The Beach (1996)
Für Schriftsteller kann der erste Roman eine hohe Bürde sein. In manchen Fällen braucht es mehrere Veröffentlichungen, ehe man sich einen Namen gemacht hat, in anderen Fällen wird gleich der erste Roman zum Bestseller. Oftmals kommt anschließend nicht mehr viel nach, man ist ein so genanntes Wunderkind, wie es Curtis Hanson in seinen The Wonder Boys ironisch skizzierte. Vor etwas mehr als zehn Jahren erschien mit The Beach ein Roman von einem 26-jährigen Engländer namens Alex Garland. Von Kritikern als eine Mischung aus Heart of Darkness und The Lord of the Flies beschrieben, beides jedoch nicht wirklich treffend, bescherte es dem Autor unerwarteten Ruhm. Seinem ersten Erfolg folgte The Tesseract (1998), eine Episodengeschichte, die nicht wirklich an die Stärke von The Beach anknüpfen konnte. War Garland also lediglich ein solches Wunderkind?
Viele Jahre schrieb er nichts, erst 2003 brachte er in Zusammenarbeit mit dem schottischen Regisseur Danny Boyle, der auch seinen The Beach inszenierte, den Zombie-Thriller 28 Days Later hervor. Beide wurden für ihre Arbeit an dem Werk gelobt, das eine neue Welle von LSD-ähnlichen Zombies erschuf, geifernd und reaktionsschnell. Ein Jahr später erschien sein dritter Roman, The Coma (2004), dabei eher eine Novelle denn ein Roman. Erzählt wird eine interessante Mindfuck-Geschichte ohne rechte Auflösung, sehr kurzlebig und nicht im Stande, an den Erfolg von The Beach anzuknüpfen. Schließlich führte es Garland wieder mit Boyle zusammen, er verfasste das Drehbuch für seinen Sci-Fi-Thriller Sunshine aus dem vergangenen Jahr. Zudem schrieb er den ersten Entwurf für die von Peter Jackson geplante Verfilmung der Halo-Serie, doch das Projekt liegt momentan auf Eis.
“It’s paradise”, Sammy murmured. “It’s Eden.”
“Eden”, Zeph agreed, “is how it sounds.” (p. 58)
Der Londoner Richard ist Anfang 20 und ein Backpacker – ein Rucksacktourist. Sein beliebtestes Reiseziel sind die Philippinen, doch jetzt besucht er zum ersten Mal Thailand. Anlaufstation ist die berühmte Khao San Road. Ein stummer Hippie empfiehlt ihm eine Jugendherberge, Sammelplatz für all die Westler, die ihrer Umgebung entkommen wollen und sich quasi in Asien ein Abbild davon erschaffen. Im Zimmer neben Richard hört er es eines Nachts rumoren und lernt einen schrägen Schotten kennen. Beide führen eine belanglose Unterhaltung und rauchen gemeinsam einen Joint, ehe sie zu Bett gehen. Am nächsten Tag jedoch findet Richard an seiner Tür eine handgezeichnete Karte und im Zimmer des Schotten eine Suizidleiche. Auf der Karte sind mehrere Inseln rund um den Ort Ko Samui eingezeichnet und mit einem X eine Lagune in einem der Nationalparks markiert.
Beim Polizeiverhör trifft Richard auf Étienne, einen 20-jährigen Franzosen, der mit seiner Freundin in derselben Herberge wohnt. Aus einem Impuls heraus beginnt Richard ein Gespräch und erzählt Étienne von der Karte. “I want to do something different, and everybody wants to do something different. But we all do the same thing”, erklärt Étienne und spricht Richard aus dem Herzen. Mit Étiennes Freundin Françoise planen sie also ihren Trip nach Ko Samui, von wo aus sie mit einem Fischerboot in das Innere des Nationalparks vordringen wollen, in der Hoffnung den ominösen Strand zu finden. Auf Ko Samui treffen sie auf zwei Amerikaner, Zeph und Sammy, die ihnen eine moderne Sage eines geheimnisvollen Strandes erzählen. Während die Franzosen nervös aufbrechen wollen, hinterlässt Richard den beiden eine Kopie der Karte – zur Sicherheit, sollten sie nicht mehr zurückkehren.
“It doesn’t matter why I found it so easy to assimilate myself into the beach life. The question is why the beach life found it so easy to assimilate me.”
(p. 116)
Auf der Insel stoßen sie zuerst auf ein riesiges Marihuana-Feld, können den Wachen jedoch entfliehen. Richard wird gezwungen, das Kommando zu übernehmen und spürt zum ersten Mal den Adrenalinkitzel, welchen die Insel für ihn bereit hält. Es gelingt ihnen schließlich am Ende des Tages in eine kleine Lagune vorzudringen, wo sie von einem der Strandbewohner, Jed, begrüßt werden. Sie werden vor die Leiterin der Strandgemeinschaft, Sal, gebracht, die sie schließlich willkommen heißt, als sich herausstellt, dass Richard, Étienne und Françoise die Karte von Gründungsmitglied Daffy erhalten haben. Von seiner angefertigten Kopie erzählt Richard niemandem etwas. Es gelingt den Neuankömmlingen sich schnell in das Strandleben einzugliedern, welches Menschen aus verschiedenen Nationen beherbergt. Eingeteilt in vier Lager übernimmt jeder seinen Teil, um die Gemeinschaft am Leben zu erhalten. Jeder fühlt sich, als wäre er im Paradies angelangt.
Erste Probleme treten auf, als Richard mit Jed bei einer Reistour in Ko Pha-Ngan auf Zeph und Sammy stößt, die mit einer Gruppe Deutscher die Expedition zum Strand planen. Richard wird schließlich von Sal zu Jed abbestellt, beide fungieren als Wachpersonal und beobachten die designierten neuen Ankömmlinge. Seine Abkehr vom Strand fällt Richard dabei zur eigenen Überraschung erstaunlich leicht, im Dickicht des Dschungels spielt er mit Jed den Vietnamkrieg nach. Besser und zugleich schlechter wird die Situation erst, als nach einer Lebensmittelvergiftung am Strand ein Hai die drei schwedischen Fischer angreift. Einer stirbt, der andere liegt die nächsten Wochen im Sterben und der dritte verliert scheinbar den Verstand. Die Stimmung ist gedrückt, Jed muss sich um den verletzten Christo kümmern und Richard hat das Dickicht ganz für sich alleine. Schließlich kehrt auch Daffy zurück und eröffnet ihm seinen Plan.
“But mainly, I chose you because you were a traveller. Any traveller would have done the job. Spreading the news is in our nature.”
(p. 378)
Garlands Werk wird oft mit William Goldings Lord of the Flies verglichen, dabei hat es abgesehen von dem Setting an einem tropischen Strand und der Abkapselung von der Gesellschaft nicht viel mit ihm gemeinsam. Es handelt sich nicht um eine Gruppe Überlebender, die versuchen eine Hierarchie aufzubauen, sondern um eine Gruppe Reisender, auf der Suche nach dem letzten nicht von Touristen verseuchten Stück Strand. Eine Hierarchie ist bereits vorhanden und von Garland als gelungenes Spiegelbild unserer heutigen Welt aufgebaut. Der Strand ist bevölkert von Italienern, Israelis, Jugoslawen, Schweden, Franzosen, Australiern und Engländern – doch scheinbar nur von einer amerikanischen Person: Sal. Die wiederum ist diejenige, die keiner Arbeit am Strand nachgeht. Stattdessen kontrolliert sie die anderen, fungiert als ihre Führerin und spricht notfalls Befehle aus.
Quasi eine kleine US-Hegemonie an einem kleinen thailändischen Strand. Eine verschlossene Gesellschaft, so ist die Idee. Doch aus den ursprünglich drei Gründern wurden schnell mehr. Jeder erzählt es jemand anderem und so weiter. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei Jed ein, der als erster uneingeladen am Strand erschien. Sein Auftreten stellt den Anfang des Endes dar, der schließlich von Daffy dadurch inszeniert wird, dass er Richard die Karte gibt. Was Garland anschließend erschafft, ist ein ausgeklügelter und sehr real wirkender Thriller, der von seinen Figuren lebt und deren Persönlichkeitsprofil. Treibende Kraft ist hierbei Richard, der als Erzähler fungiert und ein Kind im Körper eines Mannes darstellt. The Beach ist Garlands Meisterwerk, kein Lord of the Flies der Generation X, wie es Nick Hornby bezeichnete. Es ist ein Stück menschlicher Charakter in Papierform.
Eigentlich gab es keine besseren Voraussetzungen für The Beach, als vom Schotten Danny Boyle (Trainspotting) inszeniert zu werden, der hiermit den Sprung nach Hollywood versuchte. The Beach stellt seinen vierten Film dar und die vierte Zusammenarbeit mit Autor John Hodge. Danach sollte er eine Kooperation mit Alex Garland beginnen, dem Autor der Romanvorlage, der hier aber nicht involviert war. Die meiste Aufmerksamkeit erregte jedoch die Maßnahme von 20th Century Fox, einen thailändischen Strand mit zusätzlichen Palmen zu versehen und Sand abzutragen. Umweltschützer wollten die Dreharbeiten boykottieren, der Prozess um die ganze Schose wurde erst vor wenigen Jahren beendet. Mit 50 Millionen Dollar Produktionskosten wurde The Beach von Kritikern zum Flop proklamiert, weltweit spielte er dabei das Dreifache seiner Kosten ein, hält aber heute noch bei Rotten Tomatoes eine Bewertung von 19 Prozent. Boyle beendete als Folge die soeben erst begonnene Hollywood-Karriere, kehrte vorerst nach Großbritannien zurück und inszenierte hier zwei Jahre später 28 Days Later.
Der über 400 Seite starke Roman wurde für die Adaption erwartungsgemäß gekürzt, viele Dinge ausgelassen und komprimiert. Die einschneidenste Veränderung ist sicherlich die Amerikanisierung der Handlung, Richard wird vom Londoner zum New Yorker. Als Folge musste der vorgesehene Ewan McGregor somit dem aufstrebenden Leonardo DCaprio weichen. Dafür mutiert Sal (Tilda Swinton) wiederum zur Britin, womit natürlich Garlands subtile Anspielung auf Amerikas Hegemonialstreben flöten geht. Sehr viel gravierender ist da die Einführung von gleich zwei Romanzen für Richard. Nicht nur mit Françoise, die im Roman Étienne treu bleibt, sondern auch noch mit Sal. Außer zusätzliches Drama hat dies für die Handlung des Films natürlich absolut keinen Hintersinn – so sehr man als männlicher Zuschauer auch die entblößten Brüste von Virginie Ledoyens Brüste zu schätzen weiß.
Eine weitere gravierende, jedoch nicht weiter verwerflich Änderung ist die Auslassung von Jed. Der wird vielmehr auf drei andere Charaktere verteilt, verschwimmt mit Keaty, Sal und Étienne (Guilleume Canet). Derweil werden viele der anderen Figuren am Strand nicht näher beleuchtet: Cassie sieht man kurz, Unhygeniex dagegen etwas öfter und Keaty wird seltsamerweise zum bibeltreuen Cricket-Fan. Jesse, Jean, Ella, Moeshe und andere tauchen wiederum gar nicht auf. Im Gegensatz zur Vorlage greift dafür der Film die spannungsgeladene und paranoide Nebenhandlung rund um Richards „Geheimaufträge“ nicht auf, legt den Fokus dafür auf dessen Exil, nachdem Zeph und Sammy zur Insel stoßen. Beide werden im Film nicht näher beleuchtet, ihre Intelligenz verschleiert und die Beziehung zwischen Richard und ihnen nur oberflächlich behandelt. So wird nicht wirklich ersichtlich, wieso er zwei scheinbar Fremden eine Kopie der Karte hinterlässt.
Da Jed in der Reistour durch Sal ersetzt wird, ist sie es, die mitbekommt, dass Richard jemandem vom Strand erzählt hat. Das wiederum hat Konsequenzen für das Ende, das bei Hodge nicht wirklich Sinn macht, wie es ohnehin eine weichgespülte FSK-12-Abwandlung fürs Kinos darstellt. Den Machern scheint es wichtig gewesen zu sein, das Strandleben in seiner ganzen Blüte zu präsentieren, um danach sogleich den sozialen Verfall skizzieren zu können. Gerade die Situation mit den Schweden ist jedoch einschneidend für den Handlungsverlauf, besonders in Verbindung mit Jed, da beide gemeinsam der Auslöser für die eigentliche Geschichte sind. Dieser – rund um Daffys Handeln und dem Hintersinn der Strandgesellschaft – folgt der Film jedoch nicht. Subtrahiert von seiner philosophisch-psychologischen Facette präsentiert er sich vielmehr als Paradies-Thriller, rund um eine Gemeinschaft, die ein einzelnes Ereignis aus ihrem Frieden reißt.
Das Ende enttäuscht etwas, trifft es doch nicht den Ton sowohl der Vorlage als auch dem Aufbau des Films. Jedoch fällt dies alles nicht allzu sehr ins Gewicht, da die Stimmung, die Boyle rüberbringen will, überzeugt. Die Insel ist ebenso gut gewählt, wie der Strand mit der Lagune. Hier wird die Atmosphäre der Vorlage sehr gut getroffen, auch oder gerade besonders wenn Richard wieder nach Ko Pha-Ngan geworfen wird und den Kontrast erfährt. Zudem weiß das Casting zu gefallen, Paterson Joseph überzeugt als Keaty und Tilda Swinton als herrscherische Sal. Am gelungensten fiel das Casting jedoch bei Guilleume Canet als Étienne und Virginie Ledoyen als Françoise aus, enttäuschend ist dagegen Leonardo DiCaprio, der mit etlichen Grimassen an dem vorbeispielt, was Richard darstellt – overacting inklusive. Ein britischer Richard mit Ewan McGregor wäre sicher besser gewesen.
Zusammengehalten wird Boyles Film durch einen hervorragend gewählten Elektro-Pop-Soundtrack mit Songs von Moby bis Faithless, der in den einzelnen Liedern sehr gut die jeweilige Stimmung der Szenen einzufangen vermag und The Beach im Grunde zu dem machen, was er ist: ein Feel-Good-Thriller. Die Optik besticht durch helle Farben, die Mehrheit des Films spielt in der sandigen Landschaft der Lagune. Man sehnt sich praktisch selbst nach Thailand, die Musik trägt dazu selbstverständlich ihr übriges bei. Problematisch wird es nur, wenn der Film die Harmonie des Paradieses zu lange anbiedert, dann jedoch den Terror nicht effizient genug darstellt und zudem etwas unterschlägt. Die Stärke von Richards Erkenntnis, dass er selbst zum Spielball von Daffys destruktivem Verhalten geworden ist, fehlt auch, um dem Film letztlich die Wirkung seines Kult-Romans zu verpassen.
Die Grundstimmung von Garlands Geschichte gelingt Boyle dennoch einzufangen und dieser selbst scheint mit dem Ergebnis auch relativ zufrieden gewesen zu sein, wie die anschließende Kollaboration der beiden beweist. Hätte man den Roman als das verfilmt was er ist, hätte man sicher keinen Gewinn aus dem Projekt erzielen können. Einer nicht jugendfreien Abgabe wäre ein verstörtes Publikum gefolgt, es wäre zwar ein besserer und stimmigerer Film entstanden, welche Auswirkung das allerdings auf die Karriere von Boyle gehabt hätte, lässt sich nicht absehen. Denn die 50 Millionen Dollar an Budget hätte eine werkgetreue Verfilmung sicher nicht eingespielt, sodass man das endgültige Resultat verstehen kann. So schlecht, wie der Film allgemein gemacht wird, ist er aber nicht. Für sich funktioniert er relativ gut – trotz DiCaprio und der Liebesbeziehung(en).
7/10
Für Schriftsteller kann der erste Roman eine hohe Bürde sein. In manchen Fällen braucht es mehrere Veröffentlichungen, ehe man sich einen Namen gemacht hat, in anderen Fällen wird gleich der erste Roman zum Bestseller. Oftmals kommt anschließend nicht mehr viel nach, man ist ein so genanntes Wunderkind, wie es Curtis Hanson in seinen The Wonder Boys ironisch skizzierte. Vor etwas mehr als zehn Jahren erschien mit The Beach ein Roman von einem 26-jährigen Engländer namens Alex Garland. Von Kritikern als eine Mischung aus Heart of Darkness und The Lord of the Flies beschrieben, beides jedoch nicht wirklich treffend, bescherte es dem Autor unerwarteten Ruhm. Seinem ersten Erfolg folgte The Tesseract (1998), eine Episodengeschichte, die nicht wirklich an die Stärke von The Beach anknüpfen konnte. War Garland also lediglich ein solches Wunderkind?
Viele Jahre schrieb er nichts, erst 2003 brachte er in Zusammenarbeit mit dem schottischen Regisseur Danny Boyle, der auch seinen The Beach inszenierte, den Zombie-Thriller 28 Days Later hervor. Beide wurden für ihre Arbeit an dem Werk gelobt, das eine neue Welle von LSD-ähnlichen Zombies erschuf, geifernd und reaktionsschnell. Ein Jahr später erschien sein dritter Roman, The Coma (2004), dabei eher eine Novelle denn ein Roman. Erzählt wird eine interessante Mindfuck-Geschichte ohne rechte Auflösung, sehr kurzlebig und nicht im Stande, an den Erfolg von The Beach anzuknüpfen. Schließlich führte es Garland wieder mit Boyle zusammen, er verfasste das Drehbuch für seinen Sci-Fi-Thriller Sunshine aus dem vergangenen Jahr. Zudem schrieb er den ersten Entwurf für die von Peter Jackson geplante Verfilmung der Halo-Serie, doch das Projekt liegt momentan auf Eis.
“It’s paradise”, Sammy murmured. “It’s Eden.”
“Eden”, Zeph agreed, “is how it sounds.” (p. 58)
Der Londoner Richard ist Anfang 20 und ein Backpacker – ein Rucksacktourist. Sein beliebtestes Reiseziel sind die Philippinen, doch jetzt besucht er zum ersten Mal Thailand. Anlaufstation ist die berühmte Khao San Road. Ein stummer Hippie empfiehlt ihm eine Jugendherberge, Sammelplatz für all die Westler, die ihrer Umgebung entkommen wollen und sich quasi in Asien ein Abbild davon erschaffen. Im Zimmer neben Richard hört er es eines Nachts rumoren und lernt einen schrägen Schotten kennen. Beide führen eine belanglose Unterhaltung und rauchen gemeinsam einen Joint, ehe sie zu Bett gehen. Am nächsten Tag jedoch findet Richard an seiner Tür eine handgezeichnete Karte und im Zimmer des Schotten eine Suizidleiche. Auf der Karte sind mehrere Inseln rund um den Ort Ko Samui eingezeichnet und mit einem X eine Lagune in einem der Nationalparks markiert.
Beim Polizeiverhör trifft Richard auf Étienne, einen 20-jährigen Franzosen, der mit seiner Freundin in derselben Herberge wohnt. Aus einem Impuls heraus beginnt Richard ein Gespräch und erzählt Étienne von der Karte. “I want to do something different, and everybody wants to do something different. But we all do the same thing”, erklärt Étienne und spricht Richard aus dem Herzen. Mit Étiennes Freundin Françoise planen sie also ihren Trip nach Ko Samui, von wo aus sie mit einem Fischerboot in das Innere des Nationalparks vordringen wollen, in der Hoffnung den ominösen Strand zu finden. Auf Ko Samui treffen sie auf zwei Amerikaner, Zeph und Sammy, die ihnen eine moderne Sage eines geheimnisvollen Strandes erzählen. Während die Franzosen nervös aufbrechen wollen, hinterlässt Richard den beiden eine Kopie der Karte – zur Sicherheit, sollten sie nicht mehr zurückkehren.
“It doesn’t matter why I found it so easy to assimilate myself into the beach life. The question is why the beach life found it so easy to assimilate me.”
(p. 116)
Auf der Insel stoßen sie zuerst auf ein riesiges Marihuana-Feld, können den Wachen jedoch entfliehen. Richard wird gezwungen, das Kommando zu übernehmen und spürt zum ersten Mal den Adrenalinkitzel, welchen die Insel für ihn bereit hält. Es gelingt ihnen schließlich am Ende des Tages in eine kleine Lagune vorzudringen, wo sie von einem der Strandbewohner, Jed, begrüßt werden. Sie werden vor die Leiterin der Strandgemeinschaft, Sal, gebracht, die sie schließlich willkommen heißt, als sich herausstellt, dass Richard, Étienne und Françoise die Karte von Gründungsmitglied Daffy erhalten haben. Von seiner angefertigten Kopie erzählt Richard niemandem etwas. Es gelingt den Neuankömmlingen sich schnell in das Strandleben einzugliedern, welches Menschen aus verschiedenen Nationen beherbergt. Eingeteilt in vier Lager übernimmt jeder seinen Teil, um die Gemeinschaft am Leben zu erhalten. Jeder fühlt sich, als wäre er im Paradies angelangt.
Erste Probleme treten auf, als Richard mit Jed bei einer Reistour in Ko Pha-Ngan auf Zeph und Sammy stößt, die mit einer Gruppe Deutscher die Expedition zum Strand planen. Richard wird schließlich von Sal zu Jed abbestellt, beide fungieren als Wachpersonal und beobachten die designierten neuen Ankömmlinge. Seine Abkehr vom Strand fällt Richard dabei zur eigenen Überraschung erstaunlich leicht, im Dickicht des Dschungels spielt er mit Jed den Vietnamkrieg nach. Besser und zugleich schlechter wird die Situation erst, als nach einer Lebensmittelvergiftung am Strand ein Hai die drei schwedischen Fischer angreift. Einer stirbt, der andere liegt die nächsten Wochen im Sterben und der dritte verliert scheinbar den Verstand. Die Stimmung ist gedrückt, Jed muss sich um den verletzten Christo kümmern und Richard hat das Dickicht ganz für sich alleine. Schließlich kehrt auch Daffy zurück und eröffnet ihm seinen Plan.
“But mainly, I chose you because you were a traveller. Any traveller would have done the job. Spreading the news is in our nature.”
(p. 378)
Garlands Werk wird oft mit William Goldings Lord of the Flies verglichen, dabei hat es abgesehen von dem Setting an einem tropischen Strand und der Abkapselung von der Gesellschaft nicht viel mit ihm gemeinsam. Es handelt sich nicht um eine Gruppe Überlebender, die versuchen eine Hierarchie aufzubauen, sondern um eine Gruppe Reisender, auf der Suche nach dem letzten nicht von Touristen verseuchten Stück Strand. Eine Hierarchie ist bereits vorhanden und von Garland als gelungenes Spiegelbild unserer heutigen Welt aufgebaut. Der Strand ist bevölkert von Italienern, Israelis, Jugoslawen, Schweden, Franzosen, Australiern und Engländern – doch scheinbar nur von einer amerikanischen Person: Sal. Die wiederum ist diejenige, die keiner Arbeit am Strand nachgeht. Stattdessen kontrolliert sie die anderen, fungiert als ihre Führerin und spricht notfalls Befehle aus.
Quasi eine kleine US-Hegemonie an einem kleinen thailändischen Strand. Eine verschlossene Gesellschaft, so ist die Idee. Doch aus den ursprünglich drei Gründern wurden schnell mehr. Jeder erzählt es jemand anderem und so weiter. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei Jed ein, der als erster uneingeladen am Strand erschien. Sein Auftreten stellt den Anfang des Endes dar, der schließlich von Daffy dadurch inszeniert wird, dass er Richard die Karte gibt. Was Garland anschließend erschafft, ist ein ausgeklügelter und sehr real wirkender Thriller, der von seinen Figuren lebt und deren Persönlichkeitsprofil. Treibende Kraft ist hierbei Richard, der als Erzähler fungiert und ein Kind im Körper eines Mannes darstellt. The Beach ist Garlands Meisterwerk, kein Lord of the Flies der Generation X, wie es Nick Hornby bezeichnete. Es ist ein Stück menschlicher Charakter in Papierform.
The Beach
I was waiting for it to hit me.Eigentlich gab es keine besseren Voraussetzungen für The Beach, als vom Schotten Danny Boyle (Trainspotting) inszeniert zu werden, der hiermit den Sprung nach Hollywood versuchte. The Beach stellt seinen vierten Film dar und die vierte Zusammenarbeit mit Autor John Hodge. Danach sollte er eine Kooperation mit Alex Garland beginnen, dem Autor der Romanvorlage, der hier aber nicht involviert war. Die meiste Aufmerksamkeit erregte jedoch die Maßnahme von 20th Century Fox, einen thailändischen Strand mit zusätzlichen Palmen zu versehen und Sand abzutragen. Umweltschützer wollten die Dreharbeiten boykottieren, der Prozess um die ganze Schose wurde erst vor wenigen Jahren beendet. Mit 50 Millionen Dollar Produktionskosten wurde The Beach von Kritikern zum Flop proklamiert, weltweit spielte er dabei das Dreifache seiner Kosten ein, hält aber heute noch bei Rotten Tomatoes eine Bewertung von 19 Prozent. Boyle beendete als Folge die soeben erst begonnene Hollywood-Karriere, kehrte vorerst nach Großbritannien zurück und inszenierte hier zwei Jahre später 28 Days Later.
Der über 400 Seite starke Roman wurde für die Adaption erwartungsgemäß gekürzt, viele Dinge ausgelassen und komprimiert. Die einschneidenste Veränderung ist sicherlich die Amerikanisierung der Handlung, Richard wird vom Londoner zum New Yorker. Als Folge musste der vorgesehene Ewan McGregor somit dem aufstrebenden Leonardo DCaprio weichen. Dafür mutiert Sal (Tilda Swinton) wiederum zur Britin, womit natürlich Garlands subtile Anspielung auf Amerikas Hegemonialstreben flöten geht. Sehr viel gravierender ist da die Einführung von gleich zwei Romanzen für Richard. Nicht nur mit Françoise, die im Roman Étienne treu bleibt, sondern auch noch mit Sal. Außer zusätzliches Drama hat dies für die Handlung des Films natürlich absolut keinen Hintersinn – so sehr man als männlicher Zuschauer auch die entblößten Brüste von Virginie Ledoyens Brüste zu schätzen weiß.
Eine weitere gravierende, jedoch nicht weiter verwerflich Änderung ist die Auslassung von Jed. Der wird vielmehr auf drei andere Charaktere verteilt, verschwimmt mit Keaty, Sal und Étienne (Guilleume Canet). Derweil werden viele der anderen Figuren am Strand nicht näher beleuchtet: Cassie sieht man kurz, Unhygeniex dagegen etwas öfter und Keaty wird seltsamerweise zum bibeltreuen Cricket-Fan. Jesse, Jean, Ella, Moeshe und andere tauchen wiederum gar nicht auf. Im Gegensatz zur Vorlage greift dafür der Film die spannungsgeladene und paranoide Nebenhandlung rund um Richards „Geheimaufträge“ nicht auf, legt den Fokus dafür auf dessen Exil, nachdem Zeph und Sammy zur Insel stoßen. Beide werden im Film nicht näher beleuchtet, ihre Intelligenz verschleiert und die Beziehung zwischen Richard und ihnen nur oberflächlich behandelt. So wird nicht wirklich ersichtlich, wieso er zwei scheinbar Fremden eine Kopie der Karte hinterlässt.
Da Jed in der Reistour durch Sal ersetzt wird, ist sie es, die mitbekommt, dass Richard jemandem vom Strand erzählt hat. Das wiederum hat Konsequenzen für das Ende, das bei Hodge nicht wirklich Sinn macht, wie es ohnehin eine weichgespülte FSK-12-Abwandlung fürs Kinos darstellt. Den Machern scheint es wichtig gewesen zu sein, das Strandleben in seiner ganzen Blüte zu präsentieren, um danach sogleich den sozialen Verfall skizzieren zu können. Gerade die Situation mit den Schweden ist jedoch einschneidend für den Handlungsverlauf, besonders in Verbindung mit Jed, da beide gemeinsam der Auslöser für die eigentliche Geschichte sind. Dieser – rund um Daffys Handeln und dem Hintersinn der Strandgesellschaft – folgt der Film jedoch nicht. Subtrahiert von seiner philosophisch-psychologischen Facette präsentiert er sich vielmehr als Paradies-Thriller, rund um eine Gemeinschaft, die ein einzelnes Ereignis aus ihrem Frieden reißt.
Das Ende enttäuscht etwas, trifft es doch nicht den Ton sowohl der Vorlage als auch dem Aufbau des Films. Jedoch fällt dies alles nicht allzu sehr ins Gewicht, da die Stimmung, die Boyle rüberbringen will, überzeugt. Die Insel ist ebenso gut gewählt, wie der Strand mit der Lagune. Hier wird die Atmosphäre der Vorlage sehr gut getroffen, auch oder gerade besonders wenn Richard wieder nach Ko Pha-Ngan geworfen wird und den Kontrast erfährt. Zudem weiß das Casting zu gefallen, Paterson Joseph überzeugt als Keaty und Tilda Swinton als herrscherische Sal. Am gelungensten fiel das Casting jedoch bei Guilleume Canet als Étienne und Virginie Ledoyen als Françoise aus, enttäuschend ist dagegen Leonardo DiCaprio, der mit etlichen Grimassen an dem vorbeispielt, was Richard darstellt – overacting inklusive. Ein britischer Richard mit Ewan McGregor wäre sicher besser gewesen.
Zusammengehalten wird Boyles Film durch einen hervorragend gewählten Elektro-Pop-Soundtrack mit Songs von Moby bis Faithless, der in den einzelnen Liedern sehr gut die jeweilige Stimmung der Szenen einzufangen vermag und The Beach im Grunde zu dem machen, was er ist: ein Feel-Good-Thriller. Die Optik besticht durch helle Farben, die Mehrheit des Films spielt in der sandigen Landschaft der Lagune. Man sehnt sich praktisch selbst nach Thailand, die Musik trägt dazu selbstverständlich ihr übriges bei. Problematisch wird es nur, wenn der Film die Harmonie des Paradieses zu lange anbiedert, dann jedoch den Terror nicht effizient genug darstellt und zudem etwas unterschlägt. Die Stärke von Richards Erkenntnis, dass er selbst zum Spielball von Daffys destruktivem Verhalten geworden ist, fehlt auch, um dem Film letztlich die Wirkung seines Kult-Romans zu verpassen.
Die Grundstimmung von Garlands Geschichte gelingt Boyle dennoch einzufangen und dieser selbst scheint mit dem Ergebnis auch relativ zufrieden gewesen zu sein, wie die anschließende Kollaboration der beiden beweist. Hätte man den Roman als das verfilmt was er ist, hätte man sicher keinen Gewinn aus dem Projekt erzielen können. Einer nicht jugendfreien Abgabe wäre ein verstörtes Publikum gefolgt, es wäre zwar ein besserer und stimmigerer Film entstanden, welche Auswirkung das allerdings auf die Karriere von Boyle gehabt hätte, lässt sich nicht absehen. Denn die 50 Millionen Dollar an Budget hätte eine werkgetreue Verfilmung sicher nicht eingespielt, sodass man das endgültige Resultat verstehen kann. So schlecht, wie der Film allgemein gemacht wird, ist er aber nicht. Für sich funktioniert er relativ gut – trotz DiCaprio und der Liebesbeziehung(en).
7/10
Die Verfilmung einer Literaturvorlage ist immer ein großer Kompromiß. Boyle versteht es aber glücklicherweise sich auf das wesentliche zu konzentrieren. Den Zerfall einer Gemeinschaft. Das ist ja auch schließlich sein Lieblingsthema. Mal deutlicher, mal abstrakter. DiCaprio war damals natürlich eine kontroverse Besetzung, aber im nachhinein auch eine glaubhafte. Ist er doch selbst irgendwie ein Aussteiger. Nach Titanic hätten doch die wenigsten geglaubt, daß er eben nicht in jedem noch so dämlichen Blockbuster mitspielen wird.
AntwortenLöschenSchön daß Dir so ein sachlicher Vergleich gelungen ist, dem ich mich zu 100% anschließen möchte. Ich denke die Kritik an dem Film kommt vor allem aus zwei Lagern. Erstere ist die, die sich mit den Änderungen hinsichtlich der Vorlage nicht abfinden wollen. Letztere ist das Mainstream Publikum, daß mit dem Thema schlicht nichts anfangen kann.
Ich hatte jedenfalls ein fantastisches Kinoerlebnis. Wie eigentlich immer bei Boyle. Dem alten Theaterregisseur, der die Kraft der Bilder zu nutzen weiß;)
gehör wohl zu der gruppe, die das buch nicht gelesen haben und die thematik des films nicht prickelnd genug fand, den film sich anzuschaun.
AntwortenLöschenhat mich nie gereizt der film. vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich dicaprio nach titanic einfach nich mehr sehen wollte :-)
ich persönlicch fonde es schade, wie sich dicaprio entwickelte. man denke nur einmal an Gilbert Grape oder in den strassen von new york. genial gespielt. schade, dass er danach meiner meinung nach, nur rollen annahm, die seinem schauspielerischem talent nicht ausreizen.
aber das ist wohl jetzt alles eher offtopic:-)
@tumulder: Meine Meinung zu DiCaprio findet sich ja im Text ;) Aber seine schlechte Wahl wird zumindest teilweise durch die grandiose Besetzung mit Canet & Ledoyen egalisiert. Man braucht sich aber auch nichts vormachen, Boyle's BEACH ist kein Meisterwerk, will er allerdings auch nicht sein. Von daher ist es eine gute Umsetzung.
AntwortenLöschen@schwarz-marc-t: Alter Fuchs du! Ja, in GILBERT GRAPE war DiCaprio wahrlich gut, da stimme ich dir zu. Und overacting betreibt er eigentlich auch in jedem Film (DEPARTED, BLOOD DIAMOND). Aber na gut, kann nicht jeder mit Talent gesegnet sein.
Kein Meisterwerk, definitiv. Dennoch im Kino um einiges stärker als auf DVD oder im Fernsehen.
AntwortenLöschenUnd zu DiCaprio im allgemeinen, es gibt wesentlich schlimmeres aber auch wesentlich besseres;)
Ich mag den Film auch recht gerne, kenne allerdings die Vorlage nicht - insofern kann ich einige Punkte nicht nachvollziehen. Sollte ich wohl mal lesen.
AntwortenLöschenEhrlich gesagt: Ich halte diese vergleichenden Gegenüberstellungen, zumindest in so einer Grundsätzlichkeit und per se-Haltung wie ich es bei dir vernehme, nicht für allzu sinnvoll und oft von unberechtigtem Nachteil für den Film.
AntwortenLöschenDurch diese Änderung, der man dadurch hätte zuvorkommen können, dass nur Richard den beiden begegnet und keine sexuelle Erpressung stattfindet, macht das von Hodge geänderte Ende nicht wirklich Sinn, ist ohnehin sehr viel schwächer als in der Vorlage, die jedoch auch bei einer Freigabe ab 12 nicht fürs Kino umsetzbar gewesen wäre.
Der Film ist ab 16. ;)
@MVV: Es ist ja nicht so, dass ich einen Film sehe und ihn erst toll finde und nach der Vorlage dann nochmal runterziehe. Für mich geht es um die Adaption der Geschichte und wenn man dann wie dein geliebter Peter Jackson das ganze Verhalten von Figuren ändert, korrumpiert man imo die Geschichte. Ich werde auch weiterhin diese Rubrik führen :P
AntwortenLöschen@bullion: Ist mein absolutes Lieblingsbuch, kann ich dir nur empfehlen ;)