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We are their toys. Their dolls, if you will.
(Lost Hearts, p. 23)
Den Wechsel von den achtziger Jahren hinüber in die Neunziger begleitete Neil Gaimans zweiter Band seiner The-Sandman-Reihe. Löblich für die Reihe, dass es nicht unbedingt des Vorgängerheftes bedarf, um jeden Band für sich genommen zu konsumieren. Zwar greift Gaiman Elemente auf, die er in Preludes & Nocturnes begonnen hat, aber diese sind eher Mittel zum Zweck, auf keinen Fall jedoch Verständnisbarrieren. Clive Barker lobt in seinem Vorwort die schiere Absurdität, die sich bisweilen nicht nur aber insbesondere in The Doll’s House breit macht. Und in der Tat ist es Gaiman erneut gelungen, hier und da Geschichten bzw. Handlungsverläufe einzubauen, die schlichtweg brillant und einzigartig sind. Oder zumindest extraordinär im Vergleich zum sonstigen Genrepool. Diese positiven Merkmale stechen umso mehr hervor, da The Doll’s House als Gesamtwerk nicht ganz so harmonisch daherkommt wie sein direkter Vorgänger.
In der Auftaktausgabe, Tales in the Sand, platziert Gaiman äußerst interessant eine Rückblende. Zwei afrikanische Stammesmitglieder fokussieren sich in einem Ritualabend in der Wüste auf die Geschichte ihres Dorfes. Erzählt wird die Geschichte Nadas, der Königin einer Stadt aus Glas. Eines Abends verliebte sich Nada in Morpheus, der getarnt unterwegs war. Sie suchte ihn in seinem Traumland auf, musste jedoch feststellen, dass beide gemeinsam keine Zukunft miteinander hatten. Er als Endless und sie als Sterbliche konnten nicht zusammen sein, selbst wenn Morpheus ihr anbot, sie zu seiner Königin zu machen. In einer Analogie zur biblischen Genesis versündigt sich schließlich die Frau, indem sie ihrem Begehren nachgibt. Die Schuld, die sie sich damit auflastet, treibt sie in den Suizid. Was Gaimans Auftaktausgabe auszeichnet, ist die Verbindung von Stammesgeschichte und Traumwelt, deren Grenzen hier mehrfach verwischen, da es sich um ein durch Generationen tradiertes Stück handelt. Pro- und Epilog der Ausgabe sind hierbei besonders bemerkenswert.
(Lost Hearts, p. 23)
Den Wechsel von den achtziger Jahren hinüber in die Neunziger begleitete Neil Gaimans zweiter Band seiner The-Sandman-Reihe. Löblich für die Reihe, dass es nicht unbedingt des Vorgängerheftes bedarf, um jeden Band für sich genommen zu konsumieren. Zwar greift Gaiman Elemente auf, die er in Preludes & Nocturnes begonnen hat, aber diese sind eher Mittel zum Zweck, auf keinen Fall jedoch Verständnisbarrieren. Clive Barker lobt in seinem Vorwort die schiere Absurdität, die sich bisweilen nicht nur aber insbesondere in The Doll’s House breit macht. Und in der Tat ist es Gaiman erneut gelungen, hier und da Geschichten bzw. Handlungsverläufe einzubauen, die schlichtweg brillant und einzigartig sind. Oder zumindest extraordinär im Vergleich zum sonstigen Genrepool. Diese positiven Merkmale stechen umso mehr hervor, da The Doll’s House als Gesamtwerk nicht ganz so harmonisch daherkommt wie sein direkter Vorgänger.
In der Auftaktausgabe, Tales in the Sand, platziert Gaiman äußerst interessant eine Rückblende. Zwei afrikanische Stammesmitglieder fokussieren sich in einem Ritualabend in der Wüste auf die Geschichte ihres Dorfes. Erzählt wird die Geschichte Nadas, der Königin einer Stadt aus Glas. Eines Abends verliebte sich Nada in Morpheus, der getarnt unterwegs war. Sie suchte ihn in seinem Traumland auf, musste jedoch feststellen, dass beide gemeinsam keine Zukunft miteinander hatten. Er als Endless und sie als Sterbliche konnten nicht zusammen sein, selbst wenn Morpheus ihr anbot, sie zu seiner Königin zu machen. In einer Analogie zur biblischen Genesis versündigt sich schließlich die Frau, indem sie ihrem Begehren nachgibt. Die Schuld, die sie sich damit auflastet, treibt sie in den Suizid. Was Gaimans Auftaktausgabe auszeichnet, ist die Verbindung von Stammesgeschichte und Traumwelt, deren Grenzen hier mehrfach verwischen, da es sich um ein durch Generationen tradiertes Stück handelt. Pro- und Epilog der Ausgabe sind hierbei besonders bemerkenswert.
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In Moving In erfährt man nunmehr genaueres zu den vier entflohenen Albträumen, den Korinther, Brute und Glob, sowie Fiddler’s Green. Während sich Rose auf die Suche nach ihrem verschwundenen Bruder macht, der sich als Opfer von Brute und Glob herausstellt, beginnt Dream seine Vorbereitungen, die entflohenen Träume wieder einzufangen. Die Ausgabe zeichnet sich dadurch aus, dass Brute und Glob ihre eigene kleine Traumwelt erschaffen haben, an der sie quasi laben, wobei sie selbst wiederum nur Handlanger sind und die „Kontrolle“ einer Art Marionette anvertraut haben. Vorgreifend kann gesagt werden, dass Barbie, eine von Roses neuen Mitbewohnern, im kommenden fünften Band, A Game of You, selbst zur Hauptprotagonistin wird. Bezüglich Moving In kann festgehalten werden, dass hier lediglich die Nebenhandlung um den Korinther von besonderem Interesse ist, wohingegen Brute und Globs Pseudo-Traumwelt eher enttäuschend wirkt.
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Nach der Hälfte von The Doll’s House holt Gaiman schließlich sein As im Ärmel hervor. Die fünfte Ausgabe Men of Good Fortune ist die mit Abstand gelungenste und doch – oder vielleicht gerade? – simpelste aller Geschichten dieses zweiten Bandes. Es ist eine losgelöste Geschichte, die keinen Zusammenhang mit den übrigen Abenteuern in diesem Band aufweist. Im Jahr 1389 verabreden sich Death und Dream in einer englischen Bar. Dort stellt Death ihrem Bruder Hob Gadling vor, einen Mann, der beschließt nicht zu sterben. „The only reason people die, is becauce everyone does it“, resümiert Hob. Dream verabredet sich mit ihm schließlich in selbiger Bar, aber einhundert Jahre später. Dieses Spiel geht so weiter, sechs Mal treffen sich Hob und Dream, wobei Morpheus Gadling stets fragt, ob er nun bereit sei zu sterben. Wie man sich denken kann, spiegeln all die Treffen auch das historische Umfeld wieder. Sei es die Renaissance oder London zur Zeit von Jack the Ripper. Selbst William Shakespeare hat einen Kurzauftritt und wird – wie so viele Figuren – in einer späteren Ausgabe nochmals auftreten. Was Men of Good Fortune auszeichnet, ist das Unausgesprochene, welches schließlich doch einen Namen erhält (Hob: „I think you’re lonely“).
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Denn an Collectors hätte ein David Fincher sicherlich seine wahre Freude. Gaiman setzt seiner Phantasie keine Grenzen und hebt in einem abseits gelegenen Motel eine Serienkiller-Convention aus den Angeln. Die Schlimmsten der Schlimmen treffen sich hier, um Vorträgen zu Lauschen und sich über Mordmethoden auszutauschen. Praktischerweise sind im selben Hotel auch Rose und der Korinther anwesend. Da lässt dann auch Dream nicht lange auf sich warten, der versucht den Korinther, der Gefallen an der Realität gefunden hat, wieder in seine Traumwelt zu lotsen. Das eingangs erwähnte Zitat von Clive Barker ob der Absurdität bei Gaiman findet hier nun seine Ursache. Auf die Idee und Umsetzung der Serienkiller-Convention muss man erst einmal kommen. Ähnlich wie 24 Hours im Vorgängerband sammelt sich an dieser Stelle in einer Ausgabe all die Morbidität, die die Handlung hervorzubringen weiß.
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Auch das „Finale“ mit Lost Hearts überzeugt nur bedingt. Es ist schön ruhig und unaufgeregt, dass muss man eingestehen. Zudem auch sehr gelungen bebildert. Aber die auflösende Wendung wirkt reichlich konstruiert, speziell da sie Dream mehr als nur ein bisschen bloßstellt. Fiddler’s Green offenbart sich endlich, wobei seine Identität schon einige Ausgaben zuvor im Grunde klar war. Will schon das Ende der Rose-Vortex-Geschichte nicht sonderlich beeindrucken, so kann Gaiman auf der Finalstrecke mit seinen letzten Panels noch Mal Punkte gutmachen, wenn er Dream und Desire konfrontieren lässt. Dahingehend weiß The Doll’s House als Gesamtwerk nur gelegentlich zu überzeugen (die Höhepunkte wurden angesprochen), doch unterm Strich ist die Geschichte von Dreams Wiederaufbau seines Reichs und Roses Schicksal als Vortex die meiste Zeit zu unspannend bzw. uninspiriert aufgebaut, als dass der zweite Band derart zu fesseln wüsste, wie es noch beim Vorgänger der Fall gewesen ist.
7/10
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