Jedes Teilchen hat sein Antiteilchen, jede Idee somit ihren Gegenentwurf – sei es Gott und Teufel oder Krieg und Frieden. Wo es eine Utopie gibt, muss es also auch ein Dystopie geben. Eine Gesellschaft, die sich zum Negativen entwickelt hat. Eine einprägsame Dystopie schuf Ozawa Satoru 1967 in seinem dreibändigen Manga Ao no roku gô, der bei uns im Westen als Blue Submarine No. 6 vertrieben wurde. Erzählt wird von einem verrückten Wissenschaftler, von Mensch-Tier-Hybriden und von dem Kampf zweier Parteien um Sein oder Nichtsein. Rund 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung adaptierten Chigira Kôichi und Maeda Mahiro Ozawa-sans Manga für eine gleichnamige, vierteilige Original Video Animation (OVA).
In dieser hat der Wissenschaftler Zorndyke dafür gesorgt, dass die Polkappen der Erde zerstört wurden, was einen Anstieg der Meereslevel nach sich zog. Genauso wie eine Instabilität der Erdkruste, die sich nun bewegt und das Ende der Menschheit herbeiführen könnte. Zugleich schuf Zorndyke Hybriden aus Mensch und Tier, die ihn wie einen Gott verehren, während die Überreste der Menschheit ihn mit ihrer Blue Submarine Flotte zu bekämpfen versuchen. Der Kapitän von Blue Submarine No. 6, Iga Tokuhiro, schickt derweil Offizierin Kino Mayumi aus, um den desertierten Piloten Tetsu Hayami zurück an Bord zu bringen, während Zorndykes „Sohn“ und Admiral, Verg, den nächsten Angriff auf die Blues plant.
Passenderweise ist Blue Submarine No. 6 selbst ein Hybrid, eine Mischung aus 3D-Computereffekten sowie traditioneller Animation. Was die OVA zu einem Pionier auf diesen Gebiet macht – allerdings keinem, dessen es wirklich gebraucht hätte. Denn die 3D-Elemente sind reichlich schlecht gealtert – insofern sie je überzeugt haben – und allen voran überflüssig. Denn der Film zeichnet sich durch eine ausgesprochen gelungene Animation aus, die sich auch heutzutage noch im Genre behaupten könnte. Wären da nicht die bisweilen auftretenden Computereffekte, die einen eher aus dem Moment herausreißen. Abzuwarten bliebe, ob dies bei der im Januar erscheinenden (US-)Blu-ray weiterhin der Fall sein dürfte.
Einprägsamer als die Animation ist Ozawa-sans Geschichte, um die Bedrohung von Zorndyke und seinen Geschöpfen. „Die Menschen haben sich nicht zu ihrem Vorteil entwickelt“, erläutert der Wissenschaftler später seine Motive. Zerfressen von Neid, Wut und Zorn seien sie, dabei hätte die Wissenschaft dann auch noch der Natur den Rücken zugewandt. „Und jetzt muss die Menschheit die Konsequenzen tragen“, beschließt Zorndyke. Am „Sinnvollsten“ erschien es dem Soziopathen, sie zu dezimieren – und sie für seine neue, verbesserte Rasse der Mensch-Tier-Hybriden zu perfektionieren. Eine kaum überschaubare Masse an Geschöpfen, von denen nur Verg eine erkennbare Persönlichkeit zu besitzen scheint.
Die lässt den Admiral natürlich in ihren Charakterzügen weitaus mehr seinen Widersachern ähneln, ist Verg doch von Hass und Rachsucht getrieben. Der Gott-Charakter von Zorndyke wird da verstärkt, wenn er gegen Ende offenbart, dass ihm seine Geschöpfe entwachsen sind. „Alles, was ich noch tun kann“, sagt er, „ist zusehen“. Weitaus mehr am Idealbild orientiert sich da eine Myutio, ein Exemplar einer Art Meerjungfrau, der Hayami während eines Gefechts das Leben rettet. Seine im Verlaufe der Geschichte vertiefte Beziehung zur Myutio wird es sein, die ihn in Kontakt mit einem Musuka – einem Pottwal-Pendant der Submarines – bringt und ihm veranschaulicht, was Zorndyke ursprünglich vorgehabt haben mag.
Mit Verstand und Gefühlen habe er sie ausgestattet – zwei Merkmale, die bis auf Hayami allen übrigen Figuren abzugehen scheinen. Insofern zeigt sich, dass in Blue Submarine No. 6 der Kampf für das Bestehen der Menschheit von deren Menschlichkeit abhängig ist. Trotz etwaiger Kampfszenen wird das finale Gefecht nicht offen miteinander, sondern vielmehr von den Figuren mit sich selbst ausgefochten. Dies wiederum rückt den Film speziell in seiner zweiten Hälfte verstärkt in das Genre des Antikriegsfilms, ist doch gerade die vierte Episode ausschließlich auf die Aufklärung der gewaltsamen Auseinandersetzung fokussiert. Oder wie Zorndyke zu Hayami und Kino sagt: „Ihr könnt voneinander lernen“.
Kritisiert wird der Film oftmals für seine nur geringfügig ausgearbeiteten Charaktere, allen voran Hayami als Hauptprotagonist. Sicherlich nicht ungerechtfertigt, bleiben doch die meisten Figuren, darunter auch Kino, ausgesprochen blass. Motive und Emotionen von Hayami selbst werden dabei nur grob angedeutet oder in einer Rückblende zu Beginn von Episode 3 angerissen. Grundsätzlich dürfte der fünfbändige Manga, eine Neuauflage zu seiner ursprünglichen Serie von Ozawa-san selbst Ende der 1990er Jahre verfasst, nochmals eine Vertiefung darstellen. Viel Interpretationsspielraum wird folglich dem Zuschauer überlassen, da Blue Submarine No. 6 ohnehin zuvorderst über seine Atmosphäre funktioniert.
Fans von Animationsfilmen, insbesondere von Manga, oder dystopischer Szenarien dürften dennoch ziemlich angetan von Blue Submarine No. 6 sein. Gerade hinten raus gewinnt der Film viel an Emotionalität und Tiefgang, gefällt durch seine faszinierende Geschichte und seine, gerade für eine OVA, einprägsame visuelle Gestaltung. Wenn T.S. Eliot in The Hollow Men schrieb, dies sei, wie die Welt zugrunde ginge, “not with a bang but with a whimper”, stellt Ao no roku gô zumindest im Ansatz das Antiteilchen zu dieser Aussage dar. Zwar endet dessen Welt nicht, sondern verändert sich nur. Jedoch ebenfalls nicht mit einem Knall, sondern einem Anflug von Menschlichkeit. Es besteht also Hoffnung, auch in der Dystopie.
In dieser hat der Wissenschaftler Zorndyke dafür gesorgt, dass die Polkappen der Erde zerstört wurden, was einen Anstieg der Meereslevel nach sich zog. Genauso wie eine Instabilität der Erdkruste, die sich nun bewegt und das Ende der Menschheit herbeiführen könnte. Zugleich schuf Zorndyke Hybriden aus Mensch und Tier, die ihn wie einen Gott verehren, während die Überreste der Menschheit ihn mit ihrer Blue Submarine Flotte zu bekämpfen versuchen. Der Kapitän von Blue Submarine No. 6, Iga Tokuhiro, schickt derweil Offizierin Kino Mayumi aus, um den desertierten Piloten Tetsu Hayami zurück an Bord zu bringen, während Zorndykes „Sohn“ und Admiral, Verg, den nächsten Angriff auf die Blues plant.
Passenderweise ist Blue Submarine No. 6 selbst ein Hybrid, eine Mischung aus 3D-Computereffekten sowie traditioneller Animation. Was die OVA zu einem Pionier auf diesen Gebiet macht – allerdings keinem, dessen es wirklich gebraucht hätte. Denn die 3D-Elemente sind reichlich schlecht gealtert – insofern sie je überzeugt haben – und allen voran überflüssig. Denn der Film zeichnet sich durch eine ausgesprochen gelungene Animation aus, die sich auch heutzutage noch im Genre behaupten könnte. Wären da nicht die bisweilen auftretenden Computereffekte, die einen eher aus dem Moment herausreißen. Abzuwarten bliebe, ob dies bei der im Januar erscheinenden (US-)Blu-ray weiterhin der Fall sein dürfte.
Einprägsamer als die Animation ist Ozawa-sans Geschichte, um die Bedrohung von Zorndyke und seinen Geschöpfen. „Die Menschen haben sich nicht zu ihrem Vorteil entwickelt“, erläutert der Wissenschaftler später seine Motive. Zerfressen von Neid, Wut und Zorn seien sie, dabei hätte die Wissenschaft dann auch noch der Natur den Rücken zugewandt. „Und jetzt muss die Menschheit die Konsequenzen tragen“, beschließt Zorndyke. Am „Sinnvollsten“ erschien es dem Soziopathen, sie zu dezimieren – und sie für seine neue, verbesserte Rasse der Mensch-Tier-Hybriden zu perfektionieren. Eine kaum überschaubare Masse an Geschöpfen, von denen nur Verg eine erkennbare Persönlichkeit zu besitzen scheint.
Die lässt den Admiral natürlich in ihren Charakterzügen weitaus mehr seinen Widersachern ähneln, ist Verg doch von Hass und Rachsucht getrieben. Der Gott-Charakter von Zorndyke wird da verstärkt, wenn er gegen Ende offenbart, dass ihm seine Geschöpfe entwachsen sind. „Alles, was ich noch tun kann“, sagt er, „ist zusehen“. Weitaus mehr am Idealbild orientiert sich da eine Myutio, ein Exemplar einer Art Meerjungfrau, der Hayami während eines Gefechts das Leben rettet. Seine im Verlaufe der Geschichte vertiefte Beziehung zur Myutio wird es sein, die ihn in Kontakt mit einem Musuka – einem Pottwal-Pendant der Submarines – bringt und ihm veranschaulicht, was Zorndyke ursprünglich vorgehabt haben mag.
Mit Verstand und Gefühlen habe er sie ausgestattet – zwei Merkmale, die bis auf Hayami allen übrigen Figuren abzugehen scheinen. Insofern zeigt sich, dass in Blue Submarine No. 6 der Kampf für das Bestehen der Menschheit von deren Menschlichkeit abhängig ist. Trotz etwaiger Kampfszenen wird das finale Gefecht nicht offen miteinander, sondern vielmehr von den Figuren mit sich selbst ausgefochten. Dies wiederum rückt den Film speziell in seiner zweiten Hälfte verstärkt in das Genre des Antikriegsfilms, ist doch gerade die vierte Episode ausschließlich auf die Aufklärung der gewaltsamen Auseinandersetzung fokussiert. Oder wie Zorndyke zu Hayami und Kino sagt: „Ihr könnt voneinander lernen“.
Kritisiert wird der Film oftmals für seine nur geringfügig ausgearbeiteten Charaktere, allen voran Hayami als Hauptprotagonist. Sicherlich nicht ungerechtfertigt, bleiben doch die meisten Figuren, darunter auch Kino, ausgesprochen blass. Motive und Emotionen von Hayami selbst werden dabei nur grob angedeutet oder in einer Rückblende zu Beginn von Episode 3 angerissen. Grundsätzlich dürfte der fünfbändige Manga, eine Neuauflage zu seiner ursprünglichen Serie von Ozawa-san selbst Ende der 1990er Jahre verfasst, nochmals eine Vertiefung darstellen. Viel Interpretationsspielraum wird folglich dem Zuschauer überlassen, da Blue Submarine No. 6 ohnehin zuvorderst über seine Atmosphäre funktioniert.
Fans von Animationsfilmen, insbesondere von Manga, oder dystopischer Szenarien dürften dennoch ziemlich angetan von Blue Submarine No. 6 sein. Gerade hinten raus gewinnt der Film viel an Emotionalität und Tiefgang, gefällt durch seine faszinierende Geschichte und seine, gerade für eine OVA, einprägsame visuelle Gestaltung. Wenn T.S. Eliot in The Hollow Men schrieb, dies sei, wie die Welt zugrunde ginge, “not with a bang but with a whimper”, stellt Ao no roku gô zumindest im Ansatz das Antiteilchen zu dieser Aussage dar. Zwar endet dessen Welt nicht, sondern verändert sich nur. Jedoch ebenfalls nicht mit einem Knall, sondern einem Anflug von Menschlichkeit. Es besteht also Hoffnung, auch in der Dystopie.
8/10
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