15. Juni 2018

Filmjahresrückblick 1983: Die Top Ten

I live in cinema. I feel I’ve lived here forever.
(Agnès Varda)

1983 – das Jahr in dem ich Kontakt aufnahm. Dieses Wochenende ist praktisch die Hälfte meines Lebens – zumindest dem der voraussichtlich besten Gesundheit – vorbei, da mein 35. Geburtstag ansteht. Grund genug, einmal zurückzublicken auf eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war: die Achtziger. Genauer gesagt eben 1983, mein Geburtsjahr. War früher (wirklich) alles besser? Allen voran natürlich die Filme? Oder verklärt die Nostalgie doch einiges? Wir werden es erfahren, hier und jetzt in meinem Filmjahresrückblick zu 1983. Wer hier öfters (sprich: die letzten elf Jahre) vorbeischaut, kennt meinen traditionellen Jahresrückblick. Dieser wird in diesem Fall etwas anders, zumindest reduzierter, ausfallen als üblich.

Logischerweise standen vor 35 Jahren noch keine Kinobesuche oder Filmsichtungen an. Zumindest keine bewusst wahrgenommenen (vielleicht lief ja mal beim Stillen ein Film nebenher). Die 1980er Jahre waren zudem noch eine Zeit, in der die wöchentlichen Filmstarts überschaubar blieben. Keine acht bis zehn konkurrierenden Filme unterschiedlicher Qualität – oder anders gesagt: Weniger Filme in der Summe, die sich eine Sichtung verdient hätten. Entsprechend knapp fällt auch die Liste jener Werke aus, die mir aus dem Jahr 1983 bekannt sind. „Lediglich“ 47 Filme habe ich gesehen – für 1983 nicht so wenige und doch so viele wie ich teils bereits allein im Dezember schaue, auf der Suche nach letzten Filmperlen des Jahres.

Alle diese 47 Sichtungen entfallen somit auf das Heimkino, seiner Zeit noch primär VHS oder Fernsehausstrahlungen. Wobei ich die vergangenen Monate hinweg 20 Filme – und damit fast die Hälfte – eigens nachgeholt habe. Dennoch setzt sich die Top Ten nahezu ausschließlich aus Werken zusammen, die ich bereits kannte – verpasst habe ich somit all die Jahre über nicht viel. Meinungen haben sich verfestigt, nicht zuletzt durch etwaige Mehrfachsichtungen. Den Test der Zeit überstanden hat da auch der Star-Wars-Trilogieabschluss The Return of the Jedi, wohl der Film schlechthin für das Jahr 1983. Bei den Nutzern der Internet Movie Database (IMDb) stellt er mit einer Wertung von 8.3/10 den beliebtesten Film aus 1983 dar.

Ebenso hoch bewerteten die User mit 8.3/10 – aber weniger Abstimmungen – Oliver Stones Remake Scarface, das in Deutschland aber erst im März 1984 anlief. International ist der Dritte im Bund, liegt Ingmar Bergmans Fanny och Alexander in Relation zu den Stimmzahlen mit einer Wertung von 8.1/10 auf Rang 3. Finanziell konnten aber weder das schwedische Drama noch Stones Kultfilm mit den Jedi-Rittern mithalten, avancierte The Return of the Jedi in 1983 zum weltweit erfolgreichsten Film des Jahres. Gar nicht einmal so weit dahinter – und als einziger anderer Film mit einem Einspiel über 200 Millionen Dollar – markierte wiederum Adrian Lynes Flashdance trotz schlechter Kritiken den zweiterfolgreichsten Film des Jahres weltweit.

Weniger ungewöhnlich: Das damalige James-Bond-Abenteuer Octopussy verdiente sich Bronze – und setzte sich damit zugleich gegen den zweiten James-Bond-Film aus 1983, Never Say Never Again mit Ur-007 Sean Connery, durch. Jener „inoffzielle“ Bond startete erst im Januar 1984 in deutschen Kinos, vermochte dort aber ebenfalls nicht die Besucherzahlen des Roger-Moore-Vertreters vom Vorjahr zu erreichen. Zwischen die beiden Bond-Filme schob sich noch Sydney Pollacks Travestie-Komödie Tootsie, während Filme wie An Officer and a Gentleman, Gandhi, Staying Alive, First Blood [Rambo] und Terms of Endearment die zehn erfolgreichsten Filme weltweit abschlossen (hier fallen einige Filme aus ´82 und ´83 zusammen).

Startet heutzutage zumindest jeder größere Film international weitestgehend zeitgleich, war dies früher anders. So liefen Tootsie oder First Blood in Amerika bereits Ende 1982 und in Deutschland kamen Terms of Endearment oder Sudden Impact [Dirty Harry IV] erst in 1984 raus. Gleichermaßen stark in Westdeutschland und den USA war jedenfalls die Macht, lockte The Return of the Jedi doch in beiden Ländern die meisten Menschen in die Kinos. Während einige Vertreter der US-Top-Ten wie Mr. Mom oder Risky Business ebenso wie Sudden Impact erst im Verlauf von 1984 bei uns starteten, war dafür das deutsche Interesse an dem TV-Film The Day After (Platz 5) oder auch Carlos Sauras Musical Carmen (Platz 10) überraschend groß.

Mit rund 106 Millionen Zuschauern stellte M*A*S*H’s Serienfinale einen TV-Rekord auf.
Erfolgreich unterwegs waren auch Thomas Gottschalk und Mike Krüger mit Die Supernasen, der etwa 2,7 Millionen Besucher anlockte. Ein Gewinner von 1983 war ebenso Eddie Murphy, der mit Filmen wie 48 Hrs. [Nur 48 Stunden] und Trading Places [Die Glücksritter] den Durchbruch zum Star schaffte. Ebenfalls nicht beklagen dürfte sich Paramount Pictures, die mit Flashdance, Terms of Endearment, Trading Places sowie Staying Alive und An Officer and a Gentleman ordentlich Kasse machten. Von jenem Glanz ist man inzwischen doch etwas entfernt, lebt das Studio quasi primär von Sequels der Transformers- und Mission: Impossible-Franchises. Ein Quoten-Gewinner war damals aber auch die CBS-Fernsehserie M*A*S*H.

Nach elf Jahren fand die TV-Adaption des Robert-Altman-Films ihr Ende, das Serienfinale schauten dabei derart viele Amerikaner an, dass es nur die Super-Bowl-Ausstrahlungen seit 2010 an Hawkeye und Co. vorbeigeschafft haben. Es war nicht die einzige Serie, die sich 1983 vom Bildschirm verabschiedete, auch James L. Brooks’ Taxi sagte nach fünf Jahren „Goodybe“, genauso wie Little House on the Prairie, das neun Jahre auf dem Buckel hatte. Neu startete derweil The A-Team um Hannibal, Face, Murdock und B.A. Baracus – auch mit enormen Quoten-Erfolg. Der verblasste jedoch nach drei Jahren bereits wieder. Länger hielten sich da schon die Mario Bros. von Nintendo, die im Jahr 1983 ihr erstes Arcade-Game eroberten.

Erfahrung hat seither auch Meryl Streep was Oscarnominierungen angeht. 21 Mal ist die gute Frau für ihre Darstellungen bedacht worden – und holte bei ihrer 4. Nominierung 1983 direkt den 2. Oscar. Seltenheitswert hat da auch, dass sich meine Anerkennung der beiden besten Schauspiel-Leistungen des Filmjahres mit denen der Academy deckt. So missglückt Alan J. Pakulas Mix aus Liebes- und Holocaust-Drama in Sophie’s Choice auch ausfiel, so stark war die Darbietung von Meryl Streep darin. Auch Ben Kingsley, der für Gandhi den Oscar erhielt, vereinnahmt ganz seine Rolle und macht sie sich zu Eigen. Ein auffälliger Newcomer (bzw. eine Newcomerin) war Ally Sheedy, die mit WarGames und Bad Boys direkt zwei Filmeinträge erhielt.

Nicht nur sie war 1983 gleich doppelt tätig, lieferte Pakula neben Sophie’s Choice noch den ebenso müden Rollover ab. Auch Sidney Lumet hatte mit The Verdict und Prince of the City kein Glück, finanziell erfolgreicher war da schon John Badham mit WarGames und Blue Thunder [Das Fliegende Auge]. Und obschon ich jedes Jahr lamentiere, die Qualität der Filme nimmt ab, zeigt 1983, dass damals ebenfalls nicht jedes Werk ein Knaller war. Eher gab sich der Durchschnitt die Klinke in die Hand. Sodass vielleicht weniger die Filmqualität abnimmt als dass ich im Alter zu anspruchsvoll werde. Natürlich gibt es dennoch wie jeher im Jahresrückblick mit meiner persönlichen Top Ten eine Vorstellung der zehn besten Filme – diesmal rückblickend aus 1983:


10. Koyaanisqatsi (Godfrey Reggio, USA 1982): Eindringlicher als die – meist in Zeitraffer gefilmten – Bilder gerät Philip Glass’ hypnotischer Soundtrack, der Godfrey Reggios Koyaanisqatsi begleitet. Die intendierte Botschaft des unruhigen Lebens – so die Hopi-Übersetzung des Titels – und der Auswirkungen der menschlichen Zivilisation auf die Natur vermag ich selbst in den wahllos zusammengeschnittenen Bildern eher weniger zu erkennen, audiovisuell einnehmend ist dieser Experimentalfilm aber dennoch allemal.

9. Sasame-yuki (Ichikawa Kon, J 1983): Von einem Generationenkonflikt und unterschiedlichen Lebensentwürfen handelt Ichikawa Kons Adaption Sasame-yuki über vier verwaiste Schwestern und Erbinnen eines Kimono-Imperiums. Speziell die jüngeren Beiden sehen sich gefangen in konservativen Erwartungen, denen das eigene Lebensglück zu Lasten fällt. Angetrieben von der Suche nach einem Gatten für die Drittälteste Yukiko inszeniert Ichikawa-san seinen Film dabei mit viel Gespür für Humor und Mise en Scène.

8. The Return of the Jedi (Richard Marquand, USA 1983): Die Rettung Han Solos im ersten Akt gerät derart unterhaltsam, dass die narrativen Löcher kaum als Störfaktor auffallen. Es folgt ein dem Merchandise geschuldeter langer Ausflug in die Welt der Ewoks, ehe Richard Marquand in The Return of the Jedi das Finale von Star Wars nochmals nacherzählt. Die Verlagerung auf drei Handlungsebenen gelingt da nur bedingt, der atmosphärische Konflikt zwischen den Skywalkers und dem Emperor tröstet aber über viel hinweg.

7. Pauline à la plage (Éric Rohmer, F 1983): Kaum eine Nation befasst sich vermutlich so geschickt mit den Leiden der Liebe(enden) wie Frankreich. Éric Rohmer berichtet in Pauline à la plage von den unglücklichen Romanzen zweier Cousinen während eines Sommerurlaubs in der Normandie. Getragen wird die fast episodenhafte Geschichte von der bezaubernden Newcomerin Amanda Langlet, deren eigenes Leben plötzlich zum emotionalen Spielball in der Dreiecksbeziehung ihrer Cousine zu zwei Männern verkommt.

6. An Officer and a Gentleman (Taylor Hackford, USA 1982): Oberflächlich betrachtet erzählt Taylor Hackford von der turbulenten Romanze und Ausbildung eines eigenbrötlerischen Marine-Offiziers. An Officer and a Gentleman ist dabei weniger Liebesschnulze als ein Film über Verlassenheit, Sinnsuche und Zugehörigkeit einer Gruppe Mittzwanziger, die Angst haben, so zu enden wie ihre Eltern. Es geht um die Emanzipation des Rollenbilds der Vorgänger-Generation, um Selbstverwirklichung – und um Romantik, okay.

5. Trading Places (John Landis, USA 1983): Kleider machen Leute und Geld auch nicht glücklich wie Dan Aykroyd und Eddie Murphy in vertauschten Rollen inmitten eines sozialen Experiments erleben. Die Auswirkungen dieses Tauschs sind in Trading Places sicher etwas überspitzt, so wie Jamie Lee Curtis und der wunderbare Denholm Elliott unterbeschäftigt. Unterhaltsam ist das Ergebnis aber allemal, auch wenn der Schlussakt mit dem großen Börsencoup und seinem Vorgeplänkel im Zug eher uninteressant ausfällt.

4. First Blood (Ted Kotcheff, USA 1982): Seinen Platz in der Welt sucht auch John J. Rambo in Ted Kotcheffs First Blood. Der Film behandelt im Kern den Kampf eines Soldaten gegen seine Kriegsdämonen sowie den der zivilen Gesellschaft gegen den Dämon Krieg. Geschickt führt Kotcheff die Survival-Action-Elemente mit subtiler Kritik an der Post-Vietnam-Kultur der USA zusammen. Der ach so starke Held wird demaskiert als ein Geplagter und Verstoßener. Als verlorener Sohn, den man nicht heimkehren lassen will.

3. 48 Hrs. (Walter Hill, USA 1982): Grundsolide ist kein überschwängliches Lob per se, im Fall von Walter Hills Buddy-Cop-Film 48 Hrs. dann aber doch. Dieser speist sich somit zuvorderst aus der Beziehung zwischen seinen beiden charismatischen Hauptdarstellern, die er geschickt in einer eher simplen Handlung agieren lässt. Diese ordnet sich ohne viel Tamtam dabei den Figuren unter, was Eddie Murphy seiner Zeit zum Hollywood-Durchbruch verhalf. Heimlicher Star ist aber fast eher James Horners jazziger Score.

2. Gandhi (Richard Attenborough, UK/IND/USA 1982): Richard Attenboroughs Passions-Projekt erzählt wenig über den Menschen Gandhi und widmet sich primär der politischen Person. Das Ergebnis ist anstelle eines Biopics mehr ein „Best of“ von Gandhis Bemühen um Indiens Selbstverwaltung. Naturgemäß etwas zu hagiografisch bietet Gandhi aber einen guten Einblick in das Schaffen und die Philosophie seiner Figur. Hierbei funktioniert der Film vor allem dank Ben Kingsley, der mit seiner legendärsten Rolle verschmilzt.

1. The Meaning of Life (Terry Jones, UK 1983): Nach ihren beiden – thematisch stringenteren – Filmen kehrten die Pythons für The Meaning of Life wieder zu ihrem Sketch-Format des Flying Circus zurück. Die einzelnen Segmente hängen nicht wirklich miteinander zusammen, dennoch gelingt es der Truppe, nuanciert und pointiert das Leben und seine vielen Facetten zu persiflieren (z.B. in den Kapiteln “Birth” oder “Live Organ Transplants”). Ein herrlicher Spaß, humorvoll und reflektiert – like Christmas in Heaven.

2 Kommentare:

  1. Vorher gratulieren bringt ja Unglück. Ich wünsche dir deshalb schon einmal eine schönen Tag und lass dich schön feiern -- die Gratulation kommt irgendwann später... ;)

    Bei "Koyaanisqatsi" muss ich immer daran denken, dass wir in der Schnittvorlesung das Material des Films bekommen haben und daraus eine Kurzdoku schneiden sollten. War eine interessante Studienarbeit und hat mich damals intensiv mit dem Material auseinandersetzen lassen.

    Ansonsten habe ich noch etliche Filme aus dem Jahr 1983 nachzuholen...

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    1. Ach, die Jedis und Rambo kennst du ja. Und "Die Glücksritter" doch bestimmt auch :)

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