4. Juni 2016

A Life Less Ordinary [Lebe lieber ungewöhnlich]

I thought we agreed there’d be no cliches.

Für europäische Regisseure ist der Schritt nach Amerika oft eher ein Schritt zurück als nach vorne. Der Norweger Ole Bornedal kehrte 1997 in seine Heimat heim, als er mit dem Remake zu seinem Nattevagten scheiterte. Sein schwedischer Kollege Mikael Håftström zog es dagegen durch, selbst wenn sein Debüt Derailed durchwachsen ausfiel. Hollywood lockt europäische Regisseure durch ihre innovativen Arbeiten zu sich, wo diese Innovation dann aber nicht gefragt ist, da zu riskant zu vermarkten. Stattdessen müssen sie sich an den Konsummarkt anpassen, Zuschauerfreundliche Geschichten inszenieren. Das klappt mal mehr, mal weniger. Immerhin schaffte es Danny Boyle nach Shallow Grave und Trainspotting, in seinem US-Debüt A Life Less Ordinary noch seine eigene Note einzubringen.

Drehbuchautor John Hodge liefert hier eine Stockholm-Syndrom-Komödie ab, in der sich Ewan McGregor als stylisch fragwürdiger Entführer um eine verwöhnte Cameron Diaz kümmert. Speziell in der ersten Hälfte bedient sich der Film gängiger Entführungsklischees als comic relief. Da fragt McGregor, wie er sich den so schlägt als Entführer, während Diaz erzählt, wie ihr dasselbe bereits mit zwölf Jahren passierte. “God, that’s terrible”, befindet McGregor bestürzt, während er sein Opfer an einen Stuhl fesselt. Ohnehin gibt der Schotte keinen grandiosen Entführer ab, kann weder Blut sehen, noch richtige Lösegeldforderungen an den Vater des Opfers (Ian Holm) stellen. “You’re the worst kidnapper I’ve ever met”, entgegnet Diaz – und nimmt ihre Entführung kurzerhand einfach selbst in die Hand.

Dabei bezieht A Life Less Ordinary natürlich viel von seinem Humor aus den unterschiedlichen Hauptfiguren. So spielt Ewan McGregor mit Robert eine Putzkraft, die es danach sehnt, einen Trash-Roman über die uneheliche Tochter von John F. Kennedy und Marilyn Monroe zu schreiben. Da wird er unerwartet ein Opfer der fortschreitenden Technologisierung und buchstäblich durch einen Roboter ersetzt. Sogar einen, der seine Arbeit besser und zuverlässiger macht als Robert selbst. Des Unheils nicht zu wenig macht am selben Tag auch gleich noch seine Freundin mit ihm Schluss. Grund genug für Danny Boyle, sich ein wenig zu profilieren: Der erklärte Fan von Francis Ford Coppola nutzt hier nun den Moment, um jene Szene des Ausdrucks von Unheil in Coppola-typischem Rot-Ton zu halten.

Der Grundstein für die Entführung der Tochter des Chefs und das hieraus folgende Road Movie der beiden Figuren ist nunmehr gelegt. Im krassen Gegensatz zu Robert steht dabei Diaz’ Figur der reichen Celine. Diese leidet unter dem Patriarchat ihres Vaters, der von ihrer zur Schau gestellten Inkompetenz nicht sonderlich erfreut ist. Das Verhältnis der beiden Charaktere wird am deutlichsten, wenn Celine ihrem Entführer Robert erzählt, dass ihr Vater damals sechs Wochen gewartet hatte, ehe er sie mit dem Lösegeld befreite. Liebe sieht irgendwie anders aus, entsprechend ist es also keine herzliche Beziehung zwischen Vater und Tochter. Dies wiederum erklärt auch, weshalb Celine im weiteren Verlauf der Geschichte Robert unentwegt dazu anspornt, das Szenario ihrer Entführung durchzuziehen.

Typisch für einen Danny Boyle ist in A Life Less Ordinary der Soundtrack, der im Vergleich zum Vorgänger Trainspotting jedoch sehr viel dezenter gerät. Auch die Bilder wirken ruhiger und zurückhaltender als sie der Brite in Trainspotting oder The Beach – die Filme, die A Life Less Ordinary flankieren – inszenierte. Somit ist dieses Werk, für das er damals seine Beteiligung an Alien: Resurrection absagte, im boyleschen Verständnis weder Fisch noch Fleisch. Zu zahm für einen richtigen Film des Briten, zu schräg für die konventionelle Hollywood-Komödienromanze. Mitunter wirkt die Handlung leicht konfus, einige Wendungen nicht immer plausibel und das Filmtempo gerät ins Stocken. Ohnehin ist A Life Less Ordinary vielleicht Danny Boyles schwächster Film – aber deswegen nicht zwingend ein schlechter.

Die Chemie zwischen McGregor und Diaz stimmt, auch Delroy Lindo und Holly Hunter spielen als Engel munter auf, während Holm etwas unter seiner geringen Präsenz leidet. Für ein US-Debüt ist das aber ordentlich, wobei der Film mit The Beach deutlich macht, dass der amerikanische Mainstream-Markt Danny Boyle nicht so recht liegen mag (welch Ironie, dass Slumdog Millionaire dafür so ein Aufsehen bei US-Filmkritikern erregte). Boyles Platz ist und bleibt nun mal abseits des Geschehens, wo er sich frei entfalten und verwirklichen kann. Dass er ein Großer seiner Zunft ist, das merkt man daran, dass selbst einer seiner schwächeren Filme seinen Charme besitzt. A Life Less Ordinary erzählt eine absurde, irrationale Geschichte. Wieso glauben wir sie also? “Because we’re dreamers”, würde der Film sagen.

7/10

2 Kommentare:

  1. Den Film habe ich nur einmal vor Jahren gesehen. Ist mir nicht sonderlich im Gedächtnis geblieben, fand ich aber durchaus sympathisch. Deine Besprechung macht mir Lust, das einmal zu wiederholen... :)

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    1. Ein nettes romantisches Road Movie mit Fantasy-Anleihen. Quasi ein weniger vulgärerer DOGMA :D

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