27. September 2008

Vorlage vs. Film: Sphere

Sphere (1987)

Neben Stephen King und John Grisham zählt sicherlich auch Michael Crichton zu Amerikas meistgelesenem Bestsellerautor, dessen Werke immer wieder gerne von den Produzenten in Hollywood aufgegriffen werden. Dabei konzentrieren sich Crichtons Romane oft auf dieselbe Thematik, nämlich ein schief gelaufenes wissenschaftliches Experiment als warnendes soziales Beispiel anzuprangern. Letztlich ist es das Streben nach jener wissenschaftlichen Errungenschaft, welche die Protagonisten seiner Geschichten in ihr Dilemma führt. Hierzu zählen unter anderem Werke wie Prey oder auch sein letzter Roman Next. Hierbei vertieft sich Crichton meist durchaus in das jeweilige Thema, recherchiert das Fachgebiet, auf welches er Bezug nimmt und gibt dieses über weite Strecken akkurat wieder. Grundsätzlich „technisch“ sind seine Geschichten allerdings nicht, eher wirken diese Einschübe gestreut zwischen seinen staffelartigen Spannungsmomenten. Auf der literarischen Ebene ist Crichton kein Ernest Hemingway, wobei man ihm zugestehen muss, dass seine Dialoge ein auffälliges Streben nach Authentizität haben. Seine Stärke liegt dabei vormerklich in der Exposition und der Hinführung zu einer durchaus interessanten Thematik. Lediglich mit dem weiteren Verlauf respektive Ende seiner Geschichten hapert es bei dem 66-Jährigen etwas. Zuletzt sorgte Crichton auch für Kontroversen, als er in seinem Roman State of Fear die Globale Erwärmung negierte und in Next einen Zeitungsredakteur persönlich angriff. Da verwundert es auch nicht, dass seit 2003 keiner seiner Romane mehr für die Kinoleinwand adaptiert wurde, nachdem die letzten drei Versuche grandios gefloppt waren.

Auch Sphere, der in Deutschland unter dem Titel Die Gedanken des Bösen vertrieben wurde (ein undankbar schlechter Titel), beschäftigt sich mit einem von Crichtons beliebten Warnbeispielen. Der Psychologe Norman Johnson wird in den Pazifik hinaus geflogen, wo er auch eine Militärflotte trifft. Ursache für das Szenario ist ein abgestürztes und in 300 Meter Meerestiefe gefundenes Raumschiff, welches außerirdischen Ursprungs sein soll. Norman, der einst einen Kontaktbericht über Außerirdische verfasst hat, soll gemeinsam mit vier anderen Wissenschaftler in ein Tiefseehabitat und mit jenen unbekannten Wesen in Verbindung treten. Was niemand weiß: Norman hatte seinen Auftrag nie Ernst genommen und wahllos Bekannte als Kontaktpersonen eingesetzt. Als die Gruppe um Mathematik-Genius Harry Adams, Astrophysiker Ted Fielding und Biologin Beth Halpern in der Tiefe ankommt, stellt sich bald heraus, dass es sich vielmehr um ein amerikanisches Raumschiff aus der Zukunft, denn ein außerirdisches UFO handelt. Diese Entdeckung, welche Harry bereits an der Oberfläche gemacht hat, spaltet die Gruppe in zwei Parteien. Da kein außerirdischer Kontakt vorhanden ist, zieht es Norman, Beth und Harry zurück an die Oberfläche – doch es kommt alles anders. Im Frachtraum des Raumschiffes entdeckt die Gruppe eine ominöse Kugel (engl. sphere), welches sich offenbar jedoch nicht öffnen lässt. Als ein Zyklon an der Oberfläche aufzieht, ist das Team jedoch gezwungen einige Tage auszuharren – da stellt sich heraus, dass Harry in die Kugel gegangen ist. Nachdem er wieder aus ihr erscheint, beginnen sich seltsame Zufälle zu ereignen. Der Meeresboden ist plötzlich von Lebensformen belebt und es findet sich eine Matrix auf dem Bordcomputer. Scheinbar versucht die Kugel mit Norman und den anderen Crew-Mitgliedern in Kontakt zu treten.

Das Geheimnis der außerirdischen Entität Jerry ist dabei ebenso leicht durchschaubar, wie das von Crichton angestrebte Finale. Besser wäre es wahrscheinlich gewesen, hätte sich die Handlung nicht allein auf Norman konzentriert, sondern abwechselnd auf die drei tragenden Charaktere des Psychologen sowie Harry und Beth. Denn das Bild, das die Leser von diesen beiden erhalten, ist durch Norman bereits vorgegeben, während eine wirkliche Reflexion seiner Figur durch die Augen der Anderen nicht vorhanden ist. Was es dabei genau mit der Kugel auf sich hat, spielt für den Ausgang der Geschichte eine untergeordnete Rolle. Das Bild, welches man von ihr in den späteren Kapiteln, darunter dem Epilog, erhält, ist für eine Interpretation ausreichend. Umso schrecklicher daher der deutsche Titel, der hier ein völlig falsches Resümee der ganzen Ereignisse zieht. Die technisch-wissenschaftlichen Einschübe Crichtons über die Funktion von Unterwasserhabitaten, den Aufbau von Schwarzen Löchern und anderen Themenfeldern sind gut recherchiert, informativ und dabei in Verbindung mit der Geschichte nicht so abgehoben, dass sie verfälschend wären. In regelmäßigem Abstand wissen sie die sich im Kreis drehenden Dialoge und thrillerlastige Geschichte auf ein semi-authentisches Niveau zu heben. Im Ganzen ist Sphere jedoch wegen seiner narrativen Schwächen, gerade zum Ende hin, ein etwas unausgegorenes Werk, welches durch die rudimentäre Übersetzung von Alfred Hans („Kreuzdonnerwetter“, „Rutsch mir doch den Buckel runter“, etc.) einen ungewollt trashigen Zug erhält.

Sphere (1998)

We're all gonna die down here.

Neben Steven Spielberg zählt auch Oscarpreisträger Barry Levinson zu den Regisseuren, die zwei Mal einen Roman von Michael Crichton verfilmt haben. Vier Jahre nach Disclosure würde Levinson sich des Stoffes von Sphere annehmen und für 80 Millionen Dollar einen Flop für Warner Bros. Pictures einbringen. Dabei ist sein Film eine weitestgehend getreue Adaption der Romanvorlage, die lediglich hier und da eine Abweichung präsentiert, abgesehen vom veränderten Finale. Mit Dustin Hoffman, Sharon Stone und Samuel L. Jackson konnte Levinson auch drei namhafte Darsteller gewinnen, die durch den damals noch recht unbekannten Liev Schreiber ergänzt wurden. Weltweit konnte der Film lediglich 50 Millionen Dollar einspielen und sollte auch für Levinson eine Pause in seiner Karriere bewirken, konnten doch keine seiner folgenden Filme an Erfolge wie Rain Man oder Good Morning, Vietnam anknüpfen. Ohnehin war das Jahr 1998 mit Filmen wie Armageddon oder Deep Impact ziemlich beengt, was Missionen in luftdichten Anzügen anging. Obschon es sich wie erwähnt um eine ziemlich getreue Adaption handelt, geht Levinson einen anderen Weg als es Crichton im Buch gepflegt hat. Die technischen Aspekte werden nur so weit erläutert, wie sie für das Verständnis des Filmes von Nöten sind. Im Gegensatz zur Vorlage wird daher vielleicht nicht jeder exakt verstehen, wie ein Schwarzes Loch funktioniert, wenn die Person es nicht ohnehin bereits weiß. Aber allgemein spielt die Kugel in Sphere eine weitaus geringere Rolle, als sie Crichton in seinem Roman benutzt. Levinson bedient sich ihrer vormerklich als Projektionsfläche für ein Überthema: Angst.

Im Film ist die Kugel gewichtiger aus Auslöser der unterbewussten Angst dargestellt, als es im Roman der Fall ist. Dort verwendet die Crew auch mehr Zeit in ihren Gesprächen mit Jerry, die ebenfalls anders strukturiert werden, um später eine Identifikation mit Harry (Samuel L. Jackson) zu offenbaren. Levinson wirft dieses Konstrukt vollkommen über Bord, sodass die Szenen selbst noch mal eine andere Bedeutung als im Kontext des Romans erhalten. Stattdessen ist die Kugel hier lediglich der Auslöser, wird aber nicht großartig im weiteren Verlauf berücksichtigt. Für ihr Verständnis fehlt dann auch Normans (Dustin Hoffman) Besuch in ihr, der im Film ohnehin viel früher stattfindet und zu einem wahren Mischmasch der Ereignisse führt. Dem Publikum erschließt sich im Film daher nicht um was es sich genau bei der Kugel handelt bzw. nicht handelt, da diese Frage von den Charakteren hier nicht erörtert wird. Da der Film in seiner vorhanden Form über zwei Stunden lang ist scheint sich die Ursache hierfür in der Laufzeit niederzuschlagen, die man ungern über zweieinhalb Stunden dehnen wollte. Ohnehin begeht Levinson den typischen Weg einer Romanadaption indem er viele Haken schlägt. Was als wichtig erachtet wird, erfährt eine Thematisierung, ist dabei oftmals aus seinem Zusammenhang gerissen, weshalb viele Einstellungen unfertig und nichts sagend wirken.

Mach mir den Kubrick, Barry ... 2001: A Spacey Odyssey meets Sphere.

Hinzu kommen kleine, unwichtige Veränderungen wie Norman und Beths (Sharon Stone) Nachnamen. Unklar, weshalb Norman im Film Goodman und nicht Johnson heißt, ebenso wie Beths Name von Halpern zu Halperin geändert wurde. Ebensowenig tragisch ist der Alterstausch der Figuren Harry und Ted (Liev Schreiber). Wohingegen Ted im Roman vierzig und Harry dreißig und bebrillt ist, ist es im Film umgekehrt. Gut möglich dass Levinson einfach keinen bekannten dreißigjährigen Afroamerikaner gefunden hat, der ihm geeignet schien die Rolle von Harry zu spielen. Grundsätzlich lässt sich an den Besetzungsentscheidungen jedoch nicht meckern, die Darsteller repräsentieren ihre Figuren authentisch und spielen sie über weite Strecken auch glaubhaft und überzeugend. Es ist wenn dann das Drehbuch, das sie mitunter ins Overacting treibt, da es übertrieben auf jenes Element der Angst ausgerichtet ist. Die Konzentration auf jene sollte für Levinson den Film wohl verstärkt in die Thriller-Kategorie schieben, was ihm jedoch misslingt, da er nicht den Punkt der Vorlage trifft. Hierzu zählt auch das flache und unspannende Finale, welches selbst das des Romans noch mal unterbietet und kulminiert schließlich in dem veränderten Ende, welches seine zwiespältige Interpretation – zumindest hat es den Anschein – aufgeben muss. Die Veränderungen gegenüber der Vorlage stoßen nur hier etwas sauer auf, hat man zuvor bereits die Tode von Barnes (Peter Coyote) und Ted in ihrer abgewandelten Form – mehr Unfall wie „Absicht“ – bereitwillig geschluckt. Das Finale des Filmes ist in seiner Form jedoch zu weichgespült und mehr als unglaubwürdig. Mordversuche der Überlebenden aneinander werden sofort vergeben, umso lächerlicher, da zuvor eine extreme Spannung zwischen allen vorbereitet wurde.

Zudem scheitert der Film an seiner versuchten Vertiefung der jeweiligen Charaktere, speziell natürlich Harry und Beth. Des einen Tintenfischabneigung und der anderen Vorgeschichte mit Norman ist prinzipiell zur Erzählung der Geschichte nicht notwendig und erfüllt dabei auch nicht den Zweck der Dramatisierung. Dafür werden diese Aspekte nicht stark genug gewichtet, sodass der Versuch zeitweise in den Bereich des Horror abzutauchen jedes Mal grandios scheitern. Auch von den Nebenkriegsschauplätzen bei Crichton (Norman war nur vierte Wahl, Barnes belügt das Team) ist im Film nicht mehr viel geblieben, insgesamt entfaltet sich bei Levinson die angespannte Situation aller Beteiligten, nicht nur untereinander sondern vor allem gegenüber Jerry, weniger gelungen wie in der Romanvorlage. Andere Kürzungen wie den Angriff des Riesenkalmars hat man soweit umgeformt, dass man sich die Effekte für jenen Kalmar sparen konnte. Das ist gerade deswegen enttäuschend, da die Ursache für einige Todesfälle dadurch abgeändert wird und umso erstaunlicher, weil es Levinsons Ansatz der Geschichte eigentlich unterstützt hätte. Im Grunde bleibt Sphere jedoch von der Adaption her eine gute Umsetzung, deren Fehler weniger die Arbeit von Levinson und Konsorten ist, als vielmehr Crichtons Vorlage. Der Film versagt aus denselben Gründen, weshalb es auch dem Roman nicht zu gelingen vermag mehr als Durchschnitt zu sein, obschon er zu meinen Lieblingswerken zählt (was ich mir selbst nicht erklären kann). Die Ausstattung, die Effekte, die Besetzung der Figuren – alles ist im Grunde gelungen, lediglich die Geschichte von Crichton gibt nicht mehr her, als das was dem Zuschauer hier geboten werden kann. Ähnlich, wie es auch bei anderen Crichton-Verfilmungen (Timeline, Congo) der Fall gewesen ist.

5/10

7 Kommentare:

  1. "Sphere" ist mir als Film sowieso nuir als "Event Horizon" unter Wasser in Erinnerung... ;-)

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  2. Sphere krankt gerade an seiner Prämisse den Mainstream bedienen zu wollen. Ein unbekannterer Cast, ein jüngerer nicht so routinierter Regisseur und vor allem ein mutigerer Drehbuchautor und die Kiste hätte wirklich Spaß machen können. Ich habe gerade mal nachgeschaut, 5 Punkte hat er auch von mir erhalten und das ist ja eigentlich in dieser Gewichtsklasse ein K.O. in der ersten Runde.

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  3. Da kann ich mir auch THE ABYSS angucken.

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  4. Ich mag Sphere trotz seiner Defizite ganz gerne. Aber mein Lieblings-Chrichton ist eindeutig The Great Train Robbery und keinesfalls Jurassic Park :-)

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  5. wieder dieses Buch vs. Film Gedöns:-)
    Wobei der Film nicht mal ansatzweise die Spannung und Dichte des Buchs erreicht. Eines der wenigen Bücher das ich innerhalb zwei Tage durchgelesen hab. Der Film krank wie schon beschrieben an der Orientierung am Mainstream, viel mehr aber an der statischen Inszenierung, dazu agieren die Darsteller auch komplett gelangweilt, das kann ja nur in die Hose gehen.

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