Der dumpfe Bass von Elektro-Musik bebt, sich vermischend mit dem flehenden Geheule eines Kindes und den verzweifelten Schreien einer jungen Frau. Wie ein Pulsschlag wabert die Geräuschkulisse durch den Zuschauer, während die Kamera sich durch dunkle Gänge bewegt, immer unstet, manchmal um 90 oder 180 Grad gedreht. Die Botschaft ist simpel: Hier ist alles außer Kontrolle geraten. Die Welt dreht sich, ist nicht klar wahrnehmbar. Völlig losgelöst. Alles kann, nichts muss für die Figuren in Climax, Gaspar Noés jüngster Tour de force. Einem Film über das Schaffen und das Scheitern. Über die Sehnsüchte und Abgründe der menschlichen Gesellschaft. Oder einfach nur über eine Party, die am Ende etwas ausartet.
Bevor sie sich aufmachen zu einer Tournee in den USA feiert die Tanzgruppe um Selva (Sofia Boutella) und Choreografin Emmanuelle (Claude Gajan Maull) zusammen in einer Schulhalle. Es wird geflirtet und getanzt. Getanzt und geflirtet. Dazwischen fleißig Sangria getrunken, die Emmanuelle vorbereitet hat, während sie bisweilen nach ihrem kleinen Sohn schaut. Für die männlichen Gruppenmitglieder wie David (Romain Guillermic) bietet das Ensemble die Chance auf verschiedene sexuelle Abenteuer. Doch was als simple Tanz-Party begann, droht plötzlich zu eskalieren, als sich herausstellt, dass jemand die Sangria heimlich mit LSD versetzt hat. Aufgestaute Emotionen und Gelüste brechen sich Bahn und steigern sich im Verlauf.
Wer Noés Filmografie folgt, hat in Irréversible bereits den Homosexuellen-Nachtclub Rectum betreten und in Enter the Void die Bordell-Absteige des Love Hotels. Beide können aber nicht darauf vorbereiten, was sie nun hier in Climax erwartet. Dabei beginnt der Film angesichts seines Regisseurs erstaunlich zurückgenommen. Das Tanzensemble wird via VHS-Interviews vorgestellt und mit Fragen konfrontiert, gefolgt von einer Performance als Single Take, die schließlich in die gemütliche Party übergeht. Und weil wir einen Film von Gaspar Noé sehen, wissen wir, dass die Kacke bald am Dampfen ist. Die Frage ist nur, wann er seinen typischen Wahnsinn von der Leine lässt. Was wiederum im Verlauf die Anspannung steigen lässt.
Jene Anspannung wird weniger durch die Bilder von Benoît Debie intensiviert, sondern im Versuch, sich auf die kommenden Entwicklungen vorzubereiten. Als hielte einen Climax über eine Brüstung und man ahnt nicht, wann der Film einen loslässt und in den Abgrund stürzen lässt. Und wenn er es dann tut, ist der Zuschauer bereits gefangen in einer Achterbahn der Bilder, rauschend durch ein Gruselkabinett der Seelen seiner Figuren. Debies Kamera ist überall, spuckt auf Steadycam-Gedöns und filmt Szenen von oben und unten oder schräg von der Seite. Die Desorientierung der Charaktere überträgt sich so geschickt aufs Publikum und erschafft mit dem Audio-Mix aus Musik, Geschrei und Echos eine einmalige Atmosphäre.
Climax ist übelerregend – im bestmöglichen Sinne. Als befinde man sich auf hoher See in einem Sturm während einem Wind und Wasser ins Gesicht klatschen. So intensiv war noch keine Sequenz des Regisseurs zuvor, auch nicht die zehnminütige Vergewaltigungsszene in Irréversible. Hier verlieren Kinder ihre Mütter, Mütter ihre Kinder, Geschwister ihre Unschuld und sowieso jeder ein wenig seiner selbst. Dass Climax kein Drehbuch besaß, sondern die zum Großteil aus Laien bestehenden Darsteller improvisieren durften, gerät dabei zum Vorteil. Die LSD-durchtränkte Schulhalle von Noé hat gar keinen Raum für große Worte, die ohnehin nicht ausdrücken können, was in den Figuren zu diesem Zeitpunkt wirklich vorzugehen scheint.
Für seinen Regisseur repräsentiert Climax einen Film über das gemeinsame Erschaffen und das unabdingbare Scheitern, das daraus resultiert. Und in gewisser Weise sinnbildlich für die Menschheit selbst steht (Noé zieht einen Vergleich zum Turmbau von Babel). Ironischerweise ist mit Sofia Boutella die einzige namhafte Darstellerin sein größtes Problem und scheint mit dem Fehlen eines Skripts leicht überfordert. Der eigentliche Star sind aber ohnehin Debies Kamera und Noés obligatorisch geniale Credits, unterstützt von einem 90er Jahre Soundtrack, der Daft Punk, Thomas Bangalter oder Aphex Twins vereint. Um Climax wirklich zu erleben, muss er wohl im Kino gesehen werden. Und wen er dabei nicht umbringt, den macht er stärker.
Bevor sie sich aufmachen zu einer Tournee in den USA feiert die Tanzgruppe um Selva (Sofia Boutella) und Choreografin Emmanuelle (Claude Gajan Maull) zusammen in einer Schulhalle. Es wird geflirtet und getanzt. Getanzt und geflirtet. Dazwischen fleißig Sangria getrunken, die Emmanuelle vorbereitet hat, während sie bisweilen nach ihrem kleinen Sohn schaut. Für die männlichen Gruppenmitglieder wie David (Romain Guillermic) bietet das Ensemble die Chance auf verschiedene sexuelle Abenteuer. Doch was als simple Tanz-Party begann, droht plötzlich zu eskalieren, als sich herausstellt, dass jemand die Sangria heimlich mit LSD versetzt hat. Aufgestaute Emotionen und Gelüste brechen sich Bahn und steigern sich im Verlauf.
Wer Noés Filmografie folgt, hat in Irréversible bereits den Homosexuellen-Nachtclub Rectum betreten und in Enter the Void die Bordell-Absteige des Love Hotels. Beide können aber nicht darauf vorbereiten, was sie nun hier in Climax erwartet. Dabei beginnt der Film angesichts seines Regisseurs erstaunlich zurückgenommen. Das Tanzensemble wird via VHS-Interviews vorgestellt und mit Fragen konfrontiert, gefolgt von einer Performance als Single Take, die schließlich in die gemütliche Party übergeht. Und weil wir einen Film von Gaspar Noé sehen, wissen wir, dass die Kacke bald am Dampfen ist. Die Frage ist nur, wann er seinen typischen Wahnsinn von der Leine lässt. Was wiederum im Verlauf die Anspannung steigen lässt.
Jene Anspannung wird weniger durch die Bilder von Benoît Debie intensiviert, sondern im Versuch, sich auf die kommenden Entwicklungen vorzubereiten. Als hielte einen Climax über eine Brüstung und man ahnt nicht, wann der Film einen loslässt und in den Abgrund stürzen lässt. Und wenn er es dann tut, ist der Zuschauer bereits gefangen in einer Achterbahn der Bilder, rauschend durch ein Gruselkabinett der Seelen seiner Figuren. Debies Kamera ist überall, spuckt auf Steadycam-Gedöns und filmt Szenen von oben und unten oder schräg von der Seite. Die Desorientierung der Charaktere überträgt sich so geschickt aufs Publikum und erschafft mit dem Audio-Mix aus Musik, Geschrei und Echos eine einmalige Atmosphäre.
Climax ist übelerregend – im bestmöglichen Sinne. Als befinde man sich auf hoher See in einem Sturm während einem Wind und Wasser ins Gesicht klatschen. So intensiv war noch keine Sequenz des Regisseurs zuvor, auch nicht die zehnminütige Vergewaltigungsszene in Irréversible. Hier verlieren Kinder ihre Mütter, Mütter ihre Kinder, Geschwister ihre Unschuld und sowieso jeder ein wenig seiner selbst. Dass Climax kein Drehbuch besaß, sondern die zum Großteil aus Laien bestehenden Darsteller improvisieren durften, gerät dabei zum Vorteil. Die LSD-durchtränkte Schulhalle von Noé hat gar keinen Raum für große Worte, die ohnehin nicht ausdrücken können, was in den Figuren zu diesem Zeitpunkt wirklich vorzugehen scheint.
Für seinen Regisseur repräsentiert Climax einen Film über das gemeinsame Erschaffen und das unabdingbare Scheitern, das daraus resultiert. Und in gewisser Weise sinnbildlich für die Menschheit selbst steht (Noé zieht einen Vergleich zum Turmbau von Babel). Ironischerweise ist mit Sofia Boutella die einzige namhafte Darstellerin sein größtes Problem und scheint mit dem Fehlen eines Skripts leicht überfordert. Der eigentliche Star sind aber ohnehin Debies Kamera und Noés obligatorisch geniale Credits, unterstützt von einem 90er Jahre Soundtrack, der Daft Punk, Thomas Bangalter oder Aphex Twins vereint. Um Climax wirklich zu erleben, muss er wohl im Kino gesehen werden. Und wen er dabei nicht umbringt, den macht er stärker.
7.5/10
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