Man geht durch den Ort und sieht die Ärmsten der Armen, die sich von ihrer Situation nicht das Lächeln vom Gesicht zaubern lassen. So beschrieb Donald Trump Jr. im Februar 2018 auf kontroverse Weise den seines Erachtens sehr löblichen Geist des indischen Volkes. Dabei lassen sich auch die amerikanischen Figuren in Sean Bakers The Florida Project trotz ihres Lebens am Existenzminimum nicht die gute Laune verderben. Nur unweit des Walt Disney World Resorts, Orlando hausen sie in heruntergekommenen Motels als seien es Sozialwohnanlagen. Darunter auch Halley (Bria Vinaite) und ihre 6-jährige Tochter Moonee (Brooklynn Prince), die über die Runden kommen, indem sie Touristen in benachbarten Hotels reduziertes Parfüm andrehen.
The Florida Project widmet sich diesen Menschen am Rande der Gesellschaft. Jenen, die lediglich über begrenzte Möglichkeiten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verfügen. Denen es an einer Zukunft mangelt, weshalb es fast zynisch ist, wenn sie ihr Dasein in Motels mit Namen wie “Futureland Inn” fristen. Oder wie Halley und Moonee im purpurnen Magic Castle, das von Manager Bobby (Willem Dafoe) verwaltet wird. Dorthin verschlägt es eines Abends auch ein junges Paar brasilianischer Frischvermählter, die eigentlich in Disney World eine Reservierung im Magic Kingdom geplant hatten, ehe sie ein Missverständnis außerhalb des Resorts verschlug. “I feel bad for her”, zeigt Moonnee mit der jungen Braut, die den Tränen nahe ist, Mitleid.
Es ist eine der wenigen empathischen Szenen für das junge Mädchen, das sonst die meiste Zeit über eher den Schalk im Nacken hat. “You are shit!”, brüllt sie eine Bewohnerin des Motels nebenan zum Beispiel an, nachdem sie mit ihren Freunden zuvor deren Auto bespuckt hat. Oder sie vertreibt sich die Zeit, indem sie tote Fische in der eigenen Pool-Anlage entsorgt. “These are good kids. Most of the time”, bricht Bobby dennoch Moonee und ihren Freunden Scooty (Christopher Rivera) sowie Jancey (Valeria Cotto) eine Lanze. Dass unweit ihres Motels mit dem Disney World ein Kinder-Paradies existiert, scheinen die Kleinen dabei gar nicht mitzukriegen. Und lassen die Peripherie ihrer Motel-Anlage(n) vielmehr zum eigenen Resort geraten.
Auch aufgrund der vorherrschenden Sommerferien-Zeit dürfen Moonee und Co. meist Schalten und Walten wie es ihnen gefällt. “Let her do whatever she wants” ist zugleich Halleys (generelles) Motto, womit sie alles andere als eine Helikopter-Mutter darstellt. Wird die Tochter dann doch mal nach einem Vorfall wie der Auto-Bespuckerei zur Rechenschaft gezogen, geht Moonee auch ihre Bestrafung mit viel Elan und Spaß an. Sie ist somit eine relativ liebenswerte Göre, der man nicht wirklich böse sein kann, weshalb Bobby einen gelungenen Vertreter für den Zuschauer darstellt. Sean Baker erzählt mit The Florida Project keine Geschichte im eigentlichen Sinne, sondern lässt das Publikum in Auszügen an dem Leben seiner Protagonisten teilhaben.
Die Armut der Figuren ist dabei immer präsent, aber zugleich selten im Fokus. Zum Beispiel wenn Halley täglich Moonee mit Scooty zu dessen Mutter Ashley (Mela Murder) schickt, die als Kellnerin in einem Diner ein paar Waffeln bei Seite schafft. Das alles ist aber nie wirklich Sozialkritik, sondern eher soziales Kolorit und erinnert dadurch ein wenig an “slice of life”-Filme wie Andrea Arnolds American Honey oder die Werke eines Harmony Korine. Es gelingt Baker überaus geschickt, die beiden parallel nebeneinander existierenden Welten im Kontrast zueinander zu zeigen. Exemplarisch veranschaulicht durch das wiederkehrende Motiv jener Hubschrauber, die unweit im Hintergrund stets zu Ausflügen über Disney World ansetzen.
Über 20 Millionen Menschen besuchen jährlich das Magic Kingdom, ein Großteil von ihnen Kinder von außerhalb. Unterdessen lebt in Florida jedes 5. Kind unterhalb der Armutsgrenze, so auch Moonee und Scooty im Magic Castle. Sie lassen sich jedoch von ihrer Situation nicht unterkriegen – wohl auch, weil sie diese (noch) nicht einschätzen können. Wenn Halley ihre Sozialhilfe gekürzt wird und Moonee sich mit Backwaren von der Heilsarmee eindeckt, ist dies für das Mädchen ein Stück weit ebenso verspieltes Abenteuer wie ihre tägliche Bettelei vor der hiesigen Eisdiele oder ein ergaunertes Frühstück von Halley in einer benachbarten Hotelanlage. “This is the life, man”, entfährt es der Tochter da aufrichtig an einer Stelle.
Schade ist es da allenfalls, dass wir abseits der Kinder und ihrer nahe stehenden Erwachsenen wenig von der Welt des Magic Castle und Futureland Inn mitkriegen. So zählen Moonee und Scooty bei ihrer ersten Begegnung mit Jancey erst einmal auf, welch illustre Gesellschaft aus Drogensüchtigen und Kriminellen bei ihnen Tür an der Tür wohnt. In der freizügigen Gloria (Sandy Kane) lernen wir dann in ein paar Szenen doch ausnahmsweise mal eine dieser Figuren kennen, die dabei unmittelbar in einer amüsanten Szene mit Bobby zeigen darf, dass es sich zweifellos gelohnt hätte, wenn The Florida Project seinen Fokus ein wenig erweitert hätte, um seine Protagonisten noch mehr im direkten Austausch mit anderen zu zeigen.
Passend zur Materie arbeitete Sean Baker für seinen jüngsten Film wieder größtenteils mit Laiendarstellern, von den überzeugenden Brooklyn Prince und Valeria Cotto hin zur kleinen Naturgewalt an Authentizität: Bria Vinaite. Beinahe unscheinbar fügt sich Willem Dafoe mit einer zurückgenommenen und doch sehr warmen Darbietung in dieses Ensemble von Amateuren ein. The Florida Project ist deshalb aber keine Dokumentation und will auch keine solche sein, eher schon eine Art Sozialmärchen mit und über jene Menschen, denen die meisten von uns im täglichen Leben abseits der Kinoleinwand vermutlich nicht allzu viel Beachtung schenken würden. Geschweige denn die Touristen eines Multi-Millionen-Dollar Ferienresorts wie Disney World.
Sean Baker untermauert wie in seinen Vorgängerwerken, dass er ein Gespür für jene Sorte Figuren hat, die bei anderen Filmemachern zu Karikaturen und Randfiguren verkämen. Wie die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einer Porno-Schauspielerin und einer Rentnerin in Starlet oder in Tangerine ein Duo transsexueller Prostituierter in Los Angeles. Ähnlich wie dort bildet die Geschichte auch in The Florida Project nur den Rahmen für eine Gruppe interessanter Figuren und ihre Interaktion. “You’re having to much fun”, wird Moonee da vorgehalten, als sie ihre Bestrafung kurzerhand zur Spaßveranstaltung umfunktioniert. Das Mädchen besitzt eben einen löblichen Geist, der sich nicht unterkriegen lässt. Nicht einmal von ihrer Armut.
The Florida Project widmet sich diesen Menschen am Rande der Gesellschaft. Jenen, die lediglich über begrenzte Möglichkeiten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verfügen. Denen es an einer Zukunft mangelt, weshalb es fast zynisch ist, wenn sie ihr Dasein in Motels mit Namen wie “Futureland Inn” fristen. Oder wie Halley und Moonee im purpurnen Magic Castle, das von Manager Bobby (Willem Dafoe) verwaltet wird. Dorthin verschlägt es eines Abends auch ein junges Paar brasilianischer Frischvermählter, die eigentlich in Disney World eine Reservierung im Magic Kingdom geplant hatten, ehe sie ein Missverständnis außerhalb des Resorts verschlug. “I feel bad for her”, zeigt Moonnee mit der jungen Braut, die den Tränen nahe ist, Mitleid.
Es ist eine der wenigen empathischen Szenen für das junge Mädchen, das sonst die meiste Zeit über eher den Schalk im Nacken hat. “You are shit!”, brüllt sie eine Bewohnerin des Motels nebenan zum Beispiel an, nachdem sie mit ihren Freunden zuvor deren Auto bespuckt hat. Oder sie vertreibt sich die Zeit, indem sie tote Fische in der eigenen Pool-Anlage entsorgt. “These are good kids. Most of the time”, bricht Bobby dennoch Moonee und ihren Freunden Scooty (Christopher Rivera) sowie Jancey (Valeria Cotto) eine Lanze. Dass unweit ihres Motels mit dem Disney World ein Kinder-Paradies existiert, scheinen die Kleinen dabei gar nicht mitzukriegen. Und lassen die Peripherie ihrer Motel-Anlage(n) vielmehr zum eigenen Resort geraten.
Auch aufgrund der vorherrschenden Sommerferien-Zeit dürfen Moonee und Co. meist Schalten und Walten wie es ihnen gefällt. “Let her do whatever she wants” ist zugleich Halleys (generelles) Motto, womit sie alles andere als eine Helikopter-Mutter darstellt. Wird die Tochter dann doch mal nach einem Vorfall wie der Auto-Bespuckerei zur Rechenschaft gezogen, geht Moonee auch ihre Bestrafung mit viel Elan und Spaß an. Sie ist somit eine relativ liebenswerte Göre, der man nicht wirklich böse sein kann, weshalb Bobby einen gelungenen Vertreter für den Zuschauer darstellt. Sean Baker erzählt mit The Florida Project keine Geschichte im eigentlichen Sinne, sondern lässt das Publikum in Auszügen an dem Leben seiner Protagonisten teilhaben.
Die Armut der Figuren ist dabei immer präsent, aber zugleich selten im Fokus. Zum Beispiel wenn Halley täglich Moonee mit Scooty zu dessen Mutter Ashley (Mela Murder) schickt, die als Kellnerin in einem Diner ein paar Waffeln bei Seite schafft. Das alles ist aber nie wirklich Sozialkritik, sondern eher soziales Kolorit und erinnert dadurch ein wenig an “slice of life”-Filme wie Andrea Arnolds American Honey oder die Werke eines Harmony Korine. Es gelingt Baker überaus geschickt, die beiden parallel nebeneinander existierenden Welten im Kontrast zueinander zu zeigen. Exemplarisch veranschaulicht durch das wiederkehrende Motiv jener Hubschrauber, die unweit im Hintergrund stets zu Ausflügen über Disney World ansetzen.
Über 20 Millionen Menschen besuchen jährlich das Magic Kingdom, ein Großteil von ihnen Kinder von außerhalb. Unterdessen lebt in Florida jedes 5. Kind unterhalb der Armutsgrenze, so auch Moonee und Scooty im Magic Castle. Sie lassen sich jedoch von ihrer Situation nicht unterkriegen – wohl auch, weil sie diese (noch) nicht einschätzen können. Wenn Halley ihre Sozialhilfe gekürzt wird und Moonee sich mit Backwaren von der Heilsarmee eindeckt, ist dies für das Mädchen ein Stück weit ebenso verspieltes Abenteuer wie ihre tägliche Bettelei vor der hiesigen Eisdiele oder ein ergaunertes Frühstück von Halley in einer benachbarten Hotelanlage. “This is the life, man”, entfährt es der Tochter da aufrichtig an einer Stelle.
Schade ist es da allenfalls, dass wir abseits der Kinder und ihrer nahe stehenden Erwachsenen wenig von der Welt des Magic Castle und Futureland Inn mitkriegen. So zählen Moonee und Scooty bei ihrer ersten Begegnung mit Jancey erst einmal auf, welch illustre Gesellschaft aus Drogensüchtigen und Kriminellen bei ihnen Tür an der Tür wohnt. In der freizügigen Gloria (Sandy Kane) lernen wir dann in ein paar Szenen doch ausnahmsweise mal eine dieser Figuren kennen, die dabei unmittelbar in einer amüsanten Szene mit Bobby zeigen darf, dass es sich zweifellos gelohnt hätte, wenn The Florida Project seinen Fokus ein wenig erweitert hätte, um seine Protagonisten noch mehr im direkten Austausch mit anderen zu zeigen.
Passend zur Materie arbeitete Sean Baker für seinen jüngsten Film wieder größtenteils mit Laiendarstellern, von den überzeugenden Brooklyn Prince und Valeria Cotto hin zur kleinen Naturgewalt an Authentizität: Bria Vinaite. Beinahe unscheinbar fügt sich Willem Dafoe mit einer zurückgenommenen und doch sehr warmen Darbietung in dieses Ensemble von Amateuren ein. The Florida Project ist deshalb aber keine Dokumentation und will auch keine solche sein, eher schon eine Art Sozialmärchen mit und über jene Menschen, denen die meisten von uns im täglichen Leben abseits der Kinoleinwand vermutlich nicht allzu viel Beachtung schenken würden. Geschweige denn die Touristen eines Multi-Millionen-Dollar Ferienresorts wie Disney World.
Sean Baker untermauert wie in seinen Vorgängerwerken, dass er ein Gespür für jene Sorte Figuren hat, die bei anderen Filmemachern zu Karikaturen und Randfiguren verkämen. Wie die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einer Porno-Schauspielerin und einer Rentnerin in Starlet oder in Tangerine ein Duo transsexueller Prostituierter in Los Angeles. Ähnlich wie dort bildet die Geschichte auch in The Florida Project nur den Rahmen für eine Gruppe interessanter Figuren und ihre Interaktion. “You’re having to much fun”, wird Moonee da vorgehalten, als sie ihre Bestrafung kurzerhand zur Spaßveranstaltung umfunktioniert. Das Mädchen besitzt eben einen löblichen Geist, der sich nicht unterkriegen lässt. Nicht einmal von ihrer Armut.
10/10
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