drew (Jake Weber). Und da Joe nicht mehr von Bills Seite weicht und dieser seinerseits eine Übernahme seiner Firma abschmettert, beginnt Drew ein Netz aus Intrigen zu spinnen. Alle Ereignisse laufen letztlich am Abend von Bills 65. Geburtstag zusammen, den seine älteste Tochter Allison (Marcia Gay Harden) in mühevoller Kleinarbeit geplant hat.

Relativ wenig passiert in Meet Joe Black, zumindest angesichts seiner epischen Länge von fast drei Stunden. Dennoch vermag Brests Film, so unausgereift die Handlung letztlich auch ausfällt, nie wirklich zu langweilen. Dass Susan ziemlich schnell Hals über Kopf Joe verfällt beziehungsweise dem Echo ihrer morgendlichen Begegnung, gerät ebenso in den Hintergrund wie die Frage, warum sich der Tod ausgerechnet Bill Parrish als Führer durchs Leben wählt. Denn wer eine Ahnung vom menschlichen Leben haben will, sucht sich vermutlich nicht repräsentativ einen One Percenter als Beispiel aus oder verbringt seine Zeit auf der Erde in den Mahagoni-Büros und Ledersesseln von Downtown-Wolkenkratzern.

Allerdings wäre eine Variante im Stil von Slumdog Millionaire wohl weniger interessant für die Produzenten und das Studio gewesen. Dass der Tod also aufgrund eines väterlichen Rats von Bill an Susan, ein wenig spontaner zu sein, diesen als lebendes Beispiel auswählt, ist ebenso geschenkt. Stimmiger wäre eventuell gewesen, wenn Bill aus eigenem Antrieb sein Ableben aufgeschoben hätte, im Austausch für sein kurzfristiges Dasein als Reiseleiter. Aber wie angesprochen steht die Handlung in diesem Fall hinter der grundsätzlichen Prämisse von Meet Joe Black zurück: Der Idee, dass der Tod auf die Erde kommt, um die Menschen, die er täglich ins Jenseits befördert, näher kennenzulernen.

“Only recently (..) your affairs here have piqued my interest”, eröffnet der Tod gegenüber Bill in ihrer ersten Begegnung. “Call it boredom.” Wie mag es dort wohl sein, wo alle seine „Fahrgäste“ herstammen? An jenem Ort, den keiner wirklich verlassen will, an den sich jeder von ihnen klammert? “All these things they say about you in testimonials”, erklärt der Tod. Nun will er sich also selbst ein Bild davon machen, mit Bill als Führer. Ob er sterbe, fragte dieser zuvor die Fragen aller Fragen, die ihm der blonde Beau im Anzug daraufhin bejahte. Offen bleibt, ob Parrish stirbt, damit der Tod ein Druckmittel für seine Anwesenheit und Bills Anleitung hat oder ob der Tod des 65-Jährigen seit jeher immer schon so vorgesehen war.

Weitaus interessanter als das Zusammenspiel zwischen Joe und Bill fallen jedoch zwei Szenen zwischen Ersterem und einer alten, krebskranken Jamaikanerin und Patientin von Susan im Krankenhaus aus. Die wiederum erkennt den Tod in Menschengestalt und befürchtet zuerst, von diesem geholt zu werden, nur um später exakt darum zu bitten: ihr Lebensende. “Can’t do no right by people”, lamentiert Joe darauhin in Patois. “Come to take you, you want to stay. Leave you stay, you want to go. Rahtid.” Im Dialog mit der alten Dame dröselt Meet Joe Black auch die Motive des Sensenmannes für seine erstmalige Präsenz im Reich der Lebenden auf. “I not lonely here”, gesteht er ihr nun, “somebody want me here”.

Bereits zuvor hatte er eine entsprechende Andeutung gegenüber Susan gemacht, als er vorschlug, sie würden Freunde – was sie ablehnte, da sie genügend hätte. “I don’t have any”, erwidert Joe. Die vermeintliche Einsamkeit des Todes überwältigt sogar seine eigenen „Gefühle“: Was ihm angeboten wird, gefällt ihm. Sei es Erdnussbutter, Geschlechtsverkehr oder der Schwager in spe (Jeffrey Tambor). “Schoolboy things in your head”, wiegelt die Jamaikanerin ab. Wie Joe auf seine Umwelt reagiert, gibt uns gleichzeitig eine Andeutung, was in ihm vorgehen muss, wenn er nicht auf der Erde ist. Niemand, der sich freut, dass er da ist, keine Wertschätzung. “We lonely here mostly too”, offenbart die alte Frau.

Am Ende muss sich der Tod mit seinem Schicksal abfinden, ebenso wie Bill selbst. Während dessen Zeit abgelaufen ist, darf der Tod als ein Geschöpf angesehen werden, das außerhalb der Idee von Zeit existiert. Ob er wirklich nachempfunden hat, was es bedeutet, menschlich zu sein, darf bezweifelt werden. Zumindest hat er eine Ahnung davon, warum die Menschen an ihrem Leben hängen. Und fortan ist er nicht mehr alleine, hat er doch nun seine Erinnerungen. Die sind es auch, wozu jede Flucht aus dem Alltag schließlich wird. “Like you come to the island and had a holiday”, sinniert die Jamaikanerin. “If we lucky, maybe, we got some nice pictures to take with us.” Im Falle von Meet Joe Black sind es 178 Minuten.

8.5/10

2 Kommentare:

  1. Den habe ich auch irgendwann mal gesehen, kann mich aber kaum noch daran erinnern. Die Prämisse fand ich damals toll, doch hatte mich irgend etwas an dem Film gestört... in meinem Kopfarchiv habe ich ihn unter 7 Punkten abgelegt...

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    1. Und ich leg ihn damit zu den Filmen, die ich tatsächlich besser bewertet habe als du :)

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