6. August 2015

Vorlage vs. Film: High Fidelity

High Fidelity (1995)

Eins muss man schon sagen, der doppeldeutige Titel von Nick Hornbys drittem Buch High Fidelity ist vielleicht seine größte Stärke. Neben About a Boy gilt Hornbys 1995er Roman zu seinen erfolgreichsten Werken, noch vor seinem autobiografischem Fever Pitch. Inhaltlich erzählt der Engländer von einer Trennung und ihren Folgen für beide Parteien. Der 35-jährige Vinyl-Shop-Besitzer Rob wird zu Beginn des Buchs von seiner Freundin Laura verlassen. Und das nach drei Jahren Beziehung, so lange wie es Rob mit noch keiner Frau aushielt. Für ihn nun Anlass, eine Top-5-Liste seiner schlimmsten Trennungen anzufertigen, auf der für Laura jedoch kein Platz ist. So schlimm scheint das Beziehungsende Rob nicht getroffen zu haben.

Dass Rob verlassen oder verletzt wird, hat dabei Tradition. Seit er als 12- oder 13-Jähriger damals nach drei Tagen von seiner ersten Freundin Alison betrogen wurde. Ihre Beziehung “had lasted six hours”, rekapituliert Rob (S. 5) – drei Tage à zwei Stunden Rumknutschen nach der Schule. Zu mehr sollte es auch ein Jahr später nicht mit Penny kommen, nicht mal Rumfummeln war gestattet. “We had been going out for three months, which was as near to a permanent relationship as you could get in the fourth year”, entschuldigt er (S. 9). Kurz darauf schlief Penny dafür dann mit einem Klassenkameraden. “I had been humiliated, beaten, out-performed”, bemerkt Rob (S. 10). Ein Schicksal, das ihm noch mehrfach drohen sollte.

Sowohl seine vermeintlich große Liebe Charlie als auch deren Nachfolgerin Sarah verließen Rob für einen anderen Mann. Als er erfährt, dass auch Laura bereits einen Neuen hat – ihren ehemaligen Nachbarn –, zerrt dies die fortlaufende Handlung über an Robs Nerven. Die Beziehung von Rob und Laura bildet den Kern von High Fidelity, jedoch thematisiert Hornby auch eine existenzielle Angst seiner 35-jährigen Hauptfigur. Diese ist quasi pleite, wohnt in einer Ein-Zimmer-Wohnung und besitzt einen Plattenladen, der mehr schlecht als recht läuft. Für Abwechslung sorgen allenfalls seine mit ihm befreundeten Mitarbeiter Barry und Dick, mit denen Rob tagsüber verschiedene musikalische Top-5-Listen erstellt und die Abende verbringt.

Im Mittelpunkt steht aber das Verhältnis von Rob zu Frauen. “Girls”, erinnert er sich eingangs zurück an seine Kindheit. “One moment they weren’t there (…) and the next you couldn’t miss them” (S. 2). In der Reflektion seiner früheren Beziehungen zeigt sich wiederum eine große Unsicherheit gegenüber dem weiblichen Geschlecht. “I have never been entirely sure what it is women like about me”, gesteht Rob (S. 15). Jene Verunsicherung kostete ihn seinerzeit auch Charlie, jene Beziehung, die die größte Wunde hinterlassen hat. “I always think that women are going to save me, lead me through to a better life, that they can change and redeem me”, sagt Rob an anderer Stelle (S. 50). Und beginnt, sein bisherigen Leben zu hinterfragen.

Und während er Lauras neue Beziehung zu torpedieren versucht, bemüht er sich, die Kontakte zu seinen Top-5-Trennungen wieder aufzunehmen, um die Ursache seines Scheiterns zu ergründen. Am Ende ist es ein Todesfall in Lauras Familie, der die beiden Figuren wieder zusammenführt, ohne das wirklich ersichtlich wird, wieso. Hornby gelingt es, in Rob eine wenig sympathische Figur zu erschaffen (er spannte einem Freund einst die Freundin aus, betrog eine schwangere Laura, die daraufhin abtrieb, und lieh sich anschließend Geld von ihr), der man dennoch bereitwillig durch ein paar emotionale Wochen folgt. Mit einigen humorvoll-akkuraten Bemerkungen und popkulturellen Verweisen auf die Musik- und Filmlandschaft der 1990er.

Der Schluss will allerdings nicht wirklich überzeugen. Mehr aus Resignation denn Liebe kehrt Laura schließlich zu Rob zurück, ehe sich nach einigen Diskussionen beide scheinbar ihrem Schicksal ergeben, lieber zweisam statt einsam zu sein. Was sie an ihm und er an ihr findet, gelingt Hornby nicht vollends herauszuarbeiten. Genauso wenig wie Robs vermeintliche Katharsis glaubwürdig erscheint. “Maybe we live life at too high a pitch, those of us who absorb emotional things all day, and as a consequence we can never feel merely content”, sinniert Rob mal (S. 131) und liefert damit fast noch die Erklärung, die am ehesten zufriedenstellen kann. Auf eine Top-5-Liste der besten Romane aller Zeiten schafft es High Fidelity jedenfalls eher nicht.


High Fidelity (2000)

Hey! Do you have soul?

Fünf Jahre nach Erscheinen des Romans folgte dann die Verfilmung. Stephen Frears verlegte hierzu den Handlungsort von London nach Chicago, amerikanisierte das Original also wie es nicht selten (siehe Constantine) geschieht. Statt jemand wie Ewan McGregor übernimmt in High Fidelity also John Cusack die Rolle von Rob. Und wo wir schon beim Thema sind, darf festgehalten werden, dass die Besetzung des Ensembles durchwachsen ausfällt – wie die Adaption als Ganzes. Wo Cusack und Iben Hjelje als Laura in Ordnung gehen und Todd Louiso als introvertierter Dick sowie Jack Black als extrovertierter Barry herausragen, lässt sich dies nicht über jede Nebenrolle sagen. Allen voran hinsichtlich Joan Cusack und Tim Robbins.

Gerade Robbins’ Besetzung ist einer der Störfaktoren, mit langem Zopf ziemlich offensichtlich als Witzfigur gedacht, die dann auch noch unnötig in Traumsequenzen integriert wird (man bedenke, High Fidelity entstand in der Hochphase von Ally McBeal). Als solche irritieren auch Robs Suche nach Rat bei Bruce Springsteen, die wie die Szenen mit Robbins keinen wirklichen Zweck erfüllen. Eine Visualisierung von Lauras neuem Freund hätte es für dessen Einfluss auf ihre Beziehung zu Rob keineswegs gebraucht – schon gar nicht in derart lächerlicher Art und Weise. Weniger störend geraten derweil Catherine Zeta-Jones, Lili Taylor und Lisa Bonet als etwaige love interests, trotz einiger äußerlicher Änderungen gegenüber Nick Hornbys Vorlage.

Im Falle von Bonets Singer-Songwriterin Marie de Salle zeigt sich jedoch, dass der Transfer von England nach Amerika nicht vollends durchdacht war. Frears gelingt es nicht, wirklich deutlich zu machen, wieso im zweiten Akt Marie und Rob miteinander im Bett landen. Wo dies der Roman dadurch untermauert, dass Marie als Amerikanerin neu in England ist und in Rob, Barry und Dick erste Kontakte knüpft, wirkt es im Film selbst ungemein beliebig. Auch, weil die Figur danach nicht mehr wirklich in Erscheinung tritt und Bonets solide Darstellung somit verschenkt wirkt. Auch eine zeitliche Neueinordnung hätte High Fidelity hier gut getan, wirken die Mixtapes der Jungs doch ungemein altbacken, wenn Marie selbst bereits CDs verkauft.

Ein Problem, um das der Film wohl angesichts des Ich-Erzählers der Vorlage nicht herumkam, ist Robs ständiges Durchbrechen der vierten Wand. Fraglos ein delikates stilistisches Mittel, dessen sich selbst Michael Haneke in Funny Games oder John Hughes in Ferris Bueller’s Day Off nur mit Vorsicht bedienten. In High Fidelity ist es wiederum zu viel des Guten, auch da es Cusack in den Szenen oft nur bedingt gelingt, eine glaubwürdige Bindung zum Zuschauer zu erzeugen. Sicher sollte so der Charme im offenen Monolog zwischen Rob und dem Publikum vom Buch in den Film gerettet werden, eine eher traditionelle Erzählweise oder eine Erzählstimme wäre jedoch in diesem Fall vermutlich der Vorzug zu geben gewesen.

Grundsätzlich ist High Fidelity dabei eine Adaption, die sich bemüht, der Vorlage weitestgehend gerecht zu werden. Darunter durch verschiedene humorvolle Szenen, die direkt übernommen wurden, allerdings nicht immer mit ihrem gebührenden Kontext. Dazu gehört beispielsweise Barrys Band, ihren wechselnden Namen und Robs Widerwillen, sie in irgendeiner Form zu unterstützen. Hinzu kommt, dass die Struktur des Handlungsablaufs irritierender Weise im Film geändert wurde. So beginnt Rob hier weitaus früher, seine Top-5-Ex-Freundinnen – zu denen dann auch Laura addiert wird, damit man sich dafür eine weitere Figur sparen kann – aufzusuchen, selbst wenn die Figur noch gar nicht ihren kathartischen Anfang erreicht hat.

Auch Gespräche zwischen Rob und Laura aus den Schlusskapiteln finden sich im Film bereits im ersten Akt wieder, wodurch die Relevanz des Inhalts nicht dieselbe Bedeutung erhält, wie im Roman. Am verstörendsten gerät jedoch der Schluss des Films als solcher. Hier will noch weniger klar werden, wieso Rob und Laura erneut zueinanderfinden. Die Beerdigung von Lauras Vater ist erneut der Auslöser, doch weder spielt die Beerdigung und ihre Bedeutung für Rob eine Rolle, noch widmet sich Frears ihr vollends. Umso passender, dass im Gegensatz zum Buch der Film den Auto-Sex zwischen Rob und Laura nach der Beerdigung dann durchzieht. Schlicht, weil die Autoren nicht verstanden zu haben scheinen, worum es in jenem Moment eigentlich ging.

Der Film vermag nicht zu betonen, dass Rob eigentlich Laura gar nicht zurückhaben will, ehe er realisiert, dass dem doch nicht so ist. Roman-Rob geht es eher um ein größeres Ganzes, dessen jüngstes Teil von Laura dem Puzzle hinzugefügt wurde. Und der sich im Laufe des Buchs einredet, dass jenes Puzzle mit diesem Teil genauso gut beendet wäre wie mit einem weiteren. Dass beide Figuren nach ihrer Wiedervereinigung in Gesprächen weiter eruieren, ob sie als Paar wirklich Sinn machen – selbst wenn dies auch im Roman nicht vollends gelingt –, bleibt im Film ganz außen vor. Die vermeintliche Katharsis von Rob ist bei Stephen Frears insofern noch weniger glaubwürdig wie dies bei Nick Hornby bereits der Fall gewesen war.

War High Fidelity bis zu diesem Zeitpunkt eine unnötig in die USA verlagerte britische Adaption, die trotz einiger inhaltlicher Umstrukturierungen dennoch weitestgehend solide ausfiel, macht sich der Film in seinen finalen 20 Minuten unnötig sehr viel selbst kaputt. Was bleibt ist eine Verfilmung, die trotz der (mit rund 240 Seiten) durchaus knappen Vorlage bisweilen ungemein gehetzt wirkt und in ihrem Bestreben, möglichst lustige Szenen aus dem Buch zu integrieren – und obendrein sogar wenig überzeugende neue zu schaffen – viele der Figuren vernachlässigt. Darunter auch die Hauptfigur. Da bleibt einem nur, den Titel von Rob und Lauras gemeinsamen Song von Solomon Burke zu beherzigen: “Got to Get You Off My Mind”.

5.5/10

2 Kommentare:

  1. Ich kenne ja nur den Film und fand diesen ziemlich großartig (so gefühlte 8 Erinnerungspunkte). Ewan McGregor und ein Englisches Setting hätte ich mir aber auch gerne angesehen.

    Von Hornby habe ich bisher nur "About a Boy" gelesen, das ich toll fand. Den Film mag ich hier zwar auch, doch kein Vergleich zur Vorlage.

    "High Fidelity" sollte ich nun wohl auch mal lesen...

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    1. Letztlich macht der Film ja auch nur "schlechter" was schon in der Vorlage nur bedingt ausgearbeitet ist. Da kann man ihm dann lediglich vorwerfen, es nicht besser gemacht zu haben. Buch liest sich aber gut weg, ist auch nicht allzu dick, keine 300 Seiten.

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