16. Januar 2017

Personal Shopper

R u alive or dead ?

Klassischer Weise bekunden Menschen ihr Missfallen im Theater oder Kino, indem sie Werke statt mit Applaus mit Buhrufen beschenken. Viel Aufhebens wurde gemacht, als vergangenes Jahr Olivier Assayas’ neuer Film Personal Shopper bei seiner Premiere auf dem Filmfestival Cannes ausgebuht wurde. Dabei sind Buhrufe speziell in Cannes kein wirklich schlechtes Zeichen – das Gegenteil ist sogar fast der Fall. Schließlich wurden seiner Zeit auch schon Martin Scorseses Taxi Driver und Terrence Malicks The Tree of Life auf dem französischen Filmfest ausgebuht und gewannen am Ende doch die Palme d’Or. Für die reichte es am Ende zwar bei Personal Shopper nicht, dafür wurde Assayas für seine Regie des Geister-Thrillers ausgezeichnet.

Dieser dreht sich um die titelgebende persönliche Einkäuferin Maureen (Kristen Stewart), die für das Model Kyra (Nora von Waldstätten) in Paris Modeartikel und Accessoires verschiedener Boutiquen ausleiht. Ein Job, der Maureen wenig Freude bereitet, es ihr aber immerhin ermöglicht, vorerst in der französischen Hauptstadt zu bleiben. Dort wartet sie auf ein spirituelles Zeichen ihres drei Monate zuvor verstorbenen Zwillingsbruders Lewis, der wie sie ein Medium war. Die Geschwister versprachen sich, das derjenige, der zuerst stirbt, dem anderen ein Zeichen aus dem Jenseits gibt. Zwar erhält Maureen kurz darauf Rückmeldungen, allerdings von einem Unbekannten via iMessage. Ein Kontakt, der bald immer intensivere Ausmaße annimmt.

An sich besteht Personal Shopper aus drei Akten, angefangen mit Maureens Suche nach einer Botschaft von Lewis. Der erlag einem angeborenen Herzleiden, das auch seinen Zwilling befallen hat. Was erklären mag, wieso diese so auf eine Antwort des verstorbenen Bruders fixiert ist. Derweil sind dessen Freunde interessiert an Lewis’ Haus, das dieser renoviert hat. Wollen aber zuvor von Maureen wissen, wie es um einen Geist auf dem Anwesen bestellt ist. “We need to know if it’s benevolent or not”, so ihre Intention. Der Tod von Lewis ist offensichtlich etwas, mit dem auch sein Bekanntenkreis und seine Freundin (Sigrid Bouaziz) abschließen müssen. “I just need to see it to the end”, gesteht Maureen ihrem eigenen Freund Gary (Ty Olwin).

Die Geister-Story des ersten Akts weicht dann im zweiten einem sich langsam entwickelnden Thriller-Element, wenn Maureen auf einer Geschäftsreise nach London erstmals von einem vermeintlich Unbekannten per iMessage kontaktiert wird. Obschon für den Zuschauer keine Zweifel an der Identität von Maureens Gegenüber bestehen und sie selbst im Grunde auch keine haben sollte, inszeniert Assayas die Sequenz so, als wäre Maureen im Ungewissen, ob sie mit Lewis schreibt oder jemand anderem. Ärgerlich wird es dann, wenn der Film im Folgenden immer wieder zu Maureens iPhone zurückschneidet, während diese ein persönliches Frage-Antwort-Spiel mit ihrem Gegenüber beginnt, in dem sie sich verstärkt öffnet.

Stewarts Figur will jemand anderes sein, weiß aber nicht genau wer. Es reizt sie, all die Kleidung anzuprobieren, die sie für Kyra organisiert, was diese ihr jedoch untersagt hat. Von Waldstätten ist die meiste Zeit nicht präsent, über ihre Kyra wird mehr geredet als diese selbst zu Wort kommt. Als “pain in the ass” beschreibt sie Maureen gegenüber Kyras Liebhaber Ingo (Lars Eidinger), vom Ruf als “monster” berichtet eine Fotografin bei einem bevorstehenden Shooting. “No desire if it’s not forbidden”, neckt ihr Chat-Partner Maureen später, sodass diese sich in voller Montur in Kyras Outfit wirft, während die Szene von Conradin Kreutzers „Hobellied“ unterlegt wird. Der Geister-Aspekt und Lewis sind zu diesem Zeitpunkt bereits in den Hintergrund gerückt.

Das zuvor eher seichte Thriller-Element nimmt in der ersten Hälfte des Schlussaktes dann zu, ehe die Anspannung gelöst wird und Personal Shopper in seinen Epilog übergeht, der wieder zu dem spiritualistischen Thema zu Beginn zurückkehrt. Olivier Assayas versucht in seinem jüngsten Werk (zu) viele Ideen und Genre-Aspekte zu vermengen, was an sich interessant ist und gerade im ersten und dritten Akt weitestgehend funktioniert, nur verheddert er sich dabei bisweilen auch derart, dass manches auf der Strecke bleibt. Getragen wird der Film dabei durchweg von der wie immer überzeugenden Kristen Stewart, die aus dem Material das Maximum herausholt. Zumindest sie wird wohl keine Buhrufe befürchten müssen.

7/10

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