5. Februar 2009

The Conversation. An Essay

He'd kill us if he got the chance.

Die Filmkarriere von Francis Ford Coppola ist durchzogen von Auseinandersetzungen mit Studiovorsitzenden, Produzenten, Kameraleuten und im Grunde ohnehin jedem, der irgendwie nicht seiner Meinung war oder seinen Ansprüchen genügte. Kaum einer seiner Filme kommt ohne einen persönlichen Disput mit jemandem am Set aus. Da kann es durchaus passieren, dass der Regisseur seinen Hauptdarsteller hinter dessen Rücken als Arschloch bezeichnet, weil er sich zu sehr in seiner problematisch ausgearbeiteten Figur verliert. Und wenn seine Angestellten nicht in der Lage sind, den Wünschen des Egomanen gerecht zu werden, müssen diese kurzerhand ihre Stelle räumen. Unabhängig davon, ob die Produktion nicht ohnehin bereits in Verzug ist. So geschehen mit dem Choreograph bei Finian’s Rainbow oder mit Haskell Wexler, dem Kameramann von The Conversation. Es war Wexlers Arbeit an American Graffiti, die Coppola dazu bewog ihn für seinen „Arthouse“-Film The Conversation an Bord zu holen. Als Wexler dann einige Einstellungen des Regisseurs als unmöglich auszuleuchten einstufte, schmiss der Italo-Amerikaner ihn einfach raus. Eine Kompromisslösung, wie mit Gordon Willis während The Godfather geschehen, schien keine Option zu sein. Stattdessen übernahm Bill Butler die Arbeit als Kameramann und drehte den Film vollends zu Ende. Wiederholt arbeitete Coppola entweder mit alten Bekannten oder Familienmitgliedern an seinen Filmen, oftmals beides gleichzeitig. Leute von „außerhalb“ scheint das Ego des Regisseurs nicht am Set ausgehalten zu haben. Dies artete schließlich so weit aus, dass auch die Freundschaft mit George Lucas getrübt wurde. Aus den ehemals dicken Kumpels, die Coppolas Produktionsfirma American Zoetrope gründeten, wurden zwei Regisseure, die sich gegenseitig begannen ihren Erfolg zu missgönnen.

„The success of The Godfather went to my head like a rush of perfume. I thought I couldn’t do anything wrong”, blickte Coppola auf das Jahr 1972 zurück (vgl. Goodwin/Wise, S. 140). Drei Jahre später würde Coppola zum König von Hollywood aufsteigen, nachdem er drei Oscars für The Godfather: Part II abgeräumt hatte und nebenbei noch zwei weitere Mal für The Conversation nominiert worden war. Zuvor war dem Film bei den Festspielen von Cannes bereits die Palme d’Or verliehen worden und speziell in Europa kam The Conversation ohnehin besser als in den USA an. Der (britische) Virgin Film Guide überschlägt sich fast, spricht von einem „small, intimate, and brilliantly crafted film“, um nochmals zu bestärken, dass Coppolas Film „technically brilliant“ und „certainly one of the key films of the 1970s“ sei (vgl. Virgin Film Guide, S. 149). Und ohne Frage, was Coppola für fünf Millionen Dollar Produktionskosten und – wie so häufig bei ihm damals – unter immensem Zeitdruck zu Stande gebracht hat, ist von audio-visueller Seite her ausgesprochen gelungen. Die Darsteller sind gut besetzt, sei es der frischgebackene Oscarpreisträger Gene Hackman oder der in einer Nebenrolle glänzende Harrison Ford. Gerade die Szenen zwischen den beiden zählen zu den Stärken des Filmes. Dabei war dies, wie so vieles in Coppolas Filmen, weniger geplant als vielmehr improvisiert. Denn The Conversation war in seinem Ursprung nicht das, was er letztlich geworden ist. Coppola hatte 1968 nach den Dreharbeiten von The Rain People begonnen an einem Drehbuchentwurf zu The Conversation zu arbeiten, als ihm das Engagement von Finian’s Rainbow dazwischen kam. Während er das Skript über die Jahre fertig stellte (er hatte es übrigens bei Drehbeginn immer noch nicht abgeschlossen), sah er in seinem Werk eher einen Horrorfilm nach Hitchcocks Prägung (vgl. Johnson, S. 130). Die Hauptrolle sollte Marlon Brando spielen und die Rolle des Direktorassistenten Stett war eigentlich nur eine Randfigur. Wie immer bei Coppola, kam dann jedoch alles anders als zuvor geplant.

Zu Beginn des Filmes überblickt das Publikum einen öffentlichen Platz voller Menschen. Es ertönt die Musik einer Jazzcombo und ab und an ein geräuschvolles Knistern und Knacken. Es sind ungewohnte technische Töne, die zwar nicht gefährlich anmuten, aber dennoch eine gewisse Bedrohlichkeit in sich bergen. Die Kamera zoomt allmählich heran und konzentriert sich auf einen bebrillten Mann mit anbahnender Halbglatze und Schnauzbart. Es ist ein relativ warmer Tag, die Sonne scheint und dennoch trägt der Mann einen Plastikregenmantel. Als ein Pantomime ihn nachahmt, ergreift der Mann die Flucht, kann seinen Verfolger jedoch erst nach einigen Schritten hinter sich lassen. Doch in dieser Szene geht es nicht um jenen Mann, der auf den Namen Harry Caul (Gene Hackman) hört. Im Zentrum des Geschehens steht ein junges Pärchen (Frederic Forrest, Cindy Williams), das versucht ein entscheidendes Gespräch inmitten des umherwandelnden Pulks zu führen. Jene erste Sequenz ist der ausschlaggebende Punkt für The Conversation, dessen Handlung dann beginnt, als Coppola statt den Bespitzelten lieber der Person folgt, die jene Bespitzelung vornimmt. Zugleich war dies die Szene, die Coppola überhaupt dazu brachte, den Film von vorneherein zu drehen. Auf die Idee kam er über Regiekollege Irvin Kershner, der Coppola davon berichtete, dass entgegen der allgemeinen Meinung, man wäre in einer Menschenmasse im Freien anonym, inzwischen Mikrophone existierten, die so stark wären, dass man auch diese Gespräche einfangen könnte (vgl. Johnson, S. 129f.). Es ist bezeichnend, dass sowohl die Einleitung als auch die Auflösung des Filmes nicht von Coppola selbst entstammten.

Nachdem der Regisseur das Titelgebende Gespräch platziert hat, beginnt er seine Hauptfigur auszubauen. Als Harry Caul nach Hause kommt, erhält er Geburtstagsglückwunsche von einer Mitbewohnerin seines Gebäudekomplexes. Die Irritation hierüber steht ihm ins Gesicht geschrieben. Als er seine Haustür öffnet, die mit drei Schlössern versehen ist, stolpert er fast über eine Rotweinflasche. Seine Vermieterin hat diese in seiner Wohnung platziert, zusammen mit einer Grußkarte und Glückwünschen zu seinem 44. Geburtstag. Harry ist verwirrt, schließlich nahm er an den einzigen Schlüssel zu besitzen. Und auch der Zuschauer ist perplex, denn hier offenbart sich bereits eine von vielen Handlungslöchern, die Coppola nicht im Stande ist auszufüllen. Denn selbst wenn die Vermieterin über eine Kopie von Harrys Hausschlüssel verfügt, erklärt dies nicht, wie sie an den anderen beiden Schlössern vorbeigelangt ist. Was Coppola in diesem Moment bezwecken will, ist offensichtlich. Ein steril wirkendes Appartment, abgesichert mit drei Schlössern und einen durchaus paranoiden Protagonisten, der zu Hause zwar zwei Telefone stehen hat, aber für Anrufe dennoch an Münzfernsprecher geht. Coppolas Film ignoriert „die (offensichtlichen) Unplausibilitäten der Kriminalgeschichte wissentlich. Damit läuft der Film den Sehgewohnheiten des Kinozuschauers zuwider“, befindet Gabriele Weyand (vgl. Weyand, S. 77). Für sie sind die inhaltlichen Schwächen des Drehbuches entschuldbar, da der Regisseur sich vielmehr auf eine „Charakterstudie“ fokussieren wollte. Dass beides Hand in Hand geht, da sich die Figur über die Handlung definiert, scheint Weyand dabei vergessen zu haben. Denn durch die Zentralisierung der Geschichte auf eine einzige Person, steht und fällt der Film letztlich auch mit dieser. Und wenn es sich bei jener Person um eine derartig introvertierte Figur wie Harry Caul handelt, kann dies einem Film mitunter weitaus mehr schaden, als andernfalls.

„Henry Caul (…) was so introverted he bored even Coppola“, berichten dessen Biographen Goodwin und Wise (vgl. Goodwin/Wise, S. 145). Der Problematik seiner Hauptfigur war sich Coppola bewusst, selbst Hackman beklagte die fehlende Motivation der Figur. Das hat zur Folge, dass das Publikum leicht die Aufmerksamkeit zu verlieren droht, wenn Harry im Bild ist. Primär, weil er keinen wirklichen Einfluss auf das Gesehen ausübt. Auch über seine Person erfährt man so gut wie nichts. Scheinbar lebte er einst in New York, was selbst seinen eigenen Angestellten Stan (John Cazale) überrascht. Dort habe er einen hochprofessionellen Abhörjob erledigt, der in der Szene zur Legende geworden ist. Wobei es berühmt-berüchtigt wohl besser trifft, kostete die Aktion hinterher drei Menschen das Leben. Aus jenen Schuldgefühlen heraus, die Harry allerdings nie wirklich eingesteht, zog der Abhörspezialist nach San Francisco und verwickelt sich emotional in seinen aktuellen Fall. Wie der introvertierte Harry zu seiner Geliebten Amy (Teri Garr) kam oder wie lange sie zusammen waren bleibt im Dunkeln. Am meisten erfährt das Publikum anhand einer Traumsequenz über Harry. Wenig verwunderlich, dass Coppola seiner Figur erneut seine eigene Vergangenheit übertrug. Er sei als kleiner Junge Monate lang ans Bett gefesselt gewesen aufgrund von Polio, erklärt Caul in seinem Traum jener jungen Frau, deren Leben er retten will. Beinahe ertrunken sei er damals, ergänzt er und reflektiert somit neben der Polio Coppolas eigenen Unfall im Badezimmer, als seine Mutter Italia ihn in der Wanne vergaß. Kaum ein Regisseur dürfte so viel in seine Filme von sich selbst hineingetragen haben wie Francis Ford Coppola.

Es ist jene Traumsequenz, die den negativen Höhepunkt des Filmes markiert, nicht nur wegen der zu diesem Zeitpunkt inzwischen aufgetretenen Belanglosigkeit für persönliche Informationen, sondern gerade wegen ihrem surrealen Charakter, der sich nicht mit dem restlichen Film deckt. Hierzu kommen noch zwei Hitchcockeske Momente später im Hotelzimmer, wenn Coppola versucht den Horrorcharakter seines Filmes zu kreieren. All die Referenzen zu Alfred Hitchcocks Psycho, Michelangelo Antonionis Blow-Up sowie Herman Hesses Steppenwolf sind durchaus recht nett, bisweilen zwar sehr gezwungen, schaffen es jedoch nicht dem Film eine eigenständige Seele zu verleihen. Sei es ein Vito Corleone in The Godfather, ein Michael Corleone in The Godfather: Part II oder ein Captain Willard in Apocalypse Now, stets präsentiert Coppola eine starke und diskussionswürdige Figur als Helden seiner Geschichte. Im Vergleich zu seinen anderen Charakteren sticht Harry Caul total heraus. Er ist ein Held, der seine Entscheidungen dem Publikum nicht erläutert, dessen Aktionen sich im Rahmen des Geschehenen nicht nachvollziehen lassen. Dies wird speziell durch die Schwäche des Drehbuches deutlich, dessen Erzähltempo derart langsam ist, dass man geneigt ist einzuschlafen. Seinen Teil hierzu trägt Coppolas beliebte Maßnahme der Wiederholung bei, die sich bereits in seinen beiden Godfather-Fortsetzungen kenntlich machte. „I’m using repetition instead of exposition“, gesteht der Regisseur seinen Makel ein, ohne ihn als solchen zu sehen (vgl. Johnson, S. 132). Durchaus gewinnt die Auflösung am Ende ihre Stärke durch das mehrfache Abspielen der entscheidenden Gesprächspassage, doch steht dies wiederum in Verbindung mit all den Schwachpunkten, die nicht nur die Handlung, sondern zugleich unabdingbar die „Charakterstudie“ des Filmes unterminieren. „The plot loses its way in a forest of repetition and the hero’s character becomes implausible“, erkannte Tookey sehr treffend (vgl. Tookey, S. 145).

Entscheidend ist hierbei die Partyszene in Harrys Büro. Ebenjenes Büro, das nur einen Bruchteil einer gemieteten Etage ausmacht und in welchem Harry fürsorglich alles abschließt, was seinen Job ausmacht. Führte Coppola seinen Helden zu Beginn als paranoid und introvertiert ein, so verwundert die folgende Szene über alle Maße. Flippte Harry zu Beginn fast aus, als seine Vermieterin Zutritt zu seiner Wohnung erlangte – obschon nach seiner Aussage nichts Persönliches dort existiert -, so lädt er in der Mitte des Filmes nicht nur mehrere Prostituierte in sein Büro ein, sondern auch noch Kollegen und Konkurrenten! Diese können sich in seinem Arbeitsmaterial dann auch frei bewegen, sodass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Stan jenes ominöse Tonband abspielt. Dass dieses schließlich entwendet wird, sollte dann auch die Hauptfigur nicht mehr überraschen. Zu deutlich merkt man dem Film an, dass er zu keinem Zeitpunkt ein voll ausgearbeitetes Drehbuch hatte und sich viel zu sehr auf Improvisation stützte. Dass Coppola gerade diesen Film als seinen persönlichen Lieblingsfilm charakterisiert, überrascht da nur noch mehr. Denn dass der Film überhaupt über ein richtiges Ende verfügt, verdankt er Walter Murch, der für den Tonschnitt verantwortlich war. Coppola hatte sich zum Schluss nicht einmal mehr die Mühe gemacht, selbst seine Szenen zusammen zu ordnen und war an das Set von The Godfather: Part II weiter gewandert. So ist es Murchs Aufmerksamkeit zu verdanken, dass die finale Auflösung überhaupt als solche existiert. So gelungen diese auch anmuten mag, wirkt sie in ihrer Platzierung doch sehr stark gezwungen, wie ohnehin die gesamte Hotelszene nicht nur wegen der Hitchcock-Elemente nicht so recht mit dem Rest des Filmes fließen mag.

Der Schwachpunkt von The Conversation ist fraglos seine schlecht ausgearbeitete und unspannend garnierte Handlung. Diese orientiert sich an ihrem Hauptprotagonisten den sie – und damit sich selbst – im Laufe des Filmes korrumpiert. Die Moral des Filmes, dass „nicht alles was technisch möglich ist, gemacht werden [darf]“ (vgl. Weyand, S. 79) geht hier zudem stark unter. Denn letztlich wird Harrys Handeln von diesem nicht in Frage gestellt. Unabhängig davon besticht Coppolas „Zwischenstück“ der beiden Godfather-Filme durch seine durchaus technische Fingerfertigkeit. Angefangen vom ersten Kranzoom, über die Bespitzelung der Plaza und der ungewohnten Kameraeinstellungen in Harrys Wohnung ist die Kameraarbeit sehr gut. Hand in Hand geht dies selbstverständlich mit Murchs Tonschnitt, der sehr liebevoll jenen entscheidenden Gesprächsfaden emporzuheben weiß. Dass die Beleuchtung durchaus ein Problem war, welches auch Butler nicht fähig war zu beheben, merkt man dem Film bisweilen an. Die doch überraschende, wenn auch im Nachhinein extrem gezwungene, Auflösung, sowie das ungemein stimmige Ende des Filmes in seiner finalen Einstellung machen hier einiges wett, was die gemächliche Handlung zuvor in den Sand gesetzt hat. In seiner Epoche, kurz nach dem Watergate-Skandal, dürfte der Film durchaus sehr stark gewirkt haben und als Charakterstudie mag er bisweilen auch zugegebenermaßen funktionieren. Zum Meisterwerk fällt ihm dann jedoch viel zu viel, als dass dem einhelligen Chor der Lobpreisungen eingestimmt werden könnte. So ist The Conversation ein durchaus technisch brillanter Film, der jedoch an der typischen Coppola-Schwäche des Drehbuches hapert, welches er selbstständig verfasst hat. Die Besetzung geht in Ordnung, in einer Gastrolle als Direktor ist Robert Duvall zu sehen, der aufgrund der fehlenden Zeit jedoch keine Akzente setzen kann. Ebenso wenig wie Williams und Forrest. Lediglich der junge Harrison Ford hebt sich hervor und Hackman spielt den äußerst schwierigen Part durchaus ansehnlich. Ganze 24 Jahre später sollte Hackman in Tony Scotts Enemy of the State als Brill im Grunde eine Quasi-Fortsetzung zu The Conversation drehen.

7.5/10


Quellen und Literatur:

• Audiokommentar von Francis Ford Coppola, The Conversation, Paramount Pictures 2005.
• Goodwin, Michael/Wise, Naomi: On the Edge. The Life and Times of Francis Coppola, New York 1989.
• Johnson, Robert K.: Francis Ford Coppola, Boston 1977.
• Tookey, Christopher: The Critic’s Film Guide, London 1994.
• o. A.: Artikel “The Godfather, in: The Eighth Virgin Film Guide, London 1999, S. 291.
• Weyand, Gabriele: Der Visionär. Francis Ford Coppola und seine Filme, St. Augustin 2000.

3 Kommentare:

  1. Sehr schönes Review, kommt dann also auch noch Apocalypse Now?

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  2. Schlecht ausgearbeitete und unspannende Handlung?

    Oh Gott...

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  3. @Blondie: Ja, im März wahrscheinlich irgendwann.

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