1. März 2009

Panel to Frame: Watchmen (Ultimate Cut)

Quis custodiet ipsos custodes?
(Juvenal, Satires, VI, 347)

Vor 71 Jahren wurde mit Superman das heutige Comic-Genre geboren, nachdem zuvor bereits in unterschiedlichen Formen Frühstadien des Comics Einzug in die amerikanische Kultur erhalten hatten. Fast fünfzig Jahre später sollte ebenjenes Genre eine Palingenese erfahren, als die beiden britischen Comic-Künstler Alan Moore und Dave Gibbons ein Comic erschufen, das sein Genre verändern sollte. Im selben Jahr erklärte Moore, dass es niemanden wie Comic-Pionier Will Eisner gäbe, und dass er, Moore, an schlechten Tagen bezweifle, dass es jemals noch jemanden wie Eisner geben wird. Zu diesem Zeitpunkt dürfte ihm noch nicht klar gewesen sein, dass man dieselben Worte von ihrem Sinn her auch auf sein eigenes Werk, Watchmen, münzen wird. Ein Comic in dieser Form hatte es bis dahin noch nicht gegeben und an schlechten Tagen darf bezweifelt werden, dass es jemals noch eines geben wird.

Wurde Alan Moore 1985 von DC Comics damit beauftragt, eine zwölfteilige Comicserie zu erschaffen, so wusste dieser sogleich, welche Art Geschichte er erzählen wollte. Eine Superhelden-Variante von Moby Dick. Etwas Tiefsinniges und Komplexes, etwas dass die Leserinnen und Leser zuvor noch nicht gesehen hatten. Hierfür wollte Moore einige Charaktere aus der Charlton Comics Reihe verwerten, welche DC zuvor erworben hatte. Da DC jedoch Angst um die zukünftige Verwertbarkeit dieser Figuren hatte, legten sie Moore nahe, neue und originale Charaktere zu erschaffen. Gemeinsam mit dem Zeichner Dave Gibbons machte sich Moore nun an die Arbeit, während er Gibbons ein außerordentliches Maß an kreativer Freiheit überließ. Diesem war es freigestellt, welchen Look er (den) Watchmen verleihen wollte, da sich Moore ausschließlich auf seine Geschichte und die literarische Vorlage beschränkte.

In ihrem Comic über Comics überwinden Moore und Gibbons die Grenzen des durchschnittlichen „Cartoons“ und erschaffen ein literarisches Meisterwerk, welches ausschlaggebend für den anschließend neu in Mode gekommenen (und vom Sinn her vollkommen hinfälligen) Begriff des „graphic novel“ war. Moore wollte weit mehr, als nur ein neues Unterhaltungsmedium schaffen. Er wollte den klassischen Superhelden und sein Genre ins Gegenteil verkehren und zugleich die damals gegenwärtige Angst des Kalten Krieges vor einem nuklearen Holocaust verbildlichen. So ist Watchmen gespickt mit unzähligen physikalischen und soziologischen Thesen, die Moore - ebenso wie die Zeittheorien eines Augustinus - nicht nur genial in seine eigene Geschichte integrierte, sondern ihm dies sogar gelang, ohne diese Thesen zu verfälschen. Um speziell den amerikanischen Lesern – welche die primären Endverbraucher darstellten – den Zugang zur Materie zu erleichtern, siedelte Moore seine Geschichte in einem alternativen Amerika des Jahres 1985 an. Einem Amerika, in dem Vietnam der 51. Bundesstaat ist, Richard Nixon die Verfassung ändert, um eine dritte Amtsperiode anzutreten, ein „Red Armageddon“ von Seiten der UdSSR droht und Robert Redford seine Bestrebungen kundtut, als US-Präsident zu kandidieren.

You’ll be intrigued by what you find within, and I know that if you persevere you’ll walk away from this book a different person.
(Auszug aus The Veidt Method, Ch. X, p. 32)

„On Friday night, a comedian died in New York“, erläutert Rorschach, eine der ambivalentesten Figuren unter lauter ambivalenten Figuren. Ein alter Mann, Edward Blake, wird in seiner Wohnung überrascht, zusammengeschlagen und aus dem Fenster eines mehrstöckigen Gebäudes geworfen. Rorschach, eine Maske tragend, die je nach Blickwinkel ihren Farbton verändert (daher der Name Rorschach), untersucht den Mordfall nachdem die Polizei abgerückt ist. In Blakes Schrank findet er eine versteckte Rückwand. Diese birgt Waffen und ein Kostüm. Ein Kostüm, das Rorschach bekannt ist. Das Kostüm von The Comedian. Rorschach und der Comedian zählen zu einer handvoll Menschen, die sich selbst als Helden sehen. Die für Gerechtigkeit eintreten. Oder zumindest das, was sie selbst als Gerechtigkeit erachten. „The Comedian (…) was practically a Nazi“ urteilt dagegen Adrian Veidt, ein Multimilliardär und ebenfalls ehemaliger Held.

Der Mord an Blake setzt die Geschehnisse von Watchmen in Gang. Für Rorschach ist die augenscheinlichste Lösung, die eines Superhelden-Serienkillers. Er macht sich daran seine ehemaligen Gefährten, darunter sein Ex-Partner Dan Dreiberg, vor den Geschehnissen zu warnen. Beachtung schenkt ihm allerdings niemand. Acht Jahre zuvor wurde der Keene Act verabschiedet. Ein Gesetz, dass Selbstjustiz und damit die Arbeit der selbst erklärten Helden verbat. Während einige, wie Dreiberg, einfach in Rente gingen, outeten sich andere wie Veidt und profitierten von einer kommerziellen Werbekampagne. Lediglich wer im Dienste der US-Regierung handelte, wie Blake, wurde weiterhin gebilligt. Nun ist Blake tot und eine Ereigniskette ausgelöst, die sich nicht mehr stoppen lässt. „Evil must be punished. Even in the face of Armageddon. I shall not compromise in this”, schreibt Rorschach in sein Tagebuch. Obwohl Watchmen eine Reihe von illustren Charakteren beherbergt, ist es Rorschach, der die Hauptrolle in dieser Geschichte einnimmt. Ein amoralischer Held für eine amoralische Geschichte.

Nun mag man sich fragen, was eigentlich das „Red Armageddon“ verhindert, wo man sich doch in der Hochphase des Kalten Krieges befindet. Die Antwort findet sich in dem einzig wahren Super-Helden in Watchmen. Von Moore mit einer derartig ausführlichen Genesis versehen, dass sie einen eigenen Band innerhalb der 12-teiligen Serie einnahm. Aufgrund eines unglücklichen Zufalles wurde der Atomphysiker Dr. Jon Osterman einst Objekt seines eigenen Projekts und Opfer eines Versuches zur atomaren Teilung. Der Physiker schafft es sich zu re-materialisieren, ein Prozess, der ihm die vollständige Kenntnis über Atome verleiht und damit über alles Sein (und Nicht-Sein). Damit erhält Osterman, der von der Öffentlichkeit anschließend Dr. Manhattan genannt wird, einen Gott-gleichen Status, ist er doch unsterblich, da von seiner menschlichen Hülle befreit. Es ist Dr. Manhattan zu verdanken, dass die USA den Vietnamkrieg gewinnen und es ist seine Anwesenheit, die den momentanen Status Quo zwischen den beiden Großmächten des Westens und des Ostens aufrecht erhält. Doch auch Osterman wird Opfer ebenjenes Komplotts, welches den Untergang der Welt bringen könnte.

We’re all puppets (..). I’m just a puppet who can see the strings.
(Dr. Manhattan, Ch. IX, p. 5)

Nach seiner getreuen und visuell berauschenden Umsetzung von Frank Millers 300 schien Regisseur Zack Snyder für die Produzenten von Warner Bros. Pictures genau der richtige Mann für eine Adaption von Moores als unverfilmbar geltenden Stoff. Vor neun Jahren war Regiekollege Terry Gilliam noch unter diesen Voraussetzungen abgesprungen. „The problem with Watchmen is that it requires about five hours to tell the story properly, and by reducing it to a two or two-and-a-half hour film, it seemed to me to take away the essence of what Watchmen is about”, erklärte Gilliam in einem Interview mit dem britischen Empire Magazin. Der Film, den Snyder in die Kinos brachte, hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Stunden. Aber auch der fast eine Stunde längere Ultimate Cut dürfte für Nichtkenner der Vorlage einige Fragen aufwerfen. Zu Beginn bleibt Snyder der Vorlage relativ treu, leitet die Geschichte mit der Ermordung von Blake (Jeffrey Dean Morgan) ein, und verspricht in einem beeindruckenden Vorspann (unterlegt von Bob Dylans in Moores Buch referiertem „The Times They Are A-Changing“) der feuchte Traum eines jeden Watchmen-Fans zu sein. Was in den folgenden drei Stunden folgt, ist eine allmähliche Dekonstruktion jeden einzelnen Aspektes von Moores Jahrhundertwerk.

Der britische Comicautor hat die Zusammenarbeit mit dem Film und/oder Snyder gänzlich abgelehnt, denn seine Geschichte sei nie für die Kinos konzipiert worden und würde in diesem Medium auch nicht funktionieren. So blieb Warner Bros. nichts anderes übrig, als sich auf die Zusammenarbeit mit Gibbons zu beschränken, der für den visuellen Aspekt des Comics verantwortlich gewesen war. Man merkt diese Umstände Snyders Film in jeder Minute an. In der Tat ist Watchmen eine überaus getreue Adaption der Vorlage – wenn man sich auf ebenjenen visuellen Aspekt beschränkt. Die Mehrheit der Panels wurde eins zu eins von Snyder übernommen, die Figuren stehen, wo sie zu stehen haben, und machen das, was sie zu machen haben. Allerdings ist Watchmen kein Bilderbuch, sondern in seinem tiefsten Kern (daher auch der Neologismus „graphic novel“) ein Roman – und ein Komplexer noch dazu. So ist Snyders Film eine bildgetreue, aber inhaltsleere Umsetzung von Gibbons Zeichenarbeit, ohne Moores narrative Stärke. Die Änderungen in der Handlung – der erfahrene Fan der Vorlage kann die Puzzleteile in der Verfilmung schon früh zusammensetzen – wirken deplatziert und erweisen sich während der fortlaufenden Handlung als eine Ansammlung von Logiklöchern.

Für Dr. Manhattan gibt es keine Zeit, sie ist für ihn nicht greifbar. Es gibt weder Vergangenheit noch Zukunft, nur eine Gegenwart der Dinge. „Time is simultaneous“, erklärt Osterman diese Sichtweise, die bereits Aurelius Augustinus vor 1.600 Jahren vertreten und in seinem elften Buch der Confessiones niedergeschrieben hat. Unbemerkt tappt Synder zu Beginn durch eine eklatante Änderung einer Szene in dieses Logikloch. Er könne seine eigene Zukunft (zumindest was seine Umwelt als „Zukunft“ erachtet) momentan nicht wahrnehmen, behauptet Dr. Manhattan (Billy Crudup). Wenige Sekunden später – und auch im Verlaufe des Filmes – ist dieses Manko jedoch wieder behoben. Der nukleare Holocaust sei wahrscheinlich, gesteht er seiner Freundin Laurie Juspeczyk (Malin Akerman), früher bekannt unter ihrem Heldennamen „Silk Spectre II“. Juspeczyk ist verständlicherweise besorgt, scheint aber anschließend den Gedanken an den Weltuntergang erfolgreich zu verdrängen, da sie dieses Szenario nicht weiter kommentiert. Eine weitere Änderung von Snyder erzeugt denselben Effekt. Nachdem Rorschach (Jackie Earle Haley) seinen Ex-Partner Dreiberg (Patrick Wilson) über Blakes Mord in Kenntnis gesetzt hat, macht sich in Snyders Version nicht Rorschach sondern Dreiberg daran, ihren ehemaligen Weggefährten Adrian Veidt (Matthew Goode) zu warnen. Das zeugt davon, dass Dreiberg – entgegen dem Comic – Rorschachs These Glauben schenkt. Umso erstaunlicher, dass auch er anschließend für den restlichen Verlauf der Handlung keinen Gedanken mehr an seine vorherige Agenda verschwendet.

Don’t tell me they didn’t have a choice.
(Rorschach, Ch. I, p. 1)

Auch der Ultimate Cut vermag diese offenen Fragen nicht zu beantworten. Löblich, dass zwar die Bernards und mit ihnen das Comic im Comic, Tales of the Black Freighter, eingewoben wurden, doch geschieht dies genauso unharmonisch, wie auch die einzelnen Kapitel der Geschichte zusammengeschnitten wurden. Der Film erweckt den Eindruck, als hätte Snyder am Set einzelne Seiten abgedreht, ohne auf deren Kontext zu achten. So springt er von Seite zu Seite und fährt im Schnellverfahren mit feuchtem Daumen durch Moores Werk. Dass hierbei Unstimmigkeiten entstehen, wenn man von Seite 4 auf Seite 12 springt ohne sich die Mühe zu machen die 8 Seiten dazwischen zu erläutern, ist selbstverständlich. Was in der Vorlage als einer von vielen Nebenhandlungen Raum und Entfaltung gewährt wird, muss im Film mal eben in dreißig Sekunden abgehandelt werden. Mit erstaunlichem Ungestüm will der Regisseure hier über die Bildsprache alle Elemente miterzählen, für die er in seinen Dialogen keinen Platz mehr gefunden hat. Das Ganze kulminiert schließlich in einem Finale, welches sich einer lächerlichen Absurdität preisgibt und alles zuvor Gesehene in seiner Unsinnigkeit nochmals übertrifft.

Allem Anschein nach hat Synder seinem Publikum nicht zugetraut einer komplex verschachtelten Geschichte folgen zu können, da er diese nicht nur komprimiert hat, sondern sie auch so gut wie möglich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Action und Gore auszufüllen suchte. Wo Moore lediglich drei Panels seine Aufmerksamkeit widmet, elaboriert Synder minutiös eine Orgie der Gewalt, in der Köpfe bevorzugt gegen Tischplatten, Wände oder Treppenabsätze fliegen. Da werden dann auch gerne mal ein paar zusätzliche Statisten ins Bild gestellt, damit man diese ebenfalls in Bullet Time abknallen kann, während der Film seine perverse Klimax in einer Straßenschlacht von Juspeczyk und Dreiberg findet. Aus ein paar gebrochenen Knochen in der Vorlage lässt Snyder die beiden wohl moralischsten Figuren des Comics zu abgebrühten Mördern verkommen, die Messer in Hälse rammen und Genicke brechen. Nur ein Vorgeschmack auf abgesägte Arme und an Wänden klebende Gehirne, die den Zuschauer später noch in all ihrer (unnützen und sinnlosen) Deutlichkeit erwarten. Gewürzt wird das letztlich noch mit einer stupiden Sexszene, deren Komposition sich im Grunde nur selbst konterkariert, was von Seiten Snyders jeglichen Respekt vermissen lässt.

Und weil dies nicht genug ist, versucht sich der Film auch noch darin, viele Szene zusätzlich mit zeitgenössischer Musik von Nena bis Jimi Hendrix und Leonard Cohen zu unterlegen. Die Musikauswahl könnte hierbei deplatzierter nicht sein und erfüllt quasi keinen höheren Zweck, als zum comic relief zu verkommen, wenn Snyder beispielsweise einen seiner impotenten Helden zu den Klängen von Cohens „Halleluja“ einen Orgasmus erfahren lässt. Despektierlicher kann man kaum mit Moores Werk umgehen. Nur in wenigen Fällen wie Simon and Garfunkels „The Sound of Silence" zur Beerdigung des Comedian wirkt die Musik stimmig. Doch Watchmen macht bei seiner grausigen Musik nicht Halt, sondern enttäuscht auch in den Bereichen von Kostüm und Maske. Da Regisseur Snyder der Ansicht war, das Publikum würde seinem Film die naiven Kostüme der Vorlage nicht abkaufen, steckte er seine Helden, allen voran Veidts Ozymandias, in lächerliche Outfits, die sich eindeutig an den Entwürfen einer Ingrid Ferrin (Batman Forever/Batman & Robin) orientieren.

Oh, God, I can’t believe it. I can’t believe anybody would do that.
(The Comedian, Ch. II, p. 23)

Für Snyder ist diese eine Referenz an gegenwärtige Superheldenfilme, doch geht die Idee zweifelsohne dadurch verloren, dass er seine Helden in den sechziger Jahren in Kostüme eines Genres aus den neunziger Jahren steckt. Aber wie proklamierte schon der Trailer zum Film, Zack Snyder sei ein „visionärer“ Regisseur. Des Versagens schuldig macht sich ebenso die Maskenarbeit, der es auf offensichtliche Art nicht gelingt, einen 42-jährigen Jeffrey Dean Morgan in der einen Szene 16 und der nächsten 71 Jahre alt aussehen zu lassen. Wobei von Maske kaum die Rede sein kann, wenn zwischen den über fünfzig Jahren Altersunterschied einmal ein rasiertes und dann ein unrasiertes Gesicht mit grauen Schläfen präsentiert wird. Bei Carla Guginos Sally Jupiter und Matthew Goodes Adrian Veidt erzeugt die Arbeit von Emanuela Daus und Co. nicht weniger lächerliche Ergebnisse. Das dilettantische Highlight jedoch stellt die Portraitierung von Richard Nixon dar, dessen Maske mit aufgeklebter Knollennase eher an einen verschrumpelten Halloween-Kürbis erinnert, denn an den berühmten US-Präsidenten.

Den Vogel vollends abgeschossen hat man dann mit der Besetzung der Figuren. Was Snyder hier verfilmt hat, ist nicht mehr und nicht weniger als die 90210-Variante von Watchmen. Hier spielt Jeffrey Dean Morgan mit Anfang Vierzig einen Mann, von dem 55 Lebensjahre im Comic reflektiert werden. Wofür sich ein David Fincher in The Curious Case of Benjamin Button die Mühe macht, den Alterungsprozess glaubwürdig erscheinen zu lassen, versagt Watchmen grandios (selbiges gilt für den Charakter von Carla Gugino). Auch Jackie Earle Haley und Malin Akerman wissen in ihren Rollen nicht zu überzeugen, während Patrick Wilson so gut wie nie die Essenz von seiner Figur entsprechend einzufangen weiß. Die größte Fehlleistung stellt jedoch Matthew Goode da, der als Haarspray-Dandy glaubhaft machen will, dass sein großes Vorbild Alexander der Große ist, während der Brite mit seinen 32 Jahren nichts außer bubenhaft wirkt, indem er versucht eine reife Figur Ende Vierzig darzustellen. Auch Billy Crudup kann über weite Strecken nicht überzeugen, wirkt sein Dr. Manhattan doch viel zu oft allzu menschlich.

Im Nachhinein weiß der Film abgesehen von seinen ersten fünfzehn Minuten und der grandiosen Ausgestaltung von Rorschachs Maske nicht zu überzeugen. Im Gegenteil, mit jeder Minute begeht Snyder Fehler um Fehler und demontiert was er sich vorgenommen hat zu huldigen. Watchmen versagt bedauerlicherweise in allen Belangen, von den fehlbesetzten Schauspielern (die oftmals mehr als gestelzt ihre Dialoge zum Besten geben), über grauenhafte Kostüme und Masken, bis hin zu einer eklatanten Vernachlässigung bzw. Aussparung der Handlung und desaströsen musikalischen Untermalung. Das Traurigste ist, dass eine gute Umsetzung möglich gewesen wäre, wenn man sich eines anderen Regisseurs bemächtigt hätte als Snyder, der sich vormerklich darauf versteht (und er bringt es hier wieder zum Ausdruck), Gewalt stilvoll einzusetzen. Das funktioniert in einer inhaltsarmen Geschichte wie 300, aber nicht bei Watchmen. Von dem zusätzlichen und in den Ultimate Cut integrierten Material (meist gehen viele Szenen nur ein, zwei Sekunden länger) kann das Wenigste überzeugen. Selbst die Integration des Black Freighter verpufft, da sie ihres Kontextes innerhalb der Handlung beraubt wird. Insofern kann auch der UC nicht sonderlich überzeugen und so bleibt Watchmen eine der schlechtesten Comicverfilmung, und bildet damit die Ekpyrosis unter Moores Palingenese.

2.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

16 Kommentare:

  1. O.k., ich habe jetzt ein sehr positives und ein sehr negatives Review gelesen. Beide von sich selbst als Fanboys bezeichnenden Autoren. Ich darf also weiterhin gespannt sein.;)

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  2. Das Review hattest du im Großen und Ganzen doch schon vor Kinobesuch getippt.

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  3. Das Review hattest du im Großen und Ganzen doch schon vor Kinobesuch getippt.

    So durchschaubar ist er schon, der Flo :D

    Aber wie gesagt, das Review bestätigt meine Erwartungshaltung voll und ganz, deshalb kann ich am Freitag eigentlich nur positiv überrascht werden.

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  4. HAHA, da ist ja bei dir sogar "The Spirit" noch weitaus besser weggekommen... ;-)

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  5. Hab die Graphic Novel fast fertig und will sie auch bis Ende der Woche fertig haben. Dann gehts nächsten Samstag rein. Und ich bin schon sehr gespannt.

    Aber deine Vorlage/Film-Vergleiche sind ja eh immer etwas schwer einzuordnen ;-)

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  6. Wo Moore lediglich drei Panels seiner Aufmerksamkeit widmet, elaboriert Synder minutiös eine Orgie der Gewalt, in der Köpfe bevorzugt gegen Tischplatten, Wände oder Treppenabsätze fliegen. Da werden dann auch gerne mal ein paar zusätzliche Statisten ins Bild gestellt, damit man diese ebenfalls in Bullet Time abknallen kann, während der Film seine perverse Klimax in einer Straßenschlacht von Juspeczyk und Dreiberg findet. Aus ein paar gebrochenen Knochen in der Vorlage lässt Snyder die beiden wohl moralischsten Figuren des Comics zu abgebrühten Mördern verkommen, die Messer in Hälse rammen und Genicke brechen. Nur ein Vorgeschmack auf abgesägte Arme und an Wänden klebende Gehirne, die den Zuschauer später noch in all ihrer (unnützen und sinnlosen) Deutlichkeit erwarten. Ein wahrscheinlich notwendiges Schema, da heutzutage kaum noch Zuschauer ins Kino gehen, um eine interessante Geschichte zu erfahren, sondern die Qualität eines Filmes an seinem graphischen Gewaltwert einzuordnen versuchen. Gewürzt wird das letztlich noch mit einer stupiden Sexszene, die in ihrer Deutlichkeit nur ein weiteres Zugeständnis an die MySpace-Generation darstellt.

    Harter Tobak, der Absatz, dem ich zu 90% widersprechen wollen würde. ;-)

    Im letzten Satz hast Dein Versprechen gehalten, musste nämlich 2x nachgucken, wum den Satz zu verstehen. ;) Zu den Worten, die das Comic selbst betreffen aber volle Zustimmung (immerhin). :p

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  7. Flo, ich versuche gar nicht, gegen Deine Abstrafung anzukämpfen. Völlig sinnlos, denke ich. Nur ein paar Gedanken beim Lesen: Ist es nicht doch so, dass Snyder vielleicht verstanden haben könnte, was Moore eigentlich wollte? Ist der Film nicht eine gute Transformation der damaligen Sicht auf die heutige? Wären damit nicht die Kostüme, der Musikeinsatz, die (erstaunlich wenige) Action und der Sex bestens erklärt? Warum gab es denn Probleme, die Watchmen auf die Leinwand zu bekommen? Weil doch jeder Regisseuranwärter versuchte, alles 1:1 abzukupfen. Ich finde es gut, dass Snyder sich einige Freiheiten nahm und gerade die filmischen Aspekte auf unsere Zeit übertrug. Und da ist so ein Kostüm eben eine Verarsche der Batman-Filme zwischen Burton und Nolan, wie Du ja auch anmerkst. Ich fand die Umsetzung bis auf ein paar Macken gut. Auch und gerade inhaltlich kam genau das rüber, was ich mir erwartet hatte. Naja, aber mal so richtig über einen Film abzulästern, tut sicher auch ganz gut. Gern gelesen ;-)

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  8. @Mediensucht:

    Ist der Film nicht eine gute Transformation der damaligen Sicht auf die heutige?

    Moore erzählt eine spezifische Geschichte im Kontext des Kalten Krieges der Achtziger. Da geht es um political awareness und die Angst vor dem nuklearen Holocaust. Wenn man die Geschichte ihrer Seele beraubt indem man diese Gefahr zu Beginn mal eben sagen, aber nie wirklichen durchscheinen lässt, versagt der Film schon allein an seiner Botschaft. Was dann noch bleibt ist ein bisserl Kra-Wumm und Slo-Mo.

    Wären damit nicht die Kostüme, der Musikeinsatz, die (erstaunlich wenige) Action und der Sex bestens erklärt?

    Erstaunlich wenig Action? Wenns noch mehr Action gewesen wäre, hätten sie Jet Li engagieren müssen. Die Musik ist für mich größtenteils derartig verballhornend eingesetzt, das sie wie eine Ohrfeife für Alan Moore wirken muss.

    Und da ist so ein Kostüm eben eine Verarsche der Batman-Filme zwischen Burton und Nolan, wie Du ja auch anmerkst.

    Ich selbst erachte es nicht als filmische Freiheit, wenn ich bei Kostümen von 1960 versuche Kostüme von 1994 zu persiflieren. Dann hätte Nite Owl II ja auch gleich mit Batmans Super-Hummer durch die Gegend brettern können.

    Nee, der Film ging total in die Hose.

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  9. Flo, dann eben doch noch eine kleine Diskussion ;-)

    Es bringt doch nix, die Zeit nach den 80ern total auszublenden. Die Helden sagen doch selbst, wie albern ihre Kostüme sind. Da verkaufe ich dem Publikum doch tatsächlich eines der albernsten Kostüme der Filmgeschichte (eben jenes von Batman), als irgendetwas noch älteres zu nehmen. Die Sachen der 60er und 70er sind ja heute schon wieder Kult. Eine Verwendung wäre also gegen Moore.

    Die Message von der Angst vorm nuklearen Holocaust ist bei mir angekommen. Auch der Einsatz von Nena zielt darauf ab, ob man das nun für gelungen hält oder nicht.

    Ich weiß nicht, was Du für eine Version von WATCHMEN gesehen hast, in meiner gab es weniger Action, als ich erwartete. Es wurde viel geredet. Ich kenne auch einige "Kritiker", denen der Film deshalb zu langweilig war.

    Die Verwendung der Gewalt ist auch aus heutiger Sicht zu sehen und hat bei Dir eigentlich genau das Richtige ausgelöst: Erschrecken und Abscheu. Auch hier zielt Snyder auf heutiges Konsumverhalten ab. So muss es doch sein, oder? Das erklärt Snyder auch in Interviews, dass es ihm genau darauf ankam. Gewalt ist nunmal übel und blutig. Ich verstehe hier nicht, wie man das hier anders sehen kann.

    Na egal, ich werde Dir den Film nicht schön reden ;o)

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  10. Da können wir uns glaube ich noch hundert Jahre lang dran tot diskutieren, wie generell bei jedem Film, den man anders (z.B. "Southland Tales") aufgenommen hat. Letztlich ist es doch die Grundformel: dir hat der Film gefallen, mir eben nicht.

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  11. Lächerliche Kritik, eine bessere Comicverfilmung gibt es nicht.

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  12. Gerade gesehen (Theatrical Cut). Hat mir trotz einiger Verständnisprobleme gut gefallen - deine Kritik hat einiges Licht ins Dunkel geworfen. Dank dafür. Trotz all deiner Kritik, die sich zum Großteil aus einem Vergleich mit der Vorlage speist und deshalb meines Erachtens nicht fair ist, hat mir der Film wirklich zugesagt. Hauptsächlich auch WEIL er komplexer ist als die öden Spider-Man, Batman und Fanta 4 Verfilmungen. Bin gespannt auf den DC!

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  13. Habe heute gleich den DC gepreordert - offenbar kommt Weihnachten ja sogar noch eine weitere Langfassung raus, die dann die “Tales of the Black Freighter” beinhalten soll. Aber so lange kann ich nicht warten - bin richtig heiß auf den DC. Hab mir auch das Comic bestellt. Bin eigentlich kein Comic-Leser, aber die Story und insbesondere die wundervolle Noir-Figur, Rorschach, machen mich sehr sehr neugierig auf die Vorlage...

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  14. So wie ich das verstanden hatte, sollte der DC eigentlich schon Black Freighter integrieren. Aber andersrum macht man natürlich mehr Kohle (s. Star Wars).

    Zum Kommentar davor: mir gefällt schon der ganze Ansatz nicht beim Film. Die Figuren von Schauspielern Mitte 30 portraitieren zu lassen, die futuristischen (wenn auch aus unserer Sicht Retro) Kostüme, die Musikwahl, der null-Sinn-Gewaltpegel - passt mir einfach nicht in Kram. Zudem macht die Handlung für mich durch Abänderung des Endes und den dazu gehörigen Szenen weitaus weniger Sinn und viele Profilierungen der Figuren werden für mich falsch gesetzt oder ganz außer Acht gelassen. Das Comic ist einfach - imho - derart grandios, das natürlich ein Film hier nur versagen kann. Gefällt mir einfach nicht -

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  16. Die Musik fand ich teilweise sehr stark, an mancher Stelle aber auch unpassend gewählt (z. B. 99 Luftballons).

    An die etwas lächerlichen Kostüme, die die Helden leicht debil wirken lassen, habe ich mich recht schnell gewöhnt - Dr. Manhattans Aussehen allerdings hat dazu geführt, dass ich mir den Film nicht im Kino ansehen wollte, weil ich nach Sichtung des Trailers fand, dass er behämmert aussieht. Im Grunde stimmt das auch, aber das hat im Film nicht gestört, weil mich Story und Atmo gepackt haben.

    Die Gewaltdarstellungen haben mir übrigens sehr gefallen ;-)

    Und meine obige Info zum Weihnachtsrelease scheint falsch zu sein, denn die "Tales of the Black Freighter" sind bereits im März in den USA auf einer Extrascheibe erschienen.

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