5. Oktober 2008

The Little Mermaid

Have I ever been wrong? I mean when it’s important.

Gelegentlich begegnet man Menschen, die einen einzigen Film an die 15 Mal im Kino gesehen haben. Mit solchen Zahlen kann ich selbst nicht mithalten, im Höchstfall schaue ich einen Film zweimal im Kino an. Beispielsweise The Prestige, Sin City, Finding Neverland aber auch Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull. Wenn ich einen Film tatsächlich drei Mal im Kino sehe, dann ist dies nicht nur ein guter Film, sondern auch einer der mir persönlich etwas bedeutet. Bei Revenge of the Sith war dies der Fall. Damit markiert die dritte Episode von George Lucas’ Weltraumsaga Star Wars eigentlich den Spitzenreiter, wäre da nicht noch Disneys The Little Mermaid. Im zarten Alter von sieben Jahren machte ich mich ganze vier Mal in unser regionales Kino auf und tauchte im wahrsten Sinne des Wortes in den Anbeginn von Disneys Renaissance ein.

Nach der „stillen“ Periode der siebziger und achtziger Jahre kehrte Disney als Test in Oliver & Company zu seinen Musicaleinlagen zurück und führte diese nach dem Erfolg von The Little Mermaid wieder vollends ein. Es verwundert daher nicht, dass die Disney Renaissance auch andere Meisterwerke wie Beauty and the Beast, Aladdin oder The Lion King hervorbrachte. Neben den Musicaleinlagen wandte sich Disney auch anderen ehemaligen Werten zu. Mit The Little Mermaid verarbeitete man zum ersten Mal seit Sleeping Beauty wieder ein klassisches Märchen. Jenes Märchen stammte von Hans Christian Andersen, unterscheidet sich jedoch an vielen Stellen vom Disney-Film. Seine kleine Meerjungfrau strebt nicht nach der Liebe eines Prinzen, sondern sie wünscht sich vielmehr die unsterbliche Seele der Menschen, die nach dem Tod gen Himmel wandert.

Letztlich vermisst Andersens Märchen ein typisches Happy End, auch wenn die Hoffnung bei ihm zuletzt stirbt. Verantwortlich für die Liebesgeschichte von Ariel und Eric war das kongeniale Duo Ron Clements und John Musker, die zuvor bei The Great Mouse Detective als Regisseure tätig waren und für Disney auch Aladdin inszenieren sollten. Momentan arbeiten sie an Disneys Rückkehr zur klassischen 2-D-Animation mit The Princess and the Frog, welche sich zum ersten Mal in der Geschichte des Studios einer afroamerikanischen Heldin annimmt. Für jüngere Zuschauer stellen die klassischen Disney-Filme einen Schritt in die Vergangenheit dar. Statt auf Effekte konzentrierte man sich auf die Geschichte, die Charaktere und die Musicalnummern. Das Wasser, in dem Ariel schwimmt, besticht nicht durch Details, den Zeichnern genügte hier eine Welle und dort eine Welle.

Life’s full of tough choices, innit?
Ähnlich verhält es sich mit ihrem Haar, dieser wabernden roten Mähne, die kaum einzelne Strähnen zulässt. Zeichnete Disney früher einen Hügel als Hügel, so warten Pixarfilme wie Ratatouille heutzutage mit hunderten digitaler Sandkörner auf, die letztlich einen Hügel bilden. Monatelang wird an dem Fell einer Ratte gearbeitet, um hunderttausende kleine digitale Härchen zu erzeugen. Früher tat es einfach eine einzige gefärbte Masse. Wer inzwischen nicht mehr mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen – die Frage ist: wer braucht diese ganzen Details? Durch seine Effekte allein wird ein Film nicht besser, zumindest kein animierter Kinderfilm. Filme wie The Little Mermaid werden bedauerlicherweise gar nicht mehr gemacht – bisher. Viel Hoffnung liegt auf Clements & Muskers The Princess and the Frog, einem klassischen Animationsfilm ohne Schnörkel.

Zu Beginn des Filmes werden die vier Parteien nacheinander vorgestellt, angefangen beim 18-jährigen Prinzen und love interest Eric. Von ihm geht es in einem gelungen Schnitt hinab, unter das Meer. Ein Festakt im Königspalast erwartet die Meeresbewohner. Unter der Leitung des Dirigenten, Krabbe Sebastian, präsentiert König Triton, Sohn des Poseidon, seinem Volk seine Töchter. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Jüngsten, Ariel, wegen ihrer bezaubernden Stimme. Doch diese verpasst den Festakt, befindet sich auf einer Abenteuerjagd mit ihrem Freund Flunder. Ihr rebellisches Verhalten lockt die Seehexe Ursula an, die einen perfiden Plan zu spinnen beginnt. Die xenophile Ariel verliebt sich in Eric, sehr zum Leidwesen ihres Vaters, welcher der Tochter strikt untersagt hat zur Oberfläche zu schwimmen und Kontakt mit Menschen zu suchen.

Der Konflikt zwischen Vater und Tochter nimmt letztlich überhand, einen Ausweg für die 16-jährige Ariel scheint lediglich Ursula zu bieten. Im Austausch für ihre Stimme will sie Ariel in einen Menschen verwandeln. Ihre Bedingung: Sollte es Ariel innerhalb von drei Tagen nicht gelingen, das Herz von Eric zu gewinnen, verkommt sie zur Staffage der Seehexe. Die desillusionierte Ariel gibt sich Ursula hin und büßt dies fast sogleich mit ihrem Leben, lediglich Sebastian und Flunder bewahren sie vor dem Ertrinken. An der Oberfläche trifft sie sogleich auf Eric, doch erkennt dieser sie nicht, da sein einziges Identifikationsmittel Ariels Stimme gewesen war. Schließlich wird sich Eric aber in Ariels Persönlichkeit verlieben und nicht in irgendein hervorstechendes Merkmal. Ursula droht ihr Plan aufzufliegen, sie schreitet ein und verändert das Leben von allen.

I don’t know when
I don’t know how
But I know something’s starting right now
Watch and you’ll see
Some day I’ll be
Part of your world.


Vormerklich geht es in The Little Mermaid um unterschiedliche Kulturen, die sich scheinbar nicht vertragen, sich jedoch auch nicht um Kontakt bemühen. Für die Meermenschen und die Unterwasserwelt sind die Menschen der Oberfläche Barbaren, kaltblütige Mörder ohne jedes Herz. Ursache für diese Meinung ist natürlich die Fischerei, welche das Geschehen einleitet. Aufgrund der Gefahren ist es jedem Meermensch von Triton untersagt, die Oberfläche aufzusuchen. Kontakte mit Menschen oder allem menschlichem werden strikt untersagt. Durch den Film hindurch erhält man keinen Einblick für Tritons Beweggründe, Vermutungen lassen sich jedoch erschließen. Typisch für die Disney-Renaissance ist die Thematik der abwesenden Mutter. Sowohl Ariel als auch Belle (Beauty and the Beast) und Jasmin (Aladdin) sind mutterlose Halbwaisen.

Tritons Zorn auf die Menschenwelt ließe sich daher so erklären, dass Ariels Mutter einst durch Kontakt mit Menschen ihr Leben verlor. Wie und was genau passiert ist, bleibt jedoch reine Spekulation, wie auch bei den anderen Renaissance-Damen. In ihrer Geschichte erheben Clements & Musker Ariel nun zum Bindeglied zwischen beiden Kulturen. Ariel ist weit über den Status eines neugierigen Teenagers hinaus, auf sie trifft durchaus die Bezeichnung „xenophil“ zu. Insbesondere ist sie besessen von der Welt der Menschen, die so nah und doch so fern ist. Ihre Fragen befriedigt sie durch etwaige Schatzsuchen, in welchen sie Gabeln oder Pfeifen findet. Die Antworten für diese Gegenstände sucht sie bei der verschrobenen und naiven Seemöwe Scuttle, der fiktive Gebrauchsgründe für die Gegenstände erfindet. Doch auch dies reicht Ariel nicht, sie will mehr.

Der Wendepunkt ist die Begegnung mit Eric, auch wenn es etwas flach wirkt, dass sich Ariel in ihren ersten Menschen verliebt. Auch Eric ist anders als es seine Kultur vorsieht. Das Dasein als Prinz sagt ih wenig zu und auch eine Heirat mit irgendeiner Prinzessin steht ihm nicht im Sinn. Ein Sturm und die folgende Rettungsaktion sorgen schließlich für den direkten Kontakt der beiden Teenager, welche sich spätestens hier vollends verlieben. Einziger Anhaltspunkt ist für Eric dabei Ariels Stimme – ein Merkmal, dass später dem Spannungsaufbau dient. Im Gegensatz zu ihrem Vater, ihren Schwestern und allen anderen Meeresbewohner hat Ariel keine Angst vor der fremden Kultur. Im Gegenteil, sie ist von ihrem sympathischen Charakter überzeugt. Durch ehrliches Interesse und Begeisterung gewinnt sie die Herzen der Menschen und letztlich auch Erics.

Children have got to be free to lead their own lives.
Zu diesem Zeitpunkt ist sie natürlich keine Meerjungfrau, der sich in ihr verbergende Konflikt ist nur für den Zuschauer ersichtlich. Doch spätestens bei Eric und Vanessas Hochzeit wird ihre Identität aufgedeckt – und dennoch wird sie vom Volk später akzeptiert. Vielmehr noch, Eric zögert keine Sekunde seiner Geliebten zu Hilfe zu eilen – unabhängig von ihrer äußerlichen Erscheinung respektive dem thematischen Konflikt beider Kulturen. Ihre Liebe wird zur Brücke zwischen den Völkern, hat im Grunde Analogien zu Romeo und Julia, nur dass die Liebenden hier ein Happy End finden. Beide Parteien erkennen sich zum Schluss des Filmes an, Triton nimmt ein großes Opfer auf sich, um seine Tochter glücklich zu sehen. Wie genau der Kontakt zwischen Menschen und Meeresbewohnern aussehen wird (auch in Bezug auf die Fischerei), wird allerdings nicht geklärt.

Als Vater hat Triton nur das Beste für seine Tochter im Sinn, allen voran ihren Schutz. In seiner Liebe lassen sich Elternteile oftmals zu überdrastischen Maßnahmen hinreißen, wie zum Beispiel Tritons Zerstörung von Ariels Höhle. Diese Aktion bewirkt Ariels ultimative Reaktion. Ein typisch jugendliches Aufbegehren ist die Folge. Der Konsequenzen ist sich Ariel nicht bewusst, ohnehin ist sie durch ihre erste Liebe so verblendet, dass sie die Gefahr nicht wahrnimmt. Am Ende muss sie erfahren, dass sich Seehexen nicht übers Ohr hauen lassen. Speziell nicht solche, die eine Agenda haben. Aus der Handlung entfernt wurde die Information, dass Ursula die Schwester von Triton und somit Ariels Tante ist. Sie wurde von Triton verstoßen, verbannt und sinnt nun auf Rache. Dies erklärt auch ihr „endlich“, als sie sich im Finale Tritons Krone aufsetzt.

Somit ist The Little Mermaid ein einziger großer Familienkonflikt, bewirkt durch Entfremdung und Verstoßung. Hauptsächlich rückt jedoch Ariels unbändiger Glaube an das Gute in den Vordergrund. Sie öffnet sich einer fremden und scheinbar feindlichen Welt und wird nicht verletzt. Für Eltern ist das Leben voller schwieriger Entscheidungen, wie Ursula bemerkt, und auch Sebastian hat Recht, wenn er meint, dass Kinder ihre eigenen Entscheidungen und Lebenswege überlassen werden müssen. Triton lernt am Ende, dass das Beste für Ariel das ist, was sie selbst für das Beste hält. Er lässt los und bewirkt somit mehr Nähe zu seiner Tochter, wie er vorher je für möglich gehalten hätte. Seit den vier Kinobesuchen habe ich The Little Mermaid sicherlich noch zwei Dutzend Mal gesehen – und ich werden den Film auch bestimmt noch mehrere Dutzend Male sehen.

10/10

7 Kommentare:

  1. HAHAHAHA... TheRudi, du bist lustig. :D

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  2. Einer der wenigen Disneys, die ich nicht mehr so gut im Kopf habe und auch als Kind kaum sah...

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  3. Doktor, bereiten Sie den Exitus vor

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  4. Einen reibungslosen Umzug wünsche ich dir dann - ich hoffe, du hast deine DVDs gut verpackt ;-)

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  5. @kaiser: Wieso?

    @moviescape: Schäm dich was.

    @jochen: Danke dir, vorerst muss es aber noch ohne DVDs gehen :(

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  6. ah noch einer der umzieht, ich hoffe du bist nicht bei der Telekom, die bekommen es nicht gebacken "das" Internet freizuschalten

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  7. MEIN Lieblingsfilm von Disney. Auch der erste den ich sah und nachspielte in der heimischen Badewanne *g* (jetzt kommt's raus ;))

    Und auch hier finde ich die deutschen Liedtexte passender. Aber jedem das seine.

    Mit der Mutter von Arielle hast du recht, siehe Arielle - wie alles begann (zweiter direct to video Film)

    Ursula als Krake und alle andere als Menschen mit Fischschwänzen - da nun eine Verwandtschaft deutlich zu machen, wäre wirklich nicht so einleuchtend gewesen. Andererseits ist es ja ein Trickfilm, darin geht alles ^^

    hach und Erik... der Traumprinz schlechthin *schmacht*

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