Warum sind wir hier, was ist der Sinn unserer Existenz? Fragen, so alt wie die Menschheit selbst, die aufgrund unzureichender Antworten irgendwann der Einfachheit halber die Religion erfand. Die Sinnfrage beschäftigt auch den Protagonisten in The Zero Theorem, dem jüngsten Film von Terry Gilliam, der diesen als Abschluss seiner Dystopie-Trilogie sieht, zu der Brazil und 12 Monkeys gehören. In einem futuristischen London ist Qohen Leth (Christoph Waltz) einer von vielen Angestellten der Firma Mancom und berechnet für diese Einheiten. Qohen strebt danach, als arbeitsunfähig deklariert zu werden, damit er von daheim – einer verlassenen Kirche – arbeiten kann. Dort erwartet er den Anruf einer höheren Autorität.
Diese wollte die Antwort auf die alles entscheidende Frage geben, doch der Anruf wurde frühzeitig beendet. “All we want is our call”, wiederholt Qohen – der von sich selbst in der 1. Person Plural spricht – mehrfach im Film. Weil die Firmenärzte ihm die Arbeitsunfähigkeit nicht bestätigen, sondern lediglich mit dem Psychiater-Programm Dr. Shrink-Rom (Tilda Swinton) nach Hause schicken, sucht Qohen das Gespräch mit dem Management (Matt Damon). Auf einer Feier seines Vorgesetzten Joby (David Thewlis) erhält Qohen seine Chance – wird jedoch zuerst nicht erhört. Immerhin lernt er die verführerische Bainsley (Mélanie Thierry) kennen, die ihn später dazu einlädt, mit ihr Cyber-Tantra-Sex zu haben. Dann meldet sich Management.
Qohen darf von daheim arbeiten, wenn er für Mancom das Zero Theorem knackt. “Zero must equal one hundred percent”, rattert der Computer daraufhin monatelang runter, während Qohen die entscheidende Gleichung bis auf knapp 98 Prozent pusht. Wirklich vorwärts kommt er jedoch nicht, sodass er irgendwann wieder in eine Sinnkrise fällt. Etwas, das Management nicht zulassen kann und Qohen unentwegt beobachtet. Die Antworten, die Qohen anstrebt, treiben uns letztlich alle um. Bieten können sie ihm weder das Management (“you’re quite insane”) noch Dr. Shrink-Rom (“you’re a tough nut to crack”). Und dennoch erhält Qohen Ansätze, wenn auch abseits des Zero Theorems. Schlichtweg, indem er lebt und interagiert.
Der zurückgezogen lebende Glatzkopf, der Körperkontakt vermeidet, weicht auf, als ihm Management seinen Progammierer-Sohn Bob (Lucas Hedges) zur Seite stellt. Genauso wie bei seinen Online-Dates im Cyberspace. Anstatt nach dem Sinn des Lebens zu fragen, lebt Qohen einfach. Doch das vermeintliche Glück – insofern existent – ist nur von kurzer Dauer. Prinzipiell ist The Zero Theorem also eine Allegorie auf das Leben selbst, welches wir zu Beginn des Films in ziemlich übersteigerter Form erleben. Penetrante Straßenreklame, eine Gesellschaft, abhängig von ihren Mobilgeräten – selbst auf Partys. Schrill-schräg ist diese Welt, die Gilliam entsprechend bunt zelebriert. Was jedoch eine gewisse billige Künstlichkeit mit sich bringt.
In der Tat sieht The Zero Theorem aus, als wäre er 20 Jahre alt, was sicher dem geringen Budget des Films geschuldet sein dürfte. Dessen grundsätzlich interessante Ideen und Ansätze vermag Gilliam bedauerlicherweise nicht zu transportieren. Qohen ist eine irritierende Figur, deren Spleen nicht recht greifbar ist. Wir erfahren später, dass er einst verheiratet war und nun geschieden ist, was angesichts seines Charakters verwundert – diesen womöglich aber auch erklärt. Grundsätzlich kann und soll die Figur wohl als Spiegelbild der Menschen gelesen werden, daher auch die Referenz auf sich selbst in der 1. Person Plural. Die philosophische Dichte, die der Intention des Ansatzes innewohnt, will sich derweil nicht wirklich einstellen.
Während Qohen nach einem Fixpunkt sucht, um seiner Existenzangst Einhalt zu gebieten, soll er für Management zugleich mit dem Zero Theorem die Big Crunch-Theorie bestätigen. “Everything adds up to nothing”, fasst es Joby eingangs zusammen. Für die Menschheit eine unnatürliche Vorstellung: ein Leben aus dem Nichts ins Nichts. “What’s the point?”, entgegnet Qohen daher. Später wird Management ihn bei der Arbeit mittels einer Kamera beobachten, die auf den Torso eines Kruzifix’ angebracht ist. Eine höhere Macht, die uns unentwegt beobachtet und kontrolliert. Eine der wenigen netten Ideen des Films, zu der auch Tilda Swintons Cameo als Psycho-Programm und David Thewlis im Monty-Python-Gedächtnis-Modus gehören.
Zugleich hadert der Film auch mit seinen Figuren. Christoph Waltz wirkt fehl am Platz oder nicht in seinem Element. Der ursprünglich vorgesehene Billy Bob Thornton wäre hier ebenso die bessere Wahl gewesen wie Management tatsächlich von Al Pacino statt Matt Damon spielen zu lassen. Gastauftritte von typische gilliamschen Figuren wie einem Doktoren-Trio (u.a. Peter Stormare und Ben Whishaw) oder Werbefiguren (darunter Rupert Friend) verpuffen, da sie keinem wirklichen Zweck dienen und nicht weiter verfolgt werden. Ohnehin wird die Welt des Films nicht erforscht – wofür man aufgrund des billigen Looks gleichzeitig irgendwie aber auch wieder dankbar sein muss. Richtig überzeugen kann The Zero Theorem jedenfalls nicht.
Zu Gute halten mag man dem Film, dass er immerhin originäre Ideen umsetzt – auch wenn viele Elemente mitunter an Brazil erinnern. Mit seinen dystopischen Kollegen aus Gilliams Œuvre kann sich The Zero Theorem jedenfalls nicht messen, dafür fehlt ihm das inhaltliche Momentum wie auch die visuelle Überzeugungskraft. Der Output des Ex-Python im 21. Jahrhundert vermag folglich nicht mehr mit seinen Werken aus den 1980er und 1990er Jahren mitzuhalten. Dies wiederum gibt wenig Hoffnung für sein wiedererwecktes Don-Quixote-Projekt, für das der Regisseur seit Jahren um Finanzierung kämpft. Aber zumindest scheint das Projekt Gilliams Schaffen einen Sinn zu geben. Und das ist doch wiederum schließlich auch etwas.
Diese wollte die Antwort auf die alles entscheidende Frage geben, doch der Anruf wurde frühzeitig beendet. “All we want is our call”, wiederholt Qohen – der von sich selbst in der 1. Person Plural spricht – mehrfach im Film. Weil die Firmenärzte ihm die Arbeitsunfähigkeit nicht bestätigen, sondern lediglich mit dem Psychiater-Programm Dr. Shrink-Rom (Tilda Swinton) nach Hause schicken, sucht Qohen das Gespräch mit dem Management (Matt Damon). Auf einer Feier seines Vorgesetzten Joby (David Thewlis) erhält Qohen seine Chance – wird jedoch zuerst nicht erhört. Immerhin lernt er die verführerische Bainsley (Mélanie Thierry) kennen, die ihn später dazu einlädt, mit ihr Cyber-Tantra-Sex zu haben. Dann meldet sich Management.
Qohen darf von daheim arbeiten, wenn er für Mancom das Zero Theorem knackt. “Zero must equal one hundred percent”, rattert der Computer daraufhin monatelang runter, während Qohen die entscheidende Gleichung bis auf knapp 98 Prozent pusht. Wirklich vorwärts kommt er jedoch nicht, sodass er irgendwann wieder in eine Sinnkrise fällt. Etwas, das Management nicht zulassen kann und Qohen unentwegt beobachtet. Die Antworten, die Qohen anstrebt, treiben uns letztlich alle um. Bieten können sie ihm weder das Management (“you’re quite insane”) noch Dr. Shrink-Rom (“you’re a tough nut to crack”). Und dennoch erhält Qohen Ansätze, wenn auch abseits des Zero Theorems. Schlichtweg, indem er lebt und interagiert.
Der zurückgezogen lebende Glatzkopf, der Körperkontakt vermeidet, weicht auf, als ihm Management seinen Progammierer-Sohn Bob (Lucas Hedges) zur Seite stellt. Genauso wie bei seinen Online-Dates im Cyberspace. Anstatt nach dem Sinn des Lebens zu fragen, lebt Qohen einfach. Doch das vermeintliche Glück – insofern existent – ist nur von kurzer Dauer. Prinzipiell ist The Zero Theorem also eine Allegorie auf das Leben selbst, welches wir zu Beginn des Films in ziemlich übersteigerter Form erleben. Penetrante Straßenreklame, eine Gesellschaft, abhängig von ihren Mobilgeräten – selbst auf Partys. Schrill-schräg ist diese Welt, die Gilliam entsprechend bunt zelebriert. Was jedoch eine gewisse billige Künstlichkeit mit sich bringt.
In der Tat sieht The Zero Theorem aus, als wäre er 20 Jahre alt, was sicher dem geringen Budget des Films geschuldet sein dürfte. Dessen grundsätzlich interessante Ideen und Ansätze vermag Gilliam bedauerlicherweise nicht zu transportieren. Qohen ist eine irritierende Figur, deren Spleen nicht recht greifbar ist. Wir erfahren später, dass er einst verheiratet war und nun geschieden ist, was angesichts seines Charakters verwundert – diesen womöglich aber auch erklärt. Grundsätzlich kann und soll die Figur wohl als Spiegelbild der Menschen gelesen werden, daher auch die Referenz auf sich selbst in der 1. Person Plural. Die philosophische Dichte, die der Intention des Ansatzes innewohnt, will sich derweil nicht wirklich einstellen.
Während Qohen nach einem Fixpunkt sucht, um seiner Existenzangst Einhalt zu gebieten, soll er für Management zugleich mit dem Zero Theorem die Big Crunch-Theorie bestätigen. “Everything adds up to nothing”, fasst es Joby eingangs zusammen. Für die Menschheit eine unnatürliche Vorstellung: ein Leben aus dem Nichts ins Nichts. “What’s the point?”, entgegnet Qohen daher. Später wird Management ihn bei der Arbeit mittels einer Kamera beobachten, die auf den Torso eines Kruzifix’ angebracht ist. Eine höhere Macht, die uns unentwegt beobachtet und kontrolliert. Eine der wenigen netten Ideen des Films, zu der auch Tilda Swintons Cameo als Psycho-Programm und David Thewlis im Monty-Python-Gedächtnis-Modus gehören.
Zugleich hadert der Film auch mit seinen Figuren. Christoph Waltz wirkt fehl am Platz oder nicht in seinem Element. Der ursprünglich vorgesehene Billy Bob Thornton wäre hier ebenso die bessere Wahl gewesen wie Management tatsächlich von Al Pacino statt Matt Damon spielen zu lassen. Gastauftritte von typische gilliamschen Figuren wie einem Doktoren-Trio (u.a. Peter Stormare und Ben Whishaw) oder Werbefiguren (darunter Rupert Friend) verpuffen, da sie keinem wirklichen Zweck dienen und nicht weiter verfolgt werden. Ohnehin wird die Welt des Films nicht erforscht – wofür man aufgrund des billigen Looks gleichzeitig irgendwie aber auch wieder dankbar sein muss. Richtig überzeugen kann The Zero Theorem jedenfalls nicht.
Zu Gute halten mag man dem Film, dass er immerhin originäre Ideen umsetzt – auch wenn viele Elemente mitunter an Brazil erinnern. Mit seinen dystopischen Kollegen aus Gilliams Œuvre kann sich The Zero Theorem jedenfalls nicht messen, dafür fehlt ihm das inhaltliche Momentum wie auch die visuelle Überzeugungskraft. Der Output des Ex-Python im 21. Jahrhundert vermag folglich nicht mehr mit seinen Werken aus den 1980er und 1990er Jahren mitzuhalten. Dies wiederum gibt wenig Hoffnung für sein wiedererwecktes Don-Quixote-Projekt, für das der Regisseur seit Jahren um Finanzierung kämpft. Aber zumindest scheint das Projekt Gilliams Schaffen einen Sinn zu geben. Und das ist doch wiederum schließlich auch etwas.
4/10
Och schade, klingt eigentlich nach einer recht guten Idee. Zumal ich Gilliam wirklich mag. Zumindest alles bis "12 Monkeys", doch selbst "Brothers Grimm" fand ich noch irgendwie unterhaltsam. An "Tideland" hatte ich mich nicht herangewagt...
AntwortenLöschenKeine Sorge, gibt auch positive Besprechungen :)
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