Ist es ein Raumschiff? Ist es eine Iris? Am Anfang von Jonathan Glazers Sci-Fi-Adaption Under the Skin, lose basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michel Farber, fällt es schwer, die Bilder richtig zu interpretieren. Sie erinnern entfernt an die visuellen Spielereien eines 2001: A Space Odyssey und zeugen von der Ankunft eines Aliens, welches für den restlichen Filmverlauf von Scarlett Johansson gespielt wird. Untermalt werden die Eingangsbilder von gutturalen Lauten, wenn sich das Alien bemüht, unsere Sprache nachzuahmen. In einem Raum aus weiß streift es sich die Klamotten eines regungslosen Mädchens über, dessen Erscheinungsform es übernommen hat. The Terminator lässt grüßen, war aber weniger kunstvoll.
Jonathan Glazer, der im Trailer zum Film das Standardsiegel des „visionären“ Regisseurs erhält, inszeniert Under the Skin in der Tat zuvorderst über seine Bilder. Auf das eindrucksvolle Opening folgen Bilder des Aliens, welches in einem Van durch Glasgow fährt, auf der Suche nach Single-Männern, deren Verschwinden niemandem sofort auffallen würde. Mit schwarzer Perücke und dickem roten Lippenstift wird flirtender Small Talk geführt. Bis tatsächlich Männer in die Venusfalle tappen. “Gorgeous” sei sie, hört das Scarlett-Johansson-Alien dabei immer wieder. “Cheers.” In leerstehenden Häusern lockt das Alien die Männer in einen schwarzen Raum, in welchem der Boden sich verflüssigt bis die nackten Opfer unter ihm verschwinden.
Da war sie wieder, die immer mal wieder auftauchende visuelle Genialität des Films, die brillant von der atmosphärisch-mystischen Musik von Mica Levi untermalt wird. Die Welt des Aliens, zu der es hier und da inmitten der unsrigen Einblicke gibt, ist zweifelsohne faszinierend. So auch, wenn wir in der Mitte des Films bildlich erzählt bekommen, was Sinn und Zweck der Männerjagd des Aliens ist. Dieses mutiert in Form von Scarlett Johansson zum buchstäblichen “Maneater”, auf fast schon anmutige Weise erzählt durch die Bildsprache von Daniel Landin. Hier sehen wir den Auslöser und das Motiv der Filmhandlung, die eigentliche Prämisse ist jedoch eine andere. Denn Ende des zweiten Akts setzt bei dem Alien eine Wandlung ein.
Dieser widmet sich Michel Farber in seinem Roman ausführlich, während sie in Jonathan Glazers Film wiederum weitestgehend untergeht. Wo das Alien im Buch realisiert, dass hinter dem Mensch mehr steckt als das, wozu es auf die Erde gekommen ist, wird das Interesse seines Filmpendants nicht wirklich deutlich. Plötzlich kehrt es seiner Tätigkeit den Rücken und versucht sich im dritten Akt an einem integrativen Prozess. Was heißt das eigentlich, Mensch zu sein – und nicht nur wie einer auszusehen? Eine gute Frage, der sich viele Denker gewidmet haben. Jonathan Glazer ist keiner von ihnen. Mensch sein heißt in Under the Skin Torte zu essen und Sex zu haben. Auch wenn beides aufgrund der außerirdischen Anatomie nicht geht.
Das Drehbuch, es ist des Films größter Widersacher. Fragen, die sich einem in den ersten beiden Akten stellen (warum „jagt“ das Alien Männer mitten in Wohngegenden, anstatt wie im Roman auf Anhalter zurückzugreifen?), erscheinen spätestens dann der Vernachlässigung wert, wenn im dritten Akt die Humanisierung des Außerirdischen thematisiert wird. Wirklich interessant gerät diese nicht, was auch daran liegen mag, dass sie oberflächlicher kaum geraten könnte. Visuell wird zeitgleich wenig geboten, die kreative Bildsprache wird weitestgehend zurückgestellt, allenfalls einige schöne Landschaftsaufnahmen der schottischen Provinz wissen zu gefallen. Und so sehnt man als Zuschauer irgendwann nur noch das Ende herbei.
Was etwas schade ist, da Under the Skin keinesfalls ein schlechter Film ist. Genau genommen sogar Jonathan Glazers bester, nach dem eher belanglosen britischen Krimi Sexy Beast und dem völlig missratenen Drama Birth. Wie in diesen zeigt sich auch hier, dass Glazer nicht wirklich eine Figurenzeichnung versteht, allenfalls deren schablonenhafte Skizzierung. Immerhin kommt hier zu Gute, dass der Protagonist ein Alien ist, welches von Scarlett Johansson mit jener stoischen Selbstverständlichkeit gespielt wird, wie es zuvor schon anderen Kollegen wie David Bowie oder Keanu Reeves pflegten. Sie ist im Grunde die einzige Schauspielerin in einem Film, der zum Großteil mit Laiendarstellern auskommt. Und das auch sehr gut.
Die eindrucksvollste Szene in Under the Skin ist jene, in der das Alien nachts in einem Vorort einen Mann anspricht und in sein Auto lockt, dessen Gesicht von Tumoren entstellt ist. Wenn das Alien in freundlicher Manier seinen üblichen Small Talk startet (gibt es Freunde oder Freundin, die ihn vermissen würde?) und der entstellte Mann das verneint, wirkt das zum einen wie gehässiges In-die-Wunde-reiben und zugleich wie aufrichtiges Interesse. “Don’t you get lonely then?”, fragt das Alien den Mann und sieht womöglich in diesem letztlich auch in gewisser Weise eine Spiegelung seiner selbst. Ein Wesen ohne Freunde und Partner. Es ist die entscheidende Szene vor seiner scheinbaren Katharsis und mit den visuellen Ideen des Films sein Highlight.
Was es jedoch letztlich von seiner Mission abbringt und zum Menschsein hinzieht, bleibt im Film außen vor. Ein wirkliches Thema besitzt Glazers Film dabei nicht, interessiert ihn doch weder der eine noch der andere Aspekt seiner Handlung. Die positive Resonanz von Under the Skin – Glazer wird bereits als Erbe Kubricks geadelt – erklärt sich wohl zuvorderst ob der erschaffenen Atmosphäre des Films, der sich weniger Worte bedient und mit ungewöhnlichen Bildkompositionen dient. Style over Substance, wenn man so will. Dass das eine das andere nicht ausschließt, zeigt ein Terrence Malick mit seinen Werken, zum Problem wird es in Under the Skin, da der Film zum Schluss doch Substanz erschaffen will, ohne diese zu etablieren.
Das Ergebnis ist dann dennoch Jonathan Glazers bis dato reifster und bester Film, auf jeden Fall eine Steigerung gegenüber dem missratenen Birth und sicherlich auch so manchem anderen Genrevertreter wie Nicolas Roegs lahmen The Man Who Fell to Earth weit überlegen. Ähnlich wie dieser könnte Under the Skin dabei zu einer Art Kultfilm avancieren, nicht zuletzt aufgrund seines limitierten Release (hier in Deutschland erscheint er Direct-to-DVD), der danach schreit, als Geheimtipp die Runde zu machen. Etwas schöner – und befriedigender – wäre allerdings gewesen, wenn man unter der Oberfläche von Under the Skin tatsächlich etwas vorgefunden hätte. Wie im Falle seines Aliens zeigt sich jedoch, dass der Schein trügen kann.
Jonathan Glazer, der im Trailer zum Film das Standardsiegel des „visionären“ Regisseurs erhält, inszeniert Under the Skin in der Tat zuvorderst über seine Bilder. Auf das eindrucksvolle Opening folgen Bilder des Aliens, welches in einem Van durch Glasgow fährt, auf der Suche nach Single-Männern, deren Verschwinden niemandem sofort auffallen würde. Mit schwarzer Perücke und dickem roten Lippenstift wird flirtender Small Talk geführt. Bis tatsächlich Männer in die Venusfalle tappen. “Gorgeous” sei sie, hört das Scarlett-Johansson-Alien dabei immer wieder. “Cheers.” In leerstehenden Häusern lockt das Alien die Männer in einen schwarzen Raum, in welchem der Boden sich verflüssigt bis die nackten Opfer unter ihm verschwinden.
Da war sie wieder, die immer mal wieder auftauchende visuelle Genialität des Films, die brillant von der atmosphärisch-mystischen Musik von Mica Levi untermalt wird. Die Welt des Aliens, zu der es hier und da inmitten der unsrigen Einblicke gibt, ist zweifelsohne faszinierend. So auch, wenn wir in der Mitte des Films bildlich erzählt bekommen, was Sinn und Zweck der Männerjagd des Aliens ist. Dieses mutiert in Form von Scarlett Johansson zum buchstäblichen “Maneater”, auf fast schon anmutige Weise erzählt durch die Bildsprache von Daniel Landin. Hier sehen wir den Auslöser und das Motiv der Filmhandlung, die eigentliche Prämisse ist jedoch eine andere. Denn Ende des zweiten Akts setzt bei dem Alien eine Wandlung ein.
Dieser widmet sich Michel Farber in seinem Roman ausführlich, während sie in Jonathan Glazers Film wiederum weitestgehend untergeht. Wo das Alien im Buch realisiert, dass hinter dem Mensch mehr steckt als das, wozu es auf die Erde gekommen ist, wird das Interesse seines Filmpendants nicht wirklich deutlich. Plötzlich kehrt es seiner Tätigkeit den Rücken und versucht sich im dritten Akt an einem integrativen Prozess. Was heißt das eigentlich, Mensch zu sein – und nicht nur wie einer auszusehen? Eine gute Frage, der sich viele Denker gewidmet haben. Jonathan Glazer ist keiner von ihnen. Mensch sein heißt in Under the Skin Torte zu essen und Sex zu haben. Auch wenn beides aufgrund der außerirdischen Anatomie nicht geht.
Das Drehbuch, es ist des Films größter Widersacher. Fragen, die sich einem in den ersten beiden Akten stellen (warum „jagt“ das Alien Männer mitten in Wohngegenden, anstatt wie im Roman auf Anhalter zurückzugreifen?), erscheinen spätestens dann der Vernachlässigung wert, wenn im dritten Akt die Humanisierung des Außerirdischen thematisiert wird. Wirklich interessant gerät diese nicht, was auch daran liegen mag, dass sie oberflächlicher kaum geraten könnte. Visuell wird zeitgleich wenig geboten, die kreative Bildsprache wird weitestgehend zurückgestellt, allenfalls einige schöne Landschaftsaufnahmen der schottischen Provinz wissen zu gefallen. Und so sehnt man als Zuschauer irgendwann nur noch das Ende herbei.
Was etwas schade ist, da Under the Skin keinesfalls ein schlechter Film ist. Genau genommen sogar Jonathan Glazers bester, nach dem eher belanglosen britischen Krimi Sexy Beast und dem völlig missratenen Drama Birth. Wie in diesen zeigt sich auch hier, dass Glazer nicht wirklich eine Figurenzeichnung versteht, allenfalls deren schablonenhafte Skizzierung. Immerhin kommt hier zu Gute, dass der Protagonist ein Alien ist, welches von Scarlett Johansson mit jener stoischen Selbstverständlichkeit gespielt wird, wie es zuvor schon anderen Kollegen wie David Bowie oder Keanu Reeves pflegten. Sie ist im Grunde die einzige Schauspielerin in einem Film, der zum Großteil mit Laiendarstellern auskommt. Und das auch sehr gut.
Die eindrucksvollste Szene in Under the Skin ist jene, in der das Alien nachts in einem Vorort einen Mann anspricht und in sein Auto lockt, dessen Gesicht von Tumoren entstellt ist. Wenn das Alien in freundlicher Manier seinen üblichen Small Talk startet (gibt es Freunde oder Freundin, die ihn vermissen würde?) und der entstellte Mann das verneint, wirkt das zum einen wie gehässiges In-die-Wunde-reiben und zugleich wie aufrichtiges Interesse. “Don’t you get lonely then?”, fragt das Alien den Mann und sieht womöglich in diesem letztlich auch in gewisser Weise eine Spiegelung seiner selbst. Ein Wesen ohne Freunde und Partner. Es ist die entscheidende Szene vor seiner scheinbaren Katharsis und mit den visuellen Ideen des Films sein Highlight.
Was es jedoch letztlich von seiner Mission abbringt und zum Menschsein hinzieht, bleibt im Film außen vor. Ein wirkliches Thema besitzt Glazers Film dabei nicht, interessiert ihn doch weder der eine noch der andere Aspekt seiner Handlung. Die positive Resonanz von Under the Skin – Glazer wird bereits als Erbe Kubricks geadelt – erklärt sich wohl zuvorderst ob der erschaffenen Atmosphäre des Films, der sich weniger Worte bedient und mit ungewöhnlichen Bildkompositionen dient. Style over Substance, wenn man so will. Dass das eine das andere nicht ausschließt, zeigt ein Terrence Malick mit seinen Werken, zum Problem wird es in Under the Skin, da der Film zum Schluss doch Substanz erschaffen will, ohne diese zu etablieren.
Das Ergebnis ist dann dennoch Jonathan Glazers bis dato reifster und bester Film, auf jeden Fall eine Steigerung gegenüber dem missratenen Birth und sicherlich auch so manchem anderen Genrevertreter wie Nicolas Roegs lahmen The Man Who Fell to Earth weit überlegen. Ähnlich wie dieser könnte Under the Skin dabei zu einer Art Kultfilm avancieren, nicht zuletzt aufgrund seines limitierten Release (hier in Deutschland erscheint er Direct-to-DVD), der danach schreit, als Geheimtipp die Runde zu machen. Etwas schöner – und befriedigender – wäre allerdings gewesen, wenn man unter der Oberfläche von Under the Skin tatsächlich etwas vorgefunden hätte. Wie im Falle seines Aliens zeigt sich jedoch, dass der Schein trügen kann.
6.5/10
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