23. Januar 2016

Speed 2: Cruise Control

Let’s not split hairs.

Ist ein Film erfolgreich genug, entsteht schnell Druck, diesem eine Fortsetzung zu schenken. In der Regel machen es sich diese dann einfach, indem sie sich ziemlich stark an ihrem Vorgänger orientieren und von diesem viel kopieren (siehe Terminator 2: Judgment Day). Dass jemand wie Polizist John McClane immer wieder im Alleingang Terroristen bekämpfen muss, ist dabei ein kaum erwähnenswerter Umstand. Und auch als 1997 mit Speed 2: Cruise Control ein Sequel zu Jan de Bonts Überraschungshit Speed ins Kino kam, erwartete das Publikum ein weiteres Action-Fest mit Tempo. Allerdings war Cruise Control nicht der erwartete Film und wurde schnell abgestraft. Teilweise durchaus berechtigt, aber in der Summe doch zu harsch.

Zuvorderst ist Speed 2: Cruise Control eine Fortsetzung der anderen Art. Größer und spektakulärer will sie sein, aber auch weniger ernst und mehr verspielt. Und “Speed” trägt sie zwar noch im Namen, aber eher als Branding, denn als Inhaltsvorgabe. Dem Film geht es nicht darum, seine Figuren in ein Verkehrsvehikel zu platzieren, dass in steter Beschleunigung durch die Handlung braust. Was nicht bedeutet, dass im Film kein Tempo aufgenommen wird. Allein für seinen fünfminütigen klimatischen Schiffsunfall verwendete de Bont gut ein Viertel seines 110-Millionen-Dollar-Budgets, wenn der Luxusdampfer des Films in einen eigens gebauten Dock mit Gebäuden drum herum rast. Seinerzeit der teuerste Stunt aller Zeiten.

Zugleich die erinnerungswürdigste Action-Szene des Films, während der Rest weitestgehend in Vergessenheit gerät. Eben auch, weil er wenig inspiriert inszeniert wurde. Stieg Speed mit einer Geiselnahme unter Hochspannung ein, verfolgt die Polizistenfigur Alex (Jason Patric) hier nun einen Lieferwagen mit gestohlenen Computern. Erhielt der Zuschauer im Original eine Idee von seinem Protagonisten und der Art seines Handelns, dient die Action-Szene in der Fortsetzung eher einem humorvollen Charaktermoment. Denn ungeplant erfährt Alex’ Freundin Annie (Sandra Bullock) nunmehr, dass er einer Spezialeinheit angehört. Dabei war ihre Beziehung zu Keanu Reeves’ Jack gerade deswegen gescheitert, weil er sich immer in Gefahr begeben hat.

Wie sich zeigt, ist es jedoch Annie, die ein besonderes Faible für gefährlich Situationen hat. Wenn auch der Tatsache geschuldet, dass Reeves an der Fortsetzung kein Interesse hatte, ist der Umstand, Annie zur Hauptfigur zu machen, ein begrüßenswerter. Etwas irritierend – erneut nur dem Humor dienend – ist jedoch, wieso der Film sie eingangs zu einer inkompetenten Fahrerin macht, während sie ihren Führerschein wiederholt. Implizierte doch Speed lediglich, dass Annie gerne mal zu schnell fährt. Aus der Konfrontation der Figuren folgt das Überleiten zur neuen Prämisse: eine Schifffahrt in der Karibik. Auf dieser plant Alex, der wegen Annies Vergangenheit mit Jack wohlweislich seine Jobbeschreibung herunterspielte, einen Heiratsantrag.

Offen bleibt, wie Alex sich mit Polizistengehalt sowohl Verlobungsring als auch den Luxusurlaub leisten kann (er kauft Annie an Bord sogar ein neues Kleid). So wirken er und Annie etwas deplatziert auf dem Schiff, das kurz darauf zum Spielball gerät im Racheplan von Willem Dafoes John Geiger. Ähnlich wie Howard Payne ein verstörter Ex-Angestellter, der jedoch die Passagiere des Schiffs nicht als Geiseln nimmt, sondern es auf Schmuck an Bord abgesehen hat. In der Folge ist Speed 2: Cruise Control weniger ein temporeicher Action-Thriller, sondern mutiert zu einer Art Schiffsdisasterfilm, wie ihn die Zuschauer im Jahr 1997 ein halbes Jahr später in Form von James Camerons Titanic zum Kassenknüller avancieren lassen sollten.

In Szenen wie dieser rudert der Film bewusst in etwas bescheuertere Gewässer (wie zumindest Roger Ebert seinerzeit erkannte), wenn ein Polizist aus Los Angeles sich in der Karibik aufspielt. Hier merkt man dem Skript auch an, dass es ursprünglich für Die Hard With a Vengeance konzipiert wurde (der dann wiederum eine verworfene Lethal Weapon-Fortsetzungsidee übernahm). Derweil chargiert Dafoe mit aufgerissenen Augen seinen überdrehten Geiger, der zeitliche Computereingaben mit “now” eingibt und perfekt besetzt für diese Art von Widersacher ist. Und im Gegensatz zu Speed partizipieren hier mit dem Ersten Offizier Juliano (Temuera Morrison) und Fotograf Dante (Royale Watkins) Nebenfiguren stärker an der Handlung.

Die verfügt zwar über reichlich Actionszenen, wirklich berauschend geraten diese allerdings nicht. Die Rettungsboot-Evakuierung ist beispielsweise nur deswegen interessant, weil Komponist Mark Mancina sie kongenial musikalisch unterlegt. Auch hier gebührt Mancina Lob, dass er nicht einfach nur den Score zu Speed kopierte (wie bei Bad Boys), sondern weitestgehend etwas Neues schuf, das sich der Stimmung und Richtung der Fortsetzung anpasste. Speed 2: Cruise Control versucht viel richtig zu machen, reüssiert dabei jedoch zugegebenermaßen nur bedingt. Eines der Hauptprobleme ist dabei wohl mit auch die Tatsache, dass die Beteiligten nicht wirklich vollends bei der Sache gewesen waren. Und das nahezu durch die Bank hinweg.

So kam Sandra Bullock nur an Bord, weil 20th Century Fox ihr Folgeprojekt Hope Floats absegnete (ihre Gage von elf Millionen Dollar war sicher auch nicht zu verachten). Und Jan de Bont selbst war wenig überzeugt von einer Speed-Fortsetzung – jedoch vertraglich gebunden, eine solche zu inszenieren. Dass der Film in der Folge etwas humorvoller – man könnte auch sagen: trashiger – daherkam, mag dieser Tatsache geschuldet sein. “It should have been a much smaller concept”, blickte de Bont in einem Gespräch mit Hitfix auf das Sequel zurück. Denn in der Tat ist eines der Probleme der Fortsetzung, dass diese etwas außer Kontrolle und schlichtweg zu lang geriet. Genauso, wie sie tonlich nicht vollends harmonisch ausfiel.

Jan de Bont hat Recht, wenn er sagt, dass nicht jede Szene missraten ist. Manche Entscheidung in Speed 2: Cruise Control war begrüßenswert, viel allerdings nicht vollends durchdacht oder ausgereift. Und manches, wie die weitestgehend inhaltliche Abkehr gegenüber dem Vorgänger – auch Reeves verriet, dass ihn das Konzept einer Fortsetzung auf einem Kreuzfahrtschiff nicht überzeugte (siehe Hitfix-Artikel) –, war vielleicht schlicht zu mutig. So ist Speed 2 keineswegs ein würdiger Nachfolger für das Original, aber auch nicht das Desaster, zu dem er gerne gemacht wird. “Hey, it could be worse”, sagt Temuera Morrisons Figur Juliano da gegen Ende fast schon in einer Art Meta-Kommentar. “I’m not sure how exactly, but it could be worse.”

4/10

2 Kommentare:

  1. Interessante Hintergrundinformationen. Ich habe den Film schon lange, lange nicht mehr gesehen, verbinde damit aber einen sehr netten Kinobesuch. Halte den Film deshalb in nostalgischer Erinnerung – denke ich könnte auch heute noch damit Spaß haben, auch wenn er natürlich nicht gut ist.

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    1. Wenn man weiß, was einen erwartet, funktioniert das Ganze vermutlich auch eine Spur besser als damals. Was den Film nicht grundsätzlich besser macht, aber eine Katastrophe ist er nach meinem Ermessen keineswegs.

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