12. September 2015

Until Dawn

I feel like someone’s watching us.

Man kennt das vermutlich aus so manchem Horror-Film, wo der Zuschauer wiederholt anders – lies: klüger – entschieden hätte, um sein Überleben zu sichern. In entscheidenden Szenen rennen statt kauern, oder verstecken statt rennen. Until Dawn, ein interaktives Horror-Spiel von Supermassive Games, sollte nun dies in die Realität umsetzen: ein spielbarer Horror-Film, in dem es am Spieler ist, durch seine Entscheidungen zu beeinflussen, wer stirbt und wer überlebt. In gewisser Weise ähnlich zu Telltale’s The Walking Dead-Reihe, aber – so sicher die Idee – weitaus immersiver, was von den Machern um Regisseur Will Byles durch die Verortung in eine einzelne Nacht und die weniger Comic-hafte Grafik per Motion Capture untermauert wird.

An einem Februar-Wochenende trifft sich eine Gruppe Freunde um Sam (Hayden Panettiere) in der abgelegenen Skihütte von Filmproduzenten-Sprößling Josh (Rami Malek) zum ersten Jahrestag des Todes von dessen Zwillingsschwestern Hannah und Beth (beide Ella Lentini). Beide waren im Jahr zuvor im Wald gestorben, nachdem ihre Freunde rund um Mike (Brett Dalton), Emily (Nichole Bloom), Jessica (Meaghan Martin), Matt (Jordan Fisher) und Ashley (Galadriel Stineman) Hannah zuvor einen kindischen Streich ob ihrer romantischen Gefühle gegenüber Mike spielten. Doch schon bald zeigt sich, dass die Studenten erneut nicht alleine auf dem verschneiten Berg sind. Ein maskierter Mann hat es wohl auf die Gruppe abgesehen.

Abwechselnd übernimmt der Spieler im Verlauf von Until Dawn die Kontrolle über die Gruppe Freunde, angefangen mit Hayden Panettieres Sam, die trotz ihrer namhaften Darstellerin von allen Charakteren am wenigsten ausgefeilt wirkt. Nach den Ereignissen aus dem Vorjahr als Prolog zieht sich die Exposition der Handlung ein wenig, um die Dynamik zwischen einzelnen Figuren zu etablieren. Seien es romantische Gefühle zwischen Ashley und Chris (Noah Fleiss) oder Eifersucht von Emily, die nun mit Matt liiert ist, früher jedoch mit Mike, der nun mit Jessica angebandelt hat. Letztere machen sich auf zu einer zweiten Hütte für Gäste, während es Sam nach einem heißen Bad sehnt. Doch der Abend soll anders verlaufen als erhofft.

Die Handlung des Spiels und seine Dialoge sind dabei genauso behämmert, wie man es aus Horror-Filmen gewohnt ist. Sich am Jahrestags des Todes zweier Freunde am Tatort zu treffen wird von niemandem hinterfragt – auch nicht von einem Psychiater (Peter Stormare), der einem zwischen den einzelnen Kapiteln Fragen stellt wie: Wovor fürchtest du dich mehr, Clowns oder Vogelscheuchen? Mit einem “Previously on Until Dawn” geht es dann zurück auf den Berg – als ob man nicht wüsste, was bisher geschah, nachdem man es vor einer halben Stunde selbst gespielt hat. Dass sich das Spiel im Verlauf von seiner Serienkiller-Slasher-Methodik verabschiedet, um statt Halloween eher The Descent nachzuäffen, macht alles noch schlimmer.

Der Einfluss auf das Geschehen hält sich zudem in Grenzen. Generell darf man immer aktiv werden, wenn man einen Schalter umlegen oder eine Tür aufdrücken soll, ansonsten läuft viel in Zwischenszenen, deren Dialoge sich nur bisweilen steuern lassen. Das wiederum nach dem Motto: Sag ich etwas Freundliches, krieg ich eine freundliche Antwort. Und umgekehrt. Ob man in entscheidenden Momenten dann flieht oder sich versteckt, kann irrelevant sein für den Ausgang der Szene – was die Entscheidungsgebung ebenso irrelevant macht. Wenn dann doch plötzlich Figuren sterben, weil zuvor (“Previously on…”) ein weitestgehend nichtig erscheinender Beschluss einen in den Hintern beißt, überrascht das zwar, ist aber auch nicht dramatisch.

Grundsätzlich, so die Idee, können alle Figuren das Spiel überleben – oder auch nicht. Je nachdem, wie man entscheidet. Abgesehen von der Herausforderung als solchen wäre es dabei dienlich, wenn die Charaktere etwas mehr Persönlichkeit kriegen würden, außer A steht auf B. So ist Emily eine derart unsympathische Person, dass einem ihr Überleben keine Priorität ist. Und sogar Sam als größte Identifikationsfigur bleibt ein Rätsel. Da Until Dawn jedoch einem Horror-Film nachempfunden sein soll, stand zumindest für mich fest, dass nicht jeder den Morgengrauen noch erleben würde. Selbst wenn mancher Tod dann doch nicht geplant war. Sei es, weil man mal zu spät reagiert, oder weil man dann doch etwas zu naiv entscheidet.

Konsequent ist das Spiel hier keineswegs. Manche Figuren können nur in bestimmten Momenten sterben respektive ab einem gewissen Zeitpunkt. Folglich sind ihre Entscheidungen von weniger bis gar keiner Bedeutung, wo eine andere Figur einem zuvor wegstirbt. Der Freiraum, den einem Until Dawn gewährt, ist entsprechend begrenzt und somit auch der Spielraum. Heißt es, dass manchmal Nichtstun die beste Lösung ist, ist Nichtstun später selten bis gar nicht eine Option. Eben immer so, wie es die Macher gerade wünschen. So lange heißt es also, die Zwischenszenen mit ihren furchtbaren Dialogen ertragen oder die zähen und unsinnigen Momente mit Stormares fiktivem Psychiater, der weder Sinn für das Spiel noch den Spieler macht.

Ob man sich mehr vor Clowns oder Vogelscheuchen fürchtet, entscheidet dann, ob einem im Spielverlauf ein Clown oder eine Vogelscheuche begegnet. Oder kann. Auf meinen Hinweis, ich ekele mich mehr vor Spinnen als vor Schlangen folgte nichts. Die Psychiaterszenen sind somit lediglich Füllmaterial, um ein Spiel etwas auszudehnen, dass bis auf einige krude Referenzen – Saw wird ebenfalls zitiert – wenig Originalität bietet. Dass die müde Handlung dabei nur für den Spieler, nicht für die Figuren durchschaubar ist, macht das Erlebnis nicht weniger zäh. Wenn mehr und mehr Referenzen vom vermeintlichen Täter zu den Ereignissen um Hannah auftauchen, kommt das keinem der Charaktere in Until Dawn Spanisch vor.

Von einem interaktiven Horror-Film habe zumindest ich mir etwas mehr versprochen. Interaktiv heißt für mich nicht, dass ich erst Schaltkästen aufmachen und dann den Schalter darin selbst umlegen „darf“. Grundsätzlich hätte Supermassive Games aus dem Konzept von Until Dawn also mehr herausholen können als man es letztlich getan hat. So halbgar wie die Umsetzung ist trotz des ansehnlichen Settings auch die Darstellung des Ensembles (mit Galadriel Stineman als Ausnahme). Von meinen acht Figuren überlebten am Ende lediglich drei (Sam, Jessica, Emily), wobei es mir nur um Mike leidtut, dessen Tod jedoch mehr noch als der von Matt eher der inhärenten Unlogik zu verdanken ist. Also eben wie in einem Horror-Film.

4.5/10

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